Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Schuldbetreibungs- und Konkurskammer 7B.126/2003
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7B.126/2003 /min

Urteil vom 31. Juli 2003
Schuldbetreibungs- und Konkurskammer

Bundesrichterin Escher, Präsidentin,
Bundesrichter Meyer, Bundesrichterin Hohl,
Gerichtsschreiber von Roten.

F. ________,
Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwalt Martin Imthurn, Schumacher
Baur Hürlimann, Rechtsanwälte, Oberstadtstrasse 7, 5400 Baden,

gegen

Obergericht des Kantons Zürich, II. Zivilkammer, als obere kantonale
Aufsichtsbehörde in Schuld-betreibungs- und Konkurssachen, Postfach, 8023
Zürich.

Ansetzung eines Steigerungstermins,

SchKG-Beschwerde gegen den Beschluss des Ober-gerichts des Kantons Zürich,
II. Zivilkammer, als oberer kantonaler Aufsichtsbehörde in Schuldbetreibungs-
und Konkurssachen vom 14. Mai 2003.

Sachverhalt:

A.
Die Bank B.________ betreibt F.________ auf Grundpfandverwertung (Betreibung
Nr. ...). Pfandgegenstand ist das im Eigentum der Schuldnerin stehende
Einfamilienhaus an der Strasse S.________ in X.________. Das Betreibungsamt
X.________ schätzte den Wert der Liegenschaft auf 3.9 Mio. Franken (Anzeige
vom 18. September 2001). Auf Beschwerde der Schuldnerin hin veranlasste das
Bezirksgericht Meilen als untere Aufsichtsbehörde über die Betreibungsämter
eine neue Schätzung durch einen Sachverständigen. Die Neuschätzung ergab per
3. Januar 2002 einen Verkehrswert von rund 4 Mio. Franken bzw. für eine
Veräusserung unter Zeitdruck einen Wert von 3 Mio. Franken. Das
Bezirksgericht hielt die Einwendungen der Schuldnerin gegen die Schätzung für
unbegründet und wies das Betreibungsamt an, den Wert von 3 Mio. Franken zu
übernehmen (Beschluss vom 6. März 2002). Der Beschluss blieb unangefochten.

B.
Das Betreibungsamt nannte im Lastenverzeichnis vom 21. August 2002 unter
"Rechtskräftige betreibungsamtliche Schätzung" weisungsgemäss den Betrag von
3 Mio. Franken, setzte den Steigerungstermin auf den 27. September 2002 fest
und legte ab dem 26. August 2002 die Steigerungsbedingungen auf. Die
Schuldnerin erhob dagegen Beschwerde und verlangte insbesondere eine neue
Schätzung. Das Bezirksgericht trat auf die Beschwerde nicht ein, empfahl dem
Betreibungsamt aber in den Erwägungen, den Termin zu verschieben, um den
Ausgang des Lastenbereinigungsverfahrens abzuwarten (Beschluss vom 5.
September 2002). Das Betreibungsamt widerrief am 13. September 2002 die
Grundstücksteigerung.

Gegen den Widerruf des Steigerungstermins legte die Bank B.________
Beschwerde ein. Das Bezirksgericht Meilen hiess die Beschwerde gut und wies
das Betreibungsamt an, für das betreffende Grundstück so rasch wie möglich
einen neuen Steigerungstermin anzusetzen (Zirkulationsbeschluss vom 15.
November 2002).

Die von der Schuldnerin dagegen erhobene Beschwerde wies das Obergericht (II.
Zivilkammer) des Kantons Zürich als obere kantonale Aufsichtsbehörde in
Schuldbetreibungs- und Konkurssachen ab (Beschluss vom 14. Mai 2003).

C.
Der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Bundesgerichts beantragt die
Schuldnerin, den Beschluss des Obergerichts aufzuheben und die Beschwerde der
Gläubigerin gegen den Widerruf des Steigerungstermins abzuweisen. Ihrer
Beschwerde sei die aufschiebende Wirkung zu erteilen.

Der Beschwerde wurde die aufschiebende Wirkung zuerkannt (Präsidialverfügung
vom 5. Juni 2003).

Die Bank B.________ (nachstehend: Beschwerdegegnerin) schliesst auf Abweisung
der Beschwerde, soweit darauf eingetreten werden könne. Das Betreibungsamt
hat sich nicht vernehmen lassen.

Die Kammer zieht in Erwägung:

1.
Gegenstand des Beschlusses der oberen kantonalen Aufsichtsbehörde hat die
Frage gebildet, ob vor Ansetzung des Steigerungstermins eine neue Schätzung
einzuholen ist. Streitigkeiten über die Höhe der Schätzung werden endgültig
durch die kantonale Aufsichtsbehörde beurteilt (Art. 9 Abs. 2, letzter Satz,
der Verordnung des Bundesge-richts über die Zwangsverwertung von
Grundstücken, SR 281.42, VZG). Vor der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer
kann nur eingewendet werden, die kantonale Behörde habe bundesrechtliche
Verfahrensvorschriften verletzt oder das ihr zustehende Ermessen
überschritten oder missbraucht (BGE 120 III 79 E. 1 S. 80).

2.
In der Betreibung auf Pfändung hat das Betreibungsamt nach Eingang des
Fortsetzungsbegehrens unverzüglich die Pfändung zu vollziehen (Art. 89
SchKG). Der Beamte schätzt die gepfändeten Gegenstände, nötigenfalls mit
Zuziehung von Sachverständigen (Art. 97 Abs. 1 SchKG). Gemäss Art. 9 Abs. 2
VZG ist jeder Beteiligte berechtigt, innerhalb der Frist zur Beschwerde gegen
die Pfändung bei der Aufsichtsbehörde gegen Vorschuss der Kosten eine neue
Schätzung durch Sachverständige zu verlangen (Satz 1). Vor der Versteigerung
- nach Durchführung des Lastenbereinigungsverfahrens (Art. 44 VZG) - ordnet
der Betreibungsbeamte eine (weitere) Schätzung des Grundstückes an (Art. 140
Abs. 3 SchKG). In dieser "Revision der Schätzung" (Marginalie zu Art. 44 VZG)
ist festzustellen, ob seit der Pfändung Änderungen im Werte des Grundstückes,
wie namentlich infolge Wegfall von Lasten, eingetreten sind (Satz 1); das
Ergebnis einer solchen neuen Schätzung ist den Beteiligten mitzuteilen (Satz
2) und die Bestimmung des Art. 9 Abs. 2 VZG findet entsprechend Anwendung
(Satz 3). Diese (zweite) Schätzung gilt als "neu", selbst wenn der
Betreibungsbeamte keine Schätzung vornimmt, sondern nur die
Pfändungsschätzung bestätigt, und jeder Beteiligte hat wiederum das Recht,
unter den in Art. 9 Abs. 2 VZG genannten Voraussetzungen eine neue Schätzung
durch Sachverständige zu verlangen (BGE 122 III 338 E. 3a S. 339 f.). In der
Betreibung auf Pfändung findet somit ein doppeltes Schätzungsverfahren statt.
Eine unsachgemäss erfolgte oder unterbliebene Schätzung hat für die
Beteiligten zudem keine Nichtigkeitsfolgen, sondern ist im gezeigten Rahmen
neu durchzuführen oder nachzuholen (BGE 97 III 18 E. 2a S. 20).

In der Betreibung auf Pfandverwertung entfällt das Pfändungsverfahren, da ja
der Haftungsgegenstand (d.h. das Pfand) von Beginn an bestimmt ist. Eine
Pfändungsschätzung fehlt naturgemäss (BGE 122 III 338 E. 3a S. 340). Nach
Mitteilung des Verwertungsbegehrens ordnet das Betreibungsamt die Schätzung
an (Art. 155 i.V.m. Art. 97 Abs. 1 SchKG; Art. 99 Abs. 1 VZG). Die
Beteiligten können innerhalb der Beschwerdefrist bei der Aufsichtsbehörde
eine neue Schätzung durch Sachverständige im Sinne von Art. 9 Abs. 2 VZG
verlangen (Art. 99 Abs. 2 VZG). Bei diesem einmaligen Schätzungsverfahren hat
es grundsätzlich sein Bewenden. Die Art. 122-143b SchKG gelten zwar auch in
der Betreibung auf Pfandverwertung (Art. 156 Abs. 1 SchKG). Die
Schuldbetreibungs- und Konkurskammer hat jedoch entschieden, eine erneute
Schätzung müsse nicht zwingend angeordnet werden, wie das Art. 140 Abs. 3
SchKG für die Betreibung auf Pfändung vorschreibt, sondern nur, wenn während
des Lastenbereinigungsverfahrens Änderungen im Wert des Grundstücks
eingetreten sind, namentlich infolge Wegfalls von Lasten oder auch lediglich
aus Gründen der allgemeinen Wirtschaftslage. Im Sinne von Art. 44 VZG sei das
Betreibungsamt gehalten, dies von Amtes wegen festzustellen und zu
entscheiden, ob die Schätzung nochmals überprüft werden muss (BGE 52 III 153
S. 156 f.). Die VZG-Revision von 1996/1997 hat Art. 44 VZG in der Betreibung
auf Pfandverwertung für "entsprechend anwendbar" erklärt (Art. 102 VZG).
Nimmt das Betreibungsamt eine erneute Schätzung vor, kann jeder Beteiligte -
wie in der Betreibung auf Pfändung - unter den in Art. 9 Abs. 2 VZG genannten
Voraussetzungen eine neue Schätzung durch Sachverständige verlangen. Lehnt
das Betreibungsamt hingegen eine Überprüfung der Schätzung ab, kann dagegen
lediglich Beschwerde erhoben werden mit dem Einwand, veränderte Verhältnisse
machten eine Revision der Schätzung nötig. Insoweit besteht - anders als in
der Betreibung auf Pfändung - kein bedingungsloser Anspruch auf eine zweite
bzw. erneute Schätzung und auf deren Überprüfung durch Sachverständige (vgl.
BGE 113 III 5 E. 5b, nicht veröffentlicht). Eine unsachgemäss erfolgte oder
unterbliebene Schätzung hat für die Beteiligten zudem keine
Nichtigkeitsfolgen (vgl. BGE 113 III 5 E. 5a, nicht veröffentlicht).

Verfahrensmässig steht fest, dass das Betreibungsamt der Beschwerdeführerin
die Schätzung der Liegenschaft gesondert mitgeteilt hat mit dem Hinweis, dass
sie eine neue Schätzung durch Sachverständige verlangen könne. Auf Antrag der
Beschwerdeführerin hat die untere kantonale Aufsichtsbehörde eine neue
Schätzung durch einen Sachverständigen eingeholt, die dagegen erhobenen
Einwendungen der Beschwerdeführerin abgewiesen und das Betreibungsamt
angehalten, den Schätzungswert von 3 Mio. Franken aufzunehmen. Diesen
Entscheid hat die Beschwerdeführerin nicht angefochten. Eine Verletzung von
bundesrechtlichen Verfahrensvorschriften ist nicht ersichtlich. Die
kantonalen Behörden haben die massgebenden Bestimmungen vielmehr richtig
angewendet. In allen späteren Verfahren war unter diesen Umständen nur mehr
zu prüfen, ob seit der Schätzung Änderungen im Wert des Grundstücks
eingetreten sind, die eine neue Schätzung gebieten. Nur diese - vom
Betreibungsamt und von den kantonalen Aufsichtsbehörden verneinte - Frage
bildet Gegenstand des vorliegenden Verfahrens.

3.
Es wird von der Beschwerdeführerin anerkannt und ist bereits vor Obergericht
unbestritten gewesen, dass der Ausgang des hängigen
Lastenbereinigungsverfahrens hier keine nachträgliche Änderung des Werts des
Grundpfandes bewirken kann. Nach den Feststellungen des Obergerichts hat die
Beschwerdeführerin sodann nicht geltend gemacht, dass sich die
wirtschaftlichen Verhältnisse seit der Schätzung der Liegenschaft derart
geändert hätten, dass eine neue Schätzung geboten wäre. Die - auch im
kantonalen Verfahren anwaltlich vertretene - Beschwerdeführerin ist
offensichtlich davon ausgegangen, auch in der Betreibung auf
Grundpfandverwertung finde zwingend ein doppeltes Schätzungsverfahren statt
(vgl. Ziffer 10 S. 6 der Eingabe an das Obergericht). Das Obergericht hat
sich dennoch mit den Fragen befasst, welche Bedeutung der Schätzung in der
Betreibung auf Grundpfandverwertung zukommt und wie sich der Immobilienmarkt
in den letzten Jahren entwickelt hat (E. 3c S. 8 f.). Mit diesen
obergerichtlichen Erwägungen setzt sich die Beschwerdeführerin in keiner den
formellen Anforderungen genügenden Weise auseinander, wenn sie alledem
lediglich den Satz entgegenhält, seit der Schätzung seien nun schon bald
eineinhalb Jahre vergangen (Art. 79 Abs. 1 OG). Muss mangels formell
genügender Beschwerdebegründung von unveränderten wirtschaftlichen
Verhältnissen ausgegangen werden, hat die obere kantonale Aufsichtsbehörde
kein Bundesrecht verletzt, indem sie eine Überprüfung der Schätzung als nicht
notwendig abgelehnt hat.

4.
Auf die behaupteten Mängel der Schätzung durch den Sachverständigen ist im
vorliegenden Beschwerdeverfahren nicht mehr zurückzukommen, da eine Schätzung
- wie gesagt (E. 2 hiervor) - nicht nichtig ist, mag deren Fehlerhaftigkeit
angeblich noch so eindeutig sein, und da es die Beschwerdeführerin versäumt
hat, den Beschluss der unteren Aufsichtsbehörde vom 6. März 2002 rechtzeitig
weiterzuziehen. Im kantonalen Beschwerdeverfahren hätten solche Mängel damals
behoben werden können (vgl. dazu BGE 86 III 91 S. 93). Hinzu kommt, dass es
sich bei der von der Beschwerdeführerin im vorliegenden Verfahren gegen das
massiv falsche Gebäudevolumen erhobenen Kritik um ein unzulässiges
Sachverhaltsvorbringen handelt (Art. 81 i.V.m. Art. 43 OG). Hiezu wäre ihr
eine Willkürbeschwerde offen gestanden (Art. 84 Abs. 1 lit. a OG; BGE 120 III
114 E. 3a S. 116; 117 III 29 E. 3 S. 32).

5.
Dieses Ergebnis rechtfertigt sich umso mehr, als ein weiteres Moment
hinzukommt. In ihrer Stellungnahme vom 20. Februar 2002 zur neuen Schätzung
durch den Sachverständigen hat die - bereits damals anwaltlich vertretene -
Beschwerdeführerin behauptet, sie habe "an einer tiefen Schätzung ein
schützenswertes Interesse", weil je tiefer der Wert, desto geringer werde das
Verwertungsinteresse der Bank und desto deutlicher deren Verlust im
Verwertungsfalle (S. 2). In ihrer Beschwerde vom 20. August 2002 wiederum
behauptete die - anwaltlich vertretene - Beschwerdeführerin, es sei für sie
von allergrösster Bedeutung, dass das Pfandgrundstück möglichst nahe beim
Marktwert veräussert werde, da sie andernfalls riskiere, trotz der Verwertung
der Liegenschaft weiterhin persönlich für den Pfandausfall zu haften (S. 2).
Der aus diesem Verhalten gezogene Schluss des Obergerichts (E. 4 S. 9) ist
berechtigt: Mit ihren Eingaben und Interventionen hat die Beschwerdeführerin
lediglich den Fortgang des Verfahrens verzögern wollen, was keinen
Rechtsschutz verdient (BGE 127 III 178 E. 2a S. 179; 128 III 468 E. 3, nicht
veröffentlicht).

6.
Das Beschwerdeverfahren ist grundsätzlich kostenlos (Art. 20a Abs. 1 SchKG),
und es darf keine Parteientschädigung zugesprochen werden (Art. 62 Abs. 2
GebV SchKG, SR 281.35). Davon abzuweichen, ist - entgegen dem Antrag der
Beschwerdegegnerin - hier nicht angezeigt.

Demnach erkennt die Kammer:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Dieses Urteil wird der Beschwerdeführerin, der Beschwerdegegnerin (Bank
B.________) sowie dem Betreibungsamt X.________ und dem Obergericht des
Kantons Zürich, II. Zivilkammer, als oberer kantonaler Aufsichtsbehörde in
Schuldbetreibungs- und Konkurssachen schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 31. Juli 2003

Im Namen der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer
des Schweizerischen Bundesgerichts

Die Präsidentin:  Der Gerichtsschreiber: