Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Kassationshof in Strafsachen 6S.88/2003
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6S.88/2003 /kra

Urteil vom 4. August 2003
Kassationshof

Bundesrichter Schneider, Präsident,
Bundesrichter Wiprächtiger, Kolly, Karlen,
Ersatzrichterin Pont Veuthey,
Gerichtsschreiberin Arquint Hill.

Staatsanwaltschaft des Kantons Solothurn, 4509 Solothurn,
Beschwerdeführerin,

gegen

X.________,
Beschwerdegegner.

Bussenumwandlung,

Nichtigkeitsbeschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons
Solothurn, Strafkammer, vom 12. Februar 2003.

Sachverhalt:

A.
Der Amtsgerichtspräsident von Bucheggberg-Wasseramt verurteilte X.________ am
3. Juni 1998 wegen Fahrens in angetrunkenem Zustand zu einer Gefängnisstrafe
von fünf Wochen unter Gewährung des bedingten Strafvollzuges bei einer
Probezeit von zwei Jahren sowie zu einer Busse von Fr. 1'500.--.

Da X.________ die Geldstrafe weder bezahlte noch abverdiente, ordnete der
Amtsgerichtspräsident am 6. Mai 2002 die Umwandlung der Busse in eine
Haftstrafe von 50 Tagen an.

Gegen diesen Entscheid erhob X.________, vertreten durch das Sozialamt der
Einwohnergemeinde A.________, am 15. Mai 2002 Beschwerde beim Obergericht des
Kantons Solothurn. Zur Begründung wurde ausgeführt, X.________ werde vom
Sozialamt A.________ finanziell unterstützt. Mit den minimalen
Unterstützungsleistungen sei er nicht in der Lage, seine Schulden zu
begleichen. X.________ sei schwer alkoholabhängig. Dass er sich nicht an die
amtsgerichtlichen Abmachungen gehalten habe, sei Folge eines schweren
Rückfalles in den Alkoholismus. Am 7. Mai 2002 habe er ins Spital verbracht
werden müssen; am 10. Mai 2002 sei er in die psychiatrische Klinik D.________
verlegt worden. Er sei nun bereit, einen Alkoholentzug zu machen. Unter
diesem Aspekt sei die Umwandlung der Busse in eine Haftstrafe als
kontraproduktiv zu betrachten, zumal ein weiterer Rückfall durch die Haft
vorprogrammiert würde.

Mit Schreiben vom 3. Juni 2002 teilte das Obergericht dem Sozialamt
A.________ mit, dass die vorliegende Umwandlung der Busse in Haft nicht zu
beanstanden sei. Gestützt auf die Alkoholkrankheit von X.________ und dessen
Einsicht, einen Alkoholentzug zu machen, bestünde aber die Möglichkeit, die
stationäre Massnahme an den Vollzug der Haftstrafe anzurechnen.

X. ________ unterzog sich vom 5. August bis 5. Dezember 2002 einer
stationären Therapie in der B.________ Klinik, einer Fachklinik für Alkohol-,
Medikamenten- und Tabakabhängige in C.________ im Kanton Zürich.

B.
Das Obergericht bestätigte am 12. Februar 2003 die Umwandlung der Busse in
eine Haftstrafe von 50 Tagen. Gleichzeitig rechnete es die Dauer der
stationären Therapie auf die Umwandlungsstrafe an und stellte fest, dass die
50-tägige Haftstrafe damit abgegolten sei.

C.
Die Staatsanwaltschaft des Kantons Solothurn führt eidgenössische
Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, Ziffer 2 des Urteils bzw. sinngemäss
das ganze Urteil des Obergerichts aufzuheben und die Sache zur neuen
Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen.

Das Obergericht verzichtet auf Gegenbemerkungen und beantragt die Abweisung
der Nichtigkeitsbeschwerde. Der Beschwerdegegner hat sich nicht vernehmen
lassen.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Der Bussenumwandlungsentscheid ist kein Vollzugs-, sondern ein materieller
Entscheid, der mit eidgenössischer Nichtigkeitsbeschwerde angefochten werden
kann (BGE 125 IV 231 E. 1a). Die Beschwerde ist daher zulässig.

2.
Die Beschwerdeführerin rügt eine Verletzung von Art. 49 Ziff. 3 StGB. Sie
macht geltend, die Vorinstanz habe die vorgenannte Bestimmung unrichtig
angewendet, indem sie - analog einer Anrechnung von stationären Massnahmen
auf ordentliche Freiheitsstrafen - den Aufenthalt des Beschwerdegegners in
der B.________ Klinik auf die Bussenumwandlungsstrafe angerechnet habe.

Das Gesetz äussert sich nicht zur Frage, ob Massnahmen auf die
Bussenumwandlungsstrafe angerechnet werden können. Soweit ersichtlich haben
sich auch Lehre und Rechtsprechung nicht mit dieser Thematik befasst.

2.1 Art. 49 Ziff. 3 Abs. 1 StGB bestimmt, dass der Richter die Busse in Haft
umwandeln muss, wenn der Verurteilte sie schuldhaft nicht bezahlt und auch
nicht abverdient. Im Falle der Umwandlung werden 30 Franken Busse einem Tag
Haft gleichgesetzt (Art. 49 Ziff. 3 Abs. 3 Satz 3 StGB). Da Freiheitsstrafen
in der Regel von einschneidenderer Konsequenz für den Betroffenen sind als
Geldstrafen, ist die Bussenumwandlung im Gesetz als ultima ratio
ausgestaltet: Erst wenn sich bei Nichtbezahlung und Verweigerung des
Abarbeitens der Busse auch ein Betreibungsverfahren als sinnlos erweist oder
fruchtlos bleibt, darf der Richter die Umwandlung aussprechen (Markus
Hugentobler, Die bedingte Entlassung aus dem Strafvollzug bei der
Umwandlungsstrafe, SJZ 96/2000, S. 51).

2.2 Das Strafgesetzbuch sieht eine Massnahmeanrechnung nur vor, wenn das
Gericht mit dem ursprünglichen Strafurteil die Massnahme neben einer
Freiheitsstrafe ausgesprochen hat. Nur dann ist zu prüfen, ob und allenfalls
wieweit die vollzogene Massnahme auf die primär angeordnete Freiheitsstrafe
anzurechnen ist. Die Anrechnung des freiheitsentziehenden Massnahmevollzugs
auf den Strafvollzug stellt dabei die Regel dar (BGE 109 IV 78 E. 3f/g). Im
Einzelnen sieht das Gesetz im Rahmen von Massnahmen an geistig Abnormen (Art.
43 Ziff. 5 Abs. 2 StGB) und für die Behandlung von Trunk- und
Rauschgiftsüchtigen (Art. 44 Ziff. 5 Satz 3 StGB) vor, dass die Dauer des
Freiheitsentzugs durch den Vollzug der Massnahme in einer Anstalt auf die
Dauer der bei ihrer Anordnung aufgeschobenen Strafe anzurechnen ist. Sinn und
Zweck der gesetzlichen Anrechnungsregelung liegt einerseits darin, den durch
die vollzogene Massnahme erzielten Resozialisierungserfolg des Betroffenen
nicht durch einen nachträglichen Vollzug der Freiheitsstrafe wieder in Frage
zu stellen (BGE 107 IV 20 E. 5c). Andererseits wird dem Umstand Rechnung
getragen, dass eine Verweigerung der Anrechnung des Massnahmevollzugs auf die
Freiheitsstrafe einen deutlich schwereren Eingriff in das Leben des
Verurteilten zur Folge hätte, als dies bei alleiniger Strafverbüssung der
Fall wäre (BGE 109 IV 78 E. 3f).

2.3 Ausgehend vom Zweckgedanken der Anrechnungsregelung erschiene die analoge
Anwendung der Massnahmeanrechnung auf die Umwandlungsstrafe nicht zum
vornherein abwegig. Bei näherem Hinsehen wird jedoch deutlich, dass kein
Bedürfnis für eine Analogie besteht, zumal Art. 49 Ziff. 3 StGB ohne weiteres
erlaubt, auf die persönliche Situation eines Verurteilten gebührend
einzugehen, um allfällige Härten der Bussenumwandlung aufzufangen. Ausserdem
steht auch der Charakter der Umwandlungsstrafe einer Massnahmeanrechnung
entgegen, denn diese ist ihrer Natur nach eine blosse Ergänzung des
Bussenentscheids und bezweckt alleine, diesen in anderer Form vollziehbar zu
machen (BGE 124 IV 205 E. 8b). Da ihr somit kein eigenständiger, sondern
lediglich behelfsmässiger Charakter zur Durchsetzung des primär auf
Geldleistung gerichteten Strafanspruchs des Staates zukommt, tritt die
Umwandlungsstrafe nicht an die Stelle der ursprünglich angeordneten
Geldstrafe. Eine Anrechnung auf die anfänglich ausgesprochene Geldstrafe
kommt aber nicht in Betracht.

2.4 Bei dieser Sachlage kann offen bleiben, ob die Vorinstanz die stationäre
Therapie des Beschwerdeführers in analoger Anwendung von Art. 44 Ziff. 6 Abs.
2 StGB überhaupt nachträglich als Massnahmevollzug anerkennen und diesen auf
die Strafe anrechnen durfte. Wie die Beschwerdeführerin im Übrigen zu Recht
darlegt, kann die Vorinstanz der besonderen Situation des Beschwerdegegners
im Rahmen von Art. 49 Ziff. 3 StGB in ausreichendem Mass Rechnung tragen. So
kann der Richter bei schuldloser Zahlungsunfähigkeit des Verurteilten von der
Bussenumwandlung absehen, sogar nachträglich, wenn dieser nachweist, dass die
Voraussetzungen für den Ausschluss der Umwandlung gegeben sind (Art. 49 Ziff.
3 Abs. 2 Satz 1 StGB). Des weiteren ist bei Vorliegen der Voraussetzungen von
Art. 41 StGB der bedingte Vollzug der Umwandlungsstrafe möglich (Art. 49
Ziff. 3 Abs. 3 Satz 2 StGB). Schliesslich kann der Verurteilte die Busse,
ungeachtet der Rechtskraft des Umwandlungsentscheides, auch nachträglich noch
zahlen und damit den Vollzug der Haftstrafe abwenden (BGE 105 IV 14 E. 2 mit
Hinweisen). Unter diesen Umständen ist mit der Beschwerdeführerin davon
auszugehen, dass die Vorinstanz Art. 49 Ziff. 3 StGB nicht richtig angewendet
und insofern Bundesrecht verletzt hat.

3.
Die Nichtigkeitsbeschwerde ist demnach gutzuheissen, der angefochtene
Entscheid aufzuheben und die Sache zur neuen Entscheidung an die Vorinstanz
zurückzuweisen.

Bei diesem Ausgang des Verfahrens werden keine Kosten erhoben und die
Beschwerdeführerin hat keine Entschädigung zu gut (Art. 278 Abs. 1 und 3
BStP).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde wird gutgeheissen, das Urteil des
Obergerichts des Kantons Solothurn vom 12. Februar 2003 aufgehoben und die
Sache zur neuen Entscheidung an die Vorinstanz zurückgewiesen.

2.
Es werden keine Kosten erhoben und keine Parteientschädigung zugesprochen.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Solothurn,
Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 4. August 2003

Im Namen des Kassationshofes
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Die Gerichtsschreiberin: