Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Kassationshof in Strafsachen 6S.41/2003
Zurück zum Index Kassationshof in Strafsachen 2003
Retour à l'indice Kassationshof in Strafsachen 2003


6S.41/2003 /pai

Urteil vom 1. Juli 2003
Kassationshof

Bundesrichter Schneider, Präsident,
Bundesrichter Wiprächtiger, Karlen,
Gerichtsschreiber Boog.

X. ________,
Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Stefan Mattmann,
Murbacherstrasse 3, 6003 Luzern,

gegen

Y.________ GmbH,
Beschwerdegegnerin, vertreten durch Rechtsanwalt Thomas Tschümperlin,
Zinggentorstrasse 4, 6000 Luzern 10,
Staatsanwaltschaft des Kantons Luzern, Zentralstrasse 28, 6002 Luzern.

Gläubigerschädigung durch Vermögensminderung (Art. 164 StGB),

Nichtigkeitsbeschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Luzern,
II. Kammer, vom 4. Juni 2002.

Sachverhalt:

A.
Das Obergericht des Kantons Luzern erklärte X.________ mit Urteil vom 4. Juni
2002 der Gläubigerschädigung durch Vermögensverminderung nach Art. 164 Ziff.
1 StGB schuldig und verurteilte ihn zu 6 Monaten Gefängnis, mit bedingtem
Strafvollzug bei einer Probezeit von 2 Jahren. Das Kriminalgericht des
Kantons Luzern hatte X.________ am 16. November 2001 in erster Instanz von
der Anklage der Gläubigerschädigung freigesprochen.

B.
X.________ führt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde, mit dem Antrag, das
angefochtene Urteil sei aufzuheben und die Sache an die Vorinstanz
zurückzuweisen. Ferner ersucht er um Gewährung der unentgeltlichen
Rechtspflege.

C.
Das Obergericht des Kantons Luzern beantragt in seinen Gegenbemerkungen die
Abweisung der Beschwerde. Vernehmlassungen wurden nicht eingeholt.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Nach den für den Kassationshof verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz
(Art. 277bis Abs. 1 BStP) führte der Beschwerdeführer von 1971 bis 1995 ein
Einzelunternehmen, welches u.a. mit Bindereiartikeln und künstlichen Blumen
handelte. Die Privatklägerin (Y.________ GmbH) belieferte ihn in den Jahren
1992 bis 1994 mit Waren. Zur Bezahlung der aufgelaufenen Rechnungen liess sie
sich am 8. November 1994 durch den Beschwerdeführer einen Wechsel über DM
230'196.28 und am 9. November 1994 einen weiteren über DM 130'000.--
ausstellen. Die beiden Wechsel wurden in der Folge von ihm mehrmals
prolongiert, letztmals am 16. Juli 1997 auf den 8. November 1997. Am
Verfalltag präsentierte die Privatklägerin die beiden Wechsel erfolglos. Die
im Anschluss daran eingeleiteten Wechselbetreibungen endeten mit
Verlustscheinen.

Per 1. April 1995 übertrug der Beschwerdeführer das Geschäft seinem Sohn.
Dabei waren in der Übernahmebilanz nicht sämtliche Aktiven und Passiven
aufgeführt. Auf der Passivseite sollten die Wechselschulden gegenüber der
Privatklägerin im Betrag von DM 360'196.28 von der Geschäftsübernahme
ausgeschlossen bleiben. Auf der Aktivseite unterblieb die Übertragung eines
WIR-Guthabens von Fr. 213'384.--. Die Einzelfirma des Beschwerdeführers wurde
daraufhin im Handelsregister gelöscht und die Übernahme des Geschäfts durch
den Sohn im SHAB publiziert.

Wie die Vorinstanz weiter feststellt, bot der Beschwerdeführer der
Privatklägerin mehrere Male die Begleichung seiner Schulden in WIR an, was
diese jedoch ablehnte. Gestützt auf einen Vertrag vom 9./19. Oktober 1995
liess der Beschwerdeführer sodann sein WIR-Guthaben von Fr. 250'000.-- einem
Dritten als Darlehen zukommen. Die Ansprüche aus dem Darlehensvertrag
zedierte er am 15. November 1995 an seine Ehefrau. Nachdem die Privatklägerin
nachträglich von dieser Zession der Darlehensforderung erfuhr, verlangte sie
mit Gesuch vom 11. November 1999 die Verarrestierung der Darlehensforderung
bis zum Maximalbetrag von Fr. 320'000.--. Der Amtsgerichtspräsident I von
Hochdorf hiess das Gesuch mit Arrestbefehl Nr. 99002 vom 12. November 1999
gut. Anlässlich des Arrestvollzuges meldete die Ehefrau des Beschwerdeführers
Eigentumsansprüche im Schätzungswert von Fr. 141'000.-- an. Die
Privatklägerin prosequierte den Arrest mit Betreibungsbegehren vom 30.
November 1999. Am 13. Dezember 1999 reichte sie Widerspruchsklage im Sinne
der Deliktspauliana ein, welche mit Urteil des Amtsgerichts Hochdorf vom 1.
Februar 2001 gutgeheissen wurde. Eine hiegegen von der Ehefrau des
Beschwerdeführers erhobene Appellation wies das Obergericht des Kantons
Luzern am 23. September 2002 ab und hiess die Klage ebenfalls gut. Eine gegen
diesen Entscheid geführte Berufung wies das Bundesgericht, II.
Zivilabteilung, mit Urteil vom 14. Februar 2003 (5C.268/2002) ab.

2.
2.1 Das erstinstanzliche Kriminalgericht sprach den Beschwerdeführer von der
Anklage der Gläubigerschädigung frei. Es nahm an, mit der im SHAB
publizierten Geschäftsübernahme vom 1. April 1995 seien sämtliche Aktiven und
Passiven, mit Einschluss der in der Übernahmebilanz nicht aufgeführten
Wechselschuld des Beschwerdeführers und des WIR-Guthabens, auf seinen Sohn
übergegangen. Die Solidarhaftung des Beschwerdeführers sei am 1. April 1997
von Gesetzes wegen erloschen. Durch die Ausstellung zweier neuer Wechsel mit
Datum vom 16. Juli 1997 sei eine neue Wechselforderung der Privatklägerin
entstanden (novatorische Wirkung der indirekten Wechselprolongation). Damit
habe die Ende 1997 in Betreibung gesetzte Forderung der Privatklägerin im
Zeitpunkt der Abtretung der Darlehensforderung vom Beschwerdeführer an seine
Ehefrau vom 15. November 1995 noch gar nicht bestanden. Umgekehrt sei das
Schuldnervermögen zur Zeit der Entstehung des neuen abstrakten
Schuldverhältnisses bereits reduziert gewesen. Der Beschwerdeführer könne
nicht für vermögensmindernde Handlungen zur Verantwortung gezogen werden,
welche er bereits zwei Jahre vor Entstehung der in Betreibung gesetzten
Forderung begangen habe.

2.2
2.2.1Die Vorinstanz kommt demgegenüber hinsichtlich der Geschäftsübernahme
per 1. April 1995 zum Schluss, die Wechselschuld des Beschwerdeführers sei
nicht auf seinen Sohn übergegangen. Auf die fehlerhafte Publikation im SHAB
könne nicht abgestellt werden. Sie stützt sich hiefür auf die verbindlichen
tatsächlichen Feststellungen, wonach der Beschwerdeführer auch nach der
Geschäftsübernahme für die Privatklägerin klar erkennbar stets in eigenem
Namen und nicht für die Einzelfirma seines Sohnes gehandelt habe.

Im Sinne einer Eventualbegründung nimmt die Vorinstanz weiter an, der
Beschwerdeführer hafte der Privatklägerin selbst dann als Schuldner der
Wechselschuld, wenn man davon ausgehen wollte, dass die Wechselschuld auf den
Sohn übergegangen sei. Nach Art. 181 Abs. 2 OR hafte der bisherige Schuldner
solidarisch mit dem neuen noch während zwei Jahren, die für fällige
Forderungen mit der Mitteilung oder Auskündung und bei später fällig
werdenden Forderungen mit Eintritt der Fälligkeit zu laufen begännen. Im
vorliegenden Fall sei die Geschäftsübernahme mit Aktiven und Passiven am 19.
Juli 1995 im SHAB publiziert worden. Die am 8. Februar 1995 mit Fälligkeit
per 8. Mai 1995 ausgestellten Wechsel seien im Zeitpunkt der
Geschäftsübergabe vom 1. April 1995 noch nicht fällig gewesen. In der Folge
seien sie lückenlos prolongiert worden, indem jeweils vor oder spätestens am
Fälligkeitstag neue Wechsel ausgestellt worden seien, mithin der Eintritt der
Fälligkeit hinausgeschoben worden sei. Die Wechselforderung sei somit am 8.
November 1997, bis zu welchem Datum die letzte Prolongation erfolgt sei,
fällig geworden, und die Zweijahresfrist gemäss Art. 181 Abs. 2 OR sei am 8.
November 1999 abgelaufen.

2.2.2 Dass der Beschwerdeführer sowohl im internen Verhältnis als auch im
Verhältnis zur Privatklägerin alleiniger Schuldner der Wechselforderungen
geblieben sei, hat auch das Bundesgericht, II. Zivilabteilung, in seinem
Urteil vom 14. Februar 2003 erkannt (Urteil des Bundesgerichts 5C.286/2002 E.
1.2). Soweit sich der Beschwerdeführer auf den Standpunkt stellt, die
Wechselschuld sei auf seinen Sohn übergegangen, steht seine Beschwerde somit
im Widerspruch zu diesem Bundesgerichtsentscheid. Es besteht kein Anlass, von
der darin zum Ausdruck gebrachten Rechtsauffassung abzurücken. Im Folgenden
ist daher davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer alleiniger Schuldner
der Wechselschuld geblieben ist. Die Frage, ob die Solidarhaftung gemäss Art.
181 Abs. 2 OR im Zeitpunkt der Fälligkeit der Wechselforderung noch bestand
oder die Verwirkungsfrist von zwei Jahren schon abgelaufen war, stellt sich
damit nicht.

3.
In objektiver Hinsicht gelangt die Vorinstanz zum Schluss, mit der Abtretung
der Darlehensforderung von WIR-Fr. 250'000.-- an die Ehefrau habe der
Beschwerdeführer einen Vermögenswert im Sinne von Art. 164 Ziff. 1 Abs. 3
StGB unentgeltlich veräussert. Er könne sich nicht darauf berufen, dass dem
Ehegatten nach Art. 165 Abs. 1 ZGB ein Anspruch auf angemessene Entschädigung
zustehe, wenn er im Beruf oder Gewerbe des andern erheblich mehr
mitgearbeitet habe, als sein Beitrag an den Unterhalt der Familie verlange.
Denn die Erfüllung dieses Ersatzanspruches dürfe nicht zu einer Überschuldung
des pflichtigen Ehegatten oder seines von ihm geführten Einzelunternehmens
führen. Da die finanzielle Situation des Beschwerdeführers sowohl im
Zeitpunkt der Geschäftsübergabe als auch bei der Zession des WIR-Guthabens an
seine Frau prekär gewesen sei, sei ein Entschädigungsanspruch gemäss Art. 165
Abs. 1 ZGB nicht gerechtfertigt gewesen.

Was der Beschwerdeführer hiezu vorbringt, geht an der Sache vorbei. Ob sich
aus dem Umstand, dass die Privatklägerin die Tilgung ihrer Ansprüche durch
WIR-Guthaben abgelehnt hat, schliessen lässt, sie habe den Sohn als neuen
Schuldner akzeptiert und den weiteren geschäftlichen Beziehungen mit diesem
grösseres Gewicht beigemessen als der unverzüglichen Durchsetzung der offenen
Ansprüche, ist zweifelhaft, kann aber offen bleiben. Denn der
Beschwerdeführer geht bei seiner Argumentation fälschlicherweise davon aus,
er habe lediglich solidarisch und nicht als alleiniger Schuldner gehaftet.
Damit stellt er sich in Widerspruch zu den verbindlichen tatsächlichen
Feststellungen der Vorinstanz (vgl. oben E. 2.2.1). Dasselbe gilt, soweit der
Beschwerdeführer im Zusammenhang mit dem Anspruch der Ehefrau auf
Entschädigung für ihre Mitarbeit geltend macht, er habe nur solidarisch mit
seinem Sohn gehaftet und eine Solidarhaftung führe nicht unweigerlich zur
Überschuldung.

Die Beschwerde erweist sich in diesem Punkt als unbegründet.

4.
Schliesslich ist auch unbehelflich, was der Beschwerdeführer gegen die
Annahme des subjektiven Tatbestandes durch die Vorinstanz vorbringt. Denn
seine Rügen stützen sich auch in diesem Punkt auf die unzutreffende Annahme,
er habe lediglich als Solidarschuldner für die Wechselverbindlichkeit
gehaftet. Es kann hier ohne weiteres auf die zutreffenden Erwägungen im
angefochtenen Urteil verwiesen werden (Art. 36a Abs. 3 OG).

5.
Aus diesen Gründen ist die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf einzutreten
ist. Bei diesem Ausgang des Verfahrens trägt der Beschwerdeführer die Kosten
(Art. 278 Abs. 1 BStP). Da die Beschwerde von vornherein keine Aussicht auf
Erfolg hatte (Art. 152 Abs. 1 OG, vgl. BGE 124 I 304 E. 2 mit Hinweisen), ist
das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege abzuweisen. Den schlechten
finanziellen Verhältnissen des Beschwerdeführers kann bei der Festsetzung der
Gerichtsgebühr Rechnung getragen werden.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen, soweit darauf
einzutreten ist.

2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.

3.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 800.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien, der Staatsanwaltschaft des Kantons Luzern
und dem Obergericht des Kantons Luzern, II. Kammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 1. Juli 2003

Im Namen des Kassationshofes
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Der Gerichtsschreiber: