Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Kassationshof in Strafsachen 6S.241/2003
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6S.241/2003 /kra

Urteil vom 1. Oktober 2003
Kassationshof

Bundesrichter Schneider, Präsident,
Bundesrichter Wiprächtiger,
Ersatzrichterin Pont Veuthey,
Gerichtsschreiberin Giovannone.

W. ________,
Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Ruadi Thöni, Zeughausstrasse
39, Postfach 2768, 8021 Zürich,

gegen

Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau, Frey-Herosé-Strasse 12, Wielandhaus,
5001 Aarau.

Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz (Art. 19 Ziff. 1 BemtG),
Verbotsirrtum (Art. 20 StGB),

Nichtigkeitsbeschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau,
1. Strafkammer,
vom 14. April 2003.

Sachverhalt:

A.
Das Bezirksgericht Baden verurteilte W.________ am 13. Dezember 2001 wegen
mehrfacher Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz (Art. 19 Ziff. 1
BetmG) zu einer bedingten Gefängnisstrafe von zehn Monaten sowie zu Fr.
2'000.-- Busse. Es warf ihm vor, als Geschäftsführer des Hanfladens
A.________ in Baden und als Verwaltungsrat der B.________AG Hanfprodukte
vertrieben zu haben im Wissen, dass es sich dabei um eine THC-reiche Sorte
(15 - 22 %) handelte. Mit dem Verkauf von Marihuana seien in diesem Hanfladen
in den Jahren 1998, 1999 und 2000 jeweils rund 90 % des Umsatzes
erwirtschaftet worden, der 1998 und 1999 je rund 1,5 Mio Franken und in der
Zeitspanne von Januar bis 25. September 2000 rund 2,25 Mio Franken betrug.
Zusätzlich zu seinem Gehalt habe W.________ in den Jahren 1999 / 2000
Gratifikationen im Betrag von insgesamt Fr. 99'893.90 (netto) erhalten.

Auf Berufung von W.________ bestätigte das Obergericht des Kantons Aargau, 2.
Strafkammer, dieses Urteil am 14. April 2003.

B.
W.________ ficht das obergerichtliche Urteil beim Bundesgericht an. Mit
eidgenössischer Nichtigkeitsbeschwerde beantragt er, das obergerichtliche
Urteil sei, soweit es ihn betrifft, aufzuheben und die Sache zur
Neubeurteilung an das Obergericht zurückzuweisen. Das Obergericht hat auf
Gegenbemerkungen verzichtet (act. 8).

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Der Beschwerdeführer ficht das obergerichtliche Urteil einzig mit dem
Argument an, er habe in entschuldbarem Verbotsirrtum gehandelt. Es ist
vorliegend deshalb nur zu prüfen, ob Art. 20 StGB zur Anwendung kommen muss.
Alle übrigen Aspekte des Schuldspruchs und der Strafzumessung müssen nicht
überprüft werden (BGE 124 IV 53 E. 1).

2.
2.1 Gemäss Art. 20 StGB kann der Richter von der Bestrafung Umgang nehmen oder
die Strafe nach freiem Ermessen mildern, wenn der Täter aus zureichenden
Gründen angenommen hat, er sei zur Tat berechtigt.

2.1.1 Die Bestimmung setzt zunächst voraus, dass der Täter glaubte, er tue
nichts Unrechtes. Ob dem Täter das Unrecht bewusst war, oder ob ihm das
Unrechtsbewusstsein fehlte, ist eine Tatfrage, die sich der Überprüfung durch
das Bundesgericht entzieht (BGE 128 IV 201 E. 2 S. 210; Urteil 6S.46/2002 vom
24. Mai 2002 E. 3b).

2.1.2 Nahm der Täter an, er tue nichts Unrechtes, so muss er überdies
hinreichende Gründe dazu gehabt haben. Unkenntnis der rechtlichen Normierung
ist grundsätzlich kein hinreichender Grund: Falls Anlass zu Zweifeln an der
Rechtmässigkeit des Verhaltens besteht oder der Täter weiss, dass es eine
rechtliche Regelung gibt, hat er sich bei der zuständigen Behörde näher zu
informieren. Das blosse Nichteinschreiten von Behörden trotz Kenntnis des
Sachverhalts vermag einen Verbotsirrtum ebenfalls nicht zu entschuldigen.
Demgegenüber können eine ständige unangefochtene Praxis oder die ständige
Duldung eines an sich vorschriftswidrigen Verhaltens durch die zuständige
Behörde unter Umständen einen Verbotsirrtum rechtfertigen (Guido Jenny,
Basler Kommentar StGB I, 2003, N. 17 ff. zu Art. 20; Trechsel,
Schweizerisches Strafgesetzbuch, Kurzkommentar, 1997, N. 6 ff. zu Art. 20;
BGE 129 IV 6 E. 4.1; 120 IV 208 E. 5b, je mit Hinweisen).

2.2 Der Beschwerdeführer macht geltend, die Vorinstanz habe das Vorliegen des
Unrechtsbewusstseins bloss vermutet. Es fehle diesbezüglich an einer für das
Bundesgerichts verbindlichen Feststellung. Mangels genügend substantiiertem
Sachverhalt könne nicht überprüft werden, ob die Vorinstanz die
Voraussetzungen von Art. 20 StGB zu Recht verneint habe, weshalb die Sache
gemäss Art. 277 BStP zurückzuweisen sei. Aufgrund seiner eigenen Aussagen sei
davon auszugehen, dass er sich keines Unrechts bewusst gewesen sei. Zwar habe
er tatsächlich Anlass gehabt, an der Zulässigkeit des Verkaufs von
getrocknetem Hanf zu zweifeln. Doch habe die Polizei diese Tätigkeit nicht
nur passiv, sondern geradezu aktiv geduldet. Sie sei in der Zeit vom 2.
September 1998 bis zum 31. März 2000 aufgrund von Einbruchsdiebstählen
mehrere Male im Hanfladen vorbeigekommen und habe die jeweils gestohlenen
Gegenstände - inklusive Trockenblumen und Hanfsamen - in ihren Rapporten
aufgeführt. Sie sei also über das Sortiment genau informiert gewesen. Zudem
habe sie sogar einmal im Hanfladen ein Hanfschneidegerät ausgeliehen.
Angesichts dieses Verhaltens der Polizei habe er von der Rechtmässigkeit
seines Tuns ausgehen dürfen.

2.3 Im Jahr 1998 war der zu hohe THC-Gehalt eines Hanfprodukts im Sortiment
des vom Beschwerdeführer geleiteten Geschäfts beanstandet worden. Bei dieser
Gelegenheit war er auch darauf hingewiesen worden, dass er dafür zu sorgen
habe, dass keine Produkte mit einem THC-Gehalt von mehr als 0.3 % angeboten
würden (Urteil des Obergerichts E. 2). Angesichts dieser Feststellungen geht
der Einwand, die Vorinstanz habe das Unrechtsbewusstsein des
Beschwerdeführers lediglich vermutet, fehl.

Der Beschwerdeführer wusste demnach, dass der Verkauf von Hanfprodukten mit
einem THC-Gehalt von mehr als 0.3 % unrechtmässig war. Soweit er vorbringt,
er sei sich des Unrechts nicht bewusst gewesen, weicht er vom verbindlich
festgestellten Sachverhalt ab; darauf ist nicht einzutreten (Art. 277bis Abs.
1 zweiter Satz BStP).

2.4 Eine allfällige ständige Duldung seitens der zuständigen Behörden kann
unter gewissen Umständen ein fehlendes Unrechtsbewusstsein  rechtfertigen.
Indessen vermag ein solches Verhalten der zuständigen Behörden die Tat nicht
zu entschuldigen, wenn das Unrechtsbewusstsein beim Täter wie im zu
beurteilenden Fall vorhanden war. Ausführungen zu den weiteren Einwänden des
Beschwerdeführers erübrigen sich somit.

2.5 Nach dem Gesagten bringt die Vorinstanz Art. 20 StGB zu Recht nicht zur
Anwendung, weshalb die Nichtigkeitsbeschwerde abzuweisen ist, soweit darauf
eingetreten werden kann.

3.
Bei diesem Ausgang hat der Beschwerdeführer die Kosten des Verfahrens zu
tragen (Art. 278 Abs. 1 BStP).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen, soweit darauf
einzutreten ist.

2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Staatsanwaltschaft des Kantons
Aargau und dem Obergericht des Kantons Aargau, 1. Strafkammer, schriftlich
mitgeteilt.

Lausanne, 1. Oktober 2003

Im Namen des Kassationshofes
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Die Gerichtsschreiberin: