Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Kassationshof in Strafsachen 6S.273/2003
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6S.273/2003 /kra

Urteil vom 24. Februar 2004
Kassationshof

Bundesrichter Schneider, Präsident,
Bundesrichter Wiprächtiger, Zünd,
Gerichtsschreiber Boog.

X. ________,
Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. Jiri Mensik,

gegen

A.________,
Beschwerdegegner, vertreten durch Fürsprecher Dr. Walter Heuberger,

Ehrverletzung,

Nichtigkeitsbeschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich,
I. Strafkammer,
vom 21. Mai 2003.

Sachverhalt:

A.
Das Bezirksgericht Bülach sprach A.________ mit Urteil vom 11. Dezember 2002
von der Anklage der mehrfachen Verleumdung und der mehrfachen üblen Nachrede
zum Nachteil von X.________ frei. Eine hiegegen von X.________ geführte
Berufung wies das Obergericht des Kantons Zürich mit Urteil vom 21. Mai 2003
ab und bestätigte das erstinstanzliche Urteil.

B.
X.________ führt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde, mit der er beantragt,
das angefochtene Urteil sei aufzuheben und die Sache zur neuen Beurteilung an
die Vorinstanz zurückzuweisen.

C.
Das Obergericht des Kantons Zürich hat auf Gegenbemerkungen verzichtet.
Vernehmlassungen wurden nicht eingeholt.

D.
Das Kassationsgericht des Kantons Zürich wies mit Beschluss vom 28. Dezember
2003 eine in derselben Sache eingereichte kantonale Nichtigkeitsbeschwerde
ab, soweit es darauf eintrat.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Das Bundesgericht prüft von Amtes wegen und frei, ob und inwieweit eine
Nichtigkeitsbeschwerde zulässig ist (BGE 127 IV 148 E. 1a).

Gemäss Art. 270 lit. g BStP ist der Privatstrafkläger zur eidgenössischen
Nichtigkeitsbeschwerde legitimiert, wenn er nach den Vorschriften des
kantonalen Rechts allein und ohne Beteiligung des öffentlichen Anklägers die
Anklage geführt hat. Dies betrifft jene Fälle, in denen der Privatstrafkläger
von Beginn weg an die Stelle des öffentlichen Anklägers tritt, weil die
Verfolgung der Straftat wegen ihres geringen Unrechtsgehalts und mit
Rücksicht auf das vorwiegend private Interesse an der Bestrafung dem
Geschädigten überlassen wird (prinzipales Privatstrafklageverfahren).
Voraussetzung für die Legitimation des Privatstrafklägers zur eidgenössischen
Nichtigkeitsbeschwerde ist somit, dass der öffentliche Ankläger nach dem
kantonalen Prozessrecht nicht zur Anklage befugt ist, so dass diese von
Anfang an einzig dem Privatstrafkläger zusteht (BGE 128 IV 39 E. 2a; 127 IV
236 E. 2 b/aa je mit Hinweisen). Dies ist beim Verfahren bei Ehrverletzungen
nach der Strafprozessordnung des Kantons Zürich der Fall (§§ 286 ff. StPO/ZH;
Andreas Donatsch/Niklaus Schmid, Kommentar zur Strafprozessordnung des
Kantons Zürich, Zürich 2000, Vorbem. §§ 286 ff. N 2, § 287 N 1), so dass auf
die Beschwerde einzutreten ist (vgl. auch Urteil des Kassationshofs
6S.518/2001 vom 29.11.2002 E. 1).

2.
2.1 Dem zu beurteilenden Fall liegt folgender, von der Vorinstanz für den
Kassationshof verbindlich festgestellter Sachverhalt zugrunde (Art. 277bis
Abs. 1 BStP):

Der Beschwerdegegner erstattete am 19. Mai 2000 bei der Kantonspolizei Zürich
Strafanzeige gegen den Beschwerdeführer. Darin erhob er den Vorwurf, der
Beschwerdeführer habe ihn selber, seine Ehefrau sowie eine in seinem
Ladengeschäft angestellte Verkäuferin belästigt und bedroht. Namentlich seine
Verkäuferin habe er fast täglich im Geschäft, an der Bushaltestelle oder beim
Bahnhof bedroht. Ferner bezeichnete er das Verhalten des Beschwerdeführers
als Psychoterror. Aufgrund dieses Sachverhalts erhob der Beschwerdeführer am
11. August 2000 beim Friedensrichteramt sowie beim Bezirksgericht Bülach
gegen den Beschwerdegegner Anklage wegen mehrfacher Verleumdung im Sinne von
Art. 174 Ziff. 1 Abs. 1 StGB, eventuell wegen mehrfacher übler Nachrede im
Sinne von Art. 173 Ziff. 1 Abs. 1 StGB. Der Beschwerdegegner hatte den
Strafantrag wegen Drohung am 13. Juni 2000 zurückgezogen.

2.2 In rechtlicher Hinsicht nimmt die Vorinstanz an, die fraglichen
Äusserungen des Beschwerdegegners in der Befragung durch die Polizei stellten
Tatsachenbehauptungen gegenüber einem Dritten dar. Ehrverletzenden Charakter
bejaht sie lediglich hinsichtlich der Behauptung, der Beschwerdeführer habe
den Beschwerdegegner sowie dessen Ehefrau und die Verkäuferin bedroht.

Gestützt auf die Würdigung der Aussagen verschiedener Zeugen, namentlich der
betroffenen Verkäuferin im Geschäft des Beschwerdegegners, gelangt die
Vorinstanz zum Schluss, die vom Beschwerdegegner zur Anzeige gebrachten
Drohungen seitens des Beschwerdeführers seien erstellt. Die dem
Beschwerdegegner vorgeworfenen ehrverletzenden Tatsachenbehauptungen
entsprächen somit der Wahrheit. Die Voraussetzungen für eine Verurteilung
wegen Verleumdung im Sinne von Art. 174 StGB seien daher nicht erfüllt. Da
der Beschwerdegegner zudem die Äusserungen aus begründetem Anlass und nicht
vorwiegend in der Absicht vorgebracht habe, den Beschwerdeführer abzuwerten,
falle auch ein Schuldspruch wegen übler Nachrede gemäss Art. 173 Ziff. 1 Abs.
1 StGB ausser Betracht.

3.
3.1 Gemäss Art. 173 Ziff. 1 Abs. 1 StGB macht sich der üblen Nachrede
schuldig, wer jemanden bei einem anderen eines unehrenhaften Verhaltens oder
anderer Tatsachen, die geeignet sind, seinen Ruf zu schädigen, beschuldigt
oder verdächtigt. Beschuldigt oder verdächtigt er den Betroffenen bei einem
andern wider besseres Wissen eines solchen Verhaltens, macht er sich gemäss
Art. 174 Ziff. 1 Abs. 1 StGB wegen Verleumdung strafbar.

Beweist der Beschuldigte, dass die von ihm vorgebrachte Äusserung der
Wahrheit entspricht, oder dass er ernsthafte Gründe hatte, sie in guten
Treuen für wahr zu halten, so ist er nicht strafbar (Art. 173 Ziff. 1 Abs. 2
StGB). Der Beschuldigte wird zum Entlastungsbeweis nicht zugelassen und ist
strafbar für Äusserungen, die er ohne Wahrung öffentlicher Interessen oder
sonst wie ohne begründete Veranlassung, vorwiegend in der Absicht vorbringt,
jemandem Übles vorzuwerfen, insbesondere, wenn sich die Äusserungen auf das
Privat- oder Familienleben beziehen (Art. 173 Ziff. 1 Abs. 3 StGB).

3.2 Die Vorinstanz hat den Beschwerdegegner zum Entlastungsbeweis zugelassen
und erachtet den Wahrheitsbeweis, eventualiter auch den Gutglaubensbeweis,
für erbracht. In einer Eventualbegründung, für den Fall, dass man die
fraglichen Äusserungen als unwahr betrachten wollte, nimmt sie an, dem
Beschwerdegegner habe jedenfalls der direkte Vorsatz bezüglich der Unwahrheit
gefehlt. Diese Auffassung verletzt kein Bundesrecht.

3.3 Was der Beschwerdeführer hiegegen einwendet, ist unbehelflich.

Zunächst fällt auf, dass der Beschwerdeführer sich mit der Eventualbegründung
der Vorinstanz nicht auseinander setzt, so dass aus diesem Grund auf die
Beschwerde nicht eingetreten werden könnte (BGE 121 IV 94 E. 1b). Wie es sich
damit verhält, kann indes offen bleiben, da die Beschwerde sich jedenfalls
aus anderen Gründen als unbegründet erweist.
So macht der Beschwerdeführer zu Unrecht geltend, der Schluss der Vorinstanz,
wonach der Wahrheitsbeweis erbracht sei, verstosse gegen die
Unschuldsvermutung. Abgesehen davon, dass eine Verletzung der in Art. 32 Abs.
1 BV und Art. 6 Ziff. 2 EMRK garantierten Unschuldsvermutung nur mit
staatsrechtlicher Beschwerde gerügt werden kann (vgl. Art. 269 Abs. 2 BStP),
führt im vorliegenden Fall der Umstand, dass der Beschwerdegegner den
Strafantrag wegen Drohung zurückgezogen hat, nicht dazu, dass der
Beschwerdeführer hinsichtlich dieses Delikts als unschuldig zu gelten hat.
Denn aus dem Rückzug des Strafantrages lässt sich, wie die Vorinstanz
zutreffend erkennt, nicht ableiten, die Aussagen des Beschwerdegegners vor
der Polizei hätten nicht der Wahrheit entsprochen. Der Strafantrag ist eine
Prozessvoraussetzung (BGE 128 IV 81 E. 2a). Ein späterer Rückzug des Antrags
hat nicht die Wirkung eines freisprechenden Urteils und macht ein Delikt
nicht zu einem legalen Akt (Christof Riedo, Basler Kommentar, Strafgesetzbuch
I, N 28 vor Art. 28). Ausserdem erfordert der Wahrheitsbeweis gemäss Art. 173
Ziff. 2 StGB lediglich den Nachweis der ehrenrührigen Tatsachen. In der
vorliegenden Konstellation, bei welcher die Ehrverletzung in der Erhebung
einer Strafanzeige erblickt wird, gelingt er auch, wenn die angezeigten
Drohungen und Belästigungen den Straftatbestand der Drohung nicht erfüllen,
sofern sie nur als solche bewiesen sind.

Nicht zu hören ist der Beschwerdeführer im Weiteren, soweit er eine
Verletzung der in Art. 6 Ziff. 1 EMRK gewährleisteten allgemeinen
Verfahrensgarantie des fair trial geltend macht. Die Rüge der Verletzung
verfassungsmässiger Rechte ist der staatsrechtlichen Beschwerde vorbehalten
(Art. 269 Abs. 2 BStP). Ob die Ehefrau des Beschwerdegegners nur als
Auskunftsperson hätte befragt werden dürfen, kann somit im Verfahren der
eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde nicht überprüft werden. Dasselbe gilt,
soweit der Beschwerdeführer die Abweisung seiner Beweisanträge durch die
Vorinstanz beanstandet.
Ohne Grund beanstandet der Beschwerdeführer ferner, die Vorinstanz habe den
subjektiven Tatbestand von Art. 173 Ziff. 1 Abs. 1 bzw. von Art. 174 Ziff. 1
Abs. 1 StGB nicht geprüft. Hiezu bestand für die Vorinstanz aufgrund des
Umstands, dass ein Schuldspruch wegen des gelungenen Wahrheitsbeweises schon
aus objektiven Gründen ausser Betracht fiel, keine Veranlassung. Soweit der
Beschwerdeführer rügen will, die Vorinstanz habe weitere behauptete
Äusserungen des Beschwerdegegners nicht in die Beurteilung des Falles
miteinbezogen, ist auf die Beschwerde ebenfalls nicht einzutreten, da die
angeblichen Äusserungen nicht Gegenstand des Verfahrens bilden. Dasselbe
gilt, soweit der Beschwerdeführer geltend macht, der Beschwerdegegner hätte
wegen jener Äusserungen gemäss Art. 173 Ziff. 3 StGB zum Entlastungsbeweis
nicht zugelassen werden dürfen.

Zu Unrecht rügt der Beschwerdeführer schliesslich eine Verletzung von Art.
249 BStP, weil die Vorinstanz nicht sämtliche Beweise gewürdigt habe. Die
angerufene Bestimmung ist nur verletzt, wenn bestimmten Beweismitteln von
vornherein in allgemeiner Weise die Beweiseignung abgesprochen wird oder wenn
der Richter bei der Würdigung der Beweise im konkreten Fall im Ergebnis nicht
seiner eigenen Überzeugung folgt (BGE 127 IV 46 E. 1c und 172 E. 3a). Dies
ist hier nicht der Fall. Die Vorinstanz hat lediglich Umstände ausser Acht
gelassen, welche nicht Gegenstand des Verfahrens bilden, wie es von der
Anklageschrift eingegrenzt wird.

Die Beschwerde erweist sich somit in allen Punkten als unbegründet.

4.
Aus diesen Gründen ist die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf eingetreten
werden kann. Bei diesem Ausgang des Verfahrens trägt der Beschwerdeführer die
Kosten (Art. 278 Abs. 1 BStP).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen, soweit darauf
einzutreten ist.

2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, I.
Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 24. Februar 2004

Im Namen des Kassationshofes
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Der Gerichtsschreiber: