Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Schuldbetreibungs- und Konkurskammer 7B.4/2003
Zurück zum Index Schuldbetreibungs- und Konkurskammer 2003
Retour à l'indice Schuldbetreibungs- und Konkurskammer 2003


7B.4/2003
7B.6/2003 /min

Urteil vom 5. März 2003
Schuldbetreibungs- und Konkurskammer

Bundesrichterin Escher, Präsidentin,
Bundesrichter Meyer, Bundesrichterin Hohl,
Gerichtsschreiber Gysel.

G. ________,
Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt
lic. iur. Rémy Wyssmann, Hauptstrasse 36, Postfach, 4702 Oensingen,

gegen

Aufsichtsbehörde für Schuldbetreibung und Konkurs des Kantons Solothurn,
Amthaus 1, 4502 Solothurn.

Arrestvollzug,

Beschwerden gegen zwei Urteile vom 16. Dezember 2002 (SCBES.2002.72 und
2002.74).

Die Kammer zieht in Erwägung:

1.
1.1 Das Steueramt des Kantons Solothurn erliess am 7. Mai 2002 unter Berufung
auf Art. 169 Abs. 1 des Bundesgesetzes über die direkte Bundessteuer (DBG; SR
642.11) und § 184 Abs. 1 des kantonalen Steuergesetzes gegen W.________ eine
Sicherstellungsverfügung für eine Forderungssumme von Fr. 79'479.15 und einen
entsprechenden Arrestbefehl. Als Arrestgegenstände bezeichnete es die
Ansprüche aus zwei Erwerbsunfähigkeitsversicherungen bei der Versicherung
L.________ (Policen Nrn. aaa und bbb). Der Arrest wurde am 8. Mai 2002 durch
das Betreibungsamt S.________ vollzogen (Arrest Nr. xxx).

Gestützt auf die erwähnte Sicherstellungsverfügung erliess das kantonale
Steueramt am 21. August 2002 einen zweiten Arrestbefehl, worin es als
Arrestgegenstände sämtliche Vermögenswerte von W.________ bei der Bank
B.________, insbesondere ein näher umschriebenes Konto, sowie die W.________
aus einem Versicherungsvertrag mit der Versicherung L.________ (Police Nr.
ccc) zustehende Invalidenrente bezeichnete. Der Arrest wurde noch am gleichen
Tag durch das Betreibungsamt S.________ vollzogen (Arrest Nr. yyy).

1.2 Mit Verfügung vom 27. September 2002 hob das Betreibungsamt den Beschlag
im Arrest Nr. xxx von Amtes wegen auf, weil die Abweisung des in der
Prosequierungsbetreibung eingereichten Rechtsöffnungsbegehrens durch das
Richteramt Olten-Gösgen (Urteil vom 3. September 2002) in Rechtskraft
erwachsen sei.

1.3 Das kantonale Steueramt erliess am 1. Oktober 2002, wiederum gestützt auf
die Sicherstellungsverfügung vom 7. Mai 2002, einen weiteren Arrestbefehl,
den das Betreibungsamt S.________ noch am selben Tag vollzog (Arrest Nr.
zzz). Mit Beschlag belegt wurden dabei die Ansprüche von W.________ aus den
Erwerbsunfähigkeitsversicherungen und aus der Invaliditätsversicherung bei
der Versicherung L.________, die Vermögenswerte bei der Bank B.________ und
der Forderungsanspruch, der W.________ gegenüber dem Betreibungsamt
S.________  infolge Aufhebung des Arrestes Nr. xxx zustehe.

1.4 Gegen diesen Arrestvollzug erhob G.________, der an den
Versicherungspolicen Nrn. aaa und bbb ein Pfandrecht und bezüglich der
Invaliditätsrente (Police Nr. ccc) einen Abtretungsanspruch geltend macht,
mit zwei Eingaben vom 15. bzw. 21. Oktober 2002 Beschwerde an die
Aufsichtsbehörde für Schuldbetreibung und Konkurs des Kantons Solothurn. Er
verlangte, den Arrestbeschlag aufzuheben und das Betreibungsamt sowie die
Versicherung L.________ anzuweisen, die Leistungen aus den verschiedenen
Versicherungsverhältnissen ihm auszurichten, bei der Invaliditätsversicherung
unter Abzug des Existenzminimums von W.________.

Die kantonale Aufsichtsbehörde erkannte in zwei Urteilen vom 16. Dezember
2002, dass die Beschwerden abgewiesen würden, soweit darauf einzutreten sei.

1.5 G.________ nahm die beiden Urteile am 18. Dezember 2002 in Empfang. Mit
zwei vom 24. Dezember 2002 datierten und noch am gleichen Tag bzw. am 27.
Dezember 2002 zur Post gebrachten Eingaben führt er (rechtzeitig) Beschwerde
an die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Bundesgerichts und erneuert
die im kantonalen Verfahren gestellten Begehren. Mit Zuschrift vom 10. Januar
2003 hat er eine Bestätigung der Versicherung L.________ vom 30. Dezember
2002 zu zwei in Frage stehenden Versicherungspolicen nachgereicht.

Die kantonale Aufsichtsbehörde beantragt, die Beschwerden abzuweisen, soweit
darauf einzutreten sei. Andere Vernehmlassungen sind nicht eingeholt worden.

2.
Die Beschwerden richten sich gegen denselben Arrestvollzug. Die beiden
Urteile der kantonalen Aufsichtsbehörde und die Ausführungen in den
Beschwerden sind denn auch im Wesentlichen je gleichlautend (siehe allerdings
Erw. 3). Es drängt sich unter diesen Umständen auf, beide Beschwerden in
einem einzigen Urteil zu behandeln.

3.
Im Verfahren 7B.6/2003 macht der Beschwerdeführer geltend, die Ansprüche aus
den Policen Nrn. aaa und bbb seien unpfändbar und ihre Arrestierung verstosse
gegen Art. 80 VVG. Diesen Einwand hatte er im kantonalen Verfahren nicht
erhoben, und die angefochtenen Entscheide enthalten denn auch keine
tatsächlichen Feststellungen zu dieser Frage. Insofern ist auf die
Beschwerdevorbringen von vornherein nicht einzutreten (vgl. Art. 79 Abs. 1
zweiter Satz OG).

4.
4.1 Die kantonale (Steuer-)Verwaltung kann für die direkte Bundessteuer auch
vor der rechtskräftigen Feststellung des Steuerbetrags jederzeit
Sicherstellung verlangen, wenn der Steuerpflichtige keinen Wohnsitz in der
Schweiz hat oder die Bezahlung der von ihm geschuldeten Steuer als gefährdet
erscheint; die Sicherstellungsverfügung gibt den sicherzustellenden Betrag an
und ist sofort vollstreckbar (Art. 169 Abs. 1 DBG). Sodann gilt die
Sicherstellungsverfügung als Arrestbefehl nach Art. 274 SchKG, der durch das
zuständige Betreibungsamt zu vollziehen ist (Art. 170 Abs. 1 DBG). Die
Einsprache gegen den Arrestbefehl nach Art. 278 SchKG ist ausgeschlossen
(Art. 170 Abs. 2 DBG).

4.2 Aus der gesetzlichen Abgrenzung der Zuständigkeiten der Arrestbehörde
einerseits und der Vollzugsorgane andererseits ergibt sich, dass es Letzteren
nicht zusteht, die Grundlagen eines Arrestbefehls nachzuprüfen. Das bedeutet
freilich nicht, dass das Betreibungsamt jeden ihm erteilten Arrestbefehl ohne
weiteres zu vollziehen hätte. Vielmehr hat es den Arrestvollzug abzulehnen,
wenn dadurch gegen gesetzliche Vorschriften verstossen würde, was etwa dann
zutrifft, wenn Vermögenswerte mit Beschlag belegt werden sollten, die nicht
im Amtskreis des mit dem Vollzug beauftragten Betreibungsamtes liegen oder
offensichtlich nicht dem Arrestschuldner gehören (BGE 116 III 107 E. 5a S.
109 mit Hinweisen; 107 III 33 E. 4 S. 38). Diese Grundsätze gelten auch für
den Vollzug eines Arrestbefehls, der auf einer von der Steuerbehörde
erlassenen Sicherstellungsverfügung beruht.

5.
5.1 Die Rüge des Beschwerdeführers, das Betreibungsamt habe den Arrest
vollzogen, obschon offensichtlich kein Arrestgrund vorgelegen habe, ist nach
dem Gesagten hier nicht zu hören. Damit ist den Ausführungen zum Wohnsitz des
Arrestschuldners  der Boden entzogen.

5.2  Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers hatten Betreibungsamt und
kantonale Aufsichtsbehörde sodann auch nicht abzuklären, ob im Zeitpunkt des
Arrestvollzugs vom 1. Oktober 2002 die Sicherstellungsverfügung vom 7. Mai
2002 rechtskräftig (geworden) sei. Abgesehen davon, ist Letzteres ohne
Belang: Das Gesetz bestimmt nämlich ausdrücklich, dass die
Sicherstellungsverfügung sofort vollstreckbar ist (Art. 169 Abs. 1 DBG) und
eine allfällige Verwaltungsgerichtsbeschwerde die Vollstreckung nicht hemmt
(Art. 169 Abs. 4 DBG). Dass die Sicherstellungsverfügung vom 7. Mai 2002
formell aufgehoben worden wäre, macht der Beschwerdeführer selbst nicht
geltend. Sollte der Arrestgrund (bzw. der Sicherstellungstatbestand) nicht
gegeben gewesen sein, liesse dies entgegen seiner Ansicht weder die erwähnte
Sicherstellungsverfügung noch den Arrestbefehl vom 1. Oktober 2002 als
nichtig erscheinen. Etwas anderes ergibt sich auch aus der angerufenen
Literaturstelle nicht (Amonn/Gasser, Grundriss des Schuldbetreibungs- und
Konkursrechts, 6. Auflage, Bern 1997, S. 418).

5.3  Die Vollzugsorgane haben ferner ebenso wenig zu prüfen, ob die
Steuerbehörden nach dem Dahinfallen eines ersten Arrestes gestützt auf die
gleiche Sicherstellungsverfügung einen zweiten Arrestbefehl ausstellen
dürfen. Es handelt sich dabei um eine durch die einschlägigen
steuerrechtlichen Bestimmungen beherrschte Frage, die gegebenenfalls von den
zuständigen Verwaltungsinstanzen zu beurteilen ist. Zur Begründung seiner
Ansicht, die Sicherstellungsverfügung vom 7. Mai 2002 habe ihre Wirksamkeit
verloren, beruft sich der Beschwerdeführer denn auch auf einen Entscheid des
Regierungsrats.

6.
Zusammengefasst ergibt sich, dass der Entscheid der Vorinstanz, das Begehren
um Aufhebung des am 1. Oktober 2002 vollzogenen Arrestes abzuweisen, (im
Ergebnis) nicht zu beanstanden ist.

Demnach erkennt die Kammer:

1.
Die Beschwerdeverfahren 7B.4/2003 und 7B.6/2003 werden vereinigt.

2.
Die Beschwerden werden abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

3.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Steueramt des Kantons Solothurn,
dem Betreibungsamt S.________ und der Aufsichtsbehörde für Schuldbetreibung
und Konkurs des Kantons Solothurn schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 5. März 2003

Im Namen der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer
des Schweizerischen Bundesgerichts

Die Präsidentin:  Der Gerichtsschreiber: