Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen H 153/2003
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H 153/03

Urteil vom 18. Dezember 2003
IV. Kammer

Präsidentin Leuzinger, Bundesrichter Rüedi und Ferrari; Gerichtsschreiberin
Riedi Hunold

Bundesamt für Sozialversicherung, Effingerstrasse 20, 3003 Bern,
Beschwerdeführer,

gegen

S.________, 1947, Beschwerdegegner,

Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, Winterthur

(Entscheid vom 14. März 2003)

Sachverhalt:

A.
Mit Rechnung vom 21. Dezember 2001 stellte die Ausgleichskasse des Kantons
Zürich (nachfolgend: Ausgleichskasse) gestützt auf die Nachtragsverfügung vom
20. Dezember 2001 dem ihr als Selbstständigerwerbender angeschlossenen
S.________ auszugleichende Beiträge für das Jahr 2000 in Rechnung. Dieser
bezahlte mit Valuta vom 22. Januar 2002 den geforderten Betrag. Die
geschuldeten Beiträge wurden am 23. Januar 2002 dem Konto der Ausgleichskasse
gutgeschrieben. Am 24. Januar 2002 verlangte die Ausgleichskasse von
S.________ Verzugszinsen in der Höhe von Fr. 315.55.

B.
Die hiegegen erhobene Beschwerde hiess das Sozialversicherungsgericht des
Kantons Zürich mit Entscheid vom 14. März 2003 gut.

C.
Das Bundesamt für Sozialversicherung (nachfolgend: BSV) führt
Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag, es sei der vorinstanzliche
Entscheid aufzuheben. S.________ schliesst auf Abweisung der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Die Ausgleichskasse verzichtet auf eine
Vernehmlassung.

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
1.1 Der Beschwerdegegner beantragt in seiner Vernehmlassung, das
Eidgenössische Versicherungsgericht habe von Amtes wegen zu prüfen, ob die
Verwaltungsgerichtsbeschwerde innert der 30-tägigen Beschwerdefrist
eingereicht worden sei.

1.2 Der vorinstanzliche Entscheid vom 14. März 2003 wurde am 20. März den
Parteien und dem BSV zugestellt. Letzteres nahm diesen am 24. März 2003
entgegen. Unter Berücksichtigung der Gerichtsferien gemäss Art. 34 Abs. 1
lit. a in Verbindung mit Art. 135 OG hat das BSV mit seiner Eingabe vom 5.
Mai 2003 die Beschwerdefrist gewahrt.

2.
Am 1. Januar 2003 ist das Bundesgesetz über den allgemeinen Teil des
Sozialversicherungsrechts (ATSG) vom 6. Oktober 2000 in Kraft getreten. Mit
ihm sind zahlreiche Bestimmungen im AHV-Bereich geändert worden. Weil in
zeitlicher Hinsicht grundsätzlich diejenigen Rechtssätze massgebend sind, die
bei der Erfüllung des zu Rechtsfolgen führenden Tatbestandes Geltung haben,
und weil ferner das Sozialversicherungsgericht bei der Beurteilung eines
Falles grundsätzlich auf den bis zum Zeitpunkt des Erlasses der streitigen
Verfügung eingetretenen Sachverhalt abstellt, sind im vorliegenden Fall die
bis zum 31. Dezember 2002 geltenden Bestimmungen anwendbar (BGE 129 V 4 Erw.
1.2 mit Hinweisen).

3.
Da es sich bei der angefochtenen Verfügung nicht um die Bewilligung oder
Verweigerung von Versicherungsleistungen handelt, hat das Eidgenössische
Versicherungsgericht nur zu prüfen, ob das vorinstanzliche Gericht
Bundesrecht verletzt hat, einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des
Ermessens, oder ob der rechtserhebliche Sachverhalt offensichtlich unrichtig,
unvollständig oder unter Verletzung wesentlicher Verfahrensbestimmungen
festgestellt worden ist (Art. 132 in Verbindung mit Art. 104 lit. a und b
sowie Art. 105 Abs. 2 OG).

4.
Art. 14 Abs. 4 lit. e AHVG in der bis 31. Dezember 2002 geltenden Fassung
beauftragt den Bundesrat zum Erlass von Vorschriften über die Erhebung von
Verzugszinsen und die Ausrichtung von Vergütungszinsen. Dabei kommt ihm ein
weiter Ermessensspielraum zu (AHI 2003 S. 144 Erw. 3.3 mit Hinweisen). Von
dieser Kompetenz hat der Bundesrat Gebrauch gemacht und die hier
massgebenden, seit 1. Januar 2001 in Kraft stehenden Art. 41bis ff. AHVV
erlassen. Verzugszinsen sind auf auszugleichenden Beiträgen zu entrichten,
die nicht innert 30 Tagen seit Rechnungsstellung geleistet werden (Art. 41bis
Abs. 1 lit. e AHVV). Der Zinsenlauf beginnt mit der Rechnungsstellung durch
die Ausgleichskasse (Art. 41bis Abs. 1 lit. e AHVV) und endet mit der
vollständigen Bezahlung der Beiträge (Art. 41bis Abs. 2 AHVV). Als bezahlt
gelten Beiträge mit Zahlungseingang bei der Ausgleichskasse (Art. 42 Abs. 1
AHVV). Die Zinsen werden tageweise berechnet; ganze Monate werden zu 30 Tagen
gerechnet (Art. 42 Abs. 3 AHVV). Das Eidgenössische Versicherungsgericht hat
Art. 42 Abs. 1 AHVV als mit Gesetz und Verfassung vereinbar beurteilt (AHI
2003 S. 143). Mit Urteil M. AG vom 10. November 2003, H 148/03, hat es die
Weisung des BSV im Kreisschreiben über Verzugs- und Vergütungszinsen (KSVZ)
in der AHV, IV und EO (gültig ab 1. Januar 2001), wonach die Verzugszinsen
nach der deutschen Zinsusanz zu berechnen seien (Rz. 4014 KSVZ), nicht
beanstandet. Demnach werden dem Jahr 360 Tage und jedem Monat 30 Tage
zugrunde gelegt, ungeachtet davon, wie viele Tage der Monat tatsächlich
beträgt. Für den Monat Februar bedeutet dies, dass in normalen Jahren der
28., in Schaltjahren der 29. der letzte Tag, also der 30. Tag des Monats ist.

5.
5.1 Der Beschwerdegegner macht in seiner Vernehmlassung geltend, er habe nie
eine Rechnung vom 21. Dezember 2001 gestützt auf die Nachtragsverfügung vom
20. Dezember 2001 erhalten; der von der Ausgleichskasse vorgelegte
Kontoauszug sei kein genügender Nachweis für deren Zustellung.

5.2 Die Vorinstanz hatte den Beschwerdegegner aufgefordert, ihr die Rechnung
vom 21. Dezember 2001 zu schicken. Dieser liess ihr eine Kopie der
Verzugszinsrechnung vom 24. Januar 2002 zukommen. Auf die Aufforderung des
kantonalen Gerichts, eine Kopie der Rechnung vom 21. Dezember 2001
einzureichen, teilte die Ausgleichskasse der Vorinstanz mit, dies sei ihr
nicht möglich, da diese vom Rechnungssystem zentral erstellt worden sei und
nicht mehr nachproduziert werden könne. Zum Nachweis des Versands der
entsprechenden Rechnung verwies die Ausgleichskasse auf den detaillierten
Kontoauszug des Versicherten. Die Vorinstanz liess in ihrem Entscheid vom 14.
März 2003 die Frage offen, wann genau die Rechnung vom 21. Dezember 2001
versandt wurde.

5.3 Die Verwaltung als verfügende Instanz und - im Beschwerdefall - das
Gericht dürfen eine Tatsache nur dann als bewiesen annehmen, wenn sie von
ihrem Bestehen überzeugt sind (Kummer, Grundriss des Zivilprozessrechts, 4.
Aufl., Bern 1984, S. 136). Im Sozialversicherungsrecht hat das Gericht seinen
Entscheid, sofern das Gesetz nicht etwas Abweichendes vorsieht, nach dem
Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit zu fällen. Die blosse
Möglichkeit eines bestimmten Sachverhalts genügt den Beweisanforderungen
nicht. Der Richter und die Richterin haben vielmehr jener
Sachverhaltsdarstellung zu folgen, die sie von allen möglichen
Geschehensabläufen als die wahrscheinlichste würdigen (BGE 126 V 360 Erw. 5b,
125 V 195 Erw. 2, je mit Hinweisen).

5.4 Der Nachweis des Versands der Rechnung vom 21. Dezember 2001 kann nicht
bloss durch eine Kopie derselben, sondern auch durch andere Beweismittel
erbracht werden. In ihrer Beschwerdeantwort im kantonalen Verfahren verweist
die Ausgleichskasse auf die Nachtragsverfügung vom 20. Dezember 2001 sowie
auf den Kontoauszug vom 7. März 2002, wonach am 21. Dezember 2001 eine EDV
erstellte Rechnung bezüglich der persönlichen Beiträge 2000 über Fr.
71'001.60 versandt wurde. Dass der Beschwerdeführer diese Rechnung erhalten
haben muss, ergibt sich aus der Verbuchung vom 23. Januar 2002 im
Kontoauszug, wonach der ausstehende Betrag mit dem EDV erstellten und der
Rechnung angehängten Einzahlungsschein beglichen wurde (Vermerk: 23.01.2002
ESR). Die Darlegung des Beschwerdegegners erweist sich somit als reine
Schutzbehauptung und es ist der Darstellung der Ausgleichskasse zu folgen,
gemäss welcher die Rechnung am 21. Dezember 2001 versandt wurde. Auf der
Verzugszinsabrechnung vom 24. Januar 2002 wird denn auch - in Übereinstimmung
mit dem Kontoauszug - auf die Rechnung 2001/0005 vom 21. Dezember 2001 Bezug
genommen. Das Eidgenössische Versicherungsgericht erachtet es demnach mit dem
Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit als erstellt, dass die
Rechnung vom 21. Dezember 2001 an diesem Tag versandt und dem
Beschwerdegegner auch zugestellt wurde.

6.
6.1 Die Vorinstanz hat die Beschwerde des Versicherten gutgeheissen, indem sie
zum Schluss kam, es seien der Beginn des Zinsenlaufs und der Beginn der
30-tägigen "Schonfrist" auseinanderzuhalten; für den Beginn der letzteren sei
nicht das Datum der Rechnungsausstellung sondern das Datum der
Rechnungszustellung massgebend.

6.2 Dieser Ansicht ist nicht beizupflichten. Wie das Eidgenössische
Versicherungsgericht in seinem Urteil P. AG vom 28. November 2002 (AHI 2003
S. 143) entschieden hat, ist für die Feststellung, ob ein Betrag innerhalb
der Frist von 30 Tagen geleistet wurde, einerseits das Datum der
Rechnungsausstellung, andererseits die Gutschrift des bezahlten Betrags auf
dem Konto der Ausgleichskasse massgebend. Demnach sind entgegen den
Erwägungen des kantonalen Gerichts die gemäss Nachtragsverfügung vom 20.
Dezember 2001 und Rechnung vom 21. Dezember 2001 geschuldeten Beiträge erst
am 23. Januar 2002 auf dem Konto der Ausgleichskasse gutgeschrieben und somit
nicht innert der Frist von 30 Tagen seit Rechnungsstellung geleistet worden.
Die Ausgleichskasse hat demnach zu Recht Verzugszinsen für 32 Tage ([30 - 21]
Tage für den Dezember 2001 und 23 Tage für den Januar 2002) verlangt. Daran
ändert - entgegen der Ansicht des Beschwerdegegners - auch der Umstand
nichts, dass die Nachtragsverfügung vom 20. Dezember 2001 noch nicht
rechtskräftig war, was im Übrigen keine Schlechterstellung des Versicherten
bewirkt; denn die Ausgleichskasse hat auf zu erstattenden Beiträgen einen
Vergütungszins zu leisten, sofern sie die Rückzahlung nicht innert 30 Tagen
vornimmt (Art. 41ter Abs. 3 AHVV). Der kantonale Entscheid ist nach dem
Gesagten aufzuheben.

7.
Da es nicht um die Bewilligung oder Verweigerung von Versicherungsleistungen
geht, ist das Verfahren kostenpflichtig (Art. 134 OG e contrario). Der
Beschwerdegegner hat als unterliegende Partei die Gerichtskosten zu tragen
(Art. 156 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 135 OG).

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
In Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird der Entscheid des
Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 14. März 2003 aufgehoben.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden dem Beschwerdegegner auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich und der Ausgleichskasse des Kantons Zürich zugestellt.

Luzern, 18. Dezember 2003
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Die Präsidentin der IV. Kammer:  Die Gerichtsschreiberin: