Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Schuldbetreibungs- und Konkurskammer 7B.2/2003
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7B.2/2003 /bnm

Urteil vom 20. März 2003
Schuldbetreibungs- und Konkurskammer

Bundesrichterin Escher, Präsidentin,
Bundesrichter Meyer, Bundesrichterin Hohl,
Gerichtsschreiber Gysel.

Konkursmasse A.________, vertreten durch das Konkursamt des Kantons
Basel-Stadt, Bäumleingasse 5, Postfach, 4001 Basel,
Beschwerdeführerin,

gegen

Obergericht (II. Zivilkammer) des Kantons Zürich als oberer kantonaler
Aufsichtsbehörde in Schuldbetreibungs- und Konkurssachen, Postfach, 8023
Zürich.

Grundpfandverwertung (Verteilung),

Beschwerde gegen den Beschluss vom 16. Dezember 2002 (NR020089/U).

Sachverhalt:

A.
A.a In der Grundpfandbetreibung Nr. yyy gegen A.________ als Schuldner und
Pfandeigentümer und in der Grundpfandbetreibung Nr. zzz gegen A.________ als
Drittpfandeigentümer (Schuldnerin: B.________ AG [in Konkurs]) versteigerte
das Betreibungsamt X.________ am 28. Januar 1999 bzw. am 12. April 2000
verschiedene Grundstücke. In den Lastenverzeichnissen vom 18. Dezember 1998
bzw. vom 13. März 2000 waren gesetzliche Steuerpfandrechte der Gemeinde
X.________ aufgeführt worden.

Gemäss der in der Betreibung Nr. yyy am 20. August 1999 erstellten
(revidierten) Verteilungsliste ergab sich eine vollumfängliche Deckung für
die Gemeinde X.________ (durch ein gesetzliches Pfandrecht gesicherte
Forderung von Fr. 668'233.-- für Grundstückgewinnsteuer) und für die durch
vertragliche Pfandrechte im ersten und im zweiten Rang gesicherte
Gläubigerin. Die durch ein Pfandrecht im dritten Rang gesicherte C.________
GmbH erlitt einen Pfandausfall von Fr. 485.82, und die nachfolgenden
Pfandgläubiger gingen leer aus.

In der Betreibung Nr. zzz ergab die Verteilungsliste vom 28. Juni 2000 eine
volle Deckung nur für die Gemeinde X.________ (durch ein gesetzliches
Pfandrecht gesicherte Forderung von Fr. 251'195.50 für Grundstückgewinn- und
Handänderungssteuer). Für die durch ein Pfandrecht im ersten Rang gesicherte
D.________ AG resultierte ein Pfandausfall von Fr. 699'213.85, und die
Pfandrechte der nachfolgenden Gläubiger blieben ungedeckt.

A.b Durch Entscheid des Verwaltungsgerichts (2. Abteilung) des Kantons Zürich
vom 10. Januar 2001 wurde der Entscheid der kantonalen Steuerrekurskommission
III vom 18. April 2000 bestätigt, wonach die den pfandgesicherten Forderungen
der Gemeinde X.________ zugrunde liegende Steuerveranlagung (die A.________
mit Rekurs vom 22. Mai 1998 an die Finanzdirektion des Kantons Zürich
angefochten hatte) aufgehoben wurde.

A.c Am 5. Februar 2001 wurde über A.________ der Konkurs eröffnet und das
Konkursamt des Kantons Basel-Stadt als amtliche Konkursverwaltung eingesetzt.

B.
Mit Verfügung vom 3. Januar 2002 wies das Betreibungsamt X.________ das
Steueramt der Gemeinde X.________ an, Fr. 919'428.50 auf sein Konto zu
überweisen. Gleichzeitig ordnete es an, dass dieser Betrag "gemäss
Lastenverzeichnissen und Verteilungslisten aus den Zwangsverwertungen an die
zu Verlust gekommenen Grundpfandgläubiger verteilt" werde.

Die Konkursmasse A.________ führte Beschwerde an das Bezirksgericht
Winterthur als unterer kantonaler Aufsichtsbehörde in Schuldbetreibungs- und
Konkurssachen mit den Begehren, die betreibungsamtliche Verfügung vom 3.
Januar 2002 aufzuheben und die Gemeinde X.________ anzuweisen, die
zurückzuerstattenden Steuern ihr zu überweisen.

Die Beschwerde wurde durch das Bezirksgericht Winterthur am 9. September 2002
und durch das Obergericht (II.  Zivilkammer) des Kantons Zürich (obere
Aufsichtsbehörde) am 16. Dezember 2002 abgewiesen.

C.
Den Beschluss des Obergerichts nahm die Konkursmasse A.________ am 17.
Dezember 2002 in Empfang. Mit einer vom 27. Dezember 2002 datierten und noch
am gleichen Tage zur Post gebrachten Eingabe führt sie (rechtzeitig)
Beschwerde an die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Bundesgerichts und
erneuert die im kantonalen Verfahren gestellten Rechtsbegehren.

Durch Präsidialverfügung vom 7. Januar 2003 ist der Beschwerde aufschiebende
Wirkung zuerkannt worden.

Das Obergericht hat auf Gegenbemerkungen zur Beschwerde verzichtet. Das
Betreibungsamt X.________ schliesst auf Abweisung der Beschwerde.

Mit Eingabe vom 6. März 2003 haben die zu einem Konsortium
zusammengeschlossenen E.________, F.________ AG, G.________ und H.________,
Gläubiger an 4. Pfandstelle in der Betreibung Nr. yyy, darum ersucht, als
Intervenienten gegen die Beschwerdeführerin zugelassen zu werden.

D.
Die Beschwerdeführerin hat mit Eingabe vom 15. Januar 2003 zusätzlich
staatsrechtliche Beschwerde eingereicht (5P.16/2003).

Die Kammer zieht in Erwägung:

1.
In ihrer staatsrechtlichen Beschwerde wirft die Beschwerdeführerin der
kantonalen Aufsichtsbehörde willkürliche Beweiswürdigung vor. Wie sich aus
den nachstehenden Erwägungen ergeben wird, richtet sich die Rüge gegen eine
Tatsachenfeststellung, die unerheblich ist. Es rechtfertigt sich daher, die
vorliegende Beschwerde in Abweichung von dem in Art. 57 Abs. 5 (in Verbindung
mit Art. 81) OG festgelegten Grundsatz vorab zu behandeln.

2.
2.1 Strittig ist, ob die Steuerbeträge, die die Gemeinde X.________ auf Grund
des verwaltungsgerichtlichen Entscheids vom 10. Januar 2001 zurückzuerstatten
hat, den (nicht gedeckten) Gläubigern in der jeweiligen Grundpfandbetreibung
(Nr. yyy und Nr. zzz) zu Gute kommen, oder ob sie der Beschwerdeführerin
zustehen.

2.2 Mit Bezug auf das Zusammentreffen von Konkurs und Spezialexekution
bestimmt Art. 206 Abs. 1 SchKG, dass die im Zeitpunkt der Konkurseröffnung
hängigen Betreibungen dahinfallen. Indessen sieht Art. 199 Abs. 2 SchKG vor,
dass gepfändete Barbeträge, abgelieferte Beträge bei Forderungs- und
Einkommenspfändung sowie der Erlös bereits verwerteter Vermögensstücke nach
den einschlägigen Vorschriften (Art. 144-150 SchKG) verteilt werden, sofern
die Fristen für den Pfändungsanschluss abgelaufen sind, und dass (nur) ein
allfälliger Überschuss in die Konkursmasse fällt. Diese Regelung ist
sinngemäss auch für die Betreibung auf Pfandverwertung heranzuziehen. Sie ist
beispielsweise in Art. 85 (zweites Lemma) KOV enthalten, wonach bei der
Aufstellung der Verteilungsliste im Konkurs bei einem verpfändeten Grundstück
vorab die Kosten (für Inventur, Verwaltung und Verwertung) abzuziehen und die
Pfandforderungen vollständig zu decken sind und nur ein allfälliger
Überschuss zum Erlös des freien Massevermögens geschlagen wird. Im gleichen
Sinne bestimmt Art. 96 VZG, dass (im Falle der Eröffnung des Konkurses über
den Schuldner und Pfandeigentümer vor Verwertung des Grundpfandes) die vor
Konkurseröffnung fällig gewordenen und noch nicht verteilten Miet- und
Pachtzinse unter Vorbehalt des den Grundpfandgläubigern nach Art. 806 Abs. 1
ZGB zustehenden Vorzugsrechts in die Konkursmasse fallen.

2.3 Im Zeitpunkt der Eröffnung des Konkurses über A.________ waren in den
gegen ihn gerichteten Betreibungen Nrn. yyy und zzz die Pfandgegenstände
verwertet. Der dabei erzielte Erlös stand mithin in erster Linie den
Grundpfandgläubigern zu.

3.
Dass die Gläubiger der den Steuerpfandrechten nachgehenden Forderungen keine
Lastenbereinigungsklagen angehoben haben, vermag am Gesagten nichts zu
ändern. Die Beschwerdeführerin, die glaubt, wegen der Untätigkeit der
erwähnten Pfandgläubiger den zufolge Dahinfallens der Steuerforderungen frei
gewordenen Betrag für sich beanspruchen zu können, misst dem
Lastenverzeichnis bzw. der Rechtskraft eines Lastenverzeichnisses eine
unzutreffende Bedeutung und Tragweite bei.

3.1 Das Lastenverzeichnis gibt Auskunft über die auf dem Grundstück lastenden
dinglichen und realobligatorischen Rechte. Einerseits soll der Erwerber
erfahren, mit welchen Lasten er das Grundstück übernimmt, und andererseits
sollen die beteiligten Pfandgläubiger im Hinblick auf die Verteilung wissen,
welche Rechte ihrem Anspruch vorgehen oder diesem gleichgestellt sind
(Pierre-Robert Gilliéron, Commentaire de la loi fédérale sur la poursuite
pour dettes et la faillite, N 17 zu Art. 140; Kurt Amonn/Dominik Gasser,
Grundriss des Schuldbetreibungs- und Konkursrechts, 6. Auflage, Rz 22 zu §
28). Die Wirkungen des Lastenverzeichnisses beschränken sich naturgemäss auf
das jeweilige Betreibungsverfahren.

3.2 In Anbetracht der dargelegten Funktion des Lastenverzeichnisses kann die
(stillschweigende) Anerkennung einer Pfandforderung durch einen (im Rang
nachgehenden oder gleichrangigen) Pfandgläubiger nicht zur Folge haben, dass
dieser bei einer nachträglichen Streichung der fraglichen Forderung aus
Gründen, wie sie hier vorliegen, von der Verteilung des frei gewordenen
Betrags ausgeschlossen wäre. Der untätig gebliebene Pfandgläubiger hat nicht
auch zu Gunsten nicht pfandrechtlich gesicherter Gläubiger auf eine
Anfechtung verzichtet. Er hat mit andern Worten nicht den Untergang seines
Pfandrechts schlechthin in Kauf genommen. Umgekehrt bewirkt die erfolgreiche
Anfechtung einer pfandgesicherten Forderung durch den Schuldner bzw.
Pfandeigentümer nicht, dass dieser den entsprechenden Betrag für sich
beanspruchen könnte. Der frei gewordene Betrag hat der Befriedigung der
andern Pfandgläubiger zu dienen, würde doch sonst das Haftungssubstrat ohne
Einwilligung der daran Berechtigten verkleinert. Es ist mithin so zu halten,
wie wenn der dahingefallene Eintrag gar nie in das Lastenverzeichnis
aufgenommen worden wäre. Die vorliegenden Verhältnisse sind mit den
Gegebenheiten bei einer leeren Pfandstelle zu vergleichen. Für diesen Fall
bestimmt Art. 815 ZGB - im Sinne einer Durchbrechung des gesetzlichen
Prinzips der festen Pfandstelle (Art. 813 ZGB) - ausdrücklich, dass bei einer
Verwertung des Pfandes der Erlös ohne Rücksicht auf leere Pfandstellen den
wirklichen Pfandgläubigern (nach ihrem Range) zugewiesen wird (und demnach
nur ein allfälliger Überschuss den nicht pfandrechtlich gesicherten
Gläubigern zukommt).

4.
Stand der durch den Entscheid des kantonalen Verwaltungsgerichts vom 10.
Januar 2001 frei gewordene Betrag nach dem Gesagten nicht A.________ zu, kann
er auch nicht zur Konkursmasse gehören. Die kantonalen Aufsichtsbehörden
haben deren Beschwerde deshalb zu Recht abgewiesen, und die vorliegende
Beschwerde ist ihrerseits abzuweisen.

5.
Bei diesem Ausgang des Verfahrens ändert sich an der Rechtsstellung der
Grundpfandgläubiger nichts. Es besteht daher kein Anlass, sie zu einer
Stellungnahme zur Beschwerde einzuladen. Indessen rechtfertigt es sich,
denjenigen von ihnen, die um Zulassung zum Beschwerdeverfahren nachgesucht
haben, den vorliegenden Entscheid zuzustellen.

Demnach erkennt die Kammer:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Dieses Urteil wird der Beschwerdeführerin, vertreten durch das Konkursamt des
Kantons Basel-Stadt, Bäumleingasse 5, Postfach, 4001 Basel, dem durch
E.________, der F.________ AG, G.________, und H.________, gebildeten
Konsortium, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Manuel Brandenberg, Poststrasse
9, 6300 Zug, dem Betreibungsamt X.________ und dem Obergericht (II.
Zivilkammer) des Kantons Zürich als oberer kantonaler Aufsichtsbehörde in
Schuldbetreibungs- und Konkurssachen schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 20. März 2003

Im Namen der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer
des Schweizerischen Bundesgerichts

Die Präsidentin: Der Gerichtsschreiber: