Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Schuldbetreibungs- und Konkurskammer 7B.127/2003
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7B.127/2003 /min

Sitzung vom 28. August 2003
Schuldbetreibungs- und Konkurskammer

Bundesrichterin Escher, Präsidentin,
Bundesrichter Meyer, Bundesrichterin Hohl,
Gerichtsschreiber Levante.

P. ________ AG,
Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwalt
Pius Huber, General Guisan-Quai 36, 8002 Zürich,

gegen

Obergericht des Kantons Zürich, II. Zivilkammer,
als obere kantonale Aufsichtsbehörde in Schuldbetreibungs- und Konkurssachen,
Postfach,
8023 Zürich.

Neuschätzung eines Grundstückes, Beschwerdelegitimation,

SchKG-Beschwerde gegen den Beschluss des Obergerichts des Kantons Zürich, II.
Zivilkammer, als oberer kantonaler Aufsichtsbehörde in Schuldbetreibungs- und
Konkurssachen vom 7. Mai 2003 (NR030013/U).

Sachverhalt:

A.
Das Betreibungsamt Richterswil teilte am 19. Juni 2002 der P.________ AG als
Schuldnerin in der Betreibung Nr. ... mit, dass die betreibungsamtliche
Schätzung des zu verwertenden Grundstücks (dauerndes und übertragbares
Baurecht für eine Fabrik, Assek. Nr. aaa auf der Liegenschaft Kat.-Nr. bbb
sowie Fabrikgebäude Assek.-Nr. ccc und Lagergebäude Assek.-Nr. ddd, in
X.________) Fr. 5'890'000.-- betrug. Mit Eingabe vom 8. Juli 2002 verlangte
die P.________ AG beim Bezirksgericht Horgen als unterer Aufsichtsbehörde in
Schuldbetreibungs- und Konkurssachen rechtzeitig die Neuschätzung des
Grundstücks. Mit Verfügung vom 9. Dezember 2002 stellte der Präsident der
unteren Aufsichtsbehörde der P.________ AG die vom Sachverständigen
Y.________ durchgeführte Neuschätzung mit dem Ergebnis von Fr. 2'770'000.--
zur Stellungnahme zu.

B.
Die untere Aufsichtsbehörde wies mit Beschluss vom 4. Februar 2003 das
Betreibungsamt an, in der Betreibung Nr. ... für das zu verwertende
Grundstück den Schätzwert von Fr. 4'330'000.-- einzusetzen. Zur Begründung
hielt sie im Wesentlichen fest, dass sowohl die betreibungsamtliche als auch
die Neuschätzung von einem Sachverständigen durchgeführt worden seien und
daher der Mittelwert aus beiden Gutachten eingesetzt werde. Gegen diesen
Beschluss erhob die P.________ AG Beschwerde und beantragte, der Schätzwert
sei auf Fr. 1'800'000.--, eventualiter Fr. 2'770'000.-- gemäss Gutachten der
Neuschätzung festzusetzen. Das Obergericht des Kantons Zürich, II.
Zivilkammer, als obere kantonale Aufsichtsbehörde in Schuldbetreibungs- und
Konkurssachen trat auf die Beschwerde mit Beschluss vom 7. Mai 2003 mangels
Beschwerdelegitimation nicht ein.

C.
Die P.________ AG hat den Beschluss der oberen Aufsichtsbehörde mit
Beschwerdeschrift vom 22. Mai 2003 (rechtzeitig) an die Schuldbetreibungs-
und Konkurskammer des Bundesgerichts weitergezogen und beantragt, der
angefochtene Beschluss sei aufzuheben und die obere Aufsichtsbehörde sei
anzuweisen, auf die Beschwerde einzutreten.

Die obere Aufsichtsbehörde hat anlässlich der Aktenüberweisung auf
Gegenbemerkungen (Art. 80 OG) verzichtet. Die Z.________ AG als
Betreibungsgläubigerin und Beschwerdegegnerin beantragt, auf die Beschwerde
sei nicht einzutreten; eventualiter sei diese abzuweisen. Das Betreibungsamt
hat sich nicht vernehmen lassen.

Die Kammer zieht in Erwägung:

1.
1.1 In der Beschwerdeschrift ist nach Art. 79 Abs. 1 OG anzugeben, welche
Abänderung des angefochtenen Entscheides beantragt wird. Der hier
angefochtene Beschluss äussert sich einzig darüber, dass die
Beschwerdeführerin keine eigenen schutzwürdigen Interessen zur Erhebung der
Beschwerde hat und auch keine schutzwürdigen Interessen Dritter berührt sind.
Ausführungen im Sinne einer Eventualbegründung, wie über die Beschwerde zu
entscheiden wäre, wenn darauf eingetreten werden könnte, finden sich im
angefochtenen Beschluss nicht. Im Fall, dass der angefochtene
Nichteintretensentscheid sich als bundesrechtswidrig erweist, müsste folglich
die Sache an die Vorinstanz zurückgewiesen werden, da diese für die weitere
Behandlung der Beschwerde zuständig wäre. Der Antrag auf Rückweisung der
Sache an die Vorinstanz genügt den formellen Erfordernissen. Insoweit erweist
sich die Beschwerde als zulässig.

1.2 Gemäss Art. 79 Abs. 1 OG ist in der Beschwerdeschrift kurz darzulegen,
welche Bundesrechtssätze und inwiefern diese durch den angefochtenen
Entscheid verletzt worden sind (BGE 119 III 49 E. 1). Soweit die
Beschwerdeführerin in ihrer Eingabe (auf S. 3 bis 6) die Vorbringen im
kantonalen Verfahren wörtlich wiederholt, genügt sie den
Begründungsanforderungen nicht und sind ihre Ausführungen unbeachtlich (BGE
106 III 40 E. 1 S. 42).

2.
Die obere Aufsichtsbehörde hat im Wesentlichen festgehalten, dass es im
Verwertungsverfahren darum gehe, einen möglichst hohen Erlös zu erzielen, so
dass die Beschwerdeführerin kein Rechtsschutzinteresse an einer Herabsetzung
des Schätzungswertes habe. Auch den Interessen von Steigerungsinteressenten
komme keine ausschlaggebende Bedeutung zu. Daher könne die Richtigkeit und
Schlüssigkeit der (beiden) Gutachten, die im vorliegenden Fall in der Tat
verschiedene Fragen nicht abschliessend beantworten würden, nicht Gegenstand
von Weiterungen sein. Die obere Aufsichtsbehörde hat geschlossen, dass weder
die Beschwerdeführerin noch Steigerungsinteressenten ein schutzwürdiges
Interesse an der Beschwerdeführung hätten. Sie ist daher auf die Beschwerde
nicht eingetreten und hat auch keinen Grund zum Einschreiten von Amtes wegen
gesehen.

Die Beschwerdeführerin wendet dagegen im Wesentlichen ein, ihre Legitimation
zur Beschwerdeführung sei gegeben, auch wenn sie eine tiefere Schätzung
verlange. Beide Gutachten würden wesentliche Punkte übersehen, so dass nicht
der Durchschnitt genommen werden könne. Der "krass unzutreffende", "massiv
übersetzte" Schätzungswert könne den Eindruck erwecken, die
Betreibungsgläubigerin sei für ihre Forderung vollumfänglich gedeckt, und
könne - was in ihrem (der Beschwerdeführerin) tatsächlichen Interesse stehe -
laufende Sanierungsverhandlungen beeinflussen.

3.
Zur Beschwerdeführung gemäss Art. 17 SchKG ist legitimiert, wer durch die
angefochtene Verfügung eines Vollstreckungsorganes in seinen rechtlich
geschützten oder zumindest tatsächlichen Interessen betroffen und dadurch
beschwert ist und deshalb ein schutzwürdiges Interesse an der Aufhebung oder
Abänderung der Verfügung hat (BGE 120 III 42 E. 3 S. 44; 112 III 1 E. 1 S. 3;
Pierre-Robert Gilliéron, Commentaire de la loi fédérale sur la poursuite pour
dettes et la faillite, N. 152 zu Art. 17 SchKG). Die Beschwerdeführerin rügt
zu Recht, dass ihr die obere Aufsichtsbehörde die Legitimation zur
Beschwerdeführung abgesprochen hat.

3.1 Aus dem Zusammenhang zwischen der Höhe des Schätzungswertes und dem
Steigerungserlös kann - entgegen der Auffassung der Vorinstanz - nichts für
die Beschwerdelegitimation der Beschwerdeführerin abgeleitet werden. Die
Schätzung des zu versteigernden Grundstückes sagt nichts über den an der
Versteigerung tatsächlich erzielbaren Erlös aus, sondern gibt im
Pfandverwertungsverfahren den Interessenten allenfalls einen Anhaltspunkt
über das vertretbare Angebot (vgl. BGE 101 III 32 E. 1 S. 34). Deshalb soll
die Schätzung nicht "möglichst hoch" sein, sondern den mutmasslichen
Verkaufswert des Grundstückes bestimmen (Art. 9 Abs. 1 i.V.m. Art. 99 Abs. 1
VZG). Diesem Zweck dient das Recht der Beteiligten (auch des Schuldners),
ohne nähere Begründung eine neue Schätzung durch Sachverständige zu verlangen
(Art. 9 Abs. 2 i.V.m. Art. 99 Abs. 2 VZG), sowie die Regel, dass die
Aufsichtsbehörde sich für einen Mittelwert (nicht den höheren Wert)
entscheiden darf, wenn voneinander abweichende Schätzungen zweier gleich
kompetenter Sachverständiger vorliegen (BGE 120 III 79 E. 2b S. 81). Vor dem
Hintergrund, dass die Beschwerdeführerin als Schuldnerin (abgesehen von
möglichen tatsächlichen Interessen) ein rechtlich geschütztes Interesse hat,
ohne weiteres die Schätzung des Betreibungsamtes in Frage zu stellen, um den
mutmasslichen Verkaufswert zu bestimmen, ist kein Grund ersichtlich, ihre
Beschwerdelegitimation vom Antrag auf eine höhere Schätzung abhängig zu
machen.

3.2 Der Schuldner hat - wie der Gläubiger - sodann grundsätzlich ein
rechtlich geschütztes Interesse an der ordnungsgemässen Abwicklung des
Zwangsvollstreckungsverfahrens (vgl. Franco Lorandi, Betreibungsrechtliche
Beschwerde und Nichtigkeit, N. 176 und 184 zu Art. 17 SchKG mit Hinweisen).
Nach feststehender Rechtsprechung sind deshalb vor allem und ganz allgemein
die am Zwangsvollstreckungsverfahren unmittelbar Beteiligten, d.h. der
Schuldner und der Gläubiger zur Beschwerdeführung legitimiert (BGE 43 III 18
E. 1 S. 20 f.; 67 III 89 S. 90; 70 III 18 E. 2 S. 20; vgl. Gilliéron, a.a.O.,
N. 161 zu Art. 17 SchKG). Die untere Aufsichtsbehörde hat nach der von der
Beschwerdeführerin anbegehrten Neuschätzung des Grundstücks durch einen
Sachverständigen das Betreibungsamt angewiesen, für das zu verwertende
Grundstück einen anderen als den betreibungsamtlich ermittelten mutmasslichen
Verkaufswert einzusetzen. Dass es sich bei diesem Beschluss um eine konkrete
auf den Verfahrensgang einwirkende Massnahme handelt, steht ausser Frage.
Folglich besteht ein rechtlich geschütztes Interesse der Beschwerdeführerin
als Schuldnerin, den Entscheid der unteren Aufsichtsbehörde mit Beschwerde an
die obere Aufsichtsbehörde weiterzuziehen und die Ordnungsmässigkeit dieses
Entscheides in Frage zu stellen. Wenn die obere Aufsichtsbehörde daher zum
Ergebnis gelangt ist, die Beschwerdeführerin sei zur Beschwerde gegen den
Beschluss der unteren Aufsichtsbehörde über den massgeblichen Schätzungswert
mangels Rechtsschutzinteresse nicht berechtigt, ist dies mit den Regeln zur
Legitimation für die Beschwerde nach Art. 18 SchKG, für welche die gleichen
Grundsätze wie für diejenige nach Art. 17 SchKG gelten (Lorandi, a.a.O., N.
44 zu Art. 18 SchKG), nicht vereinbar.

3.3 Nach dem Dargelegten erweist sich die Beschwerde gegen das Nichteintreten
der Vorinstanz auf die Beschwerde zufolge fehlender Beschwerdelegitimation
als begründet. Die Beschwerde ist gutzuheissen und der angefochtene Beschluss
aufzuheben. Die obere Aufsichtsbehörde wird daher angewiesen, die Beschwerde
der Beschwerdeführerin entgegenzunehmen, die weiteren
Eintretensvoraussetzungen zu prüfen und gegebenenfalls in der Sache zu
entscheiden.

4.
Das Beschwerdeverfahren ist grundsätzlich kostenlos (Art. 20a Abs. 1 SchKG),
und es darf keine Parteientschädigung zugesprochen werden (Art. 62 Abs. 2
GebV SchKG).

Demnach erkennt die Kammer:

1.
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Obergerichts des Kantons Zürich, II.
Zivilkammer, als oberer kantonaler Aufsichtsbehörde in Schuldbetreibungs- und
Konkurssachen vom 7. Mai 2003 wird gutgeheissen. Der Beschluss wird
aufgehoben, und die Sache wird im Sinne der Erwägungen an die obere
Aufsichtsbehörde zurückgewiesen.

2.
Dieses Urteil wird der Beschwerdeführerin, der Beschwerdegegnerin (Z.________
AG, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Beat Hirt, Neustrasse 2, 8590
Romanshorn), dem Betreibungsamt Richterswil und dem Obergericht des Kantons
Zürich, II. Zivilkammer, als oberer kantonaler Aufsichtsbehörde in
Schuldbetreibungs- und Konkurssachen schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 28. August 2003

Im Namen der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer
des Schweizerischen Bundesgerichts

Die Präsidentin:  Der Gerichtsschreiber: