Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Kassationshof in Strafsachen 6S.387/2003
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6S.387/2003 /kra

Urteil vom 10. März 2004
Kassationshof

Bundesrichter Schneider, Präsident,
Bundesrichter Wiprächtiger, Kolly, Karlen, Zünd,
Gerichtsschreiber Weissenberger.

X. ________,
Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Adriel Caro und Rechtsanwältin
Andrea Rom,

gegen

Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich, Postfach, 8023 Zürich.

Versuchte Gefährdung der Sicherheit mit Waffen (Art. 260quater StGB i.V.m.
Art. 21 Abs. 1 StGB),

Nichtigkeitsbeschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich,
II. Strafkammer, vom 22. August 2003.

Sachverhalt:

A.
X. ________ wird vorgeworfen, er habe in der Strafanstalt Pöschwies im
Auftrag von Mitgefangenen versucht, für sie eine schallgedämpfte Pistole,
fünf Handgranaten sowie Reservemagazine mit Munition zu besorgen. Zu diesem
Zweck habe er zwischen dem 12. und 15. Juni 2001 von der Strafanstalt aus
acht Telefongespräche mit Personen in Serbien geführt und bei diesen die
genannten Waffen bzw. -bestandteile bestellt.

B.
Das Obergericht des Kantons Zürich, II. Strafkammer, sprach X.________ am 22.
August 2003 kantonal zweitinstanzlich der versuchten Gefährdung der
Sicherheit mit Waffen (Art. 260quater StGB in Verbindung mit Art. 21 Abs. 1
StGB) sowie der Widerhandlung und der Anstiftung zur Widerhandlung gegen das
Waffengesetz (Art. 33 Abs. 1 lit. a WG, teilweise in Verbindung mit Art. 24
Abs. 1 StGB) schuldig. Es verurteilte ihn zu einer unbedingten
Gefängnisstrafe von 10 Monaten. Vom Vorwurf der strafbaren
Vorbereitungshandlung im Sinne von Art. 260bis Abs. 1 StGB sprach es ihn
frei.

Das Kassationsgericht des Kantons Zürich wies mit Zirkulationsbeschluss vom
10. Dezember 2003 eine kantonale Nichtigkeitsbeschwerde von X.________ ab,
soweit es darauf eintrat.

C.
X.________ führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil des
Obergerichts des Kantons Zürich vom 22. August 2003 aufzuheben und die Sache
zu neuer Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.

Das Obergericht und die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich verzichten auf
eine Stellungnahme zur Beschwerde.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Der Beschwerdeführer wendet sich gegen seine Verurteilung wegen versuchter
Gefährdung der öffentlichen Sicherheit mit Waffen gemäss Art. 260quater StGB
in Verbindung mit Art. 21 Abs. 1 StGB.

1.1 Die Strafbestimmung der Gefährdung der öffentlichen Sicherheit mit Waffen
gemäss Art. 260quater StGB wurde durch das Bundesgesetz über Waffen,
Waffenzubehör und Munition vom 20. Juni 1997 (WG; SR 514.54) neu in das
Strafgesetzbuch aufgenommen und ist seit dem 1. Januar 1999 in Kraft (AS 1998
2535).

Gemäss Art. 260quater StGB wird mit Gefängnis bis zu fünf Jahren oder mit
Busse bestraft, "wer jemandem Schusswaffen, gesetzlich verbotene Waffen,
wesentliche Waffenbestandteile, Waffenzubehör, Munition oder
Munitionsbestandteile verkauft, vermietet, schenkt, überlässt oder
vermittelt, obwohl er weiss oder annehmen muss, dass sie zur Begehung eines
Vergehens oder Verbrechens dienen sollen, sofern kein schwerer
Straftatbestand erfüllt ist". Die Legaldefinition des Art. 4 WG und die
Ausführungsbestimmungen in der Verordnung über Waffen, Waffenzubehör und
Munition (Waffenverordnung, WV; SR 514.541) bestimmen, was als Waffe,
Waffenzubehör, Waffenbestandteil oder als Waffenmunition und deren
Bestandteile zu gelten hat und welche Restriktionen für diese Gegenstände
bestehen.

1.2 Nach den Feststellungen der Vorinstanz traten in der Strafanstalt
Pöschwies Gefängnisinsassen an den Beschwerdeführer heran, damit dieser ihnen
gegen Erlass seiner Schulden eine schallgedämpfte Pistole, fünf Handgranaten
sowie Reservemagazine mit Munition beschaffe. In der Folge führte der
Beschwerdeführer von der Strafanstalt aus acht Telefongespräche mit Personen
in Serbien und bestellte bei ihnen die von seinen Mitgefangenen gewünschten
Waffen. Zu welchem Zweck die Auftraggeber die Waffen und Waffenbestandteile
bei ihm bestellt hatten, wusste der Beschwerdeführer zwar nicht mit
Sicherheit, doch hatte er nach eigenen Aussagen gehört, dass die Befreiung
von zwei Mitgefangenen, einem Türken und einem Südamerikaner, sowie
möglicherweise eine Erpressung geplant waren. Ferner vernahm er, dass die
Befreiung erfolgen sollte, wenn die Gefangenen zu einer Zahnbehandlung
geführt würden. Daraus und aus dem Umstand, dass die Begleitpolizisten bei
Transporten zum Zahnarzt nicht bewaffnet seien, habe der Beschwerdeführer
zwingend annehmen müssen, seine Auftraggeber planten mit den von ihm zu
beschaffenden Waffen ernsthaft eine Gefangenenbefreiung. Ausgehend davon
nimmt die Vorinstanz an, der Beschwerdeführer habe den Tatbestand des Art.
260quater StGB sowohl in objektiver als auch subjektiver Hinsicht durch
versuchte Vermittlung erfüllt. Ferner bejaht sie die Strafbarkeit der
versuchten Tat, da der Gesetzgeber mit dem Tatbestand eine selbständige
Strafnorm geschaffen habe, ohne damit von den allgemeinen Regeln über die
Gehilfenschaft gemäss Art. 25 StGB mit Bezug auf Waffendelikte abzuweichen.

Der Beschwerdeführer macht geltend, die Vorinstanz habe zu Unrecht
angenommen, es müssten weder die Haupttäter identifiziert sein noch deren
Tatabsichten feststehen. Sie habe nicht festgestellt, ob die Auftraggeber
selbst eine Tat hätten begehen wollen oder nur als Vermittler tätig geworden
seien. Ferner sei offen geblieben, um was für eine Tat es sich dabei hätte
handeln sollen. Bei dieser ungeklärten Tatsachenlage könne der objektive
Tatbestand des Art. 260quater StGB nicht ohne Bundesrecht zu verletzen als
erfüllt betrachtet werden. Da die massgeblichen Momente fehlten, auf die sich
das Wissen und der Wille des Beschwerdeführers hätten beziehen müssen, sei
auch der subjektive Tatbestand nicht erfüllt. Abgesehen davon sei die
versuchte Tatbegehung bei Art. 260quater StGB nicht strafbar. Die
gegenteilige Auffassung der Vorinstanz verletze Bundesrecht.

1.3 Der Beschwerdeführer wendet sich mit seinen Rügen streckenweise gegen die
Beweiswürdigung der Vorinstanz, was unzulässig ist (Art. 273 Abs. 1 lit. b
BStP). Die Vorinstanz erwägt, dass die Auftraggeber des Beschwerdeführers mit
den Waffen zwei Mitgefangene befreien wollten. Sie verweist ferner auf den
Vergehenstatbestand der Befreiung von Gefangenen gemäss Art. 310 Ziff. 1
StGB. Damit hat sie verbindlich festgestellt, dass die Waffenabnehmer selbst
die Befreiung von Mitgefangenen mit den beim Beschwerdeführer bestellten
Waffen planten. Die Deliktsabsichten der Hintermänner und die Tat selbst
sowie das Mass der Beteiligung der Hintermänner an der geplanten Tat können
vom Beschwerdeführer nicht mehr in Frage gestellt werden. Nicht zu hören ist
er auch, soweit er sich gegen die Feststellungen der Vorinstanz im
Zusammenhang mit dem subjektiven Tatbestand zu wenden scheint. Was der Täter
wusste, wollte und in Kauf nahm, betrifft innere Tatsachen und keine
Rechtsfragen (BGE 127 IV E. 4; 125 IV 242 E. 3c, mit Hinweisen).
Zu prüfen bleibt somit nur, ob die Abnehmer der Waffen namentlich bekannt
sein müssen, ob die von der Vorinstanz getroffenen Feststellungen genügen, um
den objektiven und subjektiven Tatbestand als erfüllt zu betrachten, sowie ob
eine versuchte Tatbegehung strafbar ist.

2.
2.1 Die Tathandlungen des Art. 260quater StGB bestehen darin, von der Norm
erfasste Gegenstände Dritten zu überlassen, zugänglich zu machen oder
weiterzuvermitteln, obschon sie - wie der Täter weiss oder annehmen muss -
zur Begehung eines Vergehens oder Verbrechens dienen sollen. Die Begehung
eines Vergehens oder Verbrechens braucht im Zeitpunkt der Tat nach Art.
260quater StGB nur eine mehr oder minder bestimmte Absicht des Empfängers
oder anderer Personen zu sein, für die der Täter tätig ist (Günter
Stratenwerth, Schweizerisches Strafrecht, Besonderer Teil II: Straftaten
gegen Gemeininteressen, 5. Aufl., Bern 2000, § 40 N 39; etwas enger aber
Philippe Weissenberger, Die Strafbestimmungen des Waffengesetzes, AJP 2000,
S. 169; wie dieser Hans Baumgartner, in: Marcel Alexander Niggli/Hans
Wiprächtiger [Hrsg.], Basler Kommentar, Strafgesetzbuch Bd. II, Art. 111-401
StGB, Art. 260quater N 2). Nicht erforderlich ist, dass die Waffen usw. auch
tatsächlich zur Begehung eines Delikts benutzt werden (Weissenberger, a.a.O.,
S. 169; ebenso Stratenwerth, a.a.O., ebd.) bzw. der Haupttäter einen Versuch
begeht. Die Norm regelt somit ein Gefährdungsdelikt, wie dies bereits der
Randtitel zum Ausdruck bringt, wobei eine abstrakte Gefährdung genügt
(Weissenberger, a.a.O., S. 169).

Die Bestimmung bedroht ein Verhalten mit Strafe, das sich entweder als
erfolglose Gehilfenschaft oder als eine Hilfeleistung darstellen kann, welche
die Schwelle zur Gehilfenschaft nicht überschreitet (vgl. Stratenwerth,
a.a.O., ebd.). Die Strafbarkeit wird damit gegenüber den allgemeinen
Teilnahmeregeln ausgeweitet (Stratenwerth, a.a.O., ebd.; Weissenberger,
a.a.O., ebd.; ferner Baumgartner, a.a.O., Art. 260quater N 2). Die
Gehilfenschaft zum Hauptdelikt wird in der Regel mit einer höheren Strafe
bedroht sein als die Tat nach Art. 260quater StGB. In diesen Fällen findet
der Tatbestand keine Anwendung, wie die Formulierung "sofern kein schwererer
Straftatbestand erfüllt ist" auszudrücken versucht. Art. 260quater StGB
erfasst folglich vor allem - wenn auch nicht nur - Hilfeleistungen unterhalb
der Schwelle zur Teilnahme.

In subjektiver Hinsicht muss der Täter nach Art. 260quater StGB insbesondere
wissen oder auf Grund bestimmter Anhaltspunkte zumindest annehmen bzw. damit
rechnen, der Abnehmer habe die Absicht, die Waffen zur Begehung von Vergehen
oder Verbrechen zu verwenden. Die Formulierung "annehmen müssen" ist eine
Beweisregel, die den Nachweis des Vorsatzes erleichtern soll. Eventualdolus
genügt (Baumgartner, a.a.O., Art. 260quater N 3; Stratenwerth, a.a.O., § 40 N
40; Weissenberger, a.a.O., S. 169).

2.2 Wie die Vorinstanz zutreffend ausführt, muss die genaue Identität der
Abnehmer nicht feststehen. Es genügt vielmehr, wenn erstellt ist, dass diese
im Zeitpunkt der Tat bzw. des Beginns der Tathandlung die Absicht hatten,
später mit den Waffen mehr oder weniger bestimmte Vergehen oder Verbrechen zu
begehen.

Der Beschwerdeführer hat versucht, eine Schusswaffe und mehrere nach Art. 4
WG und der Waffenverordnung verbotene Waffen und Waffenbestandteile für
Mitgefangene zu bestellen. Er ist insofern als Vermittler aufgetreten. Die
Vorinstanz hat festgestellt, dass die Auftraggeber des Beschwerdeführers mit
den Waffen und Waffenbestandteilen eine Gefangenenbefreiung begehen wollten
und der Beschwerdeführer verschiedentlich gehört hatte, wie sie sich
dahingehend äusserten. Unter diesen Umständen ist es nicht zu beanstanden,
wenn die Vorinstanz annahm, der Beschwerdeführer habe die Begehung von
Verbrechen oder Vergehen durch seine Abnehmer mindestens ernsthaft für
möglich gehalten und für den Fall, dass es soweit kommen sollte, auch
gewollt. Die Vorinstanz hat den Tatbestand des Art. 260quater StGB zutreffend
als erfüllt angesehen.

2.3 Fraglich ist, ob die versuchte Gefährdung der öffentlichen Sicherheit mit
Waffen strafbar ist. Die Botschaft zum Bundesgesetz über Waffen,
Waffenzubehör und Munition vom 24. Januar 1996 (BBl 1996 I 1053, 1076)
schweigt sich dazu aus. Die Doktrin nimmt an, bei Art. 260quater StGB handle
es sich um eine der Gehilfenschaft nachgebildete Form der Teilnahme, die in
der Regel sogar hinter der Gehilfenschaft zurückbleibe. Da eine versuchte
Gehilfenschaft nach den allgemeinen Regeln straflos sei, müsse Gleiches für
die eine noch geringere Tatschwere erfüllende versuchte Abgabe einer Waffe im
Sinne von Art. 260quater StGB gelten (Baumgartner, a.a.O., Art. 260quater N
3; Weissenberger, a.a.O., S. 170).

Dieser Auffassung ist nicht zu folgen. Es ist zwar richtig, dass die unter
Strafe gestellten Verhaltensweisen sachlich eine Gehilfenschaft zu Delikten
der Abnehmer der Waffen usw. darstellen oder einer Gehilfenschaft dazu nahe
kommen, doch hat sie der Gesetzgeber als selbständige Delikte ausgestaltet.
Art. 260quater StGB ist als eigenständiger Tatbestand des Besonderen Teils
den Regeln des Allgemeinen Teils unterstellt (so insoweit auch Weissenberger,
a.a.O., S. 170). Dass der Gesetzgeber etwas anderes gewollt hätte, lässt sich
weder der Norm selbst noch den Materialien entnehmen. Es finden auf den
Tatbestand daher die allgemeinen Bestimmungen über Versuch und Teilnahme
Anwendung. Damit geht er dem Art. 25 StGB vor. Daraus ergibt sich ferner,
dass jeder Versuch der Förderung von Vergehen und Verbrechen im Sinne von
Art. 260quater StGB erfasst ist. Der Gesetzgeber hat sich mit der Schaffung
eines eigenständigen Tatbestandes klar dazu entschieden, nach den allgemeinen
Regeln auch die versuchte Tatbegehung strafbar zu erklären und insofern
sachlich von Art. 25 StGB und der Straflosigkeit der versuchten
Gehilfenschaft zu Verbrechen oder Vergehen abzuweichen. Diese Interpretation
stimmt mit der Rechtsprechung des Bundesgerichts sowie eines Grossteils der
Lehre zur Strafbarkeit des Versuchs bei Beihilfehandlungen, die zu
selbständigen Delikten aufgewertet worden sind, überein (vgl. Urteil des
Bundesgerichts Str.127/1981 vom 1. September 1981, E. 1a, publiziert in: Rep
1982 S. 63 ff.; implizit auch BGE 117 IV 395; ferner Marc Forster, in: Marcel
Alexander Niggli/Hans Wiprächtiger [Hrsg.], Basler Kommentar, Strafgesetzbuch
Bd. I, Art. 1-110 StGB, Art. 25 N 53; Ernst Hafter, Lehrbuch des
Schweizerischen Strafrechts, Allgemeiner Teil, 2. Aufl., Bern 1946, S. 235;
Paul Logoz/Yves Sandoz, Commentaire du Code Pénal Suisse, Partie Spéciale, 2.
Aufl., Neuenburg/Paris 1976, Art. 25 N 3c; dahingehend auch Stefan Trechsel,
Schweizerisches Strafgesetzbuch, Kurzkommentar, 2. Aufl., Zürich 1997, Art.
25 N 1; a.A. aber Günter Stratenwerth, Schweizerisches Strafrecht,
Allgemeiner Teil I, Die Straftat, 2. Aufl., Bern 1996, § 13 N 124).

3.
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann.
Dementsprechend hat der Beschwerdeführer die Kosten des Verfahrens zu tragen
(Art. 278 Abs. 1 BStP).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Staatsanwaltschaft des Kantons
Zürich und dem Obergericht des Kantons Zürich, II. Strafkammer, schriftlich
mitgeteilt.

Lausanne, 10. März 2004

Im Namen des Kassationshofes
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Der Gerichtsschreiber: