Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen H 126/2003
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H 126/03

Urteil vom 26. Januar 2004
IV. Kammer

Präsident Ferrari, Bundesrichter Meyer und Ursprung; Gerichtsschreiber
Fessler

S.________, 1959, Beschwerdeführer, vertreten durch Fürsprecher Bruno C.
Lenz, Waisenhausplatz 14, 3011 Bern,

gegen

Ausgleichskasse Berner Arbeitgeber, Schwarztorstrasse 56, 3007 Bern,
Beschwerdegegnerin, vertreten durch Fürsprecher Jean-Louis Scheurer,
Insstrasse 23, 3236 Gampelen,

Verwaltungsgericht des Kantons Bern, Bern

(Entscheid vom 28. Februar 2003)

Sachverhalt:

A.
S. ________ ist Inhaber der Einzelfirma X.________ Immobilien Versicherungen.
In dieser Eigenschaft ist er seit 1994 der Ausgleichskasse
Berner Arbeitgeber als Selbstständigerwerbender angeschlossen. Im
Februar/März und August 1996 bezahlte S.________ an K.________ als Entgelt
für die Vermittlung von zwei Geschäften Kommissionen von Fr. 1483.25 und Fr.
14'000.-. In jenem Zeitpunkt war K.________ Inhaber der im Bereich
Immobilienverwaltung und -vermittlung tätigen Einzelfirma Y._________. Er war
der Ausgleichskasse des Kantons Bern als Selbstständigerwerbender
angeschlossen. Auf den Zahlungen von S.________ von Fr. 15'483.25 entrichtete
er persönliche Beiträge.
Mit Verfügung vom 5. September 2001 erhob die Ausgleichskasse Berner
Arbeitgeber auf den 1996 an K.________ ausbezahlten «Entschädigungen/Lohn»
Sozialversicherungsbeiträge. In der eingeforderten Summe von Fr. 2307.15
waren neben einem Verwaltungskostenbeitrag auch Beiträge an die kantonale
Familienausgleichskasse enthalten.

B.
Die von S.________ hiegegen erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht
des Kantons Bern mit Entscheid vom 28. Februar 2003 ab.

C.
S.________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen mit dem Rechtsbegehren,
Gerichtsentscheid und Verwaltungsverfügung seien aufzuheben.
Die Ausgleichskasse Berner Arbeitgeber beantragt die Abweisung der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde. K.________ als Mitbeteiligter am Verfahren
lässt auf eine Stellungnahme und einen Antrag zum Rechtsmittel verzichten.
Das Bundesamt für Sozialversicherung reicht keine Vernehmlassung ein.
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
Auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde kann nur so weit eingetreten werden,
als Sozialversicherungsbeiträge kraft Bundesrechts streitig sind. Im
vorliegenden Verfahren ist daher nicht zu prüfen, wie es sich bezüglich der
Beitragsschuld gegenüber der Ausgleichskasse für kantonale Familienzulagen
verhält (BGE 124 V 146 Erw. 1 mit Hinweis).

2.
Das am 1. Januar 2003 in Kraft getretene Bundesgesetz vom 6. Oktober 2000
über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG) ist, wie auch
das kantonale Gericht richtig erkannt hat, nicht anwendbar (BGE 129 V 4 Erw.
1.2).

3.
Streitig und zu prüfen ist, ob die im Februar/März und August 1996 an
K.________ ausbezahlten Vermittlungskommissionen in der Höhe von insgesamt
Fr. 15'483.25 Einkommen aus unselbstständiger Erwerbstätigkeit (massgebender
Lohn) darstellen. Das kantonale Gericht hat hiezu erwogen, nach Art. 5 Abs. 2
zweiter Satz AHVG und Art. 7 lit. g AHVV umfasse der massgebende Lohn u.a.
Provisionen und Kommissionen. Das Eidgenössische Versicherungsgericht habe
bisher in konstanter Praxis bei Provisionen auf Einkommen aus
unselbstständiger Erwerbstätigkeit erkannt. Auch wenn es sich bei den im
Februar und August 1996 bezahlten Vermittlungsvergütungen um einmalige
Leistungen handle, gälten diese nach dem klaren Wortlaut von Art. 5 Abs. 2
AHVG als massgebender Lohn. Die ursprüngliche Erfassung der beiden streitigen
Provisionen als Einkommen aus selbstständiger Erwerbstätigkeit sei zweifellos
unrichtig gewesen. Die Korrektur sei mit Blick auf deren Höhe von erheblicher
Bedeutung. Darauf könne somit wiedererwägungsweise zurückgekommen werden.
Der Argumentation der Vorinstanz kann nicht gefolgt werden. Die fraglichen
Zahlungen an K.________ wurden zwar vom Beschwerdeführer als
Vermittlungskommissionen bezeichnet (vgl. Schreiben vom 5. März 1999 an die
Ausgleichskasse des Kantons Bern). Daraus allein darf indessen nicht
geschlossen werden, es handle sich um Provisionen oder Kommissionen im Sinne
von Art. 5 Abs. 2 zweiter Satz AHVG und Art. 7 lit. g AHVV und sie seien
daher als massgebender Lohn zu betrachten. Dieser Schluss ist nur zulässig,
wenn und soweit Provisionen oder Kommissionen für Tätigkeiten ausgerichtet
werden, die in unselbstständiger Stellung verrichtet werden. Solche Entgelte
sind auch bei selbstständiger Erwerbstätigkeit üblich wie beispielsweise im
Liegenschaftenhandel (nicht veröffentlichtes Urteil B. AG vom 18. Februar
1988 [H 135/87]). Die Qualifikation der Vermittlungskommissionen vom
Februar/März und August 1996 setzt somit voraus, dass sie für eine in
unselbstständiger Stellung ausgeübte Tätigkeit ausgerichtet wurden.

4.
4.1 Nach der Rechtsprechung zu Art. 5 und 9 AHVG beurteilt sich die Frage, ob
im Einzelfall selbstständige oder unselbstständige Erwerbstätigkeit vorliegt,
nicht auf Grund der Rechtsnatur des Vertragsverhältnisses zwischen den
Parteien. Entscheidend sind vielmehr die wirtschaftlichen Gegebenheiten. Die
zivilrechtlichen Verhältnisse vermögen dabei allenfalls gewisse Anhaltspunkte
für die AHV-rechtliche Qualifikation zu bieten, ohne jedoch ausschlaggebend
zu sein. Als unselbstständig erwerbstätig ist im Allgemeinen zu betrachten,
wer von einem Arbeitgeber in betriebswirtschaftlicher bzw.
arbeitsorganisatorischer Hinsicht abhängig ist und kein spezifisches
Unternehmerrisiko trägt.
Aus diesen Grundsätzen allein lassen sich indessen noch keine einheitlichen,
schematisch anwendbaren Lösungen ableiten. Die Vielfalt der im
wirtschaftlichen Leben anzutreffenden Sachverhalte zwingt dazu, die
beitragsrechtliche Stellung eines Erwerbstätigen jeweils unter Würdigung der
gesamten Umstände des Einzelfalles zu beurteilen. Weil dabei vielfach
Merkmale beider Erwerbsarten zutage treten, muss sich der Entscheid oft
danach richten, welche dieser Merkmale im konkreten Fall überwiegen (BGE 123
V 163 Erw. 1; AHI 2001 S. 256 Erw. 2a mit Hinweisen).
Nach der gesetzlichen Konzeption ist jedes Erwerbseinkommen dahin zu prüfen,
ob es aus selbstständiger oder unselbstständiger Tätigkeit stammt (BGE 123 V
167 Erw. 4a). Das gilt grundsätzlich selbst dann, wenn die Arbeiten für eine
und dieselbe Firma vorgenommen werden (BGE 122 V 172 Erw. 3b in fine).

4.2 Ist über die in Frage stehenden Sozialversicherungsbeiträge bereits
formell rechtskräftig verfügt worden, bedarf es für den Wechsel des
Beitragsstatuts eines Rückkommenstitels (Wiedererwägung oder prozessuale
Revision; BGE 122 V 173 Erw. 4a und b, 121 V 1).
Eine Wiedererwägung setzt u.a. die zweifellose Unrichtigkeit der Verfügung
voraus (BGE 126 V 400 Erw. 2b/aa,122 V 173 Erw. 4a). Eine Verfügung über
persönliche Beiträge im Besonderen ist als zweifellos unrichtig zu
bezeichnen, wenn in Bezug auf die in Frage stehende Beschäftigung die
Merkmale unselbstständiger diejenigen selbstständiger Erwerbstätigkeit klar
überwiegen (vgl. BGE 122 V 177 Erw. 6b sowie AHI 2001 S. 186 f. Erw. 4c).

4.3
4.3.1Die Verbandsausgleichskasse führte in der vorinstanzlichen
Vernehmlassung aus, gemäss Auszug aus der Finanzbuchhaltung von K.________
für die Zeit vom 1. Juni 1995 bis 31. Dezember 1996 stammten sämtliche
Honorareinnahmen mit Ausnahme der beiden Provisionen von März und August 1996
in der Höhe von insgesamt Fr. 15'483.25 von der Z.________ AG. Das lege den
Schluss nahe, dass K.________ auch hinsichtlich dieser Zahlungen in
wirtschaftlicher Abhängigkeit vom Beschwerdeführer gestanden habe und
demzufolge eine unselbstständige Vermittlertätigkeit vorliege. Mit Entscheid
vom 24. Mai 2000 habe das bernische Verwaltungsgericht  rechtskräftig
entschieden, die Tätigkeit von K.________ für die Z.________ AG sei als
unselbstständige Erwerbstätigkeit zu qualifizieren. Dieses Erkenntnis
betreffe zwar, so die Ausgleichskasse in der vorinstanzlichen Eingabe vom 15.
Oktober 2002, lediglich die Zeit nach dem 1. Januar 1998. Indessen liessen
die Feststellungen des kantonalen Gerichts Rückschlüsse auf das Verhältnis
zwischen der Z.________ AG und K.________ für die Jahre 1995 und 1996 zu. Die
Vereinbarung vom 12. Dezember 1995 mit dieser Firma, welche K.________
monatlich Fr. 5000.- zusichere, enthalte arbeitsrechtliche Elemente. Sei aber
eine gegen die selbstständige Erwerbstätigkeit sprechende wirtschaftliche
Abhängigkeit gegenüber der Z.________ AG gegeben, müsse auf Grund der
tatsächlichen Gegebenheiten und engen Verbindungen zwischen den drei
Beteiligten ebenfalls eine solche Abhängigkeit gegenüber dem Beschwerdeführer
bejaht werden.

4.3.2 Gemäss dem erwähnten Entscheid vom 24. Mai 2000 war der
Beschwerdeführer im fraglichen Zeitraum 1996 Mehrheitsaktionär der Z.________
AG. K.________ seinerseits war Aktionär und Delegierter. Selbst wenn auf
Grund dieser Verhältnisse die im Februar/März und August 1996 vom
Beschwerdeführer an K.________ bezahlten Vermittlungskommissionen von Fr.
1483.25 und Fr. 14'000.- der Z.________ AG zugerechnet werden, kann zumindest
nicht zweifellos auf massgebenden Lohn geschlossen werden. Wie auch im
angefochtenen Entscheid richtig festgehalten wird, ist jedes Erwerbseinkommen
gesondert auf seinen beitragsrechtlichen Charakter hin zu überprüfen, «dies
sogar dann, wenn die verschiedenen Erwerbstätigkeiten in ein und derselben
Firma ausgeübt werden». Eine gesonderte Beurteilung der fraglichen
Vermittlungskommissionen drängte sich umso mehr auf, als es sich um einmalige
Leistungen handelt. Gemäss den Vorbringen in der Beschwerde ging es um völlig
unterschiedliche Geschäfte, im einen Fall um die Vermittlung einer
Versicherung, im anderen Fall um die Vermittlung einer Liegenschaft. Es kommt
dazu, dass die Beträge von Fr. 1483.25 und Fr. 14'000.- beträchtlich von den
vertraglich vereinbarten regelmässigen Honorarzahlungen von monatlich Fr.
5000.- der Z.________ AG an K.________ abweichen. Unter diesen Umständen kann
die frühere Erfassung der Fr. 15'483.25 als verabgabtes Einkommen aus
selbstständiger Erwerbstätigkeit nicht als zweifellos unrichtig bezeichnet
werden. Das führt zur Aufhebung der Nachzahlungsverfügung und des sie
bestätigenden angefochtenen Entscheides, soweit sie bundesrechtliche
Sozialversicherungsbeiträge betreffen.

5.
Das Verfahren ist kostenpflichtig (Art. 134 OG e contrario). Dem
Prozessausgang entsprechend sind die Gerichtskosten der Ausgleichskasse
aufzuerlegen (Art. 156 Abs. 1 OG in Verbindung mit Art. 135 OG). Die
Verwaltung hat überdies dem Beschwerdeführer eine u.a. nach dem
Vertretungsaufwand bemessene Parteientschädigung zu bezahlen (Art. 159 OG
sowie Art. 2 Abs. 1 des Tarifs über die Entschädigungen an die Gegenpartei
für das Verfahren vor dem Eidgenössischen Versicherungsgericht und Art. 160
OG).

K. ________ als Mitbeteiligter am Verfahren hat weder eine Stellungnahme
abgeben noch einen Antrag zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde stellen lassen.
Von der Zusprechung einer Parteientschädigung ist daher abzusehen.

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
In Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde werden der Entscheid des
Verwaltungsgerichts des Kantons Bern vom 28. Februar 2003 und die Verfügung
vom 5. September 2001 aufgehoben, soweit sie bundesrechtliche
Sozialversicherungsbeiträge betreffen. Im Übrigen wird auf die
Verwaltungsgerichtsbeschwerde nicht eingetreten.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 600.- werden der Ausgleichskasse Berner
Arbeitgeber auferlegt.

3.
Dem Beschwerdeführer wird der geleistete Kostenvorschuss von Fr. 600.-
rückerstattet.

4.
Die Ausgleichskasse Berner Arbeitgeber hat dem Beschwerdeführer für das
Verfahren vor dem Eidgenössischen Versicherungsgericht eine
Parteientschädigung (einschliesslich Mehrwertsteuer) von Fr. 1000.- zu
bezahlen.

5.
Das Verwaltungsgericht des Kantons Bern hat über eine Parteientschädigung für
das kantonale Verfahren entsprechend dem Ausgang des letztinstanzlichen
Prozesses zu befinden.

6.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern,
Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, der Ausgleichskasse des Kantons
Bern, dem Bundesamt für Sozialversicherung und K.________ zugestellt.
Luzern, 26. Januar 2004

Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Der Präsident der IV. Kammer:  Der Gerichtsschreiber: