Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Kassationshof in Strafsachen 6S.243/2003
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6S.243/2003 /kra

Urteil vom 21. November 2003
Kassationshof

Bundesrichter Schneider, Präsident,
Bundesrichter Karlen,
Ersatzrichterin Pont Veuthey,
Gerichtsschreiber Boog.

X. ________,
Beschwerdeführer, vertreten durch Fürsprech Viktor Müller,

gegen

Staatsanwaltschaft des Kantons Solothurn, Bielstrasse 9, 4509 Solothurn.

Mehrfacher qualifizierter Raub; Strafzumessung, Landesverweisung,

Nichtigkeitsbeschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons
Solothurn, Strafkammer, vom 4. April 2003.

Sachverhalt:

A.
Das Obergericht des Kantons Solothurn erklärte X.________ mit Urteil vom 4.
April 2003 des mehrfachen qualifizierten Raubes, des einfachen Raubes, des
Diebstahls, der Freiheitsberaubung und der Drohung schuldig und verurteilte
ihn zu 6 ½ Jahren Zuchthaus, unter Anrechnung der ausgestandenen
Untersuchungshaft. Von der Anklage der mehrfachen Drohung und der Nötigung
sprach es ihn frei. Ferner verwies das Obergericht X.________ für die Dauer
von 7 Jahren des Landes, erklärte ihn in einem Punkt dem Opfer gegenüber als
vollumfänglich schadenersatzpflichtig und verpflichtete ihn grundsätzlich zur
Leistung einer Genugtuung. Für die Bestimmung der Höhe des Schadenersatzes
und der Genugtuung verwies es das Opfer auf den Zivilweg. Im Weiteren
entschied das Obergericht über die Einziehung der beschlagnahmten
Gegenstände.

B.
X.________ führt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde, mit der er beantragt,
das angefochtene Urteil sei in Bezug auf den Schuldspruch wegen
qualifizierten Raubes im Sinne von Art. 140 Ziff. 4 StGB und in Bezug auf den
Strafpunkt aufzuheben und an die Vorinstanz zur Neubeurteilung
zurückzuweisen. Ferner ersucht er um Gewährung der unentgeltlichen
Rechtspflege.

C.
Das Obergericht beantragt in seinen Gegenbemerkungen die Abweisung der
Beschwerde, soweit darauf einzutreten sei. Vernehmlassungen wurden nicht
eingeholt.

D.
Mit Entscheid vom heutigen Datum hat der Kassationshof eine in derselben
Sache eingereichte staatsrechtliche Beschwerde abgewiesen.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Der Beschwerdeführer wendet sich gegen den Schuldspruch wegen qualifizierten
Raubes im Sinne von Art. 140 Ziff. 4 StGB.

1.1 Die Vorinstanz stellt für den Kassationshof im Verfahren der
eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde verbindlich fest (Art. 277bis Abs. 1
BStP), der Beschwerdeführer habe die als Prostituierte arbeitende Geschädigte
am 5. Dezember 1999, gegen 01.00 Uhr, auf dem Weg zu ihrem Standplatz in sein
Auto einsteigen lassen und sie gegen ihren Willen in Richtung Hauenstein in
die Strasse zum Militärgelände beim Rankbrünneli gefahren. Nachdem dort beide
aus dem Wagen gestiegen waren, habe der Beschwerdeführer die Geschädigte
plötzlich von hinten gepackt, sie mit seinem Arm in den Würgegriff genommen
und den von ihm bereits bezahlten Dirnenlohn zurückverlangt. Als die
Geschädigte geschrien habe, habe er ihr mit der anderen Hand schlagartig den
Mund zugehalten. Da sie sich weiter gewehrt und mit ihrem Schirm auf ihn
eingeschlagen habe, habe er sie immer noch im Würgegriff zurück zum Auto
gezerrt, habe dort die Fahrertüre geöffnet und aus einem Fach unter dem
Steuerrad ein Messer hervorgeholt. Als die Geschädigte erneut losgeschrien
habe, habe der Beschwerdeführer ihr mit der Hand den Mund zugehalten und sie
mit der anderen mit dem Messer bedroht, das anfänglich in einer Plastikhülle
gesteckt habe. Er habe von ihr verlangt, ihren rechten Schuh auszuziehen,
weil er angenommen habe, die Geschädigte habe das Geld dort versteckt. Als er
das Geld nicht gefunden habe, habe er die Geschädigten erneut in den
Würgegriff genommen und ihr gleichzeitig mit der anderen Hand das Messer
seitlich an ihren Hals gehalten. Daraufhin habe die Geschädigte ihm das in
ihren Socken aufbewahrte Geld herausgegeben.

1.2 Der Beschwerdeführer wendet sich in diesem Punkt zunächst gegen die
tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz. Insofern kann auf seine
Beschwerde nicht eingetreten werden (BGE 122 IV 71 E. 2 a.E., 121 IV 131 E.
5b). Die Nichtigkeitsbeschwerde kann nur damit begründet werden, dass die
angefochtene Entscheidung eidgenössisches Recht verletze (Art. 269 Abs. 1
BStP). Ausführungen, die sich gegen die tatsächlichen Feststellungen des
Entscheides richten, sowie das Vorbringen neuer Tatsachen sind unzulässig
(Art. 273 Abs. 1 lit. b BStP). Der Kassationshof ist im Verfahren der
Nichtigkeitsbeschwerde an den von der kantonalen Behörde festgestellten
Sachverhalt gebunden (Art. 277bis Abs. 1 BStP).

1.3 Gemäss Art. 140 Ziff. 1 Abs. 1 StGB macht sich des Raubes schuldig, wer
mit Gewalt gegen eine Person oder unter Androhung gegenwärtiger Gefahr für
Leib und Leben oder nachdem er den Betroffenen zum Widerstand unfähig gemacht
hat, einen Diebstahl begeht. Nach dem qualifizierten Tatbestand von Art. 140
Ziff. 4 StGB (Art. 139 Ziff. 3 aStGB) ist die Strafe Zuchthaus nicht unter 5
Jahren, wenn der Täter das Opfer in Lebensgefahr bringt, ihm eine schwere
Körperverletzung zufügt oder es grausam behandelt. Nach der Rechtsprechung
ist bei der Auslegung dieser Qualifikation den im Gesetz unterschiedenen vier
verschiedenen Graden der Gefährdung und der Mindeststrafe von fünf Jahren
Zuchthaus, die derjenigen für vorsätzliche Tötung entspricht, Rechnung zu
tragen. Daraus folgt, dass der Täter bei Art. 140 Ziff. 4 StGB das Opfer in
eine konkrete, sehr nahe liegende bzw. in eine unmittelbare oder hochgradige
Lebensgefahr bringen muss. Ob diese Voraussetzung erfüllt ist, bestimmt sich
nach objektiven Kriterien. In subjektiver Hinsicht muss der Täter erkennen,
dass er das Opfer mit seinem Vorgehen in Lebensgefahr bringt; sein Vorsatz
muss sich mithin auf die Verwirklichung der Gefahr richten (BGE 117 IV 419 E.
4b und 427 E. 3b/aa).

1.4 Der Schluss der Vorinstanz, der Beschwerdeführer habe das Opfer in eine
unmittelbare Lebensgefahr versetzt, verletzt kein Bundesrecht. Dass das Leben
eines Opfers in hohem Masse gefährdet ist, wenn ein Täter dieses in den
Würgegriff nimmt und ihm gleichzeitig die scharfe Klinge eines Messers an den
Hals hält, kann nicht ernstlich in Frage stehen. Im zu beurteilenden Fall
ergibt sich die akute Lebensgefahr daraus, dass unter den gegebenen Umständen
schon eine unbedachte Bewegung des Täters oder des Opfers genügt hätte, um
diesem eine lebensgefährliche Verletzung zuzufügen (vgl. BGE 111 IV 127 E. 3
b).

Der Beschwerdeführer verweist für seinen Standpunkt zu Unrecht auf die
Aussage der Geschädigten im vorinstanzlichen Verfahren, wonach sie nicht das
Gefühl gehabt habe, er werde ihr die Kehle aufschneiden, und sie nicht um ihr
Leben gefürchtet habe. Abgesehen davon, dass die Aussagen der Geschädigten in
der polizeilichen Befragung einen Tag nach der Tat anders lauten, hängt die
Annahme einer unmittelbaren Lebensgefahr nicht vom subjektiven Empfinden des
Opfers ab (BGE 117 IV 427 E. 3b/aa). Die Bejahung einer von Art. 140 Ziff. 4
StGB erfassten, deutlich erhöhten Gefahrenlage ist somit nicht zu
beanstanden. Sie steht auch im Einklang mit der Rechtsprechung des
Bundesgerichts, welche eine Lebensgefahr im Sinne des qualifizierten
Raubtatbestandes in einem Fall angenommen hat, in welchem der Täter dem Opfer
bei einem Gerangel kaum genügend Luft zum atmen gelassen und ihm ein Messer
mit der stumpfen Seite der Klinge an die Kehle gehalten hatte (BGE 117 IV 427
E. 3b/bb; vgl. auch BGE 121 IV 67 E. 2b/bb S. 71 f.; 114 IV 8 E. 2; 102 IV
18, S. 20).

Die Beschwerde erweist sich in diesem Punkt als unbegründet.

2.
Ohne Grund wendet sich der Beschwerdeführer sodann gegen die vorinstanzliche
Strafzumessung und die Landesverweisung.

Im Verfahren der in derselben Sache eingereichten staatsrechtlichen
Beschwerde gelangt das Bundesgericht zum Schluss, die Vorinstanz habe den
Antrag auf Befragung des behandelnden Arztes mit sachlichen Gründen abweisen
dürfen (vgl. Verfahren 6P.92/2003 E. 2.2). Vor diesem Hintergrund ist nicht
ersichtlich, inwiefern die Zumessung von Haupt- und Nebenstrafe durch die
Vorinstanz Bundesrecht verletzen soll. Der Beschwerdeführer bringt jedenfalls
nichts vor, was darauf hindeuten würde, die Vorinstanz gehe von rechtlich
nicht massgebenden Gesichtspunkten aus oder lasse wesentliche Gesichtspunkte
ausser Acht. Im Übrigen kann hiefür auf die zutreffenden Erwägungen im
angefochtenen Urteil verwiesen werden (Art. 36a Abs. 3 OG).

Die Beschwerde erweist sich auch in diesem Punkt als unbegründet.

3.
Aus diesen Gründen ist die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf eingetreten
werden kann. Bei diesem Ausgang des Verfahrens trägt der Beschwerdeführer die
Kosten (Art. 278 Abs. 1 BStP). Da die Beschwerde von vornherein keine
Aussicht auf Erfolg hatte (Art. 152 Abs. 1 OG, vgl. BGE 124 I 304 E. 2 mit
Hinweisen), ist das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege abzuweisen. Den
schlechten finanziellen Verhältnissen des Beschwerdeführers kann bei der
Festsetzung der Gerichtsgebühr Rechnung getragen werden.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen, soweit darauf
einzutreten ist.

2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 800.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Staatsanwaltschaft des Kantons
Solothurn und dem Obergericht des Kantons Solothurn, Strafkammer, schriftlich
mitgeteilt.

Lausanne, 21. November 2003

Im Namen des Kassationshofes
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Der Gerichtsschreiber: