Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Kassationshof in Strafsachen 6S.408/2003
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6S.408/2003 /kra

Urteil vom 6. Januar 2004
Kassationshof

Bundesrichter Schneider, Präsident,
Bundesrichter Wiprächtiger, Kolly,
Gerichtsschreiberin Kistler.

X. ________,
Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Werner Michel,

gegen

Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich, Postfach, 8023 Zürich.

Verweigerung des bedingten Strafvollzugs (Fahren in angetrunkenem Zustand
usw.),

Nichtigkeitsbeschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich,
II. Strafkammer, vom 29. August 2003.

Sachverhalt:

A.
Am 20. Januar 2002, um 00.15 Uhr, lenkte X.________ sein Auto mit einem
Blutalkoholgehalt von mindestens 1,47 Gewichtspromille rückwärts aus einem
Parkfeld vor einem Restaurant in A.________, mit der Absicht, nach seiner ca.
600 m weit entfernten Wohnung zu fahren. Am 14. August 2002, um 01.02 Uhr,
fuhr er mit einem Blutalkoholgehalt von mindestens 1,02 Gewichtspromille in
A.________ auf der C.________strasse.

X. ________ beherbergte seine damalige Freundin und heutige Ehefrau
Y.________ bis Juli 2002 ununterbrochen bei sich zu Hause, und er kam in
dieser Zeit auch für deren Lebensunterhalt auf, obwohl sie am 26. Januar 2001
wieder aus der Schweiz hätte ausreisen müssen.

B.
Am 9. Januar 2003 sprach der Einzelrichter in Strafsachen am Bezirksgericht
Pfäffikon X.________ schuldig des mehrfachen Fahrens in angetrunkenem Zustand
im Sinne von Art. 91 Abs. 1 SVG und des Vergehens gegen das BG über
Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer (ANAG) im Sinne von Art. 23 Abs. 1
ANAG. Er verurteilte ihn zu einer unbedingten Strafe von sechs Monaten
Gefängnis.
Auf Berufung des Verurteilten hin bestätigte das Obergericht des Kantons
Zürich, II. Strafkammer, am 29. August 2003 das Urteil des Einzelrichters.

X. ________ erhob gegen das Urteil des Obergerichtes Zürich mit Schreiben vom
11. September 2003 kantonale Nichtigkeitsbeschwerde, zog diese jedoch mit
Schreiben vom 12. November 2003 wieder zurück.

C.
Gegen X.________ wurden zuvor folgende Strafen ausgesprochen:

Mit Urteil der II. Strafkammer des Obergerichtes des Kantons Zürich vom 27.
Mai 1986 wurde X.________ wegen falscher Anschuldigung (Art. 303 Ziff. 1 Abs.
1 StGB), Anstiftung zur Irreführung der Rechtspflege (Art. 24 Abs. 1 und 304
Ziff. 1 Abs. 2 StGB) sowie wegen der Verletzung von Verkehrsregeln (Art. 90
Ziff. 2 SVG in Verbindung mit Art. 32 SVG und Art. 4 und 4a VRV) zu sieben
Monaten Gefängnis verurteilt, wobei der Strafvollzug unter Ansetzung einer
Probezeit von zwei Jahren aufgeschoben wurde.
An ihrer Sitzung vom 23. April 1987 verurteilte die Gerichtskommission SEE
des Kantons St. Gallen X.________ wegen Führens eines Motorfahrzeuges in
angetrunkenem Zustand sowie Nichtbeherrschens des Fahrzeuges mit 4 Wochen
Gefängnis und einer Busse von Fr. 1'500.--. Der Vollzug der Freiheitsstrafe
wurde aufgeschoben und die Probezeit auf zwei Jahre angesetzt. Zugleich wurde
die Probezeit des Urteils vom 27. Mai 1986 um ein Jahr verlängert.

Mit Urteil der Einzelrichterin für Strafsachen am Bezirksgericht Zürich vom
3. Oktober 1995 wurde X.________ wegen Fahrens in angetrunkenem Zustand (Art.
91 Abs. 1 SVG), der Verletzung von Verkehrsregeln (Art. 90 Ziff. 1 SVG i.V.m.
Art. 27 Abs. 1 SVG und Art. 18 Abs. 3 SSV) sowie wegen Nichtmitführens der
erforderlichen Ausweise (Art. 99 Ziff. 2 SVG) mit drei Monaten Gefängnis und
einer Busse von Fr. 1'000.-- bestraft. Der Vollzug der Freiheitsstrafe wurde
dabei "im Sinne einer letzten Chance" aufgeschoben und die Probezeit auf fünf
Jahre angesetzt.

X. ________ wurde der Führerausweis fünfmal entzogen: vom 8. November 1985
bis zum 7. Dezember 1985; vom 8. Dezember 1985 bis zum 7. Februar 1986; vom
10. Januar 1987 bis zum 9. Juli 1987; vom 10. August 1995 bis zum 9. März
1996 und ab 14. August  2002 auf unbestimmte Zeit.

D.
X.________ führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil des
Obergerichts des Kantons Zürich vom 29. August 2003 insoweit aufzuheben, als
ihm der bedingte Strafvollzug nicht gewährt worden sei, und die Sache zu
neuer Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Er stellt zudem ein
Gesuch um aufschiebende Wirkung.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Der Beschwerdeführer macht geltend, die Verweigerung des bedingten
Strafvollzuges verletze Bundesrecht. Die Vorinstanz habe bei der Beurteilung
der Prognose einzelne Faktoren (namentlich die strafrechtliche Vorbelastung)
in den Vordergrund gestellt, während sie andere Faktoren (namentlich stabiles
Umfeld und nachhaltige Wirkung des Führerausweisentzuges) völlig in den
Hintergrund gedrängt habe.

1.1 Gemäss Art. 41 Ziff. 1 Abs. 1 StGB kann der Richter den Vollzug einer
Freiheitsstrafe von nicht mehr als 18 Monaten aufschieben, wenn Vorleben und
Charakter des Verurteilten erwarten lassen, er werde auch durch eine bedingt
vollziehbare Strafe von weiteren Delikten abgehalten.

Eine Strafe von sechs Monaten Gefängnis kann demnach objektiv bedingt
ausgesprochen werden, womit zu prüfen bleibt, ob die subjektive Bedingung für
die Gewährung des bedingten Strafvollzugs gegeben ist, ob mithin Vorleben und
Charakter des Verurteilten erwarten lassen, er werde dadurch von weiteren
Verbrechen oder Vergehen abgehalten. Es handelt sich um eine Prognose
bezüglich des künftigen Verhaltens des Verurteilten.

1.2 Der Richter verfügt über ein grosses Ermessen, um diese Prognose zu
stellen. Das Bundesgericht hebt einen Entscheid auf, wenn die Vorinstanz von
rechtlich nicht massgebenden Gesichtspunkten ausgegangen ist oder wenn sie
wesentliche Faktoren in Verletzung ihres Ermessens falsch gewichtet,
vernachlässigt oder ganz ausser Acht gelassen hat (BGE 118 IV 97 E. 2a S.
100). Bei der Prüfung, ob der Betroffene Gewähr für ein dauerndes
Wohlverhalten bietet, sind alle wesentlichen Umstände in ihrer Gesamtheit und
nicht bloss isoliert voneinander zu würdigen. In die Beurteilung
miteinzubeziehen sind neben den Tatumständen das Vorleben und der Leumund
sowie alle weiteren Tatsachen, die gültige Schlüsse auf den Charakter des
Täters und die Aussichten seiner Bewährung zulassen (BGE 118 IV 97 E. 2b S.
100 f.). Um ein vollständiges Bild der Täterpersönlichkeit zu erhalten, sind
unter anderem die strafrechtliche Vorbelastung, die Sozialisationsbiographie
und das Arbeitsverhalten, das Bestehen sozialer Bindungen sowie mögliche
Hinweise auf Suchtgefährdungen zu untersuchen. Massgebend sind insoweit die
persönlichen Verhältnisse bis zum Zeitpunkt des Entscheides (eingehend
Schneider, Basler Kommentar StGB, Basel usw. 2003, Art. 41 N. 67 ff. mit
zahlreichen Hinweisen).

1.3
1.3.1Die Vorinstanz führt aus, der Beschwerdeführer verfüge heute über ein
stabiles soziales Netz, beruflich leite er die von ihm 1976 gegründete Firma
E.________ Elektro AG, er engagiere sich in der Feuerwehr und im
Gewerbeverein B.________. Ferner sei zugunsten des Beschwerdeführers zu
berücksichtigen, dass er bereits durch den Entzug des Führerausweises auf
unbestimmte Zeit in seiner Berufstätigkeit erheblich beeinträchtigt werde.
Angesichts der erneuten Delinquenz seien aber einige Zweifel an einer
dauernden Bewährung des Beschwerdeführers angebracht. Die Vorinstanz erinnert
sodann an die beiden einschlägigen Vorstrafen des Beschwerdeführers aus den
Jahren 1987 und 1995. Sie hält dazu fest, dem Beschwerdeführer sei bereits
1995 klargemacht worden, dass der erneute bedingte Strafvollzug eine letzte
Chance bedeute. Kurz nach der Probezeit habe er indes erneut einschlägig
delinquiert und sodann während laufender Untersuchung ein weiteres Mal. Die
Vorinstanz schliesst daraus, dass weder ein bedingter Strafvollzug noch eine
laufende Untersuchung einen gehörig abschreckenden Eindruck auf den
Beschwerdeführer machten.

1.3.2 Der Beschwerdeführer beanstandet, die Vorinstanz lasse seine stabilen
persönlichen Verhältnisse, insbesondere seine Verankerung in Familie und
Verein, in den Hintergrund treten.

Die Vorinstanz hat die berufliche und familiäre Situation des
Beschwerdeführers einlässlich erörtert. Sie hat ausgeführt, dass sich
diesbezüglich mit Ausnahme der Eheschliessung seit der früheren Verurteilung
(aus dem Jahre 1995) nichts verändert habe. Alle vom Beschwerdeführer
aufgezählten Umstände und Verhältnisse bestanden schon vollkommen bei seinen
deliktischen Tätigkeiten und  vermochten den Beschwerdeführer nicht vor dem
erneuten einschlägigen Delinquieren abzuhalten. Die Rüge ist demnach nicht
stichhaltig.

1.3.3 Der Beschwerdeführer bemängelt, die Vorinstanz übergehe, dass das
Fehlen des Führerausweises für ihn eine ungleich nachhaltigere Wirkung
zeitige als in anderen Fällen.

Richtig ist, dass ein Führerausweisentzug eine zusätzliche einschneidende
Sanktion darstellt (BGE 120 IV 68 E. 2b S. 72) und den Betroffenen in der
Regel hart trifft. Dies gilt vor allem, wenn er aus beruflichen,
gesundheitlichen oder andern Gründen auf sein Fahrzeug angewiesen ist. Einem
Führerausweisentzug ist daher grundsätzlich - als einem Faktor neben andern -
im Rahmen der Prognosenstellung angemessen Rechnung zu tragen (BGE 118 IV 97
E. 1d S. 102).

Dem Führerausweisentzug ist im Rahmen der Gesamtwürdigung nach Art. 41 Ziff.
1 Abs. 1 StGB vorliegend nur untergeordnete Bedeutung beizumessen. Dem
Beschwerdeführer wurde bereits mehrmals der Führerausweis entzogen. Sein
Vorbringen, wonach ihn die heilende Wirkung des Führerausweisentzugs von der
Begehung weiterer SVG-Delikte abhalten würde, verliert insoweit an Gewicht,
unabhängig davon, wie einschneidend die Beeinträchtigung in der
Berufstätigkeit ist. Demnach ist die Rüge des Beschwerdeführers unbegründet.

1.4 Zusammenfassend beruhen die Ausführungen der Vorinstanz auf einer
Gesamtwürdigung aller für eine rechtsgenügende Prognose wesentlichen
Umstände. Die Vorinstanz hat in einer gründlichen Analyse die entscheidenden
Faktoren berücksichtigt. Daher liegt keine Bundesrechtsverletzung vor.

2.
Die Beschwerde ist abzuweisen. Dementsprechend hat der Beschwerdeführer die
Kosten des Verfahrens zu tragen (Art. 278 Abs. 1 BStP). Mit dem Entscheid in
der Sache wird das Gesuch um aufschiebende Wirkung gegenstandslos.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Staatsanwaltschaft des Kantons
Zürich und dem Obergericht des Kantons Zürich, II. Strafkammer, schriftlich
mitgeteilt.

Lausanne, 6. Januar 2004

Im Namen des Kassationshofes
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Die Gerichtsschreiberin: