Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen H 144/2003
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H 144/03

Urteil vom 22. Dezember 2003
IV. Kammer

Präsidentin Leuzinger, Bundesrichter Rüedi und Ferrari; Gerichtsschreiberin
Riedi Hunold

F.________, 1961, Beschwerdeführer,

gegen

Ausgleichskasse des Kantons Bern, Abteilung
Beiträge und Zulagen, Chutzenstrasse 10, 3007 Bern, Beschwerdegegnerin

Verwaltungsgericht des Kantons Bern, Bern

(Entscheid vom 1. April 2003)

Sachverhalt:

A.
F. ________ war von 1. Januar 1993 bis Ende 2000 als Selbstständigerwerbender
der Ausgleichskasse des Kantons Bern (nachfolgend: Ausgleichskasse)
angeschlossen. Mit Verfügungen vom 4. November 2002 erhob die Ausgleichskasse
Sonderbeiträge auf Kapitalgewinnen in den Jahren 1999 und 2000. F.________
beglich mit Valuta vom 4. Dezember 2002 die entsprechende Rechnung. Der
geschuldete Betrag wurde am 6. Dezember 2002 der Ausgleichskasse
gutgeschrieben. Am 12. Dezember 2002 verfügte die Ausgleichskasse
Verzugszinsen in der Höhe von Fr. 72.15 für die Dauer von 33 Tagen.

B.
F.________ erhob hiegegen Beschwerde. Im Rahmen der Beschwerdeantwort erliess
die Ausgleichskasse am 26. Februar 2003 eine neue Verfügung und reduzierte
die Verzugszinsen auf Fr. 70.- bzw. auf 32 Tage. Mit Entscheid vom 1. April
2003 wies das Verwaltungsgericht des Kantons Bern die Beschwerde ab.

C.
F.________ führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag, die
Verzugszinsforderungen seien aufzuheben. Die Ausgleichskasse enthält sich in
ihrer Stellungnahme eines Antrags. Das Bundesamt für Sozialversicherung
(nachfolgend: BSV) verzichtet auf eine Vernehmlassung.

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
Am 1. Januar 2003 ist das Bundesgesetz über den allgemeinen Teil des
Sozialversicherungsrechts (ATSG) vom 6. Oktober 2000 in Kraft getreten. Mit
ihm sind zahlreiche Bestimmungen im AHV-Bereich geändert worden. Weil in
zeitlicher Hinsicht grundsätzlich diejenigen Rechtssätze massgebend sind, die
bei der Erfüllung des zu Rechtsfolgen führenden Tatbestandes Geltung haben,
und weil ferner das Sozialversicherungsgericht bei der Beurteilung eines
Falles grundsätzlich auf den bis zum Zeitpunkt des Erlasses der streitigen
Verfügung eingetretenen Sachverhalt abstellt, sind im vorliegenden Fall die
bis zum 31. Dezember 2002 geltenden Bestimmungen anwendbar (BGE 129 V 4 Erw.
1.2 mit Hinweisen).

2.
Da es sich bei der angefochtenen Verfügung nicht um die Bewilligung oder
Verweigerung von Versicherungsleistungen handelt, hat das Eidgenössische
Versicherungsgericht nur zu prüfen, ob das vorinstanzliche Gericht
Bundesrecht verletzt hat, einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des
Ermessens, oder ob der rechtserhebliche Sachverhalt offensichtlich unrichtig,
unvollständig oder unter Verletzung wesentlicher Verfahrensbestimmungen
festgestellt worden ist (Art. 132 in Verbindung mit Art. 104 lit. a und b
sowie Art. 105 Abs. 2 OG).

3.
Art. 14 Abs. 4 lit. e AHVG in der bis 31. Dezember 2002 geltenden Fassung
beauftragt den Bundesrat zum Erlass von Vorschriften über die Erhebung von
Verzugszinsen und die Ausrichtung von Vergütungszinsen. Dabei kommt ihm ein
weiter Ermessensspielraum zu (AHI 2003 S. 144 Erw. 3.3 mit Hinweisen). Von
dieser Kompetenz hat der Bundesrat Gebrauch gemacht und die hier
massgebenden, seit 1. Januar 2001 in Kraft stehenden Art. 41bis ff. AHVV
erlassen. Verzugszinsen sind auf auszugleichenden Beiträgen zu entrichten,
die nicht innert 30 Tagen seit Rechnungsstellung geleistet werden (Art. 41bis
Abs. 1 lit. e AHVV). Der Zinsenlauf beginnt mit der Rechnungsstellung durch
die Ausgleichskasse (Art. 41bis Abs. 1 lit. e AHVV) und endet mit der
vollständigen Bezahlung der Beiträge (Art. 41bis Abs. 2 AHVV). Als bezahlt
gelten Beiträge mit Zahlungseingang bei der Ausgleichskasse (Art. 42 Abs. 1
AHVV). Die Zinsen werden tageweise berechnet; ganze Monate werden zu 30 Tagen
gerechnet (Art. 42 Abs. 3 AHVV). Das Eidgenössische Versicherungsgericht hat
Art. 42 Abs. 1 AHVV als mit Gesetz und Verfassung vereinbar beurteilt (AHI
2003 S. 143). Mit Urteil M. AG vom 10. November 2003, H 148/03, hat es die
Weisung des BSV im Kreisschreiben über Verzugs- und Vergütungszinsen (KSVZ)
in der AHV, IV und EO (gültig ab 1. Januar 2001), wonach die Verzugszinsen
nach der deutschen Zinsusanz zu berechnen seien (Rz 4014 KSVZ), nicht
beanstandet. Demnach werden dem Jahr 360 Tage und jedem Monat 30 Tage
zugrunde gelegt, ungeachtet davon, wie viele Tage der Monat tatsächlich
beträgt.

4.
Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers ist die Begleichung der
geschuldeten Beiträge verspätet erfolgt. Wie das Eidgenössische
Versicherungsgericht in AHI 2003 S. 144 Erw. 3.3 ausgeführt hat, ist - wie
auch schon unter der bis 31. Dezember 2000 geltenden Fassung der AHVV (vgl.
unveröffentlichtes Urteil S. vom 3. April 1997, H 347/96) - für den Zeitpunkt
der rechtzeitigen Zahlung einer Schuld der Eingang auf dem Konto der
Ausgleichskasse massgebend. Dabei verwies das Eidgenössische
Versicherungsgericht auf die privatrechtlichen Grundsätze, wonach
Geldschulden Bringschulden sind und der Schuldner die Leistung somit am
Wohnort oder Geschäftssitz des Gläubigers zu erbringen hat. Bedient der
Schuldner sich zur Begleichung seiner Schuld des Buch- oder Giralgeldes, so
trägt er in der Zeitspanne zwischen Zahlungsauftrag und Erfüllung das
Verzögerungs- und Verlustrisiko (Art. 74 Abs. 2 Ziff. 1 OR; AHI 2003 S. 144
Erw. 3.3 mit Hinweisen auf die privatrechtliche Rechtsprechung und Lehre).
Insofern kann der Beschwerdeführer mit der Berufung auf die angeblichen
kaufmännischen Usanzen nichts zu seinen Gunsten ableiten. Ebenso unbehelflich
ist die Geltendmachung, die Ausgleichskasse habe auf ihren Rechnungen die
Modalitäten nicht gehörig dargelegt. Diesbezüglich ist festzuhalten, dass die
Verfügungen vom 4. November 2002 ausdrücklich auf die Verzugszinsregelung von
Art. 41bis AHVV verwiesen. Im Übrigen hat die Vorinstanz zutreffend
festgestellt, dass niemand aus seiner Rechtsunkenntnis Vorteile zu seinen
Gunsten ableiten kann (BGE 126 V 313 Erw. 2b mit Hinweisen). Was schliesslich
die Höhe der verfügten Verzugszinsen betrifft, hat die Vorinstanz zu Recht
die Berechnung der Ausgleichskasse, wonach der Beschwerdeführer Verzugszinsen
für 32 Tage ([30 - 4] Tage im November 2002 und 6 Tage im Dezember 2002)
schuldet, nicht beanstandet.

5.
Da es nicht um die Bewilligung oder Verweigerung von Versicherungsleistungen
geht, ist das Verfahren kostenpflichtig (Art. 134 OG e contrario). Der
Beschwerdeführer hat als unterliegende Partei die Gerichtskosten zu tragen
(Art. 156 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 135 OG).

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden dem Beschwerdeführer auferlegt und
mit dem geleisteten Kostenvorschuss verrechnet.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern,
Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, und dem Bundesamt für
Sozialversicherung zugestellt.
Luzern, 22. Dezember 2003

Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Die Präsidentin der IV. Kammer:  Die Gerichtsschreiberin: