Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen H 118/2003
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H 118/03

Urteil vom 29. August 2005
III. Kammer

Präsidentin Leuzinger, Bundesrichter Kernen und Seiler; Gerichtsschreiber
Grunder

R.________, 1941, Beschwerdeführer,

gegen

Ausgleichskasse des Kantons Zürich, Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich,
Beschwerdegegnerin

Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, Winterthur

(Entscheid vom 4. März 2003)

Sachverhalt:

A.
Der 1941 geborene R.________ ist als selbstständigerwerbender
Unternehmensberater der Ausgleichskasse des Kantons Zürich angeschlossen. Das
Kantonale Steueramt meldete ein Einkommen von Fr. 78'796.- für das Jahr 1995
und von Fr. 96'335.- für das Jahr 1996 bei einem am 1. Januar 1997
investierten Eigenkapital von Fr. 0.-. Auf Grund dieser Angaben ermittelte
die Ausgleichskasse ein beitragspflichtiges Einkommen von Fr. 87'500.-. Mit
zwei Nachtragsverfügungen vom 16. März 2000 setzte sie die persönlichen
Sozialversicherungsbeiträge für die Periode 1998/99 auf je Fr. 8'562.-
(zuzüglich Verwaltungskosten von Fr. 249.60) fest.

B.
In teilweiser Gutheissung der Beschwerde von R.________ hob das
Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich die Verfügungen vom 16. März
2000 auf und wies die Sache an die Ausgleichskasse zurück, damit diese auf
der Basis eines massgebenden Einkommens von Fr. 65'911.50 für das Jahr 1995
und Fr. 83'095.- für das Jahr 1996 die persönlichen Beiträge von R.________
für 1998/99 neu festsetze.

C.
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragt R.________, zur Beitragsbemessung
der Periode 1998/99 sei auf ein Einkommen von Fr. 65'911.- (1995) sowie von
Fr. 26'551.- (1996) abzustellen.

Die Ausgleichskasse und das Bundesamt für Sozialversicherung verzichten auf
eine Vernehmlassung.

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
Da keine Versicherungsleistungen streitig sind, hat das Eidgenössische
Versicherungsgericht nur zu prüfen, ob der vorinstanzliche Entscheid
Bundesrecht verletzt, einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des
Ermessens, oder ob der rechtserhebliche Sachverhalt offensichtlich unrichtig,
unvollständig oder unter Verletzung wesentlicher Verfahrensbestimmungen
festgestellt worden ist (Art. 132 in Verbindung mit Art. 104 lit. a und b
sowie Art. 105 Abs. 2 OG).
Ferner ist Art. 114 Abs. 1 OG zu beachten, wonach das Eidgenössische
Versicherungsgericht in Abgabestreitigkeiten an die Parteibegehren nicht
gebunden ist, wenn es im Prozess um die Verletzung von Bundesrecht oder um
die unrichtige oder unvollständige Feststellung des Sachverhalts geht.

2.
Das kantonale Gericht hat zutreffend erkannt, dass das am 1. Januar 2003 in
Kraft getretene ATSG nicht anwendbar ist.

3.
Gemäss Art. 23 Abs. 1 erster Satzteil AHVV ist das für die Bemessung der
Beiträge massgebende Erwerbseinkommen auf Grund der rechtskräftigen
Veranlagung für die direkte Bundessteuer zu ermitteln. Nur wenn eine
rechtskräftige Veranlagung nicht vorliegt, werden die massgebenden
Steuerfaktoren der rechtskräftigen Veranlagung für die kantonale
Einkommenssteuer entnommen (Art. 23 Abs. 2 erster Satzteil AHVV).

Die absolute Verbindlichkeit der Angaben der Steuerbehörden für die
Ausgleichskassen und die daraus abgeleitete relative Bindung des
Sozialversicherungsgerichts an die rechtskräftigen Steuertaxationen sind auf
die Bemessung des beitragspflichtigen Einkommens und des betrieblichen
Eigenkapitals beschränkt (BGE 114 V 75 Erw. 2, 110 V 86 Erw. 4 und 370 Erw.
2a, 102 V 30 Erw. 3b mit Hinweisen). Die Angaben der Steuerbehörden sind für
die Berechnung der Beiträge insofern "massgebend", als - bei Bejahung der
Beitragspflicht eines Einkommensbezügers für ein bestimmtes Einkommen und
vorbehältlich der richterlichen Korrektur klar ausgewiesener Irrtümer, die
ohne weiteres richtig gestellt werden können - gemeldetes Einkommen und
Eigenkapital quantitativ nicht anders bewertet werden dürfen als durch die
Steuerbehörden (BGE 111 V 294 Erw. 3c mit Hinweisen).

4.
Streitig ist einzig die Höhe des der Beitragsfestsetzung zu Grunde zu
legenden Erwerbseinkommens für 1998/99. Unbestritten und nicht zu prüfen ist
einerseits das vorinstanzlich ermittelte Einkommen für 1995 von Fr. 65'911.-,
anderseits das in den Betrieb investierte Eigenkapital von Fr. 0.-.
4.1 Die Steuerbehörde meldete am 22. Februar 2000 der Ausgleichskasse die
Einkommen für die Staats- und Gemeindesteuer und bemerkte: "Die Veranlagung
DBSt 1997/98 mit steuerbarem Einkommen = 0 entspricht offensichtlich nicht
den tatsächlichen Verhältnissen (Abweichung gegenüber den
Staatssteuerveranlagungen um rund 27'000 Franken) und ist somit für die AHV
nicht relevant und massgebend." Auf Grund dieser Angaben ist davon
auszugehen, dass im Zeitpunkt der Meldung eine rechtskräftige Veranlagung für
die direkte Bundessteuer vorgelegen hat. Die Vorinstanz hat die
diesbezügliche Verfügung nicht eingeholt.

4.2 Zu prüfen ist nach dem Gesagten, ob die Taxation für die direkte
Bundessteuer 1997/98 mit einem steuerbaren Einkommen von Fr. 0.- klar
ausgewiesene Irrtümer enthält, die ohne weiteres richtig gestellt werden
können, oder ob sachliche Umstände gewürdigt werden müssen, die
steuerrechtlich belanglos, sozialversicherungsrechtlich aber bedeutsam sind.
Gestützt auf die im kantonalen Verfahren eingeholten Steuerakten steht fest,
dass der Beschwerdeführer in der Steuererklärung für 1996 Erwerbseinkünfte
von insgesamt Fr. 111'220.- deklarierte, wovon er zunächst die Geschäftsmiete
(Fr. 18'144.-) und die Betriebsunkosten gemäss separater Aufstellung (Fr.
71'549.-) abzog, woraus sich ein Einkommen von Fr. 21'527.- ergab. Das
kantonale Gericht hat mit Hinweis auf das Urteil R.________ vom 23. Januar
2003 (H 20/02) festgestellt, dass die Gesamteinnahmen auch Einkünfte aus
Kunstausstellungen der Ehefrau (Fr. 13'240.-) bzw. die
Betriebsunkostenaufstellung Auslagen aus dieser Beschäftigung (Fr. 18'264.-)
enthalten, welche bei der Ermittlung des beitragspflichtigen Einkommens des
Beschwerdeführers ausser Acht zu lassen sind. Dementsprechend ergibt sich ein
Einkommen von Fr. 26'551.-.

Der Beschwerdeführer addierte gemäss Steuererklärung (ausgehend von Fr.
21'527.-) weiter die Mietzinseinnahmen der in seinem Eigentum stehenden
Liegenschaften (Fr. 208'051.-) sowie den Ertrag aus Wertschriften (Fr.
1'396.-) und subtrahierte die Schuldzinsen für die Liegenschaften (Fr.
230'450.-), die geleisteten AHV-Beiträge (Fr. 6'683.-), einen Sonderabzug bei
Erwerbstätigkeit beider Ehegatten (Fr. 6'400.-) sowie Versicherungsprämien
und Zinsen von Sparkapitalien (Fr. 4'800.-). Im Ergebnis resultierte ein
Reineinkommen von minus Fr. 17'359.-. Die kantonale Steuerbehörde stellte
offensichtlich bei der Veranlagung der direkten Bundessteuer auf diese
Angaben ab und setzte ein steuerbares Reineinkommen von Fr. 0.- fest. Gemäss
Art. 9 Abs. 1 AHVG in Verbindung mit Art. 17 AHVV und Art. 9 Abs. 2 AHVG sind
zur Ermittlung der beitragspflichtigen Erwerbseinkommen Einkünfte aus der
Vermietung privater Liegenschaften und Wertschriftenerträge nicht vorgesehen.
Dasselbe gilt für die genannten Abzüge (Schuldzinsen, AHV-Beiträge,
Sonderabzug bei Erwerbstätigkeit beider Ehegatten, Versicherungsprämien und
Zinsen von Sparkapitalien). Bei der Festsetzung der beitragspflichtigen
Einkommen sind daher diese Einkünfte und Abzüge unberücksichtigt zu lassen.
Eine Bindung an die rechtskräftige Veranlagung für die direkte Bundessteuer
besteht insoweit nicht, weil es um eine spezifisch beitragsrechtliche Frage
(liegt überhaupt beitragspflichtiges Erwerbseinkommen vor?) geht. Die in den
Steuererklärungen angegebenen Steuerfaktoren enthalten ausweislich der
kantonalen Steuerakten keine klar ausgewiesenen Irrtümer, die ohne weiteres
richtig gestellt werden können. Der gegenteilige Standpunkt der Vorinstanz
gründet, wenn auch unausgesprochen, auf der Annahme, dass die in wesentlichen
Punkten von der auf Grund einer Ermessenseinschätzung der Staats- und
Gemeindesteuer abweichende rechtskräftige Veranlagung für die direkte
Bundessteuer falsch sei. Diese Auffassung ist indessen bundesrechtswidrig.
Nach der Rechtsprechung belegt eine in wesentlichen Punkten abweichende
Veranlagung für die Staats- und Gemeindesteuer nicht, inwiefern die
massgebende Einschätzung der direkten Bundessteuer einen klar ausgewiesenen
Irrtum enthält, der sich ohne weiteres richtig stellen lässt. Das
Sozialversicherungsgericht müsste dies vielmehr auf Grund einer materiellen
Prüfung der beiden Veranlagungen feststellen, was der Kompetenzausscheidung
zwischen Steuer- und Sozialversicherungsorganen widerspricht (ZAK 1992 S. 34
Erw. 3c).

4.3 Nach dem Gesagten ist zur Feststellung des beitragspflichtigen Einkommens
von den Angaben in der Steuererklärung für 1997 auszugehen, die der
rechtskräftigen Veranlagung für die direkte Bundessteuer zu Grunde liegt. Das
beitragspflichtige Erwerbseinkommen beträgt demnach für 1996 Fr. 26'551.-.
Eine Aufrechnung der geleisteten Sozialversicherungsbeiträge ist nicht
geboten, weil diese in den deklarierten Betriebsunkosten nicht enthalten
sind.

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
In Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde werden der Entscheid des
Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 2. März 2003 und die
Verwaltungsverfügungen der Ausgleichskasse des Kantons Zürich vom 16. März
2000 aufgehoben, und es wird die Sache an die Verwaltung zurückgewiesen,
damit sie die Sozialversicherungsbeiträge des Beschwerdeführers für 1998/1999
auf Grund von Einkommen von Fr. 65'911.50 im Jahre 1995 und von Fr. 26'551.-
im Jahre 1996 festlege.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 1'100.- werden der Ausgleichskasse des Kantons
Zürich auferlegt.

3.
Der geleistete Kostenvorschuss von Fr. 1'100.- wird dem Beschwerdeführer
zurückerstattet.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt.

Luzern, 29. August 2005
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Die Präsidentin der III. Kammer: Der Gerichtsschreiber: