Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Kassationshof in Strafsachen 6S.358/2003
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6S.358/2003 /pai

Sitzung vom 27. Oktober 2004
Kassationshof

Bundesrichter Schneider, Präsident,
Bundesrichter Wiprächtiger, Kolly, Karlen, Zünd,
Gerichtsschreiber Näf.

X. ________,
Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Valentin Landmann,

gegen

1.Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich, Postfach, 8023 Zürich,
2.A.________,
vertreten durch Rechtsanwältin Andrea Stumm.

Untauglicher Versuch der schweren Körperverletzung (Art. 122 i.V.m. Art. 23
Abs. 1 StGB), untauglicher Versuch des Verbreitens menschlicher Krankheiten
(Art. 231 Ziff. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 23 Abs. 1 StGB); Eventualvorsatz;
Einwilligung der Geschädigten; Anordnung einer stationären Massnahme (Art. 43
Ziff. 1 Abs. 1 StGB),

Nichtigkeitsbeschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich,
I. Strafkammer, vom 23. Juni 2003.

Sachverhalt:

A.
Das Obergericht des Kantons Zürich sprach X.________ am 23. Juni 2003 der
versuchten schweren Körperverletzung im Sinne von Art. 122 Abs. 3 StGB i.V.m.
Art. 23 Abs. 1 StGB und des versuchten Verbreitens menschlicher Krankheiten
im Sinne von Art. 231 Ziff. 1 Abs. 1 StGB i.V.m. Art. 23 Abs. 1 StGB schuldig
und bestrafte ihn deswegen mit 15 Monaten Gefängnis, unter Anrechnung von 327
Tagen Untersuchungs- und Sicherheitshaft. Das Gericht ordnete eine stationäre
Behandlung des Verurteilten gemäss Art. 43 Ziff. 1 Abs. 1 StGB an und schob
zu diesem Zweck den Vollzug der Freiheitsstrafe gestützt auf Art. 43 Ziff. 2
Abs. 1 StGB auf.

X. ________ wird vorgeworfen, er habe in der Nacht vom 31. Juli auf den 1.
August 2002 mit seiner ehemaligen Freundin A.________, die er zufälligerweise
in Zürich auf der Gasse getroffen habe, nach dem gemeinsamen Konsum von
Kokain ungeschützt den Geschlechtsverkehr vollzogen. Er habe dies getan,
obschon er damals der festen Überzeugung gewesen sei, dass er HIV-positiv
sei, was er übrigens einige Wochen zuvor A.________ mitgeteilt habe. Er habe
in Kauf genommen, durch den ungeschützten Geschlechtsverkehr das HI-Virus auf
A.________ zu übertragen und diese damit anzustecken. Später habe sich
herausgestellt, dass X.________ in Tat und Wahrheit nicht HIV-positiv und
daher eine Ansteckung nicht möglich war.

B.
X.________ führt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das
Urteil des Obergerichts sei gesamthaft, eventuell einzig in Bezug auf die
Anordnung einer stationären Massnahme, aufzuheben und die Sache zur neuen
Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Er ersucht um Gewährung der
unentgeltlichen Rechtspflege.

C.
Das Obergericht hat auf eine Stellungnahme zur Beschwerde verzichtet.

Die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich beantragt die Abweisung der
Beschwerde.

Die Bundesanwaltschaft hat sich nicht vernehmen lassen.

D.
Auf die von X.________ gegen das Urteil des Obergerichts eingereichte
kantonale Nichtigkeitsbeschwerde trat das Kassationsgericht des Kantons
Zürich mit Entscheid vom 11. Februar 2004 nicht ein.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Gegen den Beschwerdeführer wurde auf die Strafanzeige der Geschädigten hin
zunächst eine Strafuntersuchung wegen des Verdachts der Vergewaltigung
eröffnet. Diese Untersuchung wurde mit Verfügung vom 25. März 2003
eingestellt. Gleichentags wurde gegen den Beschwerdeführer Anklage wegen
untauglichen Versuchs der schweren Körperverletzung und des Verbreitens
menschlicher Krankheiten erhoben. Diese Vorwürfe hat der Beschwerdeführer im
kantonalen Verfahren und auch vor der Vorinstanz, die als erste Instanz
urteilte, sowohl in tatsächlicher als auch in rechtlicher Hinsicht anerkannt.
Gleichwohl hat sich die Vorinstanz im angefochtenen Urteil eingehend mit der
rechtlichen Qualifikation des inkriminierten Verhaltens in allen Einzelheiten
von Amtes wegen befasst. Daher sind die in der eidgenössischen
Nichtigkeitsbeschwerde erstmals erhobenen bundesrechtlichen Einwände gegen
eine Verurteilung zulässig (siehe BGE 122 IV 285 E. 1; 120 IV 98 E. 2, je mit
Hinweisen).

2.
Die Vorinstanz hat unter Berufung auf die bundesgerichtliche Rechtsprechung
(BGE 125 IV 242), auf kantonale Entscheide und auf Meinungsäusserungen in der
Lehre erwogen, dass eine HIV-infizierte Person, die durch ungeschützten
Geschlechtsverkehr das HI-Virus auf eine andere Person überträgt, dadurch die
objektiven Tatbestände des Verbreitens menschlicher Krankheiten (Art. 231
StGB) und der schweren Körperverletzung (Art. 122 StGB) erfüllt
(angefochtenes Urteil S. 10 ff., 19 ff.), die idealiter miteinander
konkurrieren (angefochtenes Urteil S. 28). Wenn der Täter, wie im
vorliegenden Fall, entgegen seiner subjektiven Überzeugung in Tat und
Wahrheit nicht HIV-positiv ist, so ist er gemäss den weiteren Erwägungen der
Vorinstanz bei Vorliegen des Eventualvorsatzes wegen untauglichen Versuchs
(Art. 23 Abs. 1 StGB) der schweren Körperverletzung und des Verbreitens
menschlicher Krankheiten zu verurteilen (angefochtener Entscheid S. 18, 28).

Der Beschwerdeführer macht nicht geltend, dass diese Erkenntnisse der
Vorinstanz eidgenössisches Recht verletzen. Der Kassationshof hat daher
keinen Anlass, sich im vorliegenden Verfahren damit zu befassen. Im Übrigen
hat er in BGE 6S.176/2004 vom 27. Oktober 2004 (E. 1 und E. 4) in Bestätigung
der Rechtsprechung erkannt, dass die Übertragung des HI-Virus durch
ungeschützten Sexualkontakt die objektiven Tatbestände der lebensgefährlichen
schweren Körperverletzung im Sinne von Art. 122 Abs. 1 StGB und des
Verbreitens menschlicher Krankheiten gemäss Art. 231 StGB erfüllt.

3.
Der Beschwerdeführer macht geltend, Eventualvorsatz in Bezug auf die
Infizierung des Partners könne nicht schon bei einem einzigen ungeschützten
Geschlechtsverkehr, sondern erst bei einer Mehrzahl von ungeschützten
Sexualakten mit demselben Partner angenommen werden. Diese Voraussetzung sei
vorliegend nicht erfüllt (Nichtigkeitsbeschwerde S. 7/8).

3.1 Eventualvorsatz ist gegeben, wenn der Täter den Eintritt des Erfolgs
beziehungsweise die Tatbestandsverwirklichung für möglich hält, aber dennoch
handelt, weil er den Erfolg für den Fall seines Eintritts in Kauf nimmt, sich
mit ihm abfindet, mag er ihm auch unerwünscht sein (BGE 130 IV 58 E. 8.2; 125
IV 242 E. 3c; 121 IV 249 E. 3a; 103 IV 65 E. 2). Eventualvorsatz kann unter
anderem angenommen werden, wenn sich dem Täter der Eintritt des
tatbestandsmässigen Erfolgs infolge seines Verhaltens als so wahrscheinlich
aufdrängte, dass sein Verhalten vernünftigerweise nur als Inkaufnahme dieses
Erfolgs gewertet werden kann (BGE 109 IV 137 E. 2b mit Hinweisen).
Eventualvorsatz kann indessen auch vorliegen, wenn der Eintritt des
tatbestandsmässigen Erfolges bloss möglich ist, ja selbst dann, wenn sich
diese Möglichkeit, statistisch gesehen, nur relativ selten verwirklicht. Doch
darf nicht allein aus dem Wissen des Beschuldigten um die Möglichkeit des
Erfolgseintritts auf dessen Inkaufnahme und damit auf Eventualvorsatz
geschlossen werden. Vielmehr müssen weitere Umstände hinzukommen. Solche
Umstände hat das Bundesgericht in BGE 125 IV 242 E. 3 darin gesehen, dass
jeder einzelne ungeschützte Sexualkontakt und schon ein einziger und der
erste das Risiko einer Übertragung des HI-Virus in sich birgt, dass der
Infizierte dieses ihm bekannte Risiko in keiner Weise kalkulieren und
dosieren kann und dass sein Partner keinerlei Abwehrchancen hat (E. 3f.). Das
Bundesgericht hat zudem ausgeführt, der Beschwerdeführer in jenem Verfahren
habe bei jedem einzelnen ungeschützten Sexualkontakt in grober Verletzung der
sich aus seinem Wissen ergebenden Aufklärungspflicht aus eigennützigen
Interessen die nicht informierten Sexualpartnerinnen dem inakzeptablen,
unberechenbaren und nicht beeinflussbaren Risiko einer Übertragung des
HI-Virus und den sich daraus ergebenden, ihm bekannten Gefahren für die
Gesundheit und das Leben ausgesetzt. Damit habe er den tatbestandsmässigen
Erfolg für den Fall seines Eintritts bei jedem einzelnen Sexualkontakt in
Kauf genommen (E. 3g).

Diese Rechtsprechung wird von einem erheblichen Teil der Lehre im
Wesentlichen unter Hinweis auf die statistisch gesehen geringe
Wahrscheinlichkeit der Übertragung des HI-Virus durch ungeschützte
Sexualkontakte mit verschiedenen Argumenten abgelehnt (siehe z.B. Guido
Jenny, Basler Kommentar, StGB I, 2003, Art. 18 N 49; derselbe, ZBJV 136/2000
S. 641 ff.; Hans Vest, Vorsatz bezüglich der Übertragung des HI-Virus durch
ungeschützte heterosexuelle Sexualkontakte, AJP 2000, S. 1168 ff.; Günter
Stratenwerth, Schweizerisches Strafrecht, Besonderer Teil II, 5. Aufl. 2000,
§ 31 N 6; derselbe, [Deutsches] Strafrecht Allgemeiner Teil I, 4. Aufl. 2000,
§ 8 N 126; wohl auch Fridolin Beglinger, Basler Kommentar, StGB II, 2003,
Art. 231 N 45).

An der Rechtsprechung ist trotz dieser Kritik festzuhalten. Das Bundesgericht
hat in seinen Erwägungen zum Eventualvorsatz in BGE 125 IV 242 E. 3c-h am
Rande darauf hingewiesen, dass die Infektionswahrscheinlichkeit durch
ungeschützte Sexualkontakte statistisch gesehen allerdings gering sei und
sich im Promille-Bereich bewege; nur ein ungeschützter Geschlechtsverkehr von
ca. 300 sei infektiös (E. 3f). Das Bundesgericht hat sich mit dieser Frage
der statistischen Wahrscheinlichkeit nicht näher auseinander gesetzt und
beispielsweise auch nicht geprüft, ob sich der Beschuldigte in jenem
Verfahren überhaupt Gedanken zur Frage der statistischen
Infektionswahrscheinlichkeit gemacht habe und gegebenenfalls welche. Zu
diesbezüglichen Erörterungen besteht bei der gegebenen Begründung des
Eventualvorsatzes nach wie vor keine Veranlassung. Wer im Wissen um seine
HIV-Infektion und in Kenntnis der Übertragungsmöglichkeiten den Partner nicht
über die Infektion aufklärt und gleichwohl mit ihm ungeschützt sexuell
verkehrt, obschon sowohl die Aufklärung als auch Schutzvorkehrungen ein
einfaches wären, bekundet eine Gleichgültigkeit gegenüber der bei jedem
einzelnen ungeschützten Sexualkontakt möglichen Infizierung des Partners in
einem Ausmass, das den Schluss auf Inkaufnahme der Infizierung aufdrängt, mag
ihm diese auch unerwünscht sein. Er nimmt nicht nur das Risiko als solches,
sondern auch die bei jedem einzelnen ungeschützten Sexualkontakt mögliche
Verwirklichung dieses Risikos in Kauf. Denn er kann unmöglich wissen, ob
nicht gerade der eine ungeschützte Sexualkontakt den Partner infiziert, und
er muss daher das Risiko der Tatbestandsverwirklichung in jedem einzelnen
Fall ernst nehmen.

3.2 Ergänzend ist festzuhalten, dass die in BGE 125 IV 242 erwähnte
statistische Infektionswahrscheinlichkeit von 0,3 % eine mittlere
Übertragungswahrscheinlichkeit je Sexualkontakt bei Vaginalverkehr in einer
länger dauernden Partnerschaft darstellt. Nach neueren Erkenntnissen ist
indessen die Wahrscheinlichkeit der Übertragung bei den ersten
Sexualkontakten höher, während sie später sinkt, möglicherweise
zurückzuführen auf eine zelluläre Immunantwort. So zeigten Studien über sich
prostituierende Frauen in Kenya und in Thailand eine Übertragungsrate auf
Freier beim ersten Sexualkontakt von 2 - 8 % (siehe zum Ganzen Beglinger,
a.a.O., Art. 231 StGB N 23 mit Hinweis u.a. auf Pietro Vernazza et al.,
Sexual transmission of HIV:  infectiousness and prevention, in AIDS 1999,
Vol. 13, S. 157). Zudem ergab eine retrospektive Erhebung, dass bei
künstlicher Befruchtung mit Samen, die sich nachträglich als kontaminiert
erwiesen, 3,5 % der Frauen angesteckt wurden (siehe Vernazza, a.a.O., S. 156
f.). Dies also unter gleichsam klinischen Bedingungen und bei Fehlen von
Faktoren, die beim Geschlechtsverkehr hinzukommen und die Infektiosität
erhöhen können. Die Übertragungswahrscheinlichkeit scheint mithin stark von
verschiedenen Faktoren abzuhängen, so namentlich von der Infektiosität des
den Virus übertragenden Partners und der Anfälligkeit beim anderen, aber auch
von den Sexualpraktiken (Vernazza et al., Biological correlates of sexual
transmission of HIV, in Reviews in medical microbiology 2001, S. 131 ff.).

4.
4.1 Der Beschwerdeführer macht geltend, Vorsatz sei auch deshalb zu verneinen,
weil er die inkriminierte Tat unter Drogeneinfluss begangen habe. Die
Vorinstanz habe denn auch eine mittelgradige Verminderung seiner
Zurechnungsfähigkeit angenommen. Sie habe aber verkannt, dass dieser Befund
ebenfalls Auswirkungen auf den Vorsatz habe. Infolge der Wirkungen des
unmittelbar vor dem Geschlechtsverkehr gemeinsam mit der Geschädigten
konsumierten Kokains seien er und die Geschädigte "bis auf weiteres in eine
Welt umgesiedelt, in welcher Dinge wie HIV, Präservative, die Unterscheidung
zwischen geschütztem und anderem Geschlechtsverkehr zwar noch existieren
mögen, aber bedeutungslos sind" (Beschwerde S. 10). Auch wenn man mit der
Vorinstanz von einer bloss mittelgradigen Verminderung der
Zurechnungsfähigkeit ausgehe, hätten die spezifischen Wirkungen des Kokains
es ihm verunmöglicht, mit Eventualvorsatz zu handeln (Beschwerde S. 11). Die
Wirkung des Kokains habe bei ihm (wie auch bei der Geschädigten) das
Vertrauen auf das Glückhaben verstärkt und ihm die trügerische Gewissheit
gegeben, dass alles gut gehen werde (Beschwerde S. 12). Er habe den Wortlaut
und den Schutzgedanken von Art. 231 StGB beziehungsweise diese Norm überhaupt
nicht gekannt (S. 12). Daher liege höchstens grobe Fahrlässigkeit vor
(Beschwerde S. 13).

4.2
4.2.1Die Vorinstanz hält in ihren Erwägungen zu Art. 231 StGB fest,
vorliegend sei vom Beschwerdeführer "anerkannt und rechtsgenüglich erstellt,
dass er beim ungeschützten Sexualkontakt mit A.________ vermeintlich um seine
HIV-Positivität, die Übertragbarkeit des Virus sowie die Möglichkeit, das
Virus durch ungeschützten Geschlechtsverkehr zu übertragen, wusste"
(angefochtenes Urteil S. 13 unten). Sie führt unter Hinweis auf die
bundesgerichtliche Rechtsprechung aus, der Beschwerdeführer habe "den
tatbestandsmässigen Erfolg für den Fall seines Eintritts in Kauf genommen"
(angefochtenes Urteil S. 16 unten). In den Erwägungen zu Art. 122 StGB hält
die Vorinstanz fest, der Beschwerdeführer habe gewusst, "welche Auswirkungen
das HI-Virus in physischer und psychischer Hinsicht auf eine infizierte
Person zeitigt" (angefochtenes Urteil S. 27). Der Beschwerdeführer habe durch
den ungeschützten Geschlechtsverkehr den subjektiven Tatbestand von Art. 231
und Art. 122 StGB erfüllt (angefochtenes Urteil S. 16, 27).

Die Vorinstanz hat sich in ihren Erwägungen zur Vorsatzfrage nicht
ausdrücklich mit der ihr bekannten Tatsache befasst, dass der
Beschwerdeführer unmittelbar vor der inkriminierten Tat Kokain konsumiert
hatte. Sie hat sich nicht zur Frage geäussert, ob und inwiefern die
allfällige Wirkung des vorgängigen Drogenkonsums einen Einfluss auf das
Wissen und Wollen beziehungsweise das Inkaufnehmen des tatbestandsmässigen
Erfolgs gehabt habe.

4.2.2 Das Kassationsgericht des Kantons Zürich hat dies in seinem Entscheid
vom 11. Februar 2004 in dem Sinne verstanden, dass die Vorinstanz "offenbar"
davon ausgegangen sei, eine mögliche Beeinträchtigung des Beschwerdeführers
infolge des vorgängigen Drogenkonsums sei nicht im Zusammenhang mit der
Tatbestandsmässigkeit, sondern allenfalls mit der Schuldfähigkeit zu prüfen.
Entsprechend habe die Vorinstanz festgehalten, die gutachterlich
festgestellte verminderte Zurechnungsfähigkeit des Beschwerdeführers stelle
keinen Schuldausschluss-, sondern einen Schuldmilderungsgrund dar, was bei
der Strafzumessung zu berücksichtigen sei. Ob die von der Vorinstanz
vertretene Auffassung in Bezug auf die Frage, welche Tatsachen bei der
Beurteilung des Eventualvorsatzes von Bedeutung seien, zutrifft, ist nach der
Ansicht des Kassationsgerichts im Rahmen der eidgenössischen
Nichtigkeitsbeschwerde vorzubringen, was der Beschwerdeführer auch getan
habe. Das Kassationsgericht ist aus diesen Gründen auf die diesbezüglichen
Rügen des Beschwerdeführers in der kantonalen Nichtigkeitsbeschwerde nicht
eingetreten (siehe zum Ganzen Beschluss des Kassationsgerichts vom 11.
Februar 2004, E. 3d S. 7).

Ob diese Betrachtungsweise des Kassationsgerichts zutrifft, kann
dahingestellt bleiben.

4.3
4.3.1Der Beschwerdeführer hat im kantonalen Verfahren den ihm zur Last
gelegten Sachverhalt anerkannt. Er hat damit auch anerkannt, dass ihm das
Risiko einer Übertragung des HI-Virus durch ungeschützten Geschlechtsverkehr
im Zeitpunkt der Tat bekannt war. Mit seiner (impliziten) Behauptung, dass er
infolge des vorgängigen Kokainkonsums an die Risiken nicht gedacht habe,
bringt er im Verfahren der eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde eine neue
Tatsache vor, was unzulässig ist (Art. 273 Abs. 1 lit. b BStP).

4.3.2 Der Täter handelt im Übrigen schon dann im Sinne von Art. 18 Abs. 2
StGB mit Wissen, wenn ihm die wesentlichen Umstände im Sinne eines
Begleitwissens mitbewusst sind (BGE 125 IV 242 E. 3e mit Hinweis; Jenny,
a.a.O., Art. 18 N 22, mit Hinweisen). Der Beschwerdeführer macht nicht
substanziiert geltend, inwiefern ihm infolge des vorgängigen Kokainkonsums
ein solches Wissen betreffend das Risiko der HIV-Übertragung bei
ungeschütztem Geschlechtsverkehr gefehlt habe. Die Hoffnung des
Beschwerdeführers, dass schon nichts passieren werde, steht der Annahme von
Eventualvorsatz nicht entgegen (siehe BGE 125 IV 242 E. 3f ). Dass diese
Hoffnung angeblich infolge des vorgängigen Kokainkonsums besonders ausgeprägt
war, ist insoweit unerheblich.

4.3.3 Dass für den Beschwerdeführer Dinge wie HIV, Präservative etc. nach dem
Kokainkonsum angeblich bedeutungslos waren, betrifft nicht den Vorsatz,
sondern die Zurechnungsfähigkeit. Die Vorinstanz hält unter Berufung auf das
psychiatrische Gutachten der Kantonalen Psychiatrischen Klinik Rheinau vom
19. Februar 2003 (kant. Akten act. 16/7) fest, der Beschwerdeführer sei zwar
uneingeschränkt fähig gewesen, das Unrecht der Tat einzusehen, doch sei seine
Fähigkeit, entsprechend dieser Einsicht zu handeln, "durch psychische
Störungen, insbesondere durch die Persönlichkeitsstörung und den zum
Tatzeitpunkt erheblichen Kokain- und Alkoholkonsum, herabgesetzt gewesen"
(angefochtenes Urteil S. 29). Die Vorinstanz hat dem Beschwerdeführer mit dem
Gutachter eine Verminderung der Zurechnungsfähigkeit (Art. 11 StGB) in
mittlerem Grade zugebilligt (angefochtenes Urteil S. 29). Die Verminderung
der Zurechnungsfähigkeit berührt als solche die Frage des Vorsatzes entgegen
der Meinung des Beschwerdeführers nicht. Selbst der Zurechnungsunfähige (Art.
10 StGB) kann mit Vorsatz im Rechtssinne handeln (siehe BGE 115 IV 221 E. 1).

4.3.4 Unerheblich ist schliesslich, dass der Beschwerdeführer den Inhalt und
den Schutzgedanken von Art. 231 StGB betreffend das Verbreiten menschlicher
Krankheiten nicht kannte. Diese Unkenntnis berührt den Vorsatz nicht, und sie
begründet entgegen der Andeutung des Beschwerdeführers keinen Rechtsirrtum im
Sinne von Art. 20 StGB. Der Beschwerdeführer hatte offensichtlich keine
zureichenden Gründe zur Annahme, er sei zur inkriminierten Tat berechtigt.

5.
5.1 Der Beschwerdeführer macht geltend, er habe einige Monate vor der
inkriminierten Tat der Geschädigten anlässlich einer zufälligen Begegnung auf
der Gasse mitgeteilt, dass er HIV-positiv sei. Die Geschädigte habe somit im
Zeitpunkt der inkriminierten Tat Kenntnis von seiner HIV-Infektion gehabt.
Sie habe gleichwohl gegen den ungeschützten Geschlechtsverkehr nicht
opponiert und sei demnach damit einverstanden gewesen. Die ihm zur Last
gelegte Tat sei daher infolge Einwilligung der Geschädigten gerechtfertigt.
Wohl habe die Geschädigte nicht in eine schwere Körperverletzung
eingewilligt, was ohnehin unbeachtlich wäre. Sie habe lediglich, aber
immerhin das statistisch geringe, wenn auch nicht bedeutungslose Risiko einer
gesundheitlichen Schädigung akzeptiert. Die Einwilligung der Geschädigten in
den ungeschützten Geschlechtsverkehr mit einer HIV-positiven Person in
Kenntnis der Infektion und des Ansteckungsrisikos sei eine gültige
Einwilligung in ein riskantes Verhalten und rechtfertige die Tat, und zwar
sowohl die (versuchte) schwere Körperverletzung wie auch das (versuchte)
Verbreiten menschlicher Krankheiten. Der Beschwerdeführer beruft sich in
diesem Zusammenhang auf eine Meinungsäusserung in der Lehre (Trechsel,
Kurzkommentar, 2. Aufl. 1997, Art. 231 N 14). Er verweist zudem auf die
bundesgerichtliche Rechtsprechung zur Einwilligung in das Risiko von
Verletzungen im Sport (siehe BGE 109 IV 102; 121 IV 256).

5.2 Der ungeschützte Sexualkontakt einer HIV-infizierten Person mit einem
freiverantwortlich handelnden, informierten Partner ist in Bezug auf Art. 122
StGB grundsätzlich als straflose Mitwirkung an fremder Selbstgefährdung zu
qualifizieren, solange beide Beteiligte die Herrschaft über das Geschehen
haben und somit der nicht infizierte Partner es jederzeit in der Hand hat,
den Sexualkontakt abzubrechen oder auf der Verwendung eines Kondoms zu
beharren (siehe BGE 6S.176/2004 vom 27. Oktober 2004, E. 3).

5.3 Die Vorinstanz hält in ihren Erwägungen zur Verurteilung des
Beschwerdeführers wegen versuchten Verbreitens menschlicher Krankheiten am
Rande fest, dieser habe gemäss seiner Darstellung der Geschädigten mehrere
Monate vor dem inkriminierten Geschlechtsverkehr mitgeteilt, dass er
HIV-positiv sei. Unmittelbar vor dem Geschlechtsverkehr sei dies kein Thema
gewesen. Als er die Geschädigte teilweise entkleidet habe, habe sie nichts
gesagt und sich  nicht gewehrt. Sie habe den Geschlechtsverkehr schon
mitbekommen, aber - wie auch er selbst - (infolge des vorgängigen gemeinsamen
Betäubungsmittelkonsums, siehe angefochtenes Urteil S. 2 ff.) "eine Scheibe
gehabt". Die Vorinstanz kommt unter Hinweis auf diese Umstände und auf das
Ergebnis der amtsärztlichen Untersuchung, wonach die Geschädigte unter
Drogeneinfluss gestanden sei, zum Schluss, es "könnte also nicht davon
ausgegangen werden, die Geschädigte habe sich genügend Rechenschaft über das
Risiko ablegen können und bewusst in eine mögliche Ansteckung einwilligen
wollen" (angefochtenes Urteil S. 17/18). Diese Feststellungen der Vorinstanz
sind tatsächlicher Natur und daher für den Kassationshof im Verfahren der
eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde verbindlich (Art. 277bis BStP).

Die Geschädigte hat mithin dem ungeschütztem Geschlechtsverkehr nicht in
klarer Kenntnis der Umstände und der damit verbundenen Risiken einer
HIV-Übertragung freiverantwortlich zugestimmt und keine hinreichende
Herrschaft über das Geschehen gehabt.

Der Beschwerdeführer geht denn auch selber offenbar davon aus, dass nur eine
"vollwertige" Einwilligung der Geschädigten sein Verhalten rechtfertigen
könnte und die Zustimmung der Geschädigten angesichts ihres damaligen
Zustands entwertet gewesen sei (siehe Nichtigkeitsbeschwerde S. 6 unten, S. 8
unten).

6.
Erfordert der Geisteszustand des Täters, der eine vom Gesetz mit Zuchthaus
oder Gefängnis bedrohte Tat begangen hat, die damit im Zusammenhang steht,
ärztliche Behandlung oder besondere Pflege und ist anzunehmen, dadurch lasse
sich die Gefahr weiterer mit Strafe bedrohter Taten verhindern oder
vermindern, so kann der Richter Einweisung in eine Heil- oder Pflegeanstalt
anordnen. Er kann ambulante Behandlung anordnen, sofern der Täter für Dritte
nicht gefährlich ist (Art. 43 Ziff. 1 Abs. 1 StGB).

6.1 Die Vorinstanz hat in Anwendung dieser Bestimmung dem Vorschlag des
psychiatrischen Gutachters folgend eine stationäre Massnahme angeordnet. Der
Beschwerdeführer macht geltend, dies verstosse gegen Bundesrecht, weil er
nicht behandlungswillig und damit ein Erfordernis für die Anordnung einer
solchen Massnahme nicht erfüllt sei.

6.2 Unter dem Gesichtspunkt der Erforderlichkeit oder Zweckmässigkeit einer
Massnahme geht es unter anderem auch um die Frage, ob im konkreten Fall
überhaupt erwartet werden kann, die Störung des Betroffenen tatsächlich
heilen zu können. Dazu gehört ein Mindestmass an Kooperationsbereitschaft des
Betroffenen. Mit dieser Formulierung wird einerseits die Auffassung, dass
beim Täter die Motivation für eine Behandlung von Anfang an klar vorhanden
sein sollte, relativiert. Andererseits darf ein Minimum an Willen erwartet
werden, sich einer Therapie zu unterziehen und diese nicht von vornherein
kategorisch abzulehnen (BGE 6S.487/1995 vom 15. September 1995; BGE
6S.69/2002 vom 7. Mai 2002; BGE 6S.248/2003 vom 14. August 2003, je mit
Hinweisen).

6.2.1 Gemäss den Ausführungen im psychiatrischen Gutachten vom 19. Februar
2003 erklärte sich der Beschwerdeführer dazu bereit, sich einer stationären
psychiatrischen Behandlung im Sinne einer stationären Massnahme zu
unterziehen, und habe er sich diesbezüglich ausreichend motiviert und
"compliant" gezeigt (kant. Akten act. 16/7 S. 59). Als sich in der Folge
abzeichnete, dass das Verfahren wegen Vergewaltigung eingestellt werde, fiel
die Bereitschaft des Beschwerdeführers zu einer stationären Massnahme dahin,
weil er davon ausgehen konnte, dass er die noch zu erwartende Freiheitsstrafe
durch die anzurechnende Untersuchungshaft grösstenteils verbüsst habe, und er
zudem der Meinung war, dass seine Suchtprobleme nach der Untersuchungshaft
nicht mehr in der früheren Form bestanden (siehe Haftentlassungsgesuch vom
10. März 2003, kant. Akten act. 13/23/2 S. 3). An der Obergerichtsverhandlung
vom 23. Juni 2003 brachte der Beschwerdeführer zum Ausdruck, dass er nach
rund einjähriger Untersuchungshaft keine Alkohol- und Drogenprobleme mehr
habe. Daher brauche und wolle er keine stationäre Massnahme. Vielleicht könne
er nach seiner Haftentlassung einmal pro Woche zu einem Gespräch gehen
(Protokoll der Obergerichtsverhandlung, kant. Akten. act. 32A S. 11 f.).

Die Vorinstanz hält unter Hinweis auf diese Umstände fest, dass der
Beschwerdeführer, der zunächst massnahmewillig gewesen sei, sich im Zeitpunkt
des Urteils nicht mehr massnahmewillig zeige (angefochtener Entscheid S. 46
f.). Sie geht davon aus, dass beim Beschwerdeführer gleichwohl das geforderte
Mindestmass an Kooperationsbereitschaft im Grundsatz vorhanden sei
(angefochtenes Urteil S. 48 f.).
6.2.2 Der mehrfach vorbestrafte Beschwerdeführer (siehe dazu angefochtenes
Urteil S. 32 ff.) hat gemäss den Ausführungen der Vorinstanz im Zusammenhang
mit früheren Strafverfahren und Begutachtungen verschiedentlich seine
Massnahmewilligkeit bekundet (siehe z.B. Antabuskur im Jahre 1984, kant.
Akten act. 16/8a S. 6; Bemühungen um Aufnahme in die Suchtabteilung der
Kantonalen Psychiatrischen Klinik Wil im Jahre 1990, kant. Akten act. 16/9a
S. 11; angefochtenes Urteil S. 48, siehe auch S. 36). Im vorliegenden
Verfahren erklärte sich der Beschwerdeführer zunächst zu einer stationären
Massnahme bereit. Gemäss dem Gutachten vom 19. Februar 2003 "zeigte er sich
ausreichend motiviert und compliant" (kant. Akten act. 16/7 S. 59). Es kann
davon ausgegangen werden, dass der Gutachter damit nicht nur eine
diesbezügliche Äusserung des Beschwerdeführers, dem damals noch eine längere
Freiheitsstrafe wegen Vergewaltigung drohte, protokolliert, sondern seine
eigene fachmännische Einschätzung wiedergegeben hat. Die Äusserungen des
Beschwerdeführers an der Obergerichtsverhandlung, dass er keine stationäre
Massnahme wünsche, sondern höchstens vielleicht zu einer Gesprächstherapie
nach der Haftentlassung bereit sei, sind offenkundig damit zu erklären, dass
er nun eine Freiheitsstrafe erwarten konnte, welche durch die anzurechnende
Untersuchungshaft grösstenteils verbüsst war. Die zitierte Äusserung drängt
in Anbetracht der übrigen Umstände nicht den Schluss auf, dass beim
Beschwerdeführer das erforderliche Mindestmass an Kooperationsbereitschaft im
Sinne der Rechtsprechung fehle.
Die eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde ist daher auch in diesem Punkt
abzuweisen.

7.
Der Beschwerdeführer ersucht um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege.
Seine finanzielle Bedürftigkeit ist ausgewiesen. Die Nichtigkeitsbeschwerde
war nicht von vornherein aussichtslos. Das Gesuch ist daher gutzuheissen.
Somit werden keine Kosten erhoben und ist dem Vertreter des Beschwerdeführers
eine Entschädigung aus der Bundesgerichtskasse auszurichten.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.

2.
Das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege wird gutgeheissen.

3.
Es werden keine Kosten erhoben.

4.
Dem Vertreter des Beschwerdeführers, Rechtsanwalt Dr. Valentin Landmann, wird
eine Entschädigung von Fr. 3'000.-- aus der Bundesgerichtskasse ausgerichtet.

5.
Dieses Urteil wird den Parteien, der Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich
und dem Obergericht des Kantons Zürich, I. Strafkammer, sowie der
Schweizerischen Bundesanwaltschaft schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 27. Oktober 2004

Im Namen des Kassationshofes
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Der Gerichtsschreiber: