Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Kassationshof in Strafsachen 6S.340/2003
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6S.340/2003 /pai

Urteil vom 4. Juni 2004
Kassationshof

Bundesrichter Schneider, Präsident,
Bundesrichter Zünd,
Ersatzrichter Killias,
Gerichtsschreiber Monn.

X. ________,
Beschwerdeführer, vertreten durch Fürsprech lic. iur. Beat Widmer,

gegen

Y.________,
Beschwerdegegner, vertreten durch Fürsprecher lic. iur. Claude Fischer.

Widerhandlung gegen das Bundesgesetz über den unlauteren Wettbewerb (Art. 3
lit. a i.V.m. Art. 23 UWG),

Nichtigkeitsbeschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau,
2. Strafkammer, vom 3. Juli 2003.

Sachverhalt:

A.
Y. ________, ein Profiboxer, führte am 28. Februar 1998 in Zofingen mit
seiner Firma A.________ GmbH (A.________) ein Boxmeeting durch, an welchem er
selber als Kämpfer teilnahm. Im Vorfeld erschien am 6. Februar 1998 in der
Neuen Zürcher Zeitung ein Artikel, der sich kritisch mit der Veranstaltung
befasste und weitgehend auf Informationen von X.________ beruhte. Nach dessen
Ansicht war der Anlass geeignet, den Boxsport in ein unvorteilhaftes Licht zu
stellen. Er sprach von einer "schlechten Jahrmarktveranstaltung", die, da in
sportlicher Hinsicht "völlig wertlos", einem "Betrug am Publikum"
gleichkomme. Weiter wurde im Artikel Y.________ vorgeworfen, während zu
langer Zeit sportlich inaktiv gewesen zu sein, nach seinem letzten Kampf mit
Verdacht auf eine Hirnverletzung ins Spital geliefert worden zu sein und an
chronischer Hepatitis zu leiden, was vom Vertrauensarzt des Schweizerischen
Boxverbands festgestellt worden sei. Schliesslich war die Rede davon, dass
seine letzte Lizenz eine gefälschte Unterschrift aufweise, weshalb beim
Boxverband immer noch ein Verfahren gegen Y.________ hängig sei.

B.
Aufgrund dieser Vorwürfe stellte Y.________ am 4. Mai 1998 in seinem eigenen
sowie im Namen der A.________ Strafantrag wegen übler Nachrede, Verleumdung
und unlauteren Wettbewerbs. Mit Entscheid vom 2. Mai 2002 verurteilte das
Bezirksgericht Zofingen X.________ nach allen drei Bestimmungen zu einer
Busse von 500 Franken, unter Auferlegung sämtlicher Kosten und einer
Parteientschädigung an den Kläger von über 11'000 Franken. Zudem sprach das
Gericht dem Kläger eine Genugtuung von 1'500 Franken zu.

Im Berufungsverfahrens sprach das Obergericht des Kantons Aargau X.________
mit Urteil vom 3. Juli 2003 vom Vorwurf der Verleumdung und üblen Nachrede
wegen Eintritts der absoluten Verjährung frei. Es sprach ihn der
Widerhandlung gegen das Bundesgesetz über den unlauteren Wettbewerb vom 19.
Dezember 1986 (UWG; SR 241) gemäss dessen Art. 3 lit. a in Verbindung mit
Art. 23 schuldig und verurteilte ihn zu einer Busse von 300 Franken. Im
Übrigen wurde die Berufung abgewiesen.

C.
X. ________ führt mit fristgerechter Eingabe vom 13. September 2003
eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde und beantragt, das Urteil des
Obergerichts sei aufzuheben und die Sache zu seiner Freisprechung an die
Vorinstanz zurückzuweisen.

Y. ________ beantragt, die Beschwerde sei vollumfänglich abzuweisen, soweit
darauf eingetreten werde. Die Vorinstanz hat auf Gegenbemerkungen verzichtet.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Mit der Nichtigkeitsbeschwerde kann nur die Verletzung eidgenössischen Rechts
gerügt werden (Art. 269 Abs. 1 BStP). Dabei ist das Bundesgericht an die
tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz gebunden (Art. 277bis Abs. 1 Satz
2 BStP). Soweit die Beschwerde Ausführungen enthält, die sich dagegen
richten, ist darauf gemäss Art. 273 Abs. 1 lit. b BStP nicht einzutreten.
Dies betrifft z.B. die Behauptung des Beschwerdeführers, die Angabe, es laufe
ein Disziplinarverfahren wegen der Manipulation der Lizenz, stamme nicht von
ihm, sondern vom Journalisten (Beschwerde S. 10 unten).

2.
Der Beschwerdeführer macht geltend, die Vorinstanz habe die Klagelegitimation
und das Strafantragsrecht des Beschwerdegegners zu Unrecht anerkannt, denn am
Wettbewerb habe allein die A.________ teilgenommen, wogegen der
Beschwerdegegner eine Kampfgage erhalten habe, die vom finanziellen Erfolg
der Veranstaltung unabhängig gewesen sei.

Wie es sich damit verhält, muss nicht geprüft werden, da der Strafantrag nach
der unwidersprochenen Feststellung der Vorinstanz auch im Namen der
A.________ gestellt worden war (angefochtener Entscheid S. 2). Dass diese
inzwischen nicht mehr existiert und im Handelsregister gelöscht wurde, ist
unerheblich, weil sie den Strafantrag gestellt hatte, bevor sie aufgelöst
wurde. Zudem war sie nach dem UWG zur Zivilklage berechtigt. Die Vorinstanz
hat somit durch die materielle Behandlung der Strafklage gegen den
Beschwerdeführer kein Bundesrecht verletzt.

3.
Gemäss Art. 3 lit. a in Verbindung mit Art. 23 UWG macht sich strafbar, wer
andere, ihre Waren, Werke, Leistungen, deren Preise oder ihre
Geschäftsverhältnisse durch unrichtige, irreführende oder unnötig verletzende
Äusserungen herabsetzt. Bei der gebotenen verfassungskonformen Auslegung des
UWG und unter Berücksichtigung insbesondere des Grundrechts der
Meinungsäusserungsfreiheit ist Unlauterkeit im Sinne von Art. 3 lit. a UWG
nur mit Zurückhaltung anzunehmen. Folglich sind nur Herabsetzungen von einer
gewissen Schwere, d.h. ein eigentliches Anschwärzen, Verächtlich- und
Heruntermachen, tatbestandsmässig (BGE 123 IV 211 E. 3b; 122 IV 33 E. 2c;
Urteil 6S.858/1999 vom 16. August 2001 E. 7b/bb, in: Pra 2002 Nr. 47 S. 235,
254).

3.1 Die Vorinstanz hat zunächst den Ausdruck "Jahrmarktveranstaltung" als
unnötig verletzend bezeichnet, da er beim unbefangenen Durchschnittsleser ein
Bild hervorrufe, das nichts mit dem professionellen Boxsport gemeinsam habe
(angefochtener Entscheid S. 9 lit. aa). Unnötig verletzend ist eine Äusserung
jedoch nur, wenn sie angesichts des Sachverhaltes, der damit beschrieben bzw.
bewertet werden soll, weit über das Ziel hinaus schiesst, völlig sachfremd
bzw. unsachlich, mithin unhaltbar ist (Urteil 6S.648/1994 vom 13. Dezember
1994 E. 2c/aa, in: SMI 1995 II S. 438, 442). Die Vorinstanz stellt fest, es
habe sich nicht um einen Kampf eines der grossen Boxverbände gehandelt und
der Beschwerdegegner, der in der Vergangenheit nicht viele Kämpfe absolviert
hatte, sei kein hochrangiger Boxer gewesen (angefochtener Entscheid S. 9).
Wie sich aus dem heutigen Entscheid zur staatsrechtlichen Beschwerde ergibt,
war das Meeting grosssprecherisch als "Champions Night" angepriesen worden,
obwohl es sich um eine eher unbedeutende Veranstaltung handelte (Urteil
6P.125/2003 E. 3). Unter den gegebenen Umständen war es im Gegensatz zur
Auffassung der Vorinstanz nicht unnötig verletzend, den Anlass als
"Jahrmarktveranstaltung" zu bezeichnen.

3.2 Die Vorinstanz erachtet auch die Aussagen, die Veranstaltung komme einem
"Betrug am Publikum" gleich und sei vom sportlichen Standpunkt aus "völlig
wertlos", als unnötig verletzend (angefochtener Entscheid S. 9/10 lit. aa und
bb). Dabei ist jedoch davon auszugehen, dass in der Zeitschrift, die für den
Anlass herausgegeben wurde, von "World Championship" und von
"Weltmeisterschaftskämpfen" die Rede war, obwohl es sich um eine eher
provinzielle Veranstaltung handelte, an der möglicherweise nicht einmal ein
hochstehender Kampf gezeigt worden ist (angefochtener Entscheid S. 10).
Folglich ist der für den Durchschnittsleser erkennbar nur umgangssprachlich
und nicht im Sinne einer strafbaren Handlung, sondern für einen minder
gravierenden "Beschiss" verwendete Ausdruck "Betrug" nicht als völlig
sachfremd einzustufen. Dasselbe gilt für die Feststellung, die Veranstaltung
sei sportlich wertlos gewesen.

3.3 Nach der Feststellung der Vorinstanz trifft es zu, dass der
Beschwerdegegner nach seinem letzten Kampf mit dem Verdacht auf eine
Hirnverletzung ins Spital eingeliefert werden musste. Die Vorinstanz erachtet
die Aussage jedoch deshalb als irreführend, weil der unbefangene Leser
annehme, dass der Beschwerdegegner den Kampf mit einem K.-o.-Schlag verloren
habe, während er in Wirklichkeit gewonnen habe, weil der seinerzeitige Gegner
einen regelwidrigen Schlag ausgeführt habe und disqualifiziert worden sei
(angefochtener Entscheid S. 10/11 lit. dd). Zwar ist einzuräumen, dass der
Hinweis auf die Hirnverletzung etwas knapp ausgefallen ist. Aber an anderer
Stelle im Zeitungsartikel erfährt der Leser, dass der Beschwerdegegner den
Kampf "durch Disqualifikation des Gegners gewann" (Klagebeilage 2, rechte
Spalte oben). Es kann folglich nicht die Rede davon sein, dass der
aufmerksame Leser des Artikels zum Schluss gekommen wäre, der
Beschwerdegegner habe den Kampf verloren. Gesamthaft gesehen liegt entgegen
der Ansicht der Vorinstanz eine Irreführung des Lesers nicht vor.

3.4 Die Vorinstanz verweist darauf, auch die Feststellung, der
Beschwerdegegner leide an einer chronischen Hepatitis, sei unrichtig
(angefochtener Entscheid S. 11/12 lit. ee). Wie sich aus dem heutigen
Entscheid zur staatsrechtlichen Beschwerde ergibt, ist die Feststellung
zumindest irreführend (Urteil 6P.125/2003 E. 6). Aber immerhin wurden beim
Beschwerdegegner entsprechende Antikörper im Blut gefunden (angefochtener
Entscheid S. 11). Obwohl die Feststellung nicht ganz korrekt war, ist sie
doch nicht derart gravierend, dass von einem eigentlichen Anschwärzen oder
Heruntermachen des Beschwerdegegners gesprochen werden könnte.

3.5 Nach den Ausführungen der Vorinstanz steht fest, dass die Lizenz des
Beschwerdegegners tatsächlich manipuliert worden und gegen diesen beim
Boxverband ein Disziplinarverfahren gelaufen ist, wobei es bei diesem
Verfahren allerdings nicht um die Manipulation, sondern unter anderem um den
Verdacht des Boxens ohne Lizenz ging (angefochtener Entscheid S. 12/13 lit.
ff). In diesem Punkt wurde der Leser durch die unzutreffende Verknüpfung der
beiden Tatsachen zumindest irreführend informiert. Die Vorinstanz verweist
jedoch überdies darauf, dass später tatsächlich gegen den Beschwerdegegner
ein Strafverfahren wegen Urkundenfälschung geführt und dieses mit Verfügung
vom 15. Oktober 2002 eingestellt wurde, weil die Urheberschaft der
Manipulationen nicht festgestellt werden konnte (angefochtener Entscheid S.
13 mit Hinweis). Der Verfügung ist auf S. 2 zu entnehmen, dass der
Beschwerdeführer bereits 1995 festgestellt hat, dass sich unerlaubte
Eintragungen in der Boxlizenz des Beschwerdegegners befinden. Er hat den
Vorwurf der Urkundenmanipulation in der Folge zwar fälschlich mit dem
Disziplinarverfahren vermischt, aber er hat immerhin nicht behauptet, es
stehe fest, dass es der Beschwerdegegner gewesen sei, der die von ihm
festgestellten Manipulationen vorgenommen habe. Unter diesen Umständen wiegt
die Ungenauigkeit des Beschwerdeführers nicht derart schwer, dass sie
tatbestandsmässig wäre.

3.6 Gesamthaft gesehen verstösst der Schuldspruch in allen Punkten gegen
eidgenössisches Recht. Die Beschwerde ist deshalb gutzuheissen, soweit darauf
einzutreten ist (s. oben E. 1 und 2), der angefochtene Entscheid aufzuheben
und die Sache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen.

4.
Bei diesem Ausgang des Verfahrens hat der Beschwerdegegner, der Abweisung der
Beschwerde beantragte und zur Hauptsache unterliegt, in Anwendung von Art.
278 Abs. 1 Satz 1 BStP eine reduzierte Gerichtsgebühr zu tragen. Dem
Beschwerdeführer wird aus der Bundesgerichtskasse eine entsprechend
reduzierte Entschädigung ausgerichtet, die der Beschwerdegegner der
Bundesgerichtskasse zu ersetzen hat (Art. 278 Abs. 3 Sätze 1 und 3 BStP).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde wird gutgeheissen, soweit darauf
einzutreten ist, das Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau, 2.
Strafkammer, vom 3. Juli 2003 aufgehoben und die Sache zu neuer Entscheidung
an die Vorinstanz zurückgewiesen.

2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 1'500.-- wird dem Beschwerdegegner auferlegt.

3.
Dem Beschwerdeführer wird für das bundesgerichtliche Verfahren aus der
Bundesgerichtskasse eine Entschädigung von Fr. 1'000.-- ausgerichtet. Der
Beschwerdegegner wird verpflichtet, der Bundesgerichtskasse dafür Ersatz zu
leisten.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Aargau, 2.
Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 4. Juni 2004

Im Namen des Kassationshofes
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Der Gerichtsschreiber: