Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Schuldbetreibungs- und Konkurskammer 7B.249/2003
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7B.249/2003 /rov

Urteil vom 7. Januar 2004
Schuldbetreibungs- und Konkurskammer

Bundesrichterin Escher, Präsidentin,
Bundesrichter Meyer, Bundesrichterin Hohl,
Gerichtsschreiberin Scholl.

Z. ________,
Beschwerdeführer,
vertreten durch Advokat Markus Trottmann,

gegen

Aufsichtsbehörde über das Betreibungs- und Konkursamt Basel-Stadt,
Bäumleingasse 5, Postfach 964, 4001 Basel.

Betreibungsart,

SchKG-Beschwerde gegen das Urteil der Aufsichtsbehörde über das Betreibungs-
und Konkursamt
Basel-Stadt vom 29. September 2003.

Sachverhalt:

A.
Y. ________ sel. nahm gemeinsam mit X.________ unter solidarischer
Schuldnerschaft bei der Bank W.________ ein Darlehen auf, welches unter
anderem durch ein Grundpfand sichergestellt wurde.

Mit Betreibungsbegehren vom 28. Februar 2003 gegen Z.________
(Rechtsnachfolger von Y.________/Schuldner) verlangte die Bank W.________
(Gläubigerin) ausdrücklich die Betreibung auf Pfändung oder Konkurs für Fr.
2'600'000.-- nebst Zins und Kosten und bemerkte, dass auf das Recht und die
Einrede der Vorausvollstreckung (beneficium excussionis realis) rechtsgültig
verzichtet worden sei. Das Betreibungsamt Basel-Stadt übernahm diese
Bemerkung in den Zahlungsbefehl vom 27. März 2003 und stellte diesen am 10.
Juni 2003 zu. Am 20. Juni 2003 erhob Z.________ Rechtsvorschlag.

B.
Mit Beschwerde vom 19. Juni 2003 beantragte Z.________ zudem, den
Zahlungsbefehl in der obigen Betreibung Nr. xxx aufzuheben. Er machte im
Wesentlichen geltend, die in Betreibung gesetzte Forderung sei
grundpfandgesichert, weshalb zunächst die Betreibung auf Pfandverwertung
durchzuführen sei. Mit Urteil vom 29. September 2003 wies die
Aufsichtsbehörde über das Betreibungs- und Konkursamt Basel-Stadt die
Beschwerde ab.

C.
Z.________ gelangt mit Beschwerde vom 20. November 2003 an die
Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Bundesgerichts. Er beantragt, den
Zahlungsbefehl in der Betreibung Nr. xxx vom 27. März 2003 aufzuheben bzw.
für ungültig zu erklären.

Am 28. November 2003 wurde der Beschwerde die aufschiebende Wirkung
zuerkannt.

Die Aufsichtsbehörde und das Betreibungsamt haben auf eine Stellungnahme
verzichtet. Die Bank W.________ (Beschwerdegegnerin) schliesst auf Abweisung
der Beschwerde.

Die Kammer zieht in Erwägung:

1.
Nach Art. 79 Abs. 1 OG kann neue Begehren, Tatsachen, Bestreitungen und
Beweismittel nicht anbringen, wer dazu im kantonalen Verfahren Gelegenheit
hatte. Dieses Novenverbot gilt auch für die Vernehmlassung der
Beschwerdegegnerin. Unbeachtlich ist daher die in der Vernehmlassung ans
Bundesgericht erstmals vorgebrachte Behauptung, der Beschwerdeführer habe den
Nachweis, dass die in Betreibung liegende Forderung pfandgesichert sei, nicht
erbracht. Damit setzt sich die Beschwerdegegnerin im Übrigen nicht nur in
Widerspruch zur Aufsichtsbehörde, welche ausdrücklich festgehalten hat, die
Forderung sei durch ein Grundpfand gesichert, sondern auch zu ihren eigenen
Ausführungen im kantonalen Verfahren und insbesondere im Betreibungsbegehren,
wo sie nur angegeben hatte, der Beschwerdeführer habe auf das beneficium
excussionis realis rechtsgültig verzichtet. Ebenfalls neu ist das Vorbringen,
es handle sich bei den weiteren Sicherheiten um ein Drittpfandverhältnis.

2.
Der Beschwerdeführer anerkennt ausdrücklich, dass die Einrede der
Vorausverwertung dispositiver Natur ist und es den Parteien frei steht, auf
sie zum Voraus zu verzichten (BGE 97 III 49 E. 1 S. 51; 120 III 105 E. 1 S.
106; Domenico Acocella, in: Staehelin/Bauer/Staehelin, Kommentar zum
Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, N. 28 zu Art. 41 SchKG).
Strittig ist dagegen, ob der Verzicht auf das beneficium excussionis realis,
welcher die Aufsichtsbehörde aus den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB)
der Beschwerdegegnerin abgeleitet hat, rechtsgültig erfolgt ist.

3.
Vorformulierte Vertragsbestimmungen sind grundsätzlich nach den gleichen
Regeln wie individuell verfasste Vertragsklauseln auszulegen (BGE 122 III 118
E. 2a S. 121). Somit bestimmt sich auch der Inhalt von Allgemeinen
Geschäftsbedingungen in erster Linie nach dem übereinstimmenden wirklichen
Parteiwillen (Art. 18 Abs. 1 OR). Wenn dieser - wie im vorliegenden Fall -
unbewiesen bleibt, sind zur Ermittlung des mutmasslichen Parteiwillens die
Erklärungen der Parteien auf Grund des Vertrauensprinzips so auszulegen, wie
sie nach den gesamten Umständen verstanden werden durften und mussten (BGE
126 III 119 E. 2a S. 120 mit Hinweisen). Versagen die übrigen
Auslegungsmittel, gelangt die Unklarheitenregel zur Anwendung (BGE 122 III
118 E. 2d S. 124; 123 III 35 E. 2c/bb S. 44). Danach sind mehrdeutige
Wendungen in vorformulierten Vertragsbedingungen im Zweifel zu Lasten jener
Partei auszulegen, welche sie verfasst hat (BGE 124 III 155 E. 1b S. 158).
Die Geltung von vorformulierten Vertragsbestimmungen wird schliesslich durch
die Ungewöhnlichkeitsregel eingeschränkt, wonach von der global erklärten
Zustimmung zu den AGB alle ungewöhnlichen Klauseln ausgenommen sind, auf
deren Vorhandensein die schwächere oder weniger geschäftserfahrene Partei
nicht gesondert aufmerksam gemacht worden ist (BGE 109 II 452 E. 4 und 5 S.
456 ff.; 119 II 443 E. 1a S. 445 f.).

4.
Die hier interessierende Klausel der Allgemeinen Geschäftsbedingungen
(Version 11/1996) der Beschwerdegegnerin lautet wie folgt:

A 11. Pfand- und Verrechnungsrecht
Die Bank hat an allen Vermögenswerten, die sie jeweils für Rechnung des
Kunden bei sich selbst oder anderswo aufbewahrt, ein Pfandrecht und bezüglich
aller Forderungen ein Verrechnungsrecht für alle ihr aus der Bankverbindung
jeweils bestehenden Ansprüche, ohne Rücksicht auf die Fälligkeit oder
Währung. Dies gilt auch für Kredite und Darlehen mit speziellen oder ohne
Sicherheiten. Die Bank ist nach ihrer Wahl zur zwangsrechtlichen oder
freihändigen Verwertung der Pfänder berechtigt, sobald der Kunde mit seiner
Leistung in Verzug ist. Sie kann den Kunden unter Aufrechterhaltung des
Pfandrechtes auch auf Pfändung bzw. Konkurs betreiben. Bei der Verwertung ist
die Bank zum Selbsteintritt befugt.

4.1 Der Beschwerdeführer bringt vor, aus dieser Bestimmung ergebe sich
zunächst, dass sich die Beschwerdegegnerin für Forderungen gegenüber ihren
Kunden an sämtlichen in ihren Händen befindlichen Vermögensrechten ein
Pfandrecht einräumen wolle. Das nachfolgend festgehaltene Recht der Bank,
ungeachtet des Pfandrechts auch auf Pfändung bzw. Konkurs zu betreiben, könne
sich klarerweise nur auf die Pfandrechte beziehen, welche die Bank durch
diese Bestimmung erlangt habe. Es erscheine demgegenüber unhaltbar, aus
dieser Klausel einen generellen Verzicht des Kunden auf das beneficium
excussionis realis selbst bei grundpfandgesicherten Forderungen abzuleiten.
Zumindest sei die Tragweite der Bestimmung alles andere als eindeutig, so
dass sie in Anwendung der Unklarheitenregel zu Lasten der Beschwerdegegnerin
ausgelegt werden müsse.

4.2 Dem Beschwerdeführer ist zunächst insoweit zuzustimmen, als sich aus der
strittigen Klausel ein pauschales Pfandrecht zu Gunsten der Bank ableiten
lässt. Jedoch kann ihm insoweit nicht gefolgt werden, als er der Meinung ist,
der letzte Teil der Bestimmung beziehe sich nur auf die in dieser Weise
begründeten Pfandrechte. Eine solche Beschränkung lässt sich dem Wortlaut
nicht entnehmen, spricht die Bestimmung doch allgemein von "Aufrechterhalten
des Pfandrechts", ohne den Geltungsbereich auf eine bestimmte Art von
Pfandrechten einzuschränken. Es lässt sich daher nicht beanstanden, wenn die
Aufsichtsbehörde aus der Klausel abgeleitet hat, dass der Beschwerdeführer
bzw. sein Rechtsvorgänger pauschal für alle Pfandrechte auf die Einrede des
beneficium excussionis realis verzichtet habe. Da damit in der Auslegung
keine Zweifel bestehen, ist die Unklarheitenregel nicht anwendbar.

5.
Ob der generelle Verzicht auf die Einrede der Vorausverwertung in Allgemeinen
Geschäftsbedingungen von Banken als ungewöhnlich zu betrachten sind,
beurteilt sich nach der Art des zwischen der Bank und dem Kunden getätigten
Geschäfts. Dabei sind unter geschäftsfremden und damit ungewöhnlichen
Bestimmungen solche zu verstehen, die zu einer wesentlichen Änderung des
Vertragscharakters führen oder in erheblichem Masse aus dem gesetzlichen
Rahmen des Vertragstypus fallen (BGE 119 II 443 E. 1a S. 445 f.). Dies liegt
im vorliegenden Fall nicht vor: Ein Verzicht auf die Einrede der
Vorausverwertung kann im Bankenverkehr nicht als geschäftsfremd angesehen
werden. Keinen Einfluss auf die Frage der Ungewöhnlichkeit kann der Umstand
haben, dass - wie im vorliegenden Fall - zwei Schuldner zusammen unter
solidarischer Haftbarkeit das Darlehen aufgenommen haben. Unzutreffend ist
zudem die Behauptung des Beschwerdeführers, dass nur im (vorgängig)
abgeschlossenen Basisvertrag auf die AGB verwiesen werde. Vielmehr wird auch
im Hypothekenvertrag (Ziff. 11) nochmals ausdrücklich auf die Allgemeinen
Geschäftsbedingungen Bezug genommen und diese als verbindlich erklärt. Nicht
gefolgt werden kann damit dem Vorwurf, es handle sich um eine versteckte
Regelung, zu welcher man nur über mehrere Verweise gelange. Zusammenfassend
kann damit festgehalten werden, dass der Vorausverzicht auf das beneficium
excussionis realis nicht als ungewöhnlich qualifiziert werden kann. Ebenso
wenig ist die Bestimmung unlauter im Sinne von Art. 8 lit. a UWG.

6.
Damit ist die Beschwerde insgesamt abzuweisen. Das Beschwerdeverfahren ist
grundsätzlich kostenlos (Art. 20a Abs. 1 SchKG), und es darf keine
Parteientschädigung zugesprochen werden (Art. 62 Abs. 2 GebV SchKG).

Demnach erkennt die Kammer:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Beschwerdegegnerin, dem
Betreibungsamt Basel-Stadt und der Aufsichtsbehörde über das Betreibungs- und
Konkursamt Basel-Stadt schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 7. Januar 2004

Im Namen der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer
des Schweizerischen Bundesgerichts

Die Präsidentin:  Die Gerichtsschreiberin: