Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Kassationshof in Strafsachen 6S.306/2003
Zurück zum Index Kassationshof in Strafsachen 2003
Retour à l'indice Kassationshof in Strafsachen 2003


6S.306/2003 /kra

Urteil vom 10. Oktober 2003
Kassationshof

Bundesrichter Schneider, Präsident,
Bundesrichter Kolly,
Ersatzrichterin Pont Veuthey,
Gerichtsschreiber Borner.

G. ________,
P.________,
Beschwerdeführer,
beide vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Bruno Glaus, Obergasse 38, Postfach
133, 8730 Uznach,

gegen

L.________,
Beschwerdegegner, vertreten durch Herrn Dr. Dieter Aebi, Molkereistrasse 1,
Postfach 2012, 8645 Jona,
Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen, Spisergasse 15, 9001 St. Gallen.

Freispruch bzw. Einstellung betreffend falsche Anschuldigung, Verleumdung,
UWG-Delikte (Strafantragsrecht),

Nichtigkeitsbeschwerde gegen den Entscheid des Kantonsgerichts St. Gallen,
Strafkammer, vom

18. Juni 2003.
Sachverhalt:

A.
G. ________ und P.________ arbeiten als freiberufliche Ingenieure. Ab 1996
waren sie unter anderem für die R.________AG als Berater tätig.

Am 27. Juli 1998 teilte L.________, Geschäftsführer und Verwaltungsrat der
R.________AG, dem Bezirksammann von Uznach mit, er befürchte, die beiden
Ingenieure hätten mit radioaktivem Material experimentiert. Die
Bundesanwaltschaft eröffnete am 31. Juli 1998 gegen sie ein
gerichtspolizeiliches Ermittlungsverfahren wegen Verdachts des Umgangs mit
Kernbrennstoffen und andern radioaktiven Stoffen ohne Bewilligung.

L. ________ liess am 5. August 1998 eine R.________AG-Presseinformation
veröffentlichen, in welcher die beiden Ingenieure mit Bild, Adresse und
Telefonnummer aufgeführt waren. Darin steht unter anderem, dass die
Bundespolizei die beiden Ingenieure einvernommen und illegal verwendetes
radioaktives Material sichergestellt hat, und dass die beiden ohne Wissen und
Auftrag der R.________AG gehandelt hätten, vermutungsweise in der Absicht,
die Ergebnisse an Dritte zu verkaufen oder in eine andere Firma einzubringen.

Das beschlagnahmte Material erwies sich in der Folge als gering radioaktiv.
Die Bundesanwaltschaft stellte das Verfahren am 18. Dezember 1998 wegen nicht
bewilligten Umgangs mit Kernbrennstoffen ein, das Bundesamt für Gesundheit am
18. Februar 2000 sodann dasjenige wegen Verstosses gegen das Gesetz über den
Strahlenschutz.

B.
Die beiden Ingenieure reichten am 17. August 1998 gegen L.________
"Strafantrag nach § 28 StGB wegen Verdachts der Begehung eines Verbrechens
gegen die Rechtspflege nach § 303 StGB" ein, weil die Behauptungen, wie in
der Presseinformation verbreitet, unwahr seien und L.________ sie "mit einer
eindeutig falschen Anschuldigung, wider besseres Wissen und arglistig (...)
bei der Bundesanwaltschaft angezeigt" habe. Der später beauftragte Anwalt
ersuchte den zuständigen Untersuchungsrichter am 6. Januar 1999, die
Strafuntersuchung auch unter dem Gesichtspunkt von Art. 3 lit. a i.V.m. Art.
23 des Bundesgesetzes über den unlauteren Wettbewerb (UWG) weiter zu
bearbeiten.

Das Bezirksgericht See verurteilte L.________ am 22. Januar 2002 wegen
falscher Anschuldigung (Art. 303 Ziff. 2 StGB), Verleumdung (Art. 174 Ziff. 1
StGB) und Vergehens gegen das UWG (Art. 3 lit. a i.V.m. Art. 23) zu einer
bedingt vollziehbaren Gefängnisstrafe von fünf Monaten. Zudem verpflichtete
es ihn, den beiden Ingenieuren je Fr. 6'000.-- Genugtuung zu zahlen; deren
Schadenersatzklagen von je Fr. 60'000.-- wies es ab. In tatsächlicher
Hinsicht hielt es insbesondere fest, L.________ habe spätestens im Frühjahr
1998 von der Lieferung des radioaktiven Materials gewusst und ihm sei klar
gewesen, dass es zu Versuchen dienen sollte, die er selber in Auftrag gegeben
hatte.

C.
Auf Berufung hin sprach das Kantonsgericht St. Gallen L.________ am 18. Juni
2003 von der Anklage der falschen Anschuldigung und der Verleumdung frei, und
es stellte das Verfahren betreffend das UWG-Vergehen ein. Es bestätigte die
Abweisung der Schadenersatzforderungen der beiden Ingenieure und verwies
deren Genugtuungsforderungen auf den Zivilweg.

D.
G.________ und P.________ führen Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, der
angefochtene Entscheid sei aufzuheben und die Sache zur Neubeurteilung an die
Vorinstanz zurückzuweisen.

Das Kantonsgericht hat auf Gegenbemerkungen verzichtet.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Das Bundesgericht prüft von Amtes wegen und frei, ob und inwieweit eine
Nichtigkeitsbeschwerde zulässig ist (BGE 127 IV 148 E. 1a).

1.1 Die Legitimation zur Nichtigkeitsbeschwerde im Strafpunkt bestimmt sich
nach Art. 270 BStP.

Opfer im Sinne von Art. 2 OHG sind die Beschwerdeführer offensichtlich nicht.
Die entsprechende Feststellung der Vorinstanz fechten sie denn auch nicht an.
Sie sind damit nicht nach Art. 270 lit. e BStP legitimiert.
Die Beschwerdeführer berufen sich auf Art. 270 lit. h BStP. Inwiefern sie
vorliegend durch eine Einziehung oder Urteilspublikation berührt sein
sollten, ist allerdings unerfindlich.

Legitimiert sind die Beschwerdeführer demzufolge nur in der Eigenschaft als
Strafantragsteller, und das auch nur insoweit, als es um das
Strafantragsrecht als solches geht. Sie können eine Verletzung der Art. 28
ff. StGB rügen (BGE 129 IV 206 E. 1).

1.2 Die Vorinstanz hat die Begehren auf Genugtuung entgegen der Behauptung
der Beschwerdeführer nicht abgewiesen, sondern auf den Zivilweg verwiesen und
damit gerade nicht beurteilt. Die Nichtigkeitsbeschwerde im Zivilpunkt steht
gemäss Art. 271 Abs. 1 BStP aber nur offen, wenn der Zivilanspruch zusammen
mit der Strafklage beurteilt wurde. Eine Beschwerde im diesem Punkt ist damit
von vornherein ausgeschlossen.

Zulässig wäre nur die Rüge, die Vorinstanz habe eidgenössisches Recht dadurch
verletzt, dass sie diese Zivilbegehren nicht beurteilt hat. Diese Rüge
erheben die Beschwerdeführer zu Recht nicht. Denn eine solche Verpflichtung
besteht von Bundesrechts wegen nur bei Zivilbegehren von Opfern im Sinne von
Art. 2 OHG.

1.3 Die Vorinstanz hat die Begehren von je Fr. 60'000.-- Schadenersatz
abgewiesen. Die Nichtigkeitsbeschwerde enthält zu diesem Punkt weder
bezifferte Rechtsbegehren noch eine auch nur ansatzweise Begründung. Darauf
ist nicht mehr einzugehen (BGE 128 IV 53 E. 6a, 129 IV 71 E. 2.4).
1.4 Nichtigkeitsbeschwerde kann nur wegen Verletzung eidgenössischen Rechts
erhoben werden (Art. 269 Abs. 1 BStP); Rügen wegen Verletzung
verfassungsmässiger Rechte (Art. 269 Abs. 2 BStP) oder kantonalen Rechts
(vgl. Art. 273 Abs. 1 lit. b BStP) sind ausgeschlossen. Ferner ist der
Kassationshof an die tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz gebunden
(Art. 277bis Abs. 1 BStP); Rügen gegen tatsächliche Feststellungen, das
Vorbringen neuer Tatsachen und Beweismittel sind unzulässig (Art. 273 Abs. 1
lit. b BStP; BGE 126 IV 65 E. 1).

Die Beschwerdeführer kritisieren die Verletzung verschiedener
verfassungsmässiger Rechte, bestreiten die Richtigkeit tatsächlicher
Feststellungen, namentlich dass nicht feststeht, der Beschwerdegegner habe
wider besseres Wissen gehandelt, und sie ersuchen um Beizug verschiedener
Akten. Sie stützen sich ferner teilweise auf neue Tatsachen, die nicht - auch
nicht im erstinstanzlichen Urteil - festgehalten worden sind, insbesondere
dass der Beschwerdegegner die Vorwürfe gegen sie im August 1998 in einer
Zeitschrift und am 4. Dezember 1998 anlässlich einer Generalversammlung
wiederholt hat. Darauf kann nicht eingetreten werden.

1.5 Zusammenfassend ist einzig die Rüge hinsichtlich der Anwendung der Art.
28 ff. StGB auf die Strafklage vom 17. August 1998 im Zusammenhang mit dem
UWG-Delikt zulässig.

In diesem Punkt ist das angefochtene Urteil begründet worden. Der Umstand,
dass die Vorinstanz Art. 274 Abs. 3 BStP übersehen hat, ist folglich nicht
von Belang.

2.
Die Beschwerdeführer rügen eine Verletzung von Art. 28 StGB. Nach ihrem
Dafürhalten deckt ihr Strafantrag vom 17. August 1998 auch einen Verstoss
gegen Art. 3 lit. a UWG.

2.1 Ein gültiger Strafantrag liegt vor, wenn der Antragsberechtigte innert
Frist bei der nach kantonalem Recht zuständigen Behörde und in der ebenfalls
nach kantonalem Recht vorgeschriebenen Form seinen bedingungslosen Willen zur
Strafverfolgung des Täters so erklärt, dass das Strafverfahren ohne weitere
Willenserklärung weiterläuft. In der Regel bringt der Antragsteller einen
bestimmten Sachverhalt zur Anzeige. Es ist nicht seine Sache, den Sachverhalt
rechtlich zu qualifizieren; die rechtliche Würdigung obliegt der
Strafbehörde.

Bringt ein Rechtsunkundiger einen Sachverhalt zur Anzeige, so wünscht er
damit, dass Bestrafung eintrete. Treffen allerdings verschiedene Tatbestände
zusammen, so kann der Antragsberechtigte die Bestrafung des Täters nur unter
bestimmten tatsächlichen oder rechtlichen Aspekten seines Verhaltens
verlangen; insbesondere kann er, wenn er eine Anzeige in Bezug auf ein
Offizialdelikt einreicht, auf eine Strafverfolgung von daneben einhergehenden
Antragsdelikten verzichten. Was der Wille des Antragstellers war, ist nach
den allgemeinen Grundsätzen, die für die Auslegung von rechtserheblichen
Erklärungen gelten, zu prüfen.

Eine falsche Anschuldigung im Sinne von Art. 303 StGB bezweckt, eine
Strafverfolgung gegen einen Unschuldigen herbeizuführen, weshalb durch die
Tat notwendigerweise auch dessen Ehre gefährdet wird. Wegen dieses engen
Zusammenhangs nimmt die Rechtsprechung an, ein Strafantrag wegen falscher
Anschuldigung beinhalte im Zweifelsfall auch einen Strafantrag wegen
Ehrverletzung (BGE 115 IV 1 E. 2).

2.2 Gemäss Art. 3 lit. a UWG handelt unter anderem unlauter, wer andere durch
unrichtige Äusserungen herabsetzt. Wer vorsätzlich unlauteren Wettbewerb in
diesem Sinn begeht, wird auf Antrag bestraft; antragsberechtigt ist
namentlich, wer in seinem beruflichen Ansehen oder sonst in seinen
wirtschaftlichen Interessen bedroht oder verletzt wird (Art. 9 Abs. 1 und
Art. 23 UWG).

Wie sich aus der Generalklausel von Art. 2 UWG ergibt, setzt der Tatbestand
des unlauteren Wettbewerbs jedoch stets ein Verhalten voraus, welches das
Verhältnis zwischen Mitbewerbern oder Anbietern und Abnehmern beeinflusst.
Das UWG bezweckt nicht allgemein den Schutz von Treu und Glauben, sondern nur
den Schutz des lauteren Wettbewerbs. Widerrechtlich im Sinn des UWG kann
deshalb von vornherein nur wettbewerbsgerichtetes, marktrelevantes Verhalten
sein (BGE 124 III 297 E. 5d).

Der Zusammenhang zwischen falscher Anschuldigung und Ehrverletzung ist viel
enger als zwischen falscher Anschuldigung und unlauterem Wettbewerb. Denn der
Vorwurf eines Verbrechens oder Vergehens ist in aller Regel ehrverletzend,
aber bei weitem nicht immer wettbewerbsschädigend.

2.3 Die Beschwerdeführer haben ausdrücklich Strafantrag "wegen Verdachts der
Begehung eines Verbrechens gegen die Rechtspflege nach § 303 StGB"
eingereicht, weil der Beschwerdegegner sie "wider besseres Wissen" bei der
Bundesanwaltschaft angezeigt habe. Die Hinweise auf Art. 303 StGB und auf die
dort verwendeten Rechtsbegriffe zeigen, dass sie, obwohl nicht anwaltlich
vertreten, vor Einreichen des Strafantrags Abklärungen vorgenommen haben.
Hingegen fehlt im Strafantrag jeder Hinweis auf das UWG oder auf eine
mögliche Wettbewerbsverzerrung. Als selbständig erwerbende Akademiker aber
konnte ihnen die Problematik des Wettbewerbs nicht fremd sein und die
Möglichkeit negativer Auswirkungen auf aktuelle oder künftige Kunden nicht
entgehen. Schliesslich ist Gegenstand des Strafantrags nur die Anzeige an die
Behörden; gegen die Pressemitteilung, die unter dem Gesichtspunkt der
Wettbewerbsschädigung zumindest im damaligen Zeitpunkt wohl relevanter war,
wurde die Strafklage aber nicht gerichtet.

Unter diesen Umständen verletzt der Schluss der Vorinstanz, es fehle ein
Strafantrag wegen Verletzung des UWG, zumindest im Ergebnis kein Bundesrecht.
Die Rüge ist unbegründet.

3.
Bei diesem Ausgang des Verfahrens haben die Beschwerdeführer die
bundesgerichtlichen Kosten zu tragen (Art. 278 Abs. 1 BStP).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 3'000.-- wird den Beschwerdeführern unter
solidarischer Haftung auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, der Staatsanwaltschaft des Kantons St.
Gallen und dem Kantonsgericht St. Gallen, Strafkammer, schriftlich
mitgeteilt.

Lausanne, 10. Oktober 2003

Im Namen des Kassationshofes
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Der Gerichtsschreiber: