Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Kassationshof in Strafsachen 6S.287/2003
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6S.287/2003 /kra

Urteil vom 17. Oktober 2003
Kassationshof

Bundesrichter Schneider, Präsident,
Bundesrichter Wiprächtiger, Karlen,
Gerichtsschreiber Heimgartner.

X. ________,
Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Dr.iur. Wilhelm Boner,
Pelzgasse 15, 5001 Aarau,

gegen

Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau, Frey-Herosé-Strasse 12, Wielandhaus,
5001 Aarau.

Veruntreuung (Art. 138 Ziff. 2 StGB; Art. 140 Ziff. 2 aStGB),

Nichtigkeitsbeschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau,
1. Strafkammer,
vom 28. Mai 2003.

Sachverhalt:

A.
X. ________ war während Jahren Gesellschafter und Geschäftsführer der
Kollektivgesellschaft X.________& Co. Deren Tätigkeit bestand in der Rechts-
und Unternehmensberatung, der Liegenschafts- und Vermögensverwaltung sowie in
der Liegenschaftsvermittlung. Im Rahmen der drei letztgenannten
Geschäftszweige verwendete X.________ in der Zeit von 1987 bis 1993 ihm von
Kunden zur Verwaltung überlassene beziehungsweise für Kunden von Dritten
überwiesene Gelder im Betrag von insgesamt Fr. 1'153'899.-- zur Deckung
eigener Schulden.

B.
Das Bezirksgericht Lenzburg verurteilte X.________ am 3. Juli 2002 wegen
mehrfacher qualifizierter Veruntreuung gemäss Art. 140 Ziff. 1 und 2 aStGB zu
einer bedingt vollziehbaren Gefängnisstrafe von 16 Monaten. Das Obergericht
des Kantons Aargau wies die gegen diese Verurteilung eingelegte Berufung -
ausser in vorliegend nicht interessierenden Zivilpunkten - ab.

C.
X.________ führt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das
Urteil des Obergerichts sei aufzuheben. Die Vorinstanz hat auf
Gegenbemerkungen verzichtet.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Die Nichtigkeitsbeschwerde kann nur damit begründet werden, dass der
angefochtene Entscheid eidgenössisches Recht verletze (Art. 269 Abs. 1 BStP).
Ausführungen, die sich gegen die tatsächlichen Feststellungen des Entscheids
richten, sowie das Vorbringen neuer Tatsachen sind unzulässig (Art. 273 Abs.
1 lit. b BStP). Der Kassationshof ist im Verfahren der Nichtigkeitsbeschwerde
an den von der kantonalen Behörde festgestellten Sachverhalt gebunden (Art.
277bis BStP). Auf die Beschwerde kann somit nicht eingetreten werden, soweit
darin von einem abweichenden Sachverhalt ausgegangen wird.

Indem der Beschwerdeführer vorbringt, er sei praktisch ausschliesslich als
Immobilienmakler, nebenbei als Unternehmensberater und teilweise in
Erbteilungen tätig gewesen, wendet er sich gegen die tatsächlichen
Feststellungen der Vorinstanz. Auf die Beschwerde ist somit in diesem Punkt
nicht einzutreten.

2.
Der Beschwerdeführer macht geltend, zu Unrecht wegen qualifizierter
Veruntreuung gemäss Art. 140 Ziff. 2 aStGB verurteilt worden zu sein. Seine
damalige Berufstätigkeit sei nicht als berufsmässige Vermögensverwaltung im
Sinne dieser Bestimmung zu werten. Eine Verurteilung für allfällige unter den
Grundtatbestand der Veruntreuung (Art. 140 Ziff. 1 aStGB) fallende Handlungen
komme nicht in Betracht, weil diese Straftaten nach dem hier anwendbaren
alten Recht längst verjährt wären.

Zur Hauptsache bringt der Beschwerdeführer vor, seine Berufstätigkeit habe
nicht in der Verwaltung von Vermögen bestanden. Die Tätigkeit des
Immobilienmaklers bestehe darin, einem Verkäufer einer Liegenschaft einen
Käufer zu vermitteln. Aus der Tatsache, dass dadurch beträchtliche
Geldbeträge von Kunden für einen gewissen Zeitraum auf den Konten der
X.________& Co. gelegen haben, könne nicht der Schluss gezogen werden, dass
er ein berufsmässiger Vermögensverwalter im Sinne des qualifizierten
Tatbestands der Veruntreuung gewesen sei. Nach BGE 117 IV 20 liege bei einem
Architekten, der nebenbei Liegenschaftsverwaltungen betreibe, keine
berufsmässige Vermögensverwaltung vor. Erst wenn die Liegenschaftsverwaltung
einen eigenständigen Erwerbszweig des Architekten bilde und einen
beträchtlichen Umfang aufweise, liege allenfalls eine berufsmässige
Vermögensverwaltung vor. Aus dem Umstand, dass die Bruttomietzins-Einnahmen
aus der Liegenschaftsverwaltung nicht unbeträchtlich gewesen seien, könne
nicht eine berufsmässige Vermögensverwaltung angenommen werden, da der
Liegenschaftsertrag für die X.________& Co. unbedeutend gewesen sei. Ebenso
wenig habe er einen Beruf ausgeübt, zu dem er im Sinne dieses Tatbestands
durch eine Behörde ermächtigt worden sei. Seine kantonale Genehmigung als
Geschäftsagent habe nicht den in Frage stehenden Tätigkeitsbereich betroffen.
Zudem sei die Verordnung, auf welche sich diese Genehmigung stützte, vor über
fünf Jahren infolge ihrer Bedeutungslosigkeit ersatzlos aufgehoben worden.

3.
Der Beschwerdeführer hat die ihm vorgeworfenen Taten vor Inkrafttreten des
neuen Vermögensstrafrechts am 1. Januar 1995 begangen. Die Vorinstanz hat ihn
in Anwendung des zur Zeit der inkriminierten Taten geltenden Rechts wegen
qualifizierter Veruntreuung (Art. 140 Ziff. 2 aStGB) verurteilt, weil das
neue Recht (Art. 138 Ziff. 2 StGB) nicht milder sei. Der Beschwerdeführer
anerkennt ausdrücklich und mit Recht, dass im vorliegenden Fall das alte
Recht zur Anwendung gelangt.

4.
4.1 Der qualifizierte Tatbestand der Veruntreuung mit einer Höchststrafe von
zehn Jahren Zuchthaus ist unter anderem erfüllt, wenn der Täter die Tat als
berufsmässiger Vermögensverwalter oder bei der Ausübung eines Berufes,
Gewerbes oder Handelsgeschäfts begeht, zu dem er durch eine Behörde
ermächtigt ist (Art. 140 Ziff. 2 aStGB, der bezüglich der Tatbestandsmerkmale
Art. 138 Ziff. 2 StGB entspricht.). Berufsmässige Vermögensverwaltung ist
nicht leichthin anzunehmen. Der qualifizierte Tatbestand soll nur
Tätergruppen erfassen, die ein erhöhtes Vertrauen geniessen (BGE 117 IV 20 E.
1b). Nicht jede Person, die in Ausübung ihres Berufs Vermögen anvertraut
erhält, kann somit als berufsmässiger Vermögensverwalter angesehen werden.
Ein solcher ist nur, wer Vermögenswerte von Drittpersonen in deren Interesse
und im Rahmen allfälliger Anweisungen selbstständig und berufsmässig
verwaltet. Berufsmässig ist diese Tätigkeit, wenn sie einen bedeutenden Teil
der Erwerbstätigkeit des Verwalters darstellt und einen erheblichen Umfang
aufweist (BGE 117 IV 20 E. 1b; 100 IV 30). Der Beruf muss somit gerade in der
Verwaltung von Vermögen bestehen, wobei diese nicht die Haupttätigkeit sein
muss (BGE 100 IV 30; Stratenwerth/Jenny, Schweizerisches Strafrecht, Bes.
Teil I, § 13 N. 64). Auch wer sich daneben noch in wesentlichem Umfang anders
betätigt, kann ein berufsmässiger Vermögensverwalter sein (BGE 100 IV 30;
Niggli/Riedo, Basler Kommentar II, Art. 138 N. 167). Wer Drittpersonen
lediglich berät, ist hingegen kein Vermögensverwalter, weil er nicht
selbstständig über deren Vermögenswerte verfügen kann (Urteil 6S.249/2002 vom
21. November 2002, E. 1.2).
4.2 Nach den tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz verwaltete der
Beschwerdeführer als Immobilienmakler die Kaufsummen, welche die Käufer an
die von ihm beherrschte Kollektivgesellschaft X.________& Co. zuhanden der
Verkäufer einbezahlten, über eine gewisse Zeitdauer. Auf den Konten der
X.________& Co. befanden sich pro Jahr Beträge zwischen Fr. 40 Mio. und 100
Mio. bis zur Auszahlung an die Verkäufer. Des Weiteren waren ihm im Rahmen
der Liegenschaftsverwaltung, die er als einen Teilbereich seiner
Geschäftstätigkeit anbot, die zuhanden seiner Kunden eingenommenen
Mietzinserträge anvertraut. Diese namhaften Beträge zahlte er in der Regel
quartalsweise an die Kunden aus. Ferner verwaltete er für einzelne natürliche
und juristische Personen sowie als Willensvollstrecker Gelder, Wertschriften
und Aktien und andere Kapitalanlagen über längere Zeiträume treuhänderisch.
Er verzinste in der Regel sämtliche Geldbeträge, die sich auf den Konten der
X.________& Co. befanden.

Die Tätigkeiten des Beschwerdeführers bestanden somit zu einem grossen Teil
in der selbstständigen Verwaltung von Vermögenswerten  Dritter. Diese wies
zudem einen erheblichen Umsatz auf. Dass er daneben auch noch
Unternehmensberatungen anbot, als Immobilienmakler mit der Zusammenführung
von Käufern und Verkäufern und im Rahmen von Erbteilungen nicht nur mit der
Verwaltung von Vermögen beschäftigt war, ist unerheblich. Bei dem vom
Beschwerdeführer angeführten BGE 117 IV 20 ging es um die Verwaltung einer
Liegenschaft durch einen hauptberuflichen Architekten. Im Unterschied zu
jener nebenberuflichen Liegenschaftsverwaltung ist die Geschäftstätigkeit des
Beschwerdeführers insgesamt betrachtet  als berufliche Vermögensverwaltung zu
werten. Die Qualifikation des Beschwerdeführers als berufsmässiger
Vermögensverwalter im Sinne von Art. 140 Ziff. 2 aStGB ist unter diesen
Umständen nicht zu beanstanden.

Es kann somit offen bleiben, ob der Beschwerdeführer auch im Sinne von Art.
140 Ziff. 2 aStGB einen Beruf ausgeübt hat, zu dem er durch eine Behörde
ermächtigt worden ist.

5.
Aus diesen Gründen ist die Nichtigkeitsbeschwerde abzuweisen, soweit darauf
einzutreten ist. Bei diesem Ausgang des Verfahrens hat der Beschwerdeführer
die Kosten zu tragen (Art. 278 Abs. 1 BStP).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2000.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Staatsanwaltschaft des Kantons
Aargau und dem Obergericht des Kantons Aargau, 1. Strafkammer, schriftlich
mitgeteilt.

Lausanne, 17. Oktober 2003

Im Namen des Kassationshofes
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Der Gerichtsschreiber: