Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Kassationshof in Strafsachen 6S.391/2003
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6S.391/2003
6S.397/2003 /kra

Sitzung vom 18. März 2004
Kassationshof

Bundesrichter Schneider, Präsident,
Bundesrichter Wiprächtiger, Kolly, Karlen, Zünd,
Gerichtsschreiber Boog.

X. ________,
Beschwerdeführer, vertreten durch Fürsprecher Sven Marguth,

gegen

Generalprokurator des Kantons Bern, Postfach 7475, 3001 Bern,
Beschwerdegegner,

und

Generalprokurator des Kantons Bern, Postfach 7475, 3001 Bern,
Beschwerdeführer,

gegen

X.________,
Beschwerdegegner, vertreten durch Fürsprecher Sven Marguth,

Führen eines Fahrzeugs in nicht fahrfähigem Zustand,

Nichtigkeitsbeschwerden gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Bern,
1. Strafkammer, vom 28. August 2003.

Sachverhalt:

A.
X. ________ wurde am frühen Nachmittag des 14. Juni 2002 in der Münstergasse
in Bern von Strassenarbeitern dabei beobachtet, wie er auf der Fahrerseite
seines Wagens Drogen versteckte. X.________ fuhr daraufhin mit seinem Auto in
rasantem bzw. zügigem Tempo durch die Gerechtigkeitsgasse in Richtung
Bärengraben. Dabei wurde er von der herbeigerufenen Polizei verfolgt. Ihr
gelang es schliesslich, ihn in der Kasernenstrasse anzuhalten. Die
Matrix-Aufforderung (Stop-Polizei) hatte X.________ nicht beachtet. Im
Lenkrad seines Wagens wurden 2,2 Gramm Marihuana gefunden. Ein vor Ort
durchgeführter Atemalkoholtest ergab einen Wert von 0,2 Promille. Der
Drogenschnelltest, dem sich X.________ anschliessend auf dem Polizeiposten
unterzog, fiel positiv aus. Zur Bestimmung des Alkohol- und Drogengehaltes
wurden um 15.30 bzw. 15.40 Uhr eine Blut- und eine Urinprobe abgenommen. Die
Analyse durch das Institut für Rechtsmedizin der Universität Bern ergab in
Bezug auf Cannabis positive Testresultate; Trinkalkohol wurde nicht
nachgewiesen. X.________ hatte nach seinen eigenen Angaben zwischen 13.00 und
13.15 Uhr auf der Münsterplattform einen Joint geraucht und 3 dl Bier
getrunken.

B.
Der Untersuchungsrichter 3 des Untersuchungsrichteramtes III Bern-Mittelland
verurteilte X.________ mit Strafmandat vom 22. Oktober 2002 wegen
Widerhandlungen gegen das Betäubungsmittelgesetz (Art. 19a BetmG) und wegen
Führens eines Personenwagens unter Drogeneinfluss (Art. 31 Abs. 2 i.V.m. Art.
90 Ziff. 2 SVG) zu zehn Tagen Gefängnis, mit bedingtem Strafvollzug bei einer
Probezeit von zwei Jahren, sowie zu einer Busse von Fr. 1'000.--. Auf
Einsprache des Beurteilten hin, erklärte die Gerichtspräsidentin 17 des
Gerichtskreises VIII Bern-Laupen X.________ am 31. März 2003 hinsichtlich der
Widerhandlungen gegen das Strassenverkehrsgesetz der groben
Verkehrsregelverletzung durch Führen eines Personenwagens unter
Drogeneinfluss (Art. 31 Abs. 2 i.V.m. Art. 90 Ziff. 2 SVG; Art. 2 Abs. 1 VRV)
schuldig und verurteilte ihn zu zehn Tagen Gefängnis, bedingt erlassen auf
eine Probezeit von zwei Jahren, sowie zu einer Busse von Fr. 1'000.--. Das
Obergericht des Kantons Bern erklärte X.________ mit Urteil vom 28. August
2003 auf dessen Appellation hin der einfachen Verletzung der Verkehrsregeln
durch Führen eines Personenwagens unter Drogeneinfluss (Art. 31 Abs. 2 i.V.m.
90 Ziff. 1 SVG; Art. 2 Abs. 1 VRV) schuldig und verurteilte ihn zu fünf Tagen
Haft, mit bedingtem Strafvollzug unter Auferlegung einer Probezeit von einem
Jahr, sowie zu einer Busse von Fr. 500.--.

C.
X.________ (nachfolgend: der Verurteilte) und der Generalprokurator des
Kantons Bern führen eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde. Der Verurteilte
beantragt, er sei vom Vorwurf des Führens eines Fahrzeugs in nicht
fahrfähigem Zustand freizusprechen und die Sache sei zwecks Neuverlegung der
Verfahrens- und Verteidigungskosten an die Vorinstanz zurückzuweisen. Der
Generalprokurator stellt Antrag auf Aufhebung des angefochtenen Urteils und
Rückweisung der Sache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz.

D.
Das Obergericht des Kantons Bern hat auf Gegenbemerkungen verzichtet. Der
Verurteilte beantragt in seiner Vernehmlassung die Abweisung der Beschwerde
des Generalprokurators. Der Generalprokurator hat auf Vernehmlassung zur
Beschwerde des Verurteilten verzichtet.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

I. Nichtigkeitsbeschwerde des Verurteilten

1.
Die eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde ist rein kassatorischer Natur. Sie
führt im Falle der Gutheissung zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und
Rückweisung der Sache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz (Art. 277ter
Abs. 1 BStP), nicht aber zu einem Entscheid des Bundesgerichts in der Sache
selbst. Auf die Rechtsbegehren kann deshalb nur in diesem Rahmen eingetreten
werden (BGE 118 IV 277 E. 1).

2.
2.1 Die Vorinstanz nimmt an, der Verurteilte sei nach dem Konsum von Cannabis
und Bier fahrunfähig gewesen und sei sich dieses Zustandes bewusst gewesen.
Sein Verhalten erscheine aber nicht als rücksichtslos oder sonst
schwerwiegend regelwidrig. Auch lasse der festgestellte THC-Wert (Anteil des
Wirkstoffes Tetrahydrocannabinol) von ca. 3,5 ng/ml nur auf eine geringe
Drogenmenge schliessen. Der Verurteilte habe daher für andere
Verkehrsteilnehmer keine ernstliche Gefahr dargestellt. Er sei der Polizei
denn auch nicht durch sein Fahrverhalten aufgefallen, sondern nur deshalb,
weil ihr gemeldet worden sei, dass er in seinem Lenkrad Drogen versteckt
habe. Die Vorinstanz gelangt daher zum Schluss, der Verurteilte habe
lediglich eine einfache Verkehrsregelverletzung im Sinne von Art. 90 Ziff. 1
SVG begangen.

Die erste Instanz hatte demgegenüber auf eine grobe Verletzung der
Verkehrsregeln im Sinne von Art. 90 Ziff. 2 SVG erkannt, weil der Verurteilte
im Wissen darum, dass er noch Auto fahren werde, Cannabis und Alkohol
konsumiert habe.

2.2 Der Verurteilte macht geltend, seine Fahrfähigkeit sei nicht
eingeschränkt gewesen. Die im ärztlichen Untersuchungsbefund festgehaltene
leichte Beeinträchtigung in seinem Verhalten durch den Cannabis-Konsum habe
sich weder auf seine Fahrweise noch auf die Verkehrssicherheit ausgewirkt.
Ausserdem sei er bei seiner Fahrt in keiner Weise negativ aufgefallen.

3.
3.1 Wer angetrunken, übermüdet oder wegen des Einflusses von Alkohol,
Medikamenten, Drogen oder wegen eines anderen Grundes nicht fahrfähig ist,
darf kein Fahrzeug führen (Art. 31 Abs. 2 SVG; Art. 2 Abs. 1 VRV; vgl. auch
Art. 91 Abs. 1 SVG). Fahrfähigkeit ist die momentane körperliche und geistige
Befähigung, ein Fahrzeug während der gesamten Fahrt sicher zu führen.
Erhalten sein muss die Gesamtleistungsfähigkeit, welche neben der
Grundleistung auch eine für das Bewältigen plötzlich auftretender schwieriger
Verkehrs-, Strassen- und Umweltsituationen notwendige Leistungsreserve
umfasst. Der Fahrzeuglenker muss m.a.W. in der Lage sein, ein Fahrzeug auch
in einer nicht voraussehbaren, schwierigen Verkehrslage sicher zu führen
(Leitfaden "Verdachtsgründe fehlender Fahreignung" der Expertengruppe
Verkehrssicherheit des Eidgenössischen Departementes für Umwelt, Verkehr,
Energie und Kommunikation vom 26. April 2000, S. 2; René  Schaffhauser,
Grundriss des Schweizerischen Strassenverkehrsrechts, Band I: Grundlagen,
Verkehrszulassung und Verkehrsregeln, 2. Aufl. Bern 2002, N 501).

3.2 Fahrunfähigkeit wegen der Einwirkung von Alkohol (Angetrunkenheit) gilt -
unabhängig von weiteren Beweisen und von der individuellen
Alkoholverträglichkeit - in jedem Fall als erwiesen, wenn der Fahrzeugführer
eine Blutalkohol-Konzentration von 0,8 oder mehr Gewichtspromillen aufweist
oder eine Alkoholmenge im Körper hat, die zu einer solchen
Blutalkohol-Konzentration führt (Art. 2 Abs. 2 VRV; Art. 55 Abs. 1 SVG). Nach
Art. 91 Abs. 1 SVG soll somit nicht jeder Fahrzeuglenker bestraft werden, der
eine noch so geringe Menge Alkohol zu sich nimmt und anschliessend ein
Motorfahrzeug führt, sondern - soweit nicht andere Beweise für eine
Beeinträchtigung der Fahrfähigkeit vorliegen - nur derjenige, der vor der
Fahrt soviel Alkohol zu sich nimmt, dass er im Sinne des Gesetzes angetrunken
ist (BGE 119 Ia 332 E. 1c).

Beim Fahren unter Drogeneinfluss existiert nach dem derzeitigen Kenntnisstand
der Wissenschaft kein gesicherter Erfahrungs- und Grenzwert für die
Fahrfähigkeit. Es kann daher nicht ohne weiteres von der konsumierten
Drogenmenge bzw. dem Wirkstoffnachweis im Körper des Betroffenen auf fehlende
Fahrfähigkeit geschlossen werden (BGE 124 II 559 E. 4b S. 565; Manfred
Dähler/René Schaffhauser, Strassenverkehrsdelikte, in: Niggli/Weissenberger
[Hrsg.], Strafverteidigung, Handbücher für die Anwaltspraxis, Bd. VII, Basel
2002, N 11.209). Die Fahrunfähigkeit muss in diesem Bereich daher, wie bei
der Angetrunkenheit mit einem Blutalkoholgehalt von weniger als 0,8 Promille
oder bei Fehlen einer Blutprobe (vgl. BGE 103 IV 110 E. 1; 98 IV 289 E. 1a;
90 IV 159 E. 4 S. 167; Schaffhauser, a.a.O., N 504), auf Grund des
erkennbaren äusseren Verhaltens des Fahrzeuglenkers im konkreten Einzelfall,
namentlich auf Grund von Ausfallerscheinungen, Fahrfehlern, einer besonders
sorglosen und leichtsinnigen Fahrweise oder Verhaltensauffälligkeiten bei
Polizeikontrollen bzw. anlässlich der ärztlichen Untersuchung, nachgewiesen
werden (Schaffhauser, a.a.O., N 516 ff.; Dähler/Schaffhauser, a.a.O., N 11.
196 und 11.210; Franz Riklin, Fahren unter Drogeneinfluss, strafrechtliche,
verwaltungsrechtliche und strafprozessuale Aspekte,
Strassenverkehrsrechtstagung Freiburg 1998, S. 10). Dies gilt auch für das
Führen von Fahrzeugen unter dem Einfluss von Cannabis.

3.3 Das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement (EJPD) und die
Konferenz der kantonalen Justiz- und Polizeidirektoren (KKJPD) haben zur
Feststellung der Verminderung der Fahrfähigkeit durch Drogen und/oder
Medikamente Empfehlungen erlassen, die am 1. Januar 1995 in Kraft getreten
sind. Diese tragen dem Umstand Rechnung, dass wegen der unterschiedlichen
Wirkung von Cannabis auf den Konsumenten nicht ohne weiteres von der
konsumierten Menge bzw. der Wirkstoffkonzentration im Blut auf fehlende
Fahrfähigkeit geschlossen werden kann (BGE 124 II 559 E. 4b mit Hinweisen).
Als geeignete Massnahme zur Feststellung des Drogen- und/oder
Medikamenteneinflusses nennt Art. 4 der Empfehlungen die Polizeikontrolle
(Art. 5 f.), die ärztliche Untersuchung (Art. 7), die chemische Analyse im
forensischen Laboratorium (Art. 12 ff.) sowie die Begutachtung durch einen
Sachverständigen (Art. 15 f.). Die Empfehlungen enthalten im Anhang 2 sodann
Richtlinien für die Begutachtung der Fahrfähigkeit unter dem Einfluss von
Drogen und/oder Medikamenten. Danach genügt der ärztliche
Untersuchungsbericht alleine zur gutachterlichen Beurteilung der
Fahrfähigkeit wegen eines spezifischen Drogen- oder Medikamentenkonsums in
der Regel nicht. Neben den ärztlichen Angaben müssen nach Möglichkeit auch
Beobachtungen der Polizeiorgane und deren möglichst detaillierte und
beschreibende Protokollierung Berücksichtigung finden. Ebenso sollen
eventuell vorhandene Zeugenaussagen herangezogen werden zum Vergleich der
Beobachtungen (z.B. "verladener" Fahrzeuglenker) mit der
chemisch-toxikologisch festgestellten Konzentration einer Droge oder eines
Medikamentes im Blut (Ziff. 2.3 und 3; vgl. auch Peter X. Iten, Fahren unter
Drogen- oder Medikamenteneinfluss, Institut für Rechtsmedizin Zürich 1994, S.
22).

3.4 Die Vorinstanz stützt sich für ihren Entscheid auf die polizeilichen
Erhebungen vor Ort, die ärztlichen Untersuchungen anlässlich der Blutentnahme
und der Abnahme der Urinprobe, sowie die chemisch-toxikologischen
Untersuchungen von Blut und Urin und die toxikologische Beurteilung des
Verurteilten durch das Institut für Rechtsmedizin der Universität Bern (vgl.
auch Schaffhauser, a.a.O., N 516 f.). Sie folgt somit für die Feststellung
der Verminderung der Fahrfähigkeit den genannten Empfehlungen des EJPD und
der KKJPD (vgl. E. 3.3).

Im ärztlichen Untersuchungsbefund, der zweieinhalb Stunden nach der Fahrt
erhoben wurde, wurden die Bewusstseinslage des Verurteilten als benommen,
sein Verhalten als ruhig, seine Stimmung als normal, die Sprache als
unauffällig und die Konjunktiven als gerötet beschrieben. Der Verurteilte
bestand den Rombergtest sicher. Der Strichgang war leicht schwankend, die
Finger-Finger-Probe wurde als sicher und die örtliche und zeitliche
Orientierung als erhalten bewertet. Der Arzt beurteilte den Verurteilten
insgesamt als "etwas verladen" und erachtete den Grad der Beeinträchtigung
als leicht. Gemäss dem Bericht des Instituts für Rechtsmedizin der
Universität Bern vom 18. September 2002 ergaben die chemisch-toxikologischen
Untersuchungen einen THC-Wert von ca. 3,5 ng/ml und einen THC-COOH-Wert
(Tetrahydrocannabinol-Carbonsäure) von ca. 46 ng/ml. Der Gutachter beurteilte
den Verurteilten aus forensisch-toxikologischer Sicht als nicht fahrfähig.

3.5 An diese tatsächlichen Feststellungen ist der Kassationshof gebunden
(Art. 277bis Abs. 1 BStP). Unter diesen Umständen verletzt der Schluss der
Vorinstanz, der Verurteilte sei nicht fahrfähig im Sinne von Art. 31 Abs. 2
SVG gewesen, kein Bundesrecht. Was der Verurteilte hiegegen einwendet, führt
zu keinem anderen Ergebnis.

So mag zutreffen, dass der ermittelte THC-Wert als eher tief erscheint und
auf einen geringen oder nur mässigen Cannabis-Konsum hindeutet, doch
schliesst die Vorinstanz entgegen der Auffassung des Verurteilten nicht schon
allein aufgrund des Nachweises der geringen Wirkstoffkonzentration im Blut
auf die Fahrunfähigkeit. Sie stützt sich vielmehr auch auf die im ärztlichen
Untersuchungsbefund zweieinhalb Stunden nach der Fahrt festgehaltenen
Verhaltensauffälligkeiten und deren Würdigung im Gutachten des Instituts für
Rechtsmedizin, die ohne weiteres Rückschlüsse auf eine Beeinträchtigung der
Fahrfähigkeit erlauben. Im Übrigen ist anerkannt, dass Cannabis auch bei
bloss gelegentlichem Konsum in geringer Menge die Fahrfähigkeit erheblich
beeinträchtigen kann (Peter Hentschel, Strassenverkehrsrecht, 37. Aufl.
München 2003, 4 StGB § 316 N 5). Ausserdem verweist die Vorinstanz zu Recht
darauf, dass der Verurteilte neben Cannabis - wenn auch nur in geringer Menge
- Alkohol konsumiert hat (Mischkonsum), was wegen der gegenseitigen
Potenzierung beider Stoffe verkehrsrelevante Ausfallerscheinungen mit
grösserer Wahrscheinlichkeit erwarten lässt (BGE 124 II 559 E. 4b S. 565 f.
mit Hinweisen). In der Literatur wird schliesslich auch darauf hingewiesen,
dass die Cannabis-Wirkung nur bedingt mit der Wirkstoffkonzentration
korreliert. So wird der maximale Blutspiegel nach dem Rauchen von Cannabis
bereits nach wenigen Minuten erreicht, während das maximale "High" erst nach
etwa 30 Minuten eintritt, zu einem Zeitpunkt, in welchem die
THC-Blutkonzentration bereits wieder deutlich abgesunken ist. Zu
signifikanten Leistungsverschlechterungen kommt es danach vor allem im akuten
Rausch, d.h. bei der Aufnahme des Wirkstoffs durch Rauchen innerhalb der
ersten Stunde nach dem Konsum (BGE 124 II 559 E. 4c S. 566; Geschwinde,
Rauschdrogen, Marktformen und Wirkungsweisen, 4. Aufl., Berlin usw. 1998, S.
28 f. N 95 und 97; Iten, a.a.O., S. 103 ff.; ders., Drogen und Verkehrsrecht,
die wissenschaftliche Begutachtung von Fahrzeuglenkern unter Drogen- oder
Medikamenteneinfluss, Strassenverkehrsrechtstagung Freiburg 1998, S. 16;
Guido Sticht/Herbert Käferstein, Grundbegriffe, Toxikokinetik und
Toxikodynamik, in: Günter Berghaus/Hans-Peter Krüger [Hrsg.], Cannabis im
Strassenverkehr, Stuttgart 1998, S. 8 f.). Im vorliegenden Fall hat der
Verurteilte kurze Zeit  nach dem Konsum sein Fahrzeug gelenkt, während die
Blutprobe erst etwa zweieinhalb Stunden nach der Fahrt abgenommen worden ist.
Die Wirkstoffkonzentration dürfte danach bei der Fahrt jedenfalls grösser
gewesen sein, als der ermitteltene THC-Wert von ca. 3,5 ng/ml.

Dass die Festlegung eines Gefahrengrenzwerts auch bei Cannabis wünschenswert
wäre, wie der Verurteilte vorbringt, mag zutreffen. Doch ist ein solcher, der
Blutalkoholkonzentration von 0,8 Promille vergleichbarer Grenzwert heute
wissenschaftlich (noch) nicht begründbar (vgl. oben E. 3.2). Aus den vom
Verurteilten angeführten Vergleichswerten von Alkohol und Cannabis ergibt
sich nichts anderes. Sein Hinweis bezieht sich auf eine vergleichende Analyse
experimenteller Studien, in der die Beeinträchtigung durch Cannabis in
Abhängigkeit von der Wirkstoffkonzentration im Vergleich zur
Dosis-/Wirkstoffbeziehung von Alkohol beschrieben wird, die in ihrer
Aussagekraft aber beschränkt ist und daher die Festlegung von verlässlichen
Grenzwerten nicht erlaubt (vgl. Mark Vollrath/Hans-Peter Krüger, Auftreten
und Risikopotenzial von Drogen im Strassenverkehr, Blutalkohol 39/2002 S. 34;
vgl. auch Günter Berghaus/Hans-Peter Krüger/Mark Vollrath, Beeinträchtigung
fahrrelevanter Leistungen nach Rauchen von Cannabis und nach Alkoholkonsum -
eine vergleichende Metaanalyse experimenteller Studien, in: Günter
Berghaus/Hans-Peter Krüger [Hrsg.], Cannabis im Strassenverkehr, Stuttgart
1998, S. 101 ff.).

Dass der Verurteilte keine drogenbedingten Ausfallerscheinungen ge-zeigt hat,
die sich in Fahrfehlern ausgewirkt haben, trifft zu. Es wird ihm denn auch
kein Fahrfehler, insbesondere keine Geschwindigkeitsüberschreitung
vorgeworfen. Auch nimmt die Vorinstanz zu seinen Gunsten an, er habe beim
Anhalten den Motor seines Fahrzeugs nicht abgewürgt, sondern ordentlich
abgestellt. Doch lässt sich daraus nicht schliessen, die vom Arzt erkannte
leichte Beeinträchtigung des Verhaltens habe sich nicht auf das Fahrverhalten
ausgewirkt. Denn die Annahme der Fahrunfähigkeit wegen Drogeneinflusses setzt
den Nachweis eines Fahrfehlers nicht voraus. Selbst ein unauffälliger
ärztlicher Untersuchungsbefund schliesst eine Beeinflussung der Fahrfähigkeit
nicht aus (Empfehlungen Art. 7 Abs. 2). Es genügt eine Verminderung der
Gesamtleistungsfähigkeit, wie sie dem Verurteilten hier vom Arzt und vom
Gutachter attestiert worden ist.

Die Beschwerde des Verurteilten erweist sich somit als unbegründet.
II. Nichtigkeitsbeschwerde des Generalprokurators

4.
Der Generalprokurator wendet sich gegen die rechtliche Würdigung des Fahrens
unter Drogeneinfluss als einfache Verletzung der Verkehrsregeln durch die
Vorinstanz. Der Verurteilte sei nicht fahrfähig gewesen. Er habe sich mithin
in einen Zustand versetzt, welcher seine Fahrfähigkeit beeinträchtigt habe,
und habe trotzdem ein Fahrzeug geführt. Dies müsse zu einer Strafbarkeit
wegen grober Verkehrsregelverletzung im Sinne von Art. 90 Ziff. 2 führen.

5.
5.1 Nach Art. 90 Ziff. 2 SVG wird mit Gefängnis oder mit Busse bestraft, wer
durch grobe Verletzung der Verkehrsregeln eine ernstliche Gefahr für die
Sicherheit anderer hervorruft oder in Kauf nimmt. Der Tatbestand ist nach der
Rechtsprechung objektiv erfüllt, wenn der Täter eine wichtige
Verkehrsvorschrift in objektiv schwerer Weise missachtet und die
Verkehrssicherheit ernstlich gefährdet. Eine ernstliche Gefahr für die
Sicherheit anderer im Sinne von Art. 90 Ziff. 2 SVG ist bereits beim
Vorliegen einer erhöhten abstrakten Gefährdung gegeben. Die erhöhte abstrakte
Gefahr setzt die nahe liegende Möglichkeit einer konkreten Gefährdung oder
Verletzung voraus (BGE 123 IV 88 E. 3a; 123 II 37 E. 1b und 106 E. 2a je mit
Hinweisen).

Subjektiv erfordert der Tatbestand ein rücksichtsloses oder sonst
schwerwiegend regelwidriges Verhalten, d.h. ein schweres Verschulden,
mindestens grobe Fahrlässigkeit (BGE 118 IV 84 E. 2a mit Hinweisen). Dies ist
immer zu bejahen, wenn der Täter sich der allgemeinen Gefährlichkeit seiner
verkehrswidrigen Fahrweise bewusst ist. Grobe Fahrlässigkeit kann aber auch
vorliegen, wenn der Täter die Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer
pflichtwidrig gar nicht in Betracht zieht, also unbewusst fahrlässig handelt.
In solchen Fällen bedarf jedoch die Annahme grober Fahrlässigkeit einer
sorgfältigen Prüfung (BGE 106 IV 49 f. mit Hinweisen).

5.2 Der Generalprokurator geht zu Recht davon aus, dass das Führen eines
Fahrzeugs in nicht fahrfähigem Zustand wegen des Einflusses von Cannabis
einen typischen Fall der schweren Missachtung einer wichtigen
Verkehrsvorschrift darstellt.

Die Einnahme von Cannabis führt nach den Ergebnissen zahlreicher
wissenschaftlicher Studien beim Betroffenen zu Verminderungen im Bereich der
Wahrnehmung und der Psychomotorik sowie der kognitiven und affektiven
Funktionen. Namentlich kann der Konsum von Cannabisprodukten zu einer
Beeinträchtigung der dynamischen Sehschärfe (d.h. dem Erkennen sich
bewegender Objekte), zu einer Verlängerung der Reaktionszeit, zur Veränderung
der Koordinationsfähigkeit oder zur fehlenden Genauigkeit von automatisierten
Bewegungsabläufen führen. Cannabis beeinträchtigt daher bei Sucht die
Fahreignung generell und bei gelegentlichem Konsum die Fahrfähigkeit
unmittelbar nach dem Genuss der Droge (BGE 124 II 559 E. 4a S. 565 mit
Hinweisen; vgl. ferner Schaffhauser, a.a.O., N 514; Thomas Geschwinde,
a.a.O., S. 28 ff. N 93 ff.; Stephan Harbort, Rauschmitteleinnahme und
Fahrsicherheit, Indikatoren - Analysen - Massnahmen, Stuttgart [u.a.] 1996,
S. 106 ff. N 222 ff.). Nach der Rechtsprechung kann denn auch ein die
momentane Fahrfähigkeit beeinträchtigender Cannabiskonsum Anlass bieten, die
generelle Fahreignung des Betroffenen durch ein Fachgutachten näher abklären
zu lassen (BGE 127 II 122 E. 4b).

Das Betäubungsmittel ist in seinen Auswirkungen in verkehrsrechtlicher
Hinsicht mit der Alkoholintoxikation vergleichbar (zur Beeinträchtigung der
Fahrfähigkeit durch Alkohol vgl. Schaffhauser, a.a.O., N 504; ferner Klaus
Foerster, Störungen durch psychotrope Substanzen, in: Venzlaff/Foerster,
Psychiatrische Begutachtung, 3. Aufl. 2000, S. 165; Rudolf Hauri-Bionda,
Fahrfähigkeit, Institut für Rechtsmedizin der Universität Zürich 1994, S. 5).
Es drängt sich daher auf, das Fahren unter dem Einfluss von Cannabis
grundsätzlich gleich zu behandeln wie das Fahren in angetrunkenem Zustand
gemäss Art. 91 Abs. 1 SVG, welches - auch für Trunkenheitsfahrten mit einem
Blutalkoholgehalt von weniger als 0,8 Promille (vgl. oben E. 3.2) - als
Vergehen mit Gefängnis oder Busse bedroht ist (vgl. Art. 9 Abs. 2 StGB).
Diese Auffassung steht im Einklang mit der Änderung des
Strassenverkehrsgesetzes vom 14. Dezember 2001 (AS 2002, 2767 ff.; BBl 1999,
S. 4462, 4493), nach welchem mit Gefängnis oder Busse bestraft wird, wer aus
anderen Gründen als Angetrunkenheit fahrunfähig ist und ein Motorfahrzeug
führt (Art. 91 Abs. 2 nSVG). Darunter fällt nach dem künftigen Recht auch das
Führen eines Motorfahrzeuges unter Betäubungsmitteleinfluss (Art. 31 Abs. 2
nSVG). Es gilt somit in diesem Fall die gleiche Strafandrohung wie beim
Tatbestand des Fahrens in angetrunkenem Zustand mit einer qualifizierten
Blutalkoholkonzentration (Art. 91 Abs. 1 nSVG).

5.3 Im zu beurteilenden Fall steht zudem ausser Zweifel, dass die unter dem
Einfluss von Cannabis unternommene rasante oder jedenfalls zügige Autofahrt
zur Mittagszeit durch die belebte Berner Innenstadt die Verkehrssicherheit
ernstlich gefährdet hat (zur Gefahrenlage innerorts vgl. BGE 123 II 37 E.
1d). Der objektive Tatbestand der groben Verkehrsregelverletzung im Sinne von
Art. 90 Ziff. 2 SVG ist daher erfüllt. Nichts anderes ergibt sich
hinsichtlich der subjektiven Seite. Indem der Verurteilte die nahe liegende
Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer nicht bedacht oder sich bewusst über
sie hinweggesetzt hat, hat er eine besondere Gleichgültigkeit gegenüber
fremden Rechtsgütern bewiesen. Der Tatbestand der groben
Verkehrsregelverletzung ist somit auch in subjektiver Hinsicht erfüllt. Aus
diesen Gründen verstösst der Schuldspruch der Vorinstanz wegen einfacher
Verletzung der Verkehrsregeln im Sinne von Art. 90 Ziff. 1 SVG gegen
Bundesrecht.

Die Beschwerde des Generalprokurators erweist sich somit als begründet.

6.
Aus diesen Gründen ist die Beschwerde des Verurteilten abzuweisen, soweit
darauf einzutreten ist. Die Beschwerde des Generalprokurators ist
gutzuheissen. Bei diesem Ausgang des Verfahrens trägt der Verurteilte die
Kosten beider Verfahren (Art. 278 Abs. 1 BStP).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde von X.________ wird abgewiesen,
soweit darauf einzutreten ist.

2.
Die eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde des Generalprokurators des Kantons
Bern wird gutgeheissen, das Urteil des Obergerichts des Kantons Bern vom 28.
August 2003 aufgehoben und die Sache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz
zurückgewiesen.

3.
Die Gerichtsgebühren von insgesamt Fr. 4'000.-- werden X.________ auferlegt.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Bern, 1.
Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 18. März 2004

Im Namen des Kassationshofes
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Der Gerichtsschreiber: