Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Schuldbetreibungs- und Konkurskammer 7B.270/2003
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7B.270/2003 /rov

Urteil vom 27. Februar 2004
Schuldbetreibungs- und Konkurskammer

Bundesrichterin Escher, Präsidentin,
Bundesrichter Meyer, Bundesrichterin Hohl,
Gerichtsschreiber Gysel.

Z. ________,
Beschwerdeführerin,

gegen

Obergericht (II. Zivilkammer) des Kantons Zürich als oberer kantonaler
Aufsichtsbehörde in Schuldbetreibungs- und Konkurssachen, Postfach, 8023
Zürich.

Arrest (Drittanspruch)

Beschwerde gegen den Beschluss vom 21. November 2003 (NR030081/U).

Sachverhalt:

A.
Die Eidgenössische Steuerverwaltung (Hauptabteilung Mehrwertsteuer) erliess
am 9. Juli 2003 unter Berufung auf Art. 70 Abs. 1 lit. a und c des
Bundesgesetzes über die Mehrwertsteuer (MWSTG; SR 641.20) und eine
Sicherstellungsverfügung vom gleichen Tag gegen die Y.________ GmbH einen
Arrestbefehl für eine Forderungssumme von Fr. 170'000.--. Als
Arrestgegenstände wurden das Warenlager der Y.________ GmbH ("sämtliche sich
an der A.________gasse , B.________, befindlichen Waren") und das Bargeld
(Kasse) der Gesellschaft vermerkt. Am 10. Juli 2003 vollzog das
Betreibungsamt Zürich 1 den Arrest im Beisein des Geschäftsführers
(X.________) und einer Angestellten der Schuldnerin. Die mit Beschlag
belegten Gegenstände (Pos. Nrn. xxx-yyy wurden von Z.________, der Ehefrau
von X.________, zu Eigentum angesprochen.

In der Arresturkunde vom 11. Juli 2003 setzte das Betreibungsamt der
Schweizerischen Eidgenossenschaft (handelnd durch die Eidgenössische
Steuerverwaltung) als Gläubigerin im Sinne von Art. 108 SchKG Frist zur Klage
an. Am 15. Juli 2003 errichtete es eine neue Arresturkunde, worin es der
Gläubigerin wie auch der Schuldnerin im Sinne von Art. 107 (Abs. 2) SchKG
Frist zur Bestreitung des von Z.________ angemeldeten (Dritt-)Anspruchs
ansetzte.

B.
Mit Eingabe vom 28. Juli 2003 erhob Z.________ beim Bezirksgericht Zürich als
unterer Aufsichtsbehörde in Schuldbetreibungs- und Konkurssachen Beschwerde
und verlangte, die Fristansetzung nach Art. 107 SchKG aufzuheben und der
Gläubigerin sowie der Schuldnerin gestützt auf Art. 108 SchKG Frist
anzusetzen zur Klage auf Aberkennung sowohl der von ihr selbst als auch der
von ihrem Ehemann X.________ (bezüglich einzelner Gegenstände) geltend
gemachten Eigentumsansprüche.

Das Bezirksgericht (2. Abteilung) wies die Beschwerde am 30. September 2003
ab, soweit es darauf eintrat.

Hiergegen rekurrierte Z.________ an das Obergericht (II. Zivilkammer) des
Kantons Zürich (obere Aufsichtsbehörde), das am 21. November 2003 beschloss,
dass auf Beschwerde und Rekurs nicht eingetreten werde.

C.
Mit einer vom 18. Dezember 2003 datierten und noch am gleichen Tag zur Post
gebrachten Eingabe führt Z.________ (rechtzeitig) Beschwerde an die
Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Bundesgerichts und verlangt, den
Entscheid des Obergerichts aufzuheben und das Betreibungsamt Zürich 1
anzuweisen, bezüglich der von ihr zu Eigentum angesprochenen Gegenstände das
Klageverfahren nach Art. 108 SchKG durchzuführen.

Durch Präsidialverfügung vom 7. Januar 2004 ist der Beschwerde antragsgemäss
aufschiebende Wirkung zuerkannt worden.

Das Obergericht hat auf Gegenbemerkungen zur Beschwerde ausdrücklich
verzichtet. Die Eidgenössische Steuerverwaltung beantragt, die Beschwerde
abzuweisen, soweit darauf einzutreten sei. Das Betreibungsamt hat sich nicht
vernehmen lassen.

Die Kammer zieht in Erwägung:

1.
Das Obergericht hat der Beschwerdeführerin die Legitimation zur Beschwerde
abgesprochen mit der Begründung, der Arresturkunde vom 15. Juli 2003 sei
einzig zu entnehmen, dass der Gläubigerin und der Schuldnerin gemäss Art. 107
Abs. 2 SchKG Frist zur Bestreitung ihrer Eigentumsansprache angesetzt worden
sei. Dass die Beschwerdeführerin als klagende Partei ein
Widerspruchsverfahren führen müsste, sei durch die beanstandete
Fristansetzung noch keineswegs entschieden. Werde der von ihr geltend
gemachte Anspruch nämlich nicht bestritten, gelte er nach Art. 107 Abs. 4
SchKG in der betreffenden Betreibung als anerkannt. Wenn aber somit die
Parteirollen mit der angefochtenen Verfügung noch nicht definitiv festgelegt
worden seien, sei die Beschwerdeführerin durch diese gar nicht beschwert. Für
ein Eintreten auf die Beschwerde sprächen im Übrigen auch keine
prozessökonomischen Gründe. Auch wenn die Frage des Gewahrsams an den
arrestierten Gegenständen bereits im vorliegenden Beschwerdeverfahren geprüft
würde, stünde es der Beschwerdeführerin nämlich frei, gegen eine im Anschluss
an eine Bestreitung der Eigentumsansprache an sie gerichtete Fristansetzung
zur Einreichung der Widerspruchsklage Beschwerde zu führen.

2.
2.1 Je nachdem, in wessen Gewahrsam sich der von einem Dritten zu Eigentum
angesprochene Pfändungs- oder Arrestgegenstand befindet, ist es im
Bestreitungsfall Sache des Dritten, auf Feststellung (Art. 107 Abs. 5 SchKG),
oder des Schuldners bzw. des Gläubigers, auf Aberkennung (Art. 108 Abs. 1 und
2 SchKG) des geltend gemachten Anspruchs zu klagen. Bevor das Betreibungsamt
dem Dritten die Zwanzig-Tage-Frist zur Klage auf Feststellung seines
Anspruchs ansetzt (Art. 107 Abs. 5 SchKG), klärt es in einem Vorverfahren ab,
ob der Anspruch vom Schuldner oder vom Gläubiger überhaupt bestritten wird.
Hiezu wird diesen eine Frist (von zehn Tagen) angesetzt (Art. 107 Abs. 2
SchKG). Wo die Arrestsache sich im Gewahrsam oder Mitgewahrsam des Dritten
befindet und somit die Vermutung, dass der Gewahrsamsinhaber auch das bessere
Recht auf die Sache hat, zu seinen Gunsten spricht (vgl. BGE 101 III 23 E. 2
S. 26), fehlt ein Vorverfahren und wird dem Gläubiger und dem Schuldner
sogleich die Zwanzig-Tage-Frist zur Klage auf Aberkennung des geltend
gemachten Drittanspruchs angesetzt (Art. 108 Abs. 1 und 2 SchKG).

2.2 Vor dem Hintergrund des Gesagten ist davon auszugehen, dass das
Betreibungsamt mit der an die Gläubigerin und die Schuldnerin gerichteten
Ansetzung der Frist zu einer allfälligen Bestreitung des Drittanspruchs
unmissverständlich zum Ausdruck gebracht hat, das Widerspruchsverfahren sei
nach Massgabe von Art. 107 SchKG durchzuführen, mit andern Worten, die
Klägerrolle für eine mögliche Widerspruchsklage komme der Beschwerdeführerin
zu (vgl. BGE 36 I 752 E. 2 S. 755). Ob das Betreibungsamt an seine
Einschätzung der Gewahrsamsverhältnisse gebunden bleibt und demnach eine
spätere Fristansetzung nach Art. 108 SchKG ausgeschlossen ist, braucht hier
nicht weiter erörtert zu werden (Frage bejaht in BGE 36 I 154 S. 156;
verneint in BGE 36 I 752 E. 3 S. 755 f.).
2.3 Prozessual befindet sich der Kläger gerade in einem Fall der vorliegenden
Art in der ungünstigeren Position: Er muss in sehr kurzer Zeit seine
Prozessaussichten abschätzen und eine Rechtsschrift einreichen. Regelmässig
wird er auch die Gerichtskosten sicherzustellen haben, was in einzelnen
Kantonen freilich ebenso für den Beklagten zutreffen kann (dazu BGE 124 I 241
E. 4 a und 4b S. 244 f.). Zu beachten ist weiter, dass die
Parteirollenverteilung für den Widerspruchsprozess ausschliesslich den
Betreibungsbehörden vorbehalten und deren Entscheid für den Richter demnach
verbindlich ist (Kurt Amonn/Fridolin Walther, Grundriss des
Schuldbetreibungs- und Konkursrechts, 7. Auflage, § 24 Rz 40). Angesichts der
dargelegten Umstände hat die Beschwerdeführerin ein Interesse an einer
Einleitung und Durchführung des Widerspruchsverfahrens nach den Vorschriften
von Art. 108 SchKG.

2.4 Der Drittansprecher wird nach vollzogenem Arrest durch das Betreibungsamt
benachrichtigt (Art. 276 Abs. 2 SchKG). Eine Mitteilung über die Einleitung
des Vorverfahrens (Art. 107 Abs. 2 SchKG) ist gesetzlich nicht vorgesehen.
Der Drittansprecher wird daher von der Parteirollenverteilung in der Regel
erst mit der an ihn gerichteten Einladung zur Klageerhebung (Art. 107 Abs. 5
SchKG) erfahren. Indessen kann es vorkommen, dass er schon früher von dem
durch das Betreibungsamt eingeschlagenen Weg Kenntnis erlangt. Es sind keine
sachlichen Gründe dafür ersichtlich, ihm in einem solchen Fall eine
Beschwerde gegen die erste Fristansetzung (Art. 107 Abs. 2 SchKG) zu
verweigern und zu verlangen, dass er erst die Einladung zur Klageerhebung
(Art. 107 Abs. 5 SchKG), die - im Bestreitungsfall - das Betreibungsamt nach
dem Gesetz zu erlassen hat, anfechte. Der Drittansprecher hat ein Recht auf
ein von Anfang an gesetzeskonform eingeleitetes Widerspruchsverfahren. Dass
ein frühes Beschwerdeverfahren wegen eines allfälligen Verzichts von
Schuldner und Gläubiger auf Bestreitung des Drittanspruchs gegenstandslos
werden könnte, vermag daran nichts zu ändern. Unbehelflich ist auch die
weitere Überlegung des Obergerichts zur Verfahrensökonomie: Für die
Beurteilung der Frage, wer an einer arrestierten Sache Gewahrsam habe, sind
die Verhältnisse im Zeitpunkt der Beschlagnahme massgebend (dazu BGE 122 III
436 E. 2a S. 437 mit Hinweisen; vgl. auch BGE 76 III 87 E. 2 S. 89 f.).
Deshalb ist mit dem Entscheid über den Gewahrsam, der in einem gegen die
Fristansetzung nach Art. 107 Abs. 2 SchKG gerichteten Beschwerdeverfahren
gefällt wird, die Parteirollenverteilung endgültig beurteilt. Der
Drittansprecher kann diese mit einer Beschwerde gegen die Einladung zur
Klageerhebung nicht mehr in Frage stellen.

3.
Die Beschwerdeführerin hat nach dem Gesagten ein zur Beschwerde
berechtigendes schutzwürdiges aktuelles Interesse an einer Aufhebung der
Fristansetzung gemäss Art. 107 Abs. 2 SchKG (dazu BGE 82 III 97 S. 99; Franco
Lorandi, Betreibungsrechtliche Beschwerde und Nichtigkeit, Basel 2000, Rz 211
zu Art. 17 SchKG). Die Vorinstanz ist daher auf die Beschwerde bzw. den bei
ihr eingereichten Rekurs zu Unrecht nicht eingetreten. Ihr Beschluss ist
aufzuheben. Da er keine Ausführungen zur Sache enthält, ist die erkennende
Kammer von vornherein nicht in der Lage, über die Beschwerde materiell zu
entscheiden. Auf die entsprechenden Beschwerdevorbringen ist deshalb nicht
einzutreten, und die Sache ist zur materiellen Behandlung der Beschwerde an
die Vorinstanz zurückzuweisen.

Demnach erkennt die Kammer:

1.
1.1 Soweit auf die Beschwerde einzutreten ist, wird sie gutgeheissen.

1.2 Der Beschluss des Obergerichts (II. Zivilkammer) des Kantons Zürich als
oberer kantonaler Aufsichtsbehörde in Schuldbetreibungs- und Konkurssachen
vom 21. November 2003 wird aufgehoben und die Sache zur materiellen
Beurteilung der Beschwerde an die Vorinstanz zurückgewiesen.

2.
Dieses Urteil wird der Beschwerdeführerin, der Beschwerdegegnerin
(Schweizerische Eidgenossenschaft, handelnd durch die Eidgenössische
Steuerverwaltung, Hauptabteilung Mehrwertsteuer, Schwarztorstrasse 50, 3003
Bern), dem Betreibungsamt Zürich 1 und dem Obergericht (II. Zivilkammer) des
Kantons Zürich als oberer kantonaler Aufsichtsbehörde in Schuldbetreibungs-
und Konkurssachen schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 27. Februar 2004

Im Namen der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer
des Schweizerischen Bundesgerichts

Die Präsidentin:  Der Gerichtsschreiber: