Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen H 213/2003
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H 213/03

Urteil vom 9. Februar 2004
IV. Kammer

Präsident Ferrari, Bundesrichterin Widmer und Bundesrichter Ursprung;
Gerichtsschreiberin Riedi Hunold

1. A.________,

2. B.________,

Beschwerdeführer, beide vertreten durch Advokat Christoph Dumartheray,
Steinentorstrasse 13, 4010 Basel,

gegen

Ausgleichskasse GastroSuisse, Heinerich Wirri-Strasse 3, 5000 Aarau,
Beschwerdegegnerin

Sozialversicherungsgericht Basel-Stadt, Basel

(Entscheid vom 21. Mai 2003)

Sachverhalt:

A.
Die Firma X.________ war bei der Ausgleichskasse Gastrosuisse (nachfolgend:
Ausgleichskasse) als Arbeitgeberin angeschlossen. Am 16. August 2001 wurde
über die Firma der Konkurs eröffnet und am 11. September 2001 mangels Aktiven
wieder eingestellt. B.________ war ab 13. November 2000 bis zum 29. Juni 2001
Mitglied des Verwaltungsrates mit Einzelunterschrift. Ab demselben Datum
verfügte A.________ über die Einzelunterschriftsberechtigung. Mit Verfügungen
vom 4. Januar 2002 verpflichtete die Ausgleichskasse die beiden unter
solidarischer Haftung zur Zahlung von Fr. 47'555.- Schadenersatz für
entgangene Beiträge.

B.
Nachdem sowohl A.________ als auch B.________ Einspruch erhoben hatten,
beantragte die Ausgleichskasse mit Klage vom 13. Februar 2002, A.________ und
B.________ seien unter solidarischer Haftbarkeit je zur Zahlung von 47'555.-
Schadenersatz für entgangene Beiträge zu verpflichten. Nachdem am 11. März
2002 eine Zahlung geleistet wurde, reduzierte die Ausgleichskasse ihr
Begehren auf Fr. 40'106.35. Das Sozialversicherungsgericht Basel-Stadt hiess
die Klage mit Entscheid vom 21. Mai 2003 im reduzierten Umfang gut.

C.
A.________ und B.________ lassen Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen und
beantragen, es seien der vorinstanzliche Entscheid aufzuheben und die Klage
vom 13. Februar 2002 abzuweisen. Die Ausgleichskasse schliesst auf Abweisung
der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das Bundesamt für Sozialversicherung
verzichtet auf eine Vernehmlassung.

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
Nachdem die Ausgleichskasse lediglich Schadenersatz für entgangene Beiträge
der AHV/IV/EO und der Arbeitslosenversicherung (zuzüglich Verzugszinsen)
sowie Verwaltungs- und Betreibungskosten geltend macht, ist auf die
Verwaltungsgerichtsbeschwerde vollumfänglich einzutreten (BGE 124 V 146 Erw.
1 mit Hinweis).

2.
Da es sich bei der angefochtenen Verfügung nicht um die Bewilligung oder
Verweigerung von Versicherungsleistungen handelt, hat das Eidgenössische
Versicherungsgericht nur zu prüfen, ob das vorinstanzliche Gericht
Bundesrecht verletzt hat, einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des
Ermessens, oder ob der rechtserhebliche Sachverhalt offensichtlich unrichtig,
unvollständig oder unter Verletzung wesentlicher Verfahrensbestimmungen
festgestellt worden ist (Art. 132 in Verbindung mit Art. 104 lit. a und b
sowie Art. 105 Abs. 2 OG).

3.
Am 1. Januar 2003 ist das Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des
Sozialversicherungsrechts (ATSG) vom 6. Oktober 2000 in Kraft getreten. Mit
ihm sind zahlreiche Bestimmungen im AHV-Bereich, insbesondere auch
hinsichtlich der Arbeitgeberhaftung nach Art. 52 AHVG, geändert sowie Art. 81
und 82 AHVV aufgehoben worden. Weil in zeitlicher Hinsicht grundsätzlich
diejenigen Rechtssätze massgebend sind, die bei der Erfüllung des zu
Rechtsfolgen führenden Tatbestandes Geltung haben (BGE 127 V 467 Erw. 1, 126
V 166 Erw. 4b), kommen jedoch die bis 31. Dezember 2002 geltenden
Bestimmungen zur Anwendung.

4.
Die Vorinstanz hat die massgebenden Bestimmungen (Art. 52 AHVG; Art. 14 Abs.
1 AHVG in Verbindung mit Art. 34 ff. AHVV) sowie die dazu ergangene
Rechtsprechung, insbesondere über die subsidiäre Haftung der Organe eines
Arbeitgebers (BGE 123 V 15 Erw. 5b; SVR 2003 AHV Nr. 1 S. 2 Erw. 3, je mit
Hinweisen), den zu ersetzenden Schaden (BGE 126 V 444 Erw. 3a, 123 V 15 Erw.
5b, 121 III 384 Erw. 3bb, je mit Hinweisen), die erforderliche
Widerrechtlichkeit (BGE 118 V 195 Erw. 2a; SVR 2001 AHV Nr. 15 S. 52 Erw. 6,
je mit Hinweisen), die Voraussetzung des Verschuldens (BGE 108 V 186 Erw. 1b,
202 Erw. 3a; ZAK 1992 S. 248 Erw. 4b, 1985 S. 620 Erw. 3b, je mit Hinweisen)
sowie den verlangten adäquaten Kausalzusammenhang (BGE 125 V 461 Erw. 5a, 119
V 406 Erw. 4a; AHI 1996 S. 292 Erw. 4, je mit Hinweisen), zutreffend
dargelegt. Darauf wird verwiesen.

5.
Die Beschwerdeführer bestreiten insbesondere den Schaden, ein massgebliches
Verschulden sowie den erforderlichen Kausalzusammenhang.

5.1 Die Beschwerdeführer machen geltend, während ihres Mandats als
Verantwortliche der konkursiten Firma seien die Ausstände gegenüber der
Ausgleichskasse kleiner geworden; es könne somit nicht gesagt werden, sie
hätten den Betrieb auf Kosten der Ausgleichskasse weitergeführt. Diesen
Ausführungen ist entgegen zu halten, dass sämtliche geltend gemachten
Zahlungen vor Erlass der Schadenersatzverfügung über das Betreibungsamt
geleistet wurden, weil die Firma für die andauernden und grossen Ausstände
betrieben werden musste. Zudem übersehen die Beschwerdeführer, dass sie mit
Übernahme ihres Mandats als Organ der Firma auch die Verantwortung für die
ausstehenden Beiträge übernommen hatten (BGE 119 V 407 Erw. 4c; ZAK 1992 S.
254 Erw. 7b, je mit Hinweisen). Dementsprechend sind sie nicht nur für die
während ihrer Zeit als Organ der Firma fällig gewordenen Beiträge haftbar,
sondern auch für alle früheren. Etwas anderes würde nur gelten, wenn die
Firma bei Antritt des Mandats als Organ bereits zahlungsunfähig und der
Schaden somit bereits eingetreten gewesen wäre (BGE 119 V 406 Erw. 4b und c).
Dem ist entgegen der Ansicht der Beschwerdeführer nicht so: Die Vorinstanz
hat zutreffend erkannt, dass sich die Firma im Zeitpunkt der Übernahme der
Geschäftsführung durch die Beschwerdeführer wohl in einem Liquiditätsengpass
befand, nicht aber zahlungsunfähig war. So waren die Beschwerdeführer in der
Lage, sowohl die Löhne auszubezahlen als auch andere Gläubiger zu
befriedigen. In dieser Situation wären die Beschwerdeführer gehalten gewesen,
nur soviel Lohn auszubezahlen, als sie in der Lage waren, auch die darauf ex
lege geschuldeten paritätischen Beiträge zu bezahlen (SVR 1995 AHV Nr. 70 S.
214 Erw. 5).

5.2 Die Belangten verweisen zudem auf das Darlehen der vom Beschwerdeführer
beherrschten Firma C.________ AG. Dies vermag sie jedoch nicht zu entlasten,
da weder das Erleiden persönlicher Verluste noch das Einschiessen privater
Mittel eine konkrete Bemühung um Bezahlung der ausstehenden Beiträge
darstellt (vgl. Urteil D. vom 8. Oktober 2001, H 94/01, Urteil B. vom 26.
September 2001, H 19/01, Urteil V. vom 15. September 2000, H 45/00, sowie
Urteil W. und C. vom 13. Dezember 2000, H 124/00 und H 125/00). So ist denn
auch weder ersichtlich noch wird geltend gemacht, dass die eingebrachten Fr.
60'000.- oder ein Teil davon zur Begleichung der aufgelaufenen
Beitragsschulden verwendet wurde.

5.3 Die Beschwerdeführer erheben weiter den Einwand, die Ausgleichskasse habe
es versäumt, auch andere ehemalige Verwaltungsräte und die Revisionsstelle zu
belangen, und es unterlassen, eine Haftungsminderung auf Grund des
Mitverschuldens dieser Mitbeteiligten vorzunehmen. Sie verkennen dabei, dass
es sich bei der Haftung nach Art. 52 AHVG um eine solidarische Haftung
handelt; mithin steht es der Ausgleichskasse frei, einen, mehrere oder alle
möglichen Schadenersatzpflichtigen zu belangen (BGE 119 V 87 Erw. 5a; AHI
1996 S. 293 Erw. 6, je mit Hinweisen; vgl. auch Urteil B. vom 25. September
2002, H 92/01). Im Übrigen kennt das Verfahren nach Art. 52 AHVG eine
Haftungsreduktion infolge Mitverschuldens anderer Personen, insbesondere
gestützt auf Art. 759 Abs. 1 OR, nicht (AHI 1996 S. 291 mit Hinweisen).
Einzig ein Mitverschulden der Ausgleichskasse wäre ein Herabsetzungsgrund
(BGE 122 V 185); es liegen jedoch keine Anhaltspunkte vor, die ein
Mitverschulden der Ausgleichskasse als wahrscheinlich erscheinen lassen
würden.

6.
Da es nicht um die Bewilligung oder Verweigerung von Versicherungsleistungen
geht, ist das Verfahren kostenpflichtig (Art. 134 OG e contrario). Die
unterliegenden Beschwerdeführer haben demnach die Gerichtskosten zu tragen
(Art. 156 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 135 OG).

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 4000.- werden den Beschwerdeführern zu gleichen
Teilen auferlegt. Sie sind durch den Kostenvorschuss von insgesamt Fr. 7000.-
gedeckt; der Differenzbetrag von je Fr. 1500.- wird den Beschwerdeführern
zurückerstattet.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht Basel-Stadt
und dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt.

Luzern, 9. Februar 2004
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Der Präsident der IV. Kammer:  Die Gerichtsschreiberin: