Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen H 15/2003
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H 15/03

Urteil vom 17. März 2004
III. Kammer

Präsidentin Leuzinger, Bundesrichter Rüedi und Lustenberger;
Gerichtsschreiber Widmer

K.________, Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwalt Hans
Hegetschweiler, Stampfenbachstrasse 151, 8006 Zürich,

gegen

Ausgleichskasse des Kantons Zürich, Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich,
Beschwerdegegnerin,

Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, Winterthur

(Entscheid vom 19. November 2002)

Sachverhalt:

A.
Der 1930 geborene W.________ war seit 1. Januar 1992 als
Selbstständigerwerbender der Ausgleichskasse des Kantons Zürich
angeschlossen. Am 23. September 1999 meldete das Kantonale Steueramt Zürich,
Abteilung Direkte Bundessteuer, der Ausgleichskasse, W.________ habe aus
selbstständiger Erwerbstätigkeit Einkommen von Fr. 17'802.-- (1992), Fr.
1'033'301.-- (1993) und Fr. 78'502.-- (1994) erzielt; darin eingeschlossen
seien für 1993 der Gewinn aus dem Verkauf von sechs
Stockwerkeigentumseinheiten im Betrag von Fr. 830'565.-- und für 1994 der
Gewinn aus dem Verkauf einer Stockwerkeigentumseinheit (Fr. 31'206.--). Mit
fünf Verfügungen vom 6. Oktober 1999 verpflichtete die Ausgleichskasse
W.________ zur Bezahlung der persönlichen Beiträge für die Jahre 1992 bis 31.
Oktober 1997, wobei sie der Beitragsbemessung für 1992-1994 die in den
jeweiligen Jahren erzielten Einkommen, für 1995 bis 31. Oktober 1997 das
Durchschnittseinkommen der Jahre 1993/94 zu Grunde legte.

B.
Die von W.________ eingereichte Beschwerde, mit welcher er im Wesentlichen
beantragen liess, unter Aufhebung der Kassenverfügungen vom 6. Oktober 1999
für die Jahre 1993-1997 seien die persönlichen Beiträge neu festzulegen,
wobei die Gewinne aus der Veräusserung der Stockwerkeigentumseinheiten bei
der Berechnung des Einkommens ausser Acht zu lassen seien, wies das
Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich ab (Entscheid vom 19. November
2002).

C.
W.________ verstarb am 18. November 2002. Seine Ehefrau K.________, welche
vom Verstorbenen testamentarisch als Alleinerbin eingesetzt worden war, lässt
Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen mit dem Antrag, der vorinstanzliche
Entscheid sowie die Beitragsverfügungen betreffend die Jahre 1993-1997 seien
aufzuheben mit der Feststellung, dass der Erlös aus dem Verkauf der
Stockwerkeigentumseinheiten in den Jahren 1993 und 1994 nicht für die
Beitragsbemessung herangezogen werden könne; die Beiträge für die Jahre
1993/94 seien dementsprechend neu festzusetzen, während für die Jahre
1995-1997 von der Erhebung persönlicher Beiträge abzusehen sei.
Die Ausgleichskasse und das Bundesamt für Sozialversicherung verzichten auf
eine Vernehmlassung.

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
Da keine Versicherungsleistungen streitig sind, hat das Eidgenössische
Versicherungsgericht nur zu prüfen, ob der vorinstanzliche Entscheid
Bundesrecht verletzt, einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des
Ermessens, oder ob der rechtserhebliche Sachverhalt offensichtlich unrichtig,
unvollständig oder unter Verletzung wesentlicher Verfahrensbestimmungen
festgestellt worden ist (Art. 132 in Verbindung mit Art. 104 lit. a und b
sowie Art. 105 Abs. 2 OG).

Ferner ist Art. 114 Abs. 1 OG zu beachten, wonach das Eidgenössische
Versicherungsgericht in Abgabestreitigkeiten an die Parteibegehren nicht
gebunden ist, wenn es im Prozess um die Verletzung von Bundesrecht oder um
die unrichtige oder unvollständige Feststellung des Sachverhalts geht.

2.
Die Vorinstanz hat die Voraussetzungen, unter denen der Gewinn aus der
Veräusserung eines Grundstücks Einkommen aus selbstständiger Erwerbstätigkeit
im Sinne von Art. 9 Abs. 1 AHVG und Art. 17 AHVV bildet, unter Hinweis auf
die Rechtsprechung (BGE 125 II 113, 98 V 90) zutreffend dargelegt. Richtig
sind auch die Ausführungen zur Pflicht der Ausgleichskasse, für die
Festsetzung der Beiträge im ausserordentlichen Verfahren das Erwerbseinkommen
der beitragspflichtigen Person selbst einzuschätzen, wenn keine Meldung der
kantonalen Steuerbehörde vorliegt (Art. 24 und 26 Abs. 1 AHVV in der hier
anwendbaren, bis Ende 2000 gültig gewesenen Fassung), sowie zur
Beitragsfestsetzung im ordentlichen und im ausserordentlichen Verfahren (Art.
22 und 25 Abs. 1 und 3 [in der bis Ende 2000 gültig gewesenen Fassung] und
Abs. 4 AHVV [in der bis 31. Dezember 1994 gültig gewesenen Fassung]). Darauf
kann verwiesen werden.

Zu ergänzen ist, dass das am 1. Januar 2003 in Kraft getretene Bundesgesetz
über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG) vom 6. Oktober
2000 im vorliegenden Fall nicht anwendbar ist, da nach dem massgebenden
Zeitpunkt des Erlasses der streitigen Verfügungen (hier: 6. Oktober 1999)
eingetretene Rechts- und Sachverhaltsänderungen vom
Sozialversicherungsgericht nicht berücksichtigt werden (BGE 127 V 467 Erw. 1,
121 V 366 Erw. 1b).

3.
3.1 Das kantonale Gericht hat mit einlässlicher Begründung zutreffend
festgestellt, dass die von W.________ in den Jahren 1993/94 erzielten Gewinne
aus dem Verkauf der insgesamt sieben Stockwerkeigentumseinheiten als
Einkommen aus selbstständiger Erwerbstätigkeit der Beitragspflicht
unterliegen, was, wie bereits im vorinstanzlichen Verfahren, auch in der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde nicht ernstlich bestritten wird. Die
entsprechenden Einwendungen der Beschwerdeführerin beschlagen im Wesentlichen
nicht die Erfassung des Verstorbenen als Liegenschaftenhändler, sondern die
Höhe des der Beitragspflicht unterworfenen Gewinns sowie die Dauer der
Beitragspflicht als Selbstständigerwerbender.

3.2 Was die Höhe der aus dem Verkauf geflossenen Gewinne anbelangt, ist die
Meldung des kantonalen Steueramtes für die Ausgleichskasse zwar nicht
verbindlich, weil ihr keine rechtskräftige Veranlagung für die direkte
Bundessteuer oder die kantonale Einkommenssteuer zu Grunde liegt. Indessen
ist mit der Vorinstanz von einer eigenen Einschätzung der Ausgleichskasse im
Sinne von Art. 24 Abs. 1 AHVV auszugehen, die sich an der Steuermeldung vom
23. September 1999 orientierte, welche wiederum auf der
Grundstückgewinnsteuerabrechnung der Gemeinde X.________ basierte. Wenn die
Vorinstanz bezüglich der Höhe der in den Jahren 1993/94 erzielten Gewinne aus
dem Liegenschaftsverkauf mit der Ausgleichskasse auf die Steuermeldung
abstellte, hat sie weder den rechtserheblichen Sachverhalt mangelhaft im
Sinne von Art. 105 Abs. 2 OG festgestellt noch Bundesrecht verletzt (Art. 104
OG). Die Beschwerdeführerin vermag namentlich nicht darzutun, inwiefern die
Ermittlung des Gewinns aus dem Verkauf der Stockwerkeigentumseinheiten an
Hand der grundbuchlichen Wertquoten gegen Bundesrecht verstossen soll.
Stimmen die grundbuchlichen nicht mit den tatsächlichen Wertquoten überein,
wie die Beschwerdeführerin dies hinsichtlich der verkauften
Stockwerkeigentumseinheiten behauptet, und wirkt sich dieser Umstand für den
Veräusserer ahv-beitragsrechtlich nachteilig aus, ist dies den Intentionen
der Begründer des Stockwerkeigentums zuzuschreiben (Stimmkraft, Verhindern
von Privilegien für Besitzer teurer Wohnungen), wie in der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde richtig bemerkt wird. Solche beabsichtigten
Folgen der Aufteilung einer Liegenschaft in Stockwerkeigentum sind im
Zusammenhang mit der AHV-Beitragspflicht hinzunehmen. Ein Anlass, eine
Verkehrswertschätzung für die Liegenschaft und die verkauften Einheiten
bezogen auf das Jahr 1993 anzuordnen, besteht nicht, weshalb dem
entsprechenden Beweisantrag nicht stattzugeben ist. In Bezug auf die weiteren
Vorbringen der Beschwerdeführerin betreffend die Beiträge für die Jahre 1993
und 1994, insbesondere den Einwand, ihr verstorbener Ehegatte hätte erst ab
1990 als Liegenschaftenhändler qualifiziert werden können, weil die später
überbaute Liegenschaft bis zu diesem Zeitpunkt in seinem Privatvermögen
gestanden habe, sowie die Frage der Verwirkung der Beiträge nach Art. 16 Abs.
1 AHVG, wird auf die Erwägungen der Vorinstanz verwiesen, welchen
beizupflichten ist.

4.
4.1 Das kantonale Gericht nahm an, die selbstständige Erwerbstätigkeit habe
mit dem Verkauf der letzten Stockwerkeigentumseinheiten im Oktober 1997
geendet.

Die Beschwerdeführerin wendet hiegegen ein, beim Verkauf im Jahre 1997 habe
es sich um eine Eigentumsübertragung besonderer Art unter Verwandten
gehandelt. Der Verstorbene habe damals die verbleibende Wertquote von
479/1000 mit einem grossen Verlust an die Beschwerdeführerin und drei seiner
Kinder verkauft. Diese Veräusserung aus familiären und steuerlichen Gründen
könne nicht einer Erwerbstätigkeit gleichgesetzt werden. Der Verkauf sei mit
einem Erbvorbezug oder einer vorweggenommenen Erbteilung vergleichbar, nicht
aber mit der Erstellung und dem Verkauf von Stockwerkeigentumseinheiten an
Dritte.

4.2 Da der angefochtene Entscheid in Bezug auf den hier interessierenden
Grundstücksverkauf im Oktober 1997 keine Feststellungen tatsächlicher Natur
enthält, kann das Eidgenössische Versicherungsgericht den rechtserheblichen
Sachverhalt frei prüfen (Art. 105 Abs. 2 OG).

Laut Auszug aus dem Protokoll der Sitzung des Gemeinderates X.________ vom 4.
Dezember 1997 betreffend Grundstückgewinnsteuer verkaufte W.________ am 28.
Oktober 1997 Miteigentumsanteile von gesamthaft 479/1000 an der Liegenschaft
zum Preis von Fr. 1'400'000.-- an seine Ehefrau, die heutige
Beschwerdeführerin, und drei seiner Töchter zu Gesamteigentum in Folge
einfacher Gesellschaft. Dieses Rechtsgeschäft, mit welchem der Verstorbene
die noch unverkauften Anteile an der Liegenschaft gesamthaft zu einem
herabgesetzten Preis einzelnen Familienangehörigen verkauft hat, ist das
Einzige, das er nach 1994 im Immobiliensektor noch abgewickelt hat. Den
verstorbenen W.________ einzig wegen dieses Verkaufs, dem die Merkmale
gewerbsmässigen Immobilienhandels abgehen, über 1994 hinaus als
selbstständigerwerbenden Liegenschaftenhändler zu qualifizieren, ist
bundesrechtswidrig. Ob erb- oder steuerrechtliche Gesichtspunkte oder die
Neuordnung des Vermögens innerhalb der Familie bei dieser Handänderung im
Vordergrund standen, ist unerheblich. Denn die Tatsache, dass mit einer
Transaktion steuerliche Effekte verbunden sind und angestrebt werden, macht
diese noch nicht zu einer geschäftlichen Transaktion, wie die
Beschwerdeführerin zutreffend bemerkt. Für die Jahre 1995 bis Oktober 1997
ist die Beitragspflicht demnach zu verneinen.

5.
Die Beschwerdeführerin obsiegt hinsichtlich der Beiträge für die Jahre
1995-1997, während sie mit Bezug auf die Beiträge für die Jahre 1993/94
unterliegt. Diesem Verfahrensausgang entsprechend sind die Gerichtskosten zu
40 % der Beschwerdeführerin und zu 60 % der Ausgleichskasse aufzuerlegen
(Art. 156 Abs. 3 in Verbindung mit Art. 135 OG). Ferner hat die
Ausgleichskasse der Beschwerdeführerin eine reduzierte Parteientschädigung zu
bezahlen (Art. 159 Abs. 3 in Verbindung mit Art. 135 OG).

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
In teilweiser Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde werden der
Entscheid des Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 19. November
2002, soweit er die Beitragsjahre 1995-1997 zum Gegenstand hat, und die
Beitragsverfügungen vom 6. Oktober 1999 betreffend die Beitragsjahre
1995-1997 aufgehoben. Im Übrigen wird die Verwaltungsgerichtsbeschwerde
abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 7'000.-- werden zu 60 % (Fr. 4'200.--) der
Ausgleichskasse des Kantons Zürich und zu 40 % (Fr. 2'800.--) der
Beschwerdeführerin auferlegt. Der auf die Beschwerdeführerin entfallende
Anteil ist durch den geleisteten Kostenvorschuss von Fr. 7'000.-- gedeckt.
Der Differenzbetrag von Fr. 4'200.-- wird zurückerstattet.

3.
Die Ausgleichskasse des Kantons Zürich hat der Beschwerdeführerin für das
Verfahren vor dem Eidgenössischen Versicherungsgericht eine
Parteientschädigung von Fr. 1'500.-- (einschliesslich Mehrwertsteuer) zu
bezahlen.

4.
Das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich wird über eine
Parteientschädigung für das kantonale Verfahren entsprechend dem Ausgang des
letztinstanzlichen Prozesses zu befinden haben.

5.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt.

Luzern, 17. März 2004
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Die Präsidentin der III. Kammer:  Der Gerichtsschreiber: