Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Kassationshof in Strafsachen 6S.389/2003
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6S.389/2003 /kra

Urteil vom 17. Februar 2004
Kassationshof

Bundesrichter Schneider, Präsident,
Bundesrichter Kolly, Zünd,
Gerichtsschreiber Borner.

W. ________,
Beschwerdeführer, vertreten durch Fürsprecher Dr. Hans A. Schibli,

gegen

Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau,
Frey-Herosé-Strasse 12, Wielandhaus, 5001 Aarau.

Verletzung von Verkehrsregeln (Art. 90 Ziff. 2 SVG),

Nichtigkeitsbeschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau,
3. Strafkammer,
vom 13. August 2003.

A.
W. ________ fuhr am 30. März 2001 in Frick mit seinem Personenwagen von der
Bözbergstrasse (K 117) über die Staffeleggstrasse (K 107), um auf die
Autobahn Richtung Basel zu gelangen. Die Staffeleggstrasse dient auf den
letzten bzw. ersten ca. 150 m als Autobahn-Auffahrt bzw. -Ausfahrt; die je
zwei Fahrstreifen in beide Richtungen sind durch Mittelleitplanken getrennt.
Die beiden Auffahrtstreifen verzweigen nach ca. 150 m, die linke führt
Richtung Basel/Eiken, die rechte Richtung Zürich/Brugg. Im fraglichen
Zeitpunkt war der linke Auffahrtstreifen durch Baken in Abständen von ca. 5 m
abgetrennt und dem Gegenverkehr (Autobahnausfahrt) vorbehalten, weil der
linke Fahrstreifen der Ausfahrt geteert wurde.

W. ________ fuhr zwischen zwei Baken auf den linken Fahrstreifen. Nach ca. 30
m passierte er das Signal 4.01 "Autobahn", und nach weiteren ca. 35 m befand
sich über dem rechten Fahrstreifen die Einspurtafel "Zürich/Brugg", über dem
linken Fahrstreifen war auf der Einspurtafel "Basel/ Eiken" der weisse Pfeil
geradeaus durch einen schwarzen Pfeil nach unten/rechts auf orangem Grund
ersetzt worden. Nach weiteren ca. 55 m folgte W.________ entlang den Baken
durch eine Lücke in der Mittelleitplanke auf die linke Strassenseite bis in
die Ausfahrt Zürich/Brugg. Nach einigen Metern hielt er an, fuhr rückwärts
bis zur Stelle, wo die Ausfahrt von Basel einen zweiten (rechten)
Ausfahrtsstreifen bildet, wendete dort sein Fahrzeug und fuhr nun normal auf
der Autobahnausfahrt, wo er nach ca. 100 m das Signal 4.02 "Ende der
Autobahn" kreuzte.

B.
Das Bezirksgericht Laufenburg sprach W.________ am 16. Mai 2002 von der
Anklage des Nichtbeachtens der Signale und Markierungen gemäss Art. 27 Abs. 1
SVG frei. Es büsste ihn wegen Einfahrens auf eine Autobahnausfahrt gemäss
Art. 36 Abs. 1 VRV i.V.m. Art. 90 Ziff. 2 SVG mit Fr. 300.--.

Eine Berufung des Gebüssten wies das Obergericht des Kantons Aargau am 13.
August 2003 ab.

C.
W.________ führt Nichtigkeitsbeschwerde und beantragt, der angefochtene
Entscheid sei aufzuheben und die Sache an die Vorinstanz zurückzuweisen,
damit sie ihn von Schuld und Strafe freispreche.

Das Obergericht hat auf Gegenbemerkungen verzichtet.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Die Nichtigkeitsbeschwerde kann nur damit begründet werden, die angefochtene
Entscheidung verletze Bundesrecht. Rügen wegen Verletzung verfassungsmässiger
Rechte sind der staatsrechtlichen Beschwerde vorbehalten (Art. 269 BStP). Der
Kassationshof ist an die tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz gebunden
(Art. 277bis Abs. 1 BStP). Soweit der Beschwerdeführer die Beweiswürdigung
kritisiert, vom festgestellten Sachverhalt abweicht oder sich auf Tatsachen
beruft, die im angefochtenen Urteil nicht festgehalten worden sind, kann auf
die Beschwerde nicht eingetreten werden (Art. 273 Abs. 1 lit. b BStP; BGE 126
IV 65 E. 1).

2.
Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung von Art. 36 Abs. 1 VRV. Nach dieser
Bestimmung ist auf Autobahnen und Autostrassen das Abbiegen nur an den dafür
gekennzeichneten Stellen gestattet. Wenden und Rückwärtsfahren sind
untersagt.

2.1 Der Beschwerdeführer macht geltend, die kantonalen Instanzen hätten ihn
explizit vom Vorwurf des Missachtens von Signalen und Markierungen
freigesprochen. Nun hätten sie trotzdem einen Tatbestand gefunden, der eine
Bestrafung wegen Verkehrsregelverletzung ermögliche. Ohne die Missachtung des
Signals 4.01 "Autobahn" sei die spätere Tat (Rückwärtsfahren und Wenden auf
Autobahn) gar nicht möglich. Die Verurteilung sei widersprüchlich und stelle
einen Verstoss gegen das Gleichheitsgebot der Bundesverfassung dar.

Im Rahmen der Nichtigkeitsbeschwerde sind Rügen betreffend
Verfassungsverletzungen unzulässig. Insoweit ist auf die Beschwerde nicht
einzutreten.

Das Signal 4.01 "Autobahn" ist lediglich ein Hinweissignal. Es zeigt an, dass
auf Autobahnen besondere Verhaltensregeln gelten (Art. 45 Abs. 1 SSV). Die
einzelnen Vorschriften finden sich in Art. 36 VRV. Verletzt ein
Verkehrsteilnehmer schuldhaft eine solche Vorschrift, ist er gestützt auf
Art. 36 VRV zu verurteilen. Eine Verurteilung allein gestützt auf das Signal
4.01 "Autobahn" ist nicht möglich. Es bildet jedoch die Grundlage dafür, dass
auf dem dem Signal folgenden Strassenabschnitt Verstösse gegen Art. 36 VRV
geahndet werden können. Der vorinstanzliche Entscheid ist somit nicht
widersprüchlich.

2.2 Die Vorinstanz bestätigt im Wesentlichen die tatsächlichen Feststellungen
des Bezirksgerichts. Danach sei die Signalisation verwirrlich gewesen, als
der Beschwerdeführer zwischen zwei Baken auf die linke Fahrspur gelangt sei.
Nachdem er anschliessend das Überkopfsignal, das mit einem Pfeil nach rechts
unten versehen war, wahrgenommen gehabt habe, sei er trotzdem auf dieser Spur
weiter gefahren. Spätestens nach dem Queren der Leitplanken sei ihm sein
Fehler vollauf bewusst geworden. Dennoch sei er in die Ausfahrt der A3 aus
Richtung Zürich gefahren, habe dort angehalten und sei rückwärts auch noch in
die Ausfahrt der A3 aus Richtung Basel gefahren, um dort zu wenden.

Wie die Vorinstanz zu Recht erwägt, stellen das Einfahren des
Beschwerdeführers in die Autobahnausfahrt von Zürich und das anschliessende
Wenden auf der Autobahnausfahrt von Basel eine krass verkehrswidrige
Fahrweise dar. Er wusste, dass er zum "Geisterfahrer" geworden war und auch
um die damit einhergehende Gefahr. Unter diesen Umständen hat die Vorinstanz
die Fahrweise des Beschwerdeführers zutreffend als schwere
Verkehrsregelverletzung beurteilt. Mit ihm ist zwar davon auszugehen, dass
auf den beiden Autobahnausfahrten angesichts der relativ engen Radien
erheblich tiefere Höchstgeschwindigkeiten signalisiert waren als die
allgemeine Höchstgeschwindigkeit auf Autobahnen. Dieser Umstand allein
vermochte jedoch die ernstliche Gefahr für die Sicherheit anderer
Verkehrsteilnehmer nicht zu bannen. Denn Fahrzeuglenker auf einer
Autobahnausfahrt müssen nicht damit rechnen, dass ihnen ein Fahrzeug entgegen
kommt, und erst recht nicht, dass es dabei rückwärts fährt.

Die übrigen Einwände des Beschwerdeführers sind nicht stichhaltig, weil sie
auf falschen Annahmen beruhen. Dass er sein Fahrzeug praktisch im Schutze von
Gefahrensignalen gewendet haben will, hat die Vorinstanz nicht festgestellt.
Darauf ist nicht einzutreten. Der Einwand des rechtfertigenden Notstands
scheitert bereits an der vorinstanzlichen Feststellung, bevor der
Beschwerdeführer durch die Lücke der Leitplanken nach links gefahren sei,
hätte er sein Fahrzeug anhalten und/oder in langsamer Fahrt auf die richtige
Fahrbahn führen können. Für den letzteren Fall, argumentiert der
Beschwerdeführer, hätte er Art. 36 Abs. 1 VRV verletzen müssen, wonach das
Abbiegen auf Autobahnen nur an den dafür gekennzeichneten Stellen erlaubt
ist. Wollte man dieser "Logik" folgen, müssten sämtliche Autobahnen mit
besonders signalisierten Ausfahrten für "Geisterfahrer" versehen werden, wozu
sich weitere Erörterungen erübrigen. Schliesslich trifft den Beschwerdeführer
entgegen seiner Darstellung nicht der Vorwurf, er sei auf der Ausfahrt von
Zürich/Brugg rückwärts gefahren. Vielmehr hätte er nicht vorwärts auf diese
Ausfahrt und rückwärts auf die Ausfahrt von Basel einfahren dürfen. Denn Art.
36 Abs. 1 VRV verbietet auf Autobahnen das Fahren in der Gegenrichtung (vgl.
BGE 105 IV 213; Bussy/Rusconi, Code suisse de la circulation routière,
Kommentar, 3. Auflage, Art. 36 VRV N 7.1.1).

3.
Nach dem Gesagten erweist sich die Nichtigkeitsbeschwerde als unbegründet,
soweit darauf einzutreten ist.
Ausgangsgemäss hat der Beschwerdeführer die bundesgerichtlichen Kosten zu
tragen (Art. 278 Abs. 1 BStP).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Staatsanwaltschaft des Kantons
Aargau und dem Obergericht des Kantons Aargau, 3. Strafkammer, schriftlich
mitgeteilt.

Lausanne, 17. Februar 2004

Im Namen des Kassationshofes
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Der Gerichtsschreiber: