Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Schuldbetreibungs- und Konkurskammer 7B.76/2003
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7B.76/2003 /min

Urteil vom 2. Juni 2003
Schuldbetreibungs- und Konkurskammer

Bundesrichterin Escher, Präsidentin,
Bundesrichter Meyer, Bundesrichterin Hohl,
Gerichtsschreiberin Scholl.

Z. ________,
Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt
Dr. Vincent Augustin, Postfach 731, 7002 Chur,

gegen

Kantonsgericht von Graubünden, Kantonsgerichtsausschuss, als Aufsichtsbehörde
über Schuldbetreibung und Konkurs, Poststrasse 14, 7002 Chur.

Pfändungsankündigung,

SchKG-Beschwerde gegen den Entscheid des Kantonsgerichts von Graubünden,
Kantonsgerichtsausschuss, als Aufsichtsbehörde über Schuldbetreibung und
Konkurs, vom 11. März 2003.

Sachverhalt:

A.
Das Betreibungsamt W.________ stellte am 22. Januar 2003 Y.________ in der
Betreibung auf Grundpfandverwertung gegen Z.________ einen Pfandausfallschein
über Fr. 192'512.55 aus. Am 27. Januar 2003 stellte Y.________ beim
Betreibungsamt W.________ das Fortsetzungsbegehren gemäss Art. 158 Abs. 2
SchKG gegen das Vermögen von Z.________. Am 28. Januar 2003 erliess das
Betreibungsamt eine Pfändungsankündigung.

B.
Gegen diese Pfändungsankündigung erhob Z.________ Beschwerde beim
Kantonsgerichtsausschuss als Aufsichtsbehörde über Schuldbetreibung und
Konkurs des Kantonsgerichts von Graubünden und beantragte, die
Pfändungsankündigung sei bis zur rechtskräftigen Erledigung der unterdessen
eingereichten Aberkennungsklage aufzuheben, eventuell zu sistieren. Mit
Entscheid vom 11. März 2003 wies der Kantonsgerichtsausschuss die Beschwerde
ab.

C.
Gegen diesen Entscheid gelangt Z.________ mit Beschwerde vom 28. März 2003 an
die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Bundesgerichts und wiederholt
die Anträge, die er vor kantonaler Instanz gestellt hat.

Der Beschwerde ist am 1. April 2003 die aufschiebende Wirkung zuerkannt
worden.

Der Kantonsgerichtsausschuss beantragt in seinen Gegenbemerkungen (Art. 80
OG) unter Hinweis auf den angefochtenen Entscheid die Abweisung der
Beschwerde, soweit darauf einzutreten sei. Y.________ (Beschwerdegegnerin)
sowie das Betreibungsamt W.________ schliessen in ihren Vernehmlassungen
ebenfalls auf Abweisung der Beschwerde.

Die Kammer zieht in Erwägung:

1.
Gemäss Art. 158 Abs. 2 SchKG kann ein Gläubiger, der einen Pfandausfallschein
erhält, die Betreibung, je nach der Person des Schuldners, auf dem Wege der
Pfändung oder des Konkurses führen, sofern es sich nicht um eine Gült oder
eine andere Grundlast handelt. Betreibt er binnen Monatsfrist, so ist ein
neuer Zahlungsbefehl nicht erforderlich. Bei dieser Betreibung ohne
Einleitungsverfahren handelt es sich um eine neue Betreibung (BGE 98 III 12
E. 1 S. 17; 121 III 486 E. 3a S. 487), wie sowohl der Beschwerdeführer als
auch der Kantonsgerichtsausschuss richtig erkannt haben. Dieses Recht -
direkt das Pfändungsbegehren bzw. das Begehren um Konkursandrohung zu stellen
- gründet nicht auf dem Pfandausfallschein an sich, sondern auf dem ihm zu
Grunde liegenden Zahlungsbefehl, dessen vollstreckbare Wirkungen noch während
sechs Monaten nach Ausstellung des Pfandausfallscheins erhalten bleiben (BGE
69 III 68 E. 1 S. 71; 121 III 486 E. 3b S. 488).

Unzulässig ist eine solche Betreibung ohne neuen Zahlungsbefehl dann, wenn
neben der Pfandhaft keine persönliche Haftbarkeit des Schuldners besteht (BGE
64 III 172 S. 174 f.; Staehelin/Bauer/Staehelin, Kommentar zum Bundesgesetz
über Schuldbetreibung und Konkurs, 1998, N. 29 ff. zu Art. 158 SchKG;
Amonn/Gasser, Grundriss des Schuldbetreibungs- und Konkursrechts, 1997, § 33
N. 47; Jaeger/ Walder/Kull/Kottmann, Bundesgesetz über Schuldbetreibung und
Konkurs, 1997, N. 11 zu Art. 158 SchKG). Explizit nimmt deshalb Art. 158 Abs.
2 SchKG Forderungen, die auf eine Gült oder eine Grundlast gründen, vom
Privileg der Betreibung ohne neues Einleitungsverfahren aus. Liegt eine reine
Sachhaftung vor, besteht nach durchgeführter Zwangsvollstreckung mangels
persönlicher Haftung keine Forderung mehr, so dass eine weitere Betreibung
ausgeschlossen ist. BGE 64 III 172 ist zu entnehmen, dass der Schuldner die
entsprechende Einrede mittels Beschwerde geltend machen kann, wenn der
Gläubiger auf Grund des Pfandausfallscheins die Fortsetzung der Betreibung
ohne neuen Zahlungsbefehl erwirkt hat. Soweit der Beschwerdeführer darüber
hinaus aus dem oben genannten Bundesgerichtsentscheid ableiten will, ihm
stehe ein Recht zur Bestreitung der Schuldpflicht an sich - mittels
Aberkennungsklage oder Beschwerde - zu, kann ihm nicht gefolgt werden.

2.
Nach Art. 83 Abs. 2 SchKG kann der Betriebene innert 20 Tagen nach der
(provisorischen) Rechtsöffnung auf Aberkennung der Forderung klagen.
Voraussetzung für die Aberkennungsklage bildet somit, dass der Schuldner
Rechtsvorschlag erhoben und der Gläubiger provisorische Rechtsöffnung
erhalten hat. Wenn der Gläubiger auf Grund eines Pfandausfallscheins
unmittelbar die Fortsetzung der Betreibung verlangt und daher kein neuer
Zahlungsbefehl ausgestellt wird, kann kein Rechtsvorschlag erhoben und keine
provisorische Rechtsöffnung erteilt werden, so dass auch keine
Aberkennungsklage erhoben werden kann (Staehelin/Bauer/Staehelin, a.a.O., N.
18 zu Art. 83 SchKG; a.M. (jedoch noch unter altem Recht) Alfred G. Syz,
Aberkennungsklage und Aberkennungsprozess gemäss Art. 83 Abs. 2 SchKG, Diss.
Zürich 1971, S. 18). Zudem würde eine Unsicherheit darüber bestehen, ab
welchem Zeitpunkt - mangels Rechtsöffnungsentscheid - die 20-tägige Frist zur
Klageeinreichung zu berechnen wäre.

Im vorliegenden Verfahren kann zwar nicht über die Zulässigkeit der vom
Beschwerdeführer eingereichten Aberkennungsklage entschieden werden, dies
steht einzig dem zuständigen Zivilrichter zu (BGE 91 III 15 E. 1 S. 17; 101
III 40 E. 3 S. 43). Da sich jedoch das Recht zur Fortsetzung der Betreibung
direkt auf den Zahlungsbefehl der ersten Betreibung stützt (vgl. E. 1), wird
dessen Rechtskraft durch die nachträglich eingereichte Aberkennungsklage in
der zweiten Betreibung nicht aufgehoben, wie der Kantonsgerichtsausschuss
korrekt ausgeführt hat. Somit besteht auch keine Veranlassung, die
Pfändungsankündigung aufzuheben oder zu sistieren.

3.
Trotzdem bleiben die Rechte des Schuldners ausreichend gewahrt: Einerseits
hat in der (ersten) Betreibung auf Pfandverwertung die Möglichkeit zur
Bestreitung der Forderung durch Erhebung von Rechtsvorschlag bestanden.
Bereits zu diesem Zeitpunkt hatte der Schuldner Veranlassung zur Bestreitung
seiner Schuldpflicht, deren Fehlen ja schon der Ausübung des Pfandrechts
entgegen gestanden hätte (BGE 64 III 172 S. 175; Fritzsche/Walder,
Schuldbetreibung und Konkurs nach schweizerischem Recht, Bd. I, 1984, § 34 N.
48). Der Beschwerdeführer anerkennt denn auch ausdrücklich, dass er seine
Einreden bereits im Rahmen des ersten Betreibungsverfahrens hätte geltend
machen können. Andererseits stehen dem Schuldner auch im zweiten
Betreibungsverfahren die Klagen nach Art. 85 und Art. 85a SchKG zur Verfügung
(Jaeger/Walder/Kull/Kottmann, a.a.O., N. 14 zu Art. 158 SchKG).
Nicht gefolgt werden kann diesbezüglich der Ansicht des Beschwerdeführers,
die Klage nach Art. 85a SchKG solle immer nur ein zusätzliches
Verteidigungsmittel neben der Aberkennungsklage bilden, keinesfalls aber ein
einziges. Der Zweck der Feststellungsklage nach Art. 85a SchKG besteht
insbesondere darin, Rechtsschutz zu bieten, wenn eine Aberkennungsklage nach
Art. 83 Abs. 2 SchKG gerade nicht mehr möglich ist
(Staehelin/Bauer/Staehelin, a.a.O., N. 8 zu Art. 85a SchKG).

4.
Ebenfalls nichts zu seinen Gunsten ableiten kann der Beschwerdeführer aus
Art. 158 Abs. 3 SchKG, wonach der Pfandausfallschein lediglich als
Schuldanerkennung im Sinne von Art. 82 SchKG gilt. Diese Bestimmung gewinnt
dann an Bedeutung, wenn der Gläubiger gerade nicht von der Möglichkeit
Gebrauch macht, innert einem Monat nach Zustellung des Pfandausfallscheins
den Schuldner zu betreiben, sondern die neue Betreibung erst nach dieser
Frist einleitet (vgl. zur analogen Bestimmung in Art. 149 Abs. 2 SchKG:
Fritzsche/Walder, a.a.O., § 33 N. 15). Dann benötigt er einen neuen
Zahlungsbefehl und kann nach einem allfälligen Rechtsvorschlag des Schuldners
gestützt auf den Pfandausfallschein provisorische Rechtsöffnung erwirken.

5.
Damit ist die Beschwerde insgesamt abzuweisen. Das Beschwerdeverfahren ist
grundsätzlich kostenlos (Art. 20a Abs. 1 SchKG), und es darf keine
Parteientschädigung zugesprochen werden (Art. 62 Abs. 2 GebV SchKG).

Demnach erkennt die Kammer:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Beschwerdegegnerin (Y.________,
vertreten durch T.________ AG), dem Betreibungsamt W.________ und dem
Kantonsgericht von Graubünden, Kantonsgerichtsausschuss, als Aufsichtsbehörde
über Schuldbetreibung und Konkurs, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 2. Juni 2003

Im Namen der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer
des Schweizerischen Bundesgerichts

Die Präsidentin:  Die Gerichtsschreiberin: