Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Kassationshof in Strafsachen 6S.20/2003
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6S.20/2003 /pai

Sitzung vom

26. Juni 2003
Kassationshof

Bundesrichter Schneider, Präsident,
Bundesrichter Wiprächtiger, Kolly, Karlen,
Ersatzrichterin Pont Veuthey,
Gerichtsschreiberin Arquint.

Staatsanwaltschaft des Kantons Luzern, 6002 Luzern,
Beschwerdeführerin,

gegen

Y._______,
Beschwerdegegner, vertreten durch Fürsprecher Dr. Urs Oswald, Postfach 31,
5330 Zurzach.
Obergericht des Kantons Luzern, II. Kammer,
Postfach, 6002 Luzern.

Verwahrung (Art. 43 Ziff. 1 Abs. 2 StGB),

Nichtigkeitsbeschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Luzern,
II. Kammer, vom 17. September 2002.

Sachverhalt:

A.
Das Obergericht des Kantons Luzern als Appellationsinstanz sprach Y.________,
geboren 19.., ehemaliger Schweizer Meister im A.________, am 17. September
2002 schuldig der qualifizierten Vergewaltigung, der mehrfachen einfachen
Körperverletzung, der Unterlassung der Nothilfe, des mehrfachen Raubes, der
mehrfachen Drohung, des mehrfachen Hausfriedensbruchs sowie der mehrfachen
Gewalt und Drohung gegen Beamte. Es verurteilte ihn bei Annahme einer leicht
verminderten Zurechnungsfähigkeit zu einer Zuchthausstrafe von fünf Jahren
und zehn Monaten. Die Strafe schob es zu Gunsten einer stationären
Heilbehandlung im Sinne von Art. 43 Ziff. 1 Abs. 1 StGB auf. Auf die
Anordnung einer Verwahrung gemäss Art. 43 Ziff. 1 Abs. 2 StGB wurde
verzichtet.

Der Schuldspruch erging wegen folgender Sachverhalte:

Y.________ hielt C.________ am 1. September 1997 in seiner Wohnung ein
grosses Küchenmesser mit einer gezackten Klinge an den Hals und verlangte von
ihr, ihn oral zu befriedigen; danach erzwang er, ohne ein Kondom zu benützen,
den Geschlechtsverkehr, wobei er behauptete, mit dem HIV-Virus infiziert zu
sein.

Am 20. März 1998 verunglimpfte er D.________ in seinem Geschäft mit
Schimpfwörtern und drohte ihm mit dem Tod.

Am 11. Mai 1998 suchte er trotz Hausverbots das Geschäft seiner ehemaligen
Gattin auf, verursachte Sachschaden und drohte, deren Freund umzubringen.

Von Herbst 1997 bis Sommer 1998 überfiel Y.________ zusammen mit zwei
Komplizen E.________ fünfmal. Unter Gewaltanwendung nahm er diesem ein
Mobiltelefon und Bargeld in der Höhe von insgesamt Fr. 4'500.-- ab.

Am 2. September 1998 rempelte er in Zug einen spanischen Touristen an,
spuckte ihn an und versetzte ihm einen Rippenprellungen verursachenden
Fusstritt gegen den Brustkorb.

Am 25. Oktober 1998 bedrohte er den Busfahrer F.________. Er spuckte ihn an,
schlug ihm ins Gesicht, drohte ihm mit dem Tod, zerrte ihn aufs Trottoir,
verletzte ihn mit einem Fusstritt in die Brust und entfernte sich daraufhin,
ohne sich um den am Boden liegenden Mann zu kümmern. Bei der polizeilichen
Befragung bespuckte und beschimpfte er die Beamten und äusserte
Todesdrohungen.

Am 14. November 1998 drang Y.________ zusammen mit einem Komplizen in die
Wohnung von X.________ ein. Er spritzte  diesem Tränengas in die Augen und
fügte ihm mit Schlägen auf den Kopf Verletzungen zu.

Y. ________ ist mehrfach vorbestraft: Im Jahre 1987 wurde er zu zehn Tagen
Gefängnis wegen Hehlerei verurteilt; 1989 zu zwei Monaten Gefängnis wegen
SVG-Delikten, falscher Anschuldigung und Anstiftung zur Irreführung der
Rechtspflege; 1990 zu einem Monat Gefängnis wegen SVG-Delikten und Entwendung
eines Motorfahrzeugs zum Gebrauch; 1991 zu zehn Tagen Gefängnis wegen
Diebstahls; 1994 zu fünf Jahren Zuchthaus mit ambulanter
psychotherapeutischer Behandlung wegen qualifizierten Diebstahls, mehrfachen
qualifizierten Raubes, Sachbeschädigung, Nötigung, Hausfriedensbruchs und
unerlaubten Waffentragens sowie 1998 zu zwanzig Tagen Gefängnis wegen
einfacher Körperverletzung und SVG-Delikten.

B.
Die Staatsanwaltschaft führt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde mit dem
Antrag, das Urteil des Obergerichts sei insoweit aufzuheben, als von einer
Verwahrung gemäss Art. 43 Ziff. 1 Abs. 2 StGB abgesehen wurde.

Das Obergericht und Y.________ schliessen auf Abweisung der Beschwerde.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Zu beurteilen ist einzig, ob der Beschwerdegegner nach Art. 43 Ziff. 1 Abs. 2
StGB zu verwahren ist. Die Beschwerdeführerin rügt, dass die Vorinstanz trotz
der ausgewiesenen Gemeingefährlichkeit des Beschwerdegegners, seiner
fehlenden Einsicht in das Unrecht seiner Straftaten, seiner eingeschränkten
Therapierbarkeit und der ungewissen Erfolgsaussichten einer ärztlichen
Behandlung auf die Anordnung einer Verwahrung verzichtet habe. Das Absehen
von einer Verwahrung in einem solchen Fall sei aufgrund des Schutz- und
Sicherheitsbedürfnisses der Allgemeinheit bundesrechtswidrig.

2.
Die Anordnung von Massnahmen gemäss Art. 43 StGB setzt stets die Einholung
einer psychiatrischen Expertise voraus (Art. 43 Ziff. 1 Abs. 3 StGB). Bei der
Begutachtung nach Ziff. 1 Abs. 2 der genannten Gesetzesbestimmung stehen die
Abklärung der Gefährlichkeit des Täters sowie dessen Rückfallprognose im
Vordergrund. Darüber hinaus bilden Fragen des Geisteszustandes des Täters,
der Behandlungsbedürftigkeit und -fähigkeit sowie der Wahl einer konkreten
Therapie Gegenstand des Gutachtens.

2.1 Im kantonalen Verfahren äusserten sich zwei psychiatrische
Sachverständige zur Verwahrung des Beschwerdegegners.

In seinem Zusatzgutachten vom 15. März 2000 hält der forensische Psychiater
Dr. med. G.________, J.________, eine Verwahrung des Beschwerdegegners
aufgrund seiner Gefährlichkeit und seiner therapeutischen bzw. medikamentösen
Unbehandelbarkeit für unumgänglich.

Nach Auffassung von Prof. Dr. med. H.________, Leiter der Abteilung für
forensische Psychiatrie der Psychiatrischen Universitätsklinik I.________,
ist die Anordnung einer Verwahrung hingegen noch nicht angezeigt. In seinem
Obergutachten vom 18. Juli 2001 bestätigt er die beim Beschwerdegegner
bereits erhobene Diagnose einer kombinierten Persönlichkeitsstörung
dissozialen Typs. Vom erheblich rückfallgefährdeten Beschwerdegegner gehe ein
beträchtliches Gefährdungspotential für Dritte aus, sollte er nicht behandelt
werden. Obwohl Persönlichkeitsstörungen mit ausgeprägt dissozialen Anteilen
generell nur schwer zu behandeln seien, könne zum gegenwärtigen Zeitpunkt
nicht davon ausgegangen werden, dass die Störung des Beschwerdegegners
gänzlich unbehandelbar sei. Eine Aussage hierzu sei allerdings erst möglich,
wenn eine adäquate Therapieform überhaupt über längere Zeit versucht worden
sei. Dabei bedürfe es eines integralen Therapiekonzepts, wie es im
Allgemeinen nicht in Haftanstalten, sondern lediglich in forensischen
Spezialinstitutionen angeboten werde. Die notwendige kombinierte intensive
Psycho- und Sozialtherapie könne nicht begleitend zu einer Haftstrafe und
schon gar nicht ambulant durchgeführt werden. Die Therapie bedürfe, zumindest
in der meist mehrjährigen Anfangsphase, eines sehr strukturierten und in der
Regel auch geschlossenen Rahmens. Im Lichte dieser Ausführungen sei eine
stationäre Behandlungsmassnahme im Sinne von Art. 43 Ziff. 1 Abs. 1 StGB zu
empfehlen. Einschränkend sei jedoch festzuhalten, dass es sich bei diesem
Entscheid um eine juristische Güterabwägung handle, die nicht vom Psychiater
zu treffen sei.

2.2 Die Vorinstanz verwarf die Auffassung von Dr. med. G.________ und schloss
sich vorbehaltlos der Meinung von Prof. Dr. med. H.________ an. Sie geht
davon aus, dass konkrete Anhaltspunkte den Schluss auf die
Gemeingefährlichkeit des Beschwerdegegners zuliessen, so etwa dessen leichte
Provozierbarkeit aus nichtigem Anlass, die Deliktsschwere, die fehlende
Einsicht in das Unrecht der begangenen Straftaten, die mangelnde soziale
Kompetenz, die geringe Frustrationstoleranz, die eingeschränkte
Therapierbarkeit sowie die Wirkungslosigkeit früherer Sanktionen. Doch sei
einige Hoffnung in eine adäquate Heilbehandlung des Beschwerdegegners zu
setzen. Eine solche könne jedoch nur in einer forensischen Spezialinstitution
erfolgen. Unter der Bedingung, dass eine adäquate Heilbehandlung tatsächlich
durchgeführt werde, stelle der Beschwerdegegner kein für die Allgemeinheit
unzumutbares Sicherheitsrisiko dar. Insofern sollte vorerst zumindest der
Versuch einer umfassenden Heilbehandlung stattfinden, bevor eine Verwahrung
angeordnet werde.

In dieser Richtung sei auch der Schlussbericht des Massnahmezentrums
K.________ vom 16. Juli 2002 zu verstehen. Der Beschwerdegegner kontrolliere
danach seine Aggressionen gut und bringe seine Anliegen und Klagen der
Anstaltsleitung gegenüber ohne Androhung oder gar Anwendung von Gewalt vor.
Insoweit scheine er trotz seiner konsequent eingenommenen Abwehrhaltung eine
Strategie gefunden zu haben, seine spürbar vorhandenen Aggressionen zu
kontrollieren und in gemässigte Bahnen zu lenken. Zwar habe eine grundlegende
Veränderung seiner Persönlichkeitsstruktur nicht stattgefunden, immerhin sei
aber eine Veränderung seines Geisteszustands festzustellen.

Ausserdem sei zu würdigen, dass der Beschwerdegegner an und für sich
therapiewillig, jedoch einer Therapie nur relativ schwer zugänglich sei. Es
sei zwar unverkennbar, dass sich der Beschwerdegegner kaum kooperativ gezeigt
habe; doch sei dieses Verhalten krankheitsbedingt. Die feindselige Haltung
des Beschwerdegegners sei wohl zu einem gewichtigen Teil auf die besondere
Situation des Strafvollzugs zurückzuführen. Im Rahmen einer Verwahrung oder
des Strafvollzugs würden seine Chancen auf eine erfolgreiche Therapie
erheblich sinken; hingegen sei zu hoffen, dass bei Gelingen einer intensiven,
verhaltenstherapeutisch orientierten Heilbehandlung der Therapiewille des
Beschwerdegegners im Verlauf der stationären Heilbehandlung zunehmen werde.
Durch eine solche Behandlung liesse sich eine Nachreifung des
Beschwerdegegners erreichen, was die Gefahr künftiger Delikte erheblich
mindern würde.

Zusammenfassend kommt die Vorinstanz zum Schluss, dass eine stationäre
Massnahme gemäss Art. 43 Ziff. 1 Abs. 1 StGB angebracht sei. Sollte sich der
Beschwerdegegner indes weiterhin renitent verhalten oder Gewalttätigkeiten an
den Tag legen, würde die Anordnung einer Verwahrung unabdingbar.

3.
Der Kassationshof ist an die tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz
gebunden. Rügen, die sich gegen die Beweiswürdigung und tatsächliche
Feststellungen richten, sind unzulässig (Art. 277bis Abs. 1 und Art. 273 Abs.
1 lit. b BStP; BGE 124 IV 81 E. 2a). Der Kassationshof prüft die Anwendung
des eidgenössischen Rechts folglich ausschliesslich auf der Grundlage des von
der Vorinstanz festgestellten Sachverhalts, soweit er sich aus dem
angefochtenen Entscheid sowie aus den Urteilen von Vorinstanzen oder aus
Gutachten ergibt, auf die im angefochtenen Entscheid ausdrücklich oder
stillschweigend verwiesen wird. Auf Vorbringen, die sich auf andere
tatsächliche Feststellungen stützen, wird nicht eingetreten (BGE 126 IV 65 E.
1).

Der körperliche und geistige Zustand einer Person, ihre Fremdgefährlichkeit,
Nähe und Ausmass der Gefahr eines Rückfalls, die Behandlungsfähigkeit und die
Behandlungswilligkeit sind Feststellungen tatsächlicher Natur, die den
Kassationshof binden (BGE 127 IV 1 E. 2). Auch die Frage, ob die in einem
Gutachten enthaltenen Erörterungen über die Massnahmebedürftigkeit des Täters
und die vom Gutachter daraus gezogenen Schlüsse überzeugend sind, ist eine
solche der Beweiswürdigung. Rügen zu Inhalt und Qualität eines Gutachtens
können in einer Nichtigkeitsbeschwerde nicht vorgebracht werden (BGE 106 IV
236 E. 2a).

Soweit die Beschwerdeführerin in der Begründung ihres Rechtsmittels von den
tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz abweicht, diese ergänzt oder sich
auf das von der Vorinstanz verworfene Gutachten beruft, kann auf ihre
Vorbringen nicht eingetreten werden.

4.
Erfordert der Geisteszustand des Täters, der eine vom Gesetz mit Zuchthaus
oder Gefängnis bedrohte Tat begangen hat, die damit im Zusammenhang steht,
ärztliche Behandlung oder besondere Pflege und ist anzunehmen, dadurch lasse
sich die Gefahr weiterer mit Strafe bedrohter Taten verhindern oder
vermindern, so kann der Richter den Täter gemäss Art. 43 Ziff. 1 Abs. 1 StGB
in eine Heil- oder Pflegeanstalt einweisen lassen. Er kann eine ambulante
Behandlung anordnen, sofern der Täter für Dritte nicht gefährlich ist.
Gefährdet der Täter infolge seines Geisteszustandes die öffentliche
Sicherheit in schwer wiegender Weise, so wird vom Richter seine Verwahrung
angeordnet, wenn diese Massnahme notwendig ist, um ihn vor weiterer
Gefährdung anderer abzuhalten. Die Verwahrung wird in einer geeigneten
Anstalt vollzogen, wobei nach Möglichkeit therapeutische und ärztliche Hilfe
zu leisten ist (Art. 43 Ziff. 1 Abs. 2 StGB; BGE 121 IV 297 E. 2b).

Die Verwahrung gemäss Art. 43 Ziff. 1 Abs. 2 StGB ist angesichts der Schwere
dieses Eingriffs in die persönliche Freiheit des Betroffenen "ultima ratio"
und darf nicht angeordnet werden, wenn die bestehende Gefährlichkeit auf
andere Weise behoben werden kann (BGE 118 IV 108 E. 2a mit Hinweisen). Das
Bundesgericht unterscheidet unter dem Gesichtspunkt der Notwendigkeit - im
Sinne einer Typisierung mit blosser Orientierungsfunktion - verschiedene
Tätertypen, bei denen eine Verwahrung nach Art. 43 Ziff. 1 Abs. 2 StGB in
Betracht kommt. Hierunter fallen zunächst die hochgefährlichen Täter, die
keiner Behandlung zugänglich sind. Daneben ist die Verwahrung bei solchen
Tätern statthaft, die zwar behandlungsbedürftig und behandlungsfähig sind,
die aber trotz ärztlicher Behandlung und besonderer Pflege so gefährlich
bleiben, dass die Gefahr schwerer Straftaten, vor allem von Gewaltdelikten,
sei es innerhalb oder ausserhalb der Anstalt, bestehen bleibt. Die
Heilchancen sind bei dieser Täterkategorie kurz- oder mittelfristig derart
ungewiss, dass in diesem Zeitraum gravierende Delikte zu befürchten wären.

Unter welchen Voraussetzungen eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit in
schwer wiegender Weise im Sinne von Art. 43 Ziff. 1 Abs. 2 StGB anzunehmen
ist, und wann eine Verwahrung notwendig erscheint, ist eine Rechtsfrage. Die
Beurteilung der Notwendigkeit muss dabei sowohl dem Sicherungsaspekt (Schutz
der Allgemeinheit vor gefährlichen Tätern) wie dem Heilungsaspekt (Behandlung
im Hinblick auf Heilung und Entlassung) Rechnung tragen. Die schwer wiegende
Gefährdung bezieht sich nicht nur auf Nähe und Ausmass der Gefahr, sondern
auch auf Art bzw. Bedeutung des gefährdeten Rechtsgutes. Bei der Gefährdung
hochwertiger Rechtsgüter wie Leib und Leben sind an Nähe und Ausmass der
Gefahr geringere Anforderungen zu stellen als bei der Gefährdung weniger
bedeutender Rechtsgüter wie Eigentum und Vermögen. Entsprechend kann die
Verwahrung bei Gefährdung von Leib und Leben schon dann im Sinne von Art. 43
Ziff. 1 Abs. 2 StGB notwendig sein, wenn die Gefahr nicht besonders gross ist
(BGE 125 IV 118 E. 5b/bb; 124 IV 246 E. 2b). Dabei ist auch zu
berücksichtigen, dass Prognosen über die Gefährlichkeit naturgemäss unsicher
und schwierig sind. Hält der Richter auf Grund der Ausführungen des
psychiatrischen Gutachters ein Fortbestehen der Fremdgefährlichkeit trotz
ärztlicher Behandlung in der Zukunft für möglich, darf er die Gefährlichkeit
als Voraussetzung für die Anordnung einer bestimmten Massnahme bejahen. Der
Grundsatz "in dubio pro reo" gilt bei der Prognosestellung nicht; der
Entscheid muss auch gegenüber möglichen Opfern eines in Freiheit belassenen
Täters verantwortet werden (BGE 127 IV 1 E. 2a und 2c/bb; 118 IV 108 E. 2a
mit Hinweisen).

5.
5.1 Gemäss den verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz ist der
Beschwerdegegner erheblich rückfallgefährdet. Die Gefährdung richtet sich
dabei - im Blick auf die bisher verübten Straftaten - gegen hochwertige
Rechtsgüter, namentlich Leib und Leben Dritter. Eine Verwahrung ist damit im
Lichte der vorstehenden Ausführungen nicht erst möglich, wenn jegliche
Heilungschancen eines Täters fehlen; vielmehr muss eine solche schon Platz
greifen, wenn die Erfolgsaussichten einer Heilung kurz- oder mittelfristig
ungewiss sind und der Täter trotz ärztlicher Behandlung möglicherweise
weiterhin gefährlich bleibt (BGE 118 IV 108 E. 2a). Dies trifft vorliegend
zu. Zwar kann von einer absoluten Unbehandelbarkeit des Beschwerdegegners -
zumindest vorderhand - nicht ausgegangen werden, zumal offenbar gewisse
Heilungschancen bestehen. Die kurz- und mittelfristigen Erfolgsaussichten
einer ärztlichen Behandlung sind jedoch derart unsicher, dass selbst eine
Aussage über die Behandelbarkeit bzw. Therapiefähigkeit des Beschwerdegegners
erst möglich ist, wenn eine adäquate Therapieform über längere Zeit hinweg
versucht worden ist. Dabei ist von einer mehrjährigen Anfangsphase der
Behandlung auszugehen. Hinzu kommt, dass sich der Beschwerdegegner bisher
kaum kooperativ gezeigt hat und einer Therapie nur unter erschwerten
Umständen zugänglich ist. Sind demnach die Erfolgschancen einer Heilung bei
einem gefährlichen Täter wie dem Beschwerdegegner kurz- und mittelfristig
derart zweifelhaft, ist das Absehen von der Anordnung einer Verwahrung gemäss
Art. 43 Ziff. 1 Abs. 2 StGB bundesrechtswidrig.

5.2 Die Vorinstanz geht - im Sinne des ultima ratio Prinzips - zutreffend
davon aus, dass eine Verwahrung im Rahmen von Art. 43 StGB nur in Betracht
komme, wenn sich eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit nicht auf
anderem Weg vermeiden lasse. Nicht beigepflichtet werden kann ihr hingegen,
soweit sie ausführt, angesichts der angeblich heute herrschenden
Vollzugspraxis, bei welcher ein Verwahrter mit einer Entlassung innert
absehbarer Zeit kaum mehr rechnen könne, sei in Zweifelsfällen mit der
Anordnung der Verwahrung Zurückhaltung am Platz. Wie bereits ausgeführt, muss
eine Verwahrung - jedenfalls bei erheblicher Gefahr für Leib und Leben
Dritter - im Interesse der öffentlichen Sicherheit angeordnet werden, wenn
die kurz- und mittelfristigen Erfolgsaussichten in Bezug auf eine ärztliche
Behandlung wie hier sehr vage und ungewiss sind. Sie ist dann aufzuheben,
wenn ihr Grund wegfällt, d.h. die vom Täter ausgehende Gefahr nicht mehr oder
nur mehr in einem Ausmass besteht, das unter jener Schwelle liegt, die eine
weitere Verwahrung rechtfertigen könnte (Art. 43 Ziff. 4 Abs. 1 StGB). Im
Übrigen muss die zuständige Behörde mindestens einmal jährlich in Bezug auf
die bedingte oder probeweise Entlassung aus einer Anstalt nach Art. 43 StGB
Beschluss fassen (Art. 45 Ziff. 1 Abs. 2 StGB).

5.3 Unter Berufung auf die im Massnahmerecht geltenden Prinzipien der
Subsidiarität und Flexibilität hält die Vorinstanz dafür, dass die Verwahrung
nachträglich angeordnet werden könne, falls die Behandlung in einer Heil-
oder Pflegeanstalt nach Art. 43 Ziff. 1 Abs. 1 StGB scheitere. Dieser
Auffassung kann in ihrer Absolutheit nicht gefolgt werden.

Richtig ist, dass die verschiedenen Massnahmen von Art. 43 StGB in einem
systematischen Zusammenhang stehen und grundsätzlich wechselseitig
austauschbar sind. Bei Misserfolg der ursprünglich angeordneten geeigneten
Massnahme drängt sich insofern die Prüfung einer Ersatzmassnahme auf. Damit
wird dem Bedürfnis Rechnung getragen, eine situationsgerechte Anwendung des
komplexen Massnahmerechts im Einzelfall zu ermöglichen (BGE 123 IV 100 E. 3b;
100 IV 12 E. 2b/c). Im Lichte dieser Ausführungen erscheint daher der Ersatz
einer Behandlung in einer Heil-oder Pflegeanstalt gemäss Art. 43 Ziff. 1 Abs.
1 StGB durch eine Verwahrung gemäss Art. 43 Ziff. 1 Abs. 2 StGB durchaus
denkbar. Mögliche Gründe für ein solches Vorgehen sind beispielsweise die
ursprünglich zu positive Einschätzung der kurz- und mittelfristigen
Heilungschancen beim Täter oder eine andere Risikoeinschätzung, die sich
aufgrund neu gewonnener Erkenntnisse im Verlaufe einer ärztlichen Behandlung
ergeben hat (Philipp Maier/Frank Urbaniok, Die Anordnung und praktische
Durchführung von Freiheitsstrafen und Massnahmen, 1998, S. 112 f.).
Die Möglichkeit, eine Massnahme nach Art. 43 StGB nachträglich durch eine
andere zu ersetzen, ist jedoch nicht in jedem Fall zulässig; sie ist vielmehr
nur gegeben, wenn die ursprüngliche Massnahme im Zeitpunkt ihrer Anordnung
geeignet erschien. Erweist sich daher eine Massnahme zum vornherein
ungenügend oder unzweckmässig, darf sie nicht verhängt werden unter Vorbehalt
der nachträglichen Anordnung einer Ersatzmassnahme. Daraus ergibt sich, dass
eine Einweisung in eine Heil- oder Pflegeanstalt gemäss Art. 43 Ziff. 1 Abs.
1 StGB nicht ausgesprochen werden darf, wenn - wie hier - bereits im
Zeitpunkt ihrer Anordnung erhebliche Zweifel an deren Zweckmässigkeit
bestehen und sich die Verwahrung aufdrängt. Erreicht werden soll damit, dass
die im Einzelfall adäquat erscheinende Massnahme bereits im Haupturteil
verhängt wird, so dass die Möglichkeit der späteren Umwandlung von Massnahmen
nach Art. 43 Ziff. 3 Abs. 2 StGB nicht zur Umgehung der Verwahrung gemäss
Art. 43 Ziff. 1 Abs. 2 StGB benutzt werden kann (Entscheid des Kassationshofs
vom 26. März 2003, 6S.454/2002).

5.4 Die Vorinstanz führt unter Berufung auf ein unveröffentlichtes Urteil des
Kassationshofes aus, die Frage, ob eine Massnahme auf Abs. 1 oder Abs. 2 von
Art. 43 Ziff. 1 StGB abgestützt werde, ob also eine Einweisung in eine
Heilanstalt oder eine Verwahrung angeordnet werde, sei an und für sich
unerheblich, wenn die Sicherheit in der Anstalt gewährleistet sei (Entscheid
vom 2. November 2000, 6S.522/2000; Marianne Heer, Basler Kommentar,
Strafgesetzbuch I, Art. 43 N 165, 194). Diese Auffassung trifft zu, soweit
sie sich ausschliesslich auf den Vollzug der beiden Massnahmen bezieht. Denn
auch eine Verwahrung kann in einer Heilanstalt vollzogen werden, falls die
öffentliche Sicherheit für die Dauer des Aufenthaltes in der Anstalt
garantiert werden kann. Dies entspricht letztlich auch dem Zweckgedanken von
Art. 43 StGB, welcher psychisch-kranken gemeingefährlichen Straftätern, die
nach Ziff. 1 Abs. 2 zu verwahren sind, den gleichen ärztlichen
Behandlungsanspruch einräumt, wie er stationär eingewiesenen Tätern gemäss
Ziff. 1 Abs. 1 zukommt. Insoweit ist beiden Täterkategorien den gleichen
Zugang zu einer adäquaten Heilbehandlung zu gewähren, so dass ein Unterschied
zwischen Verwahrung und Einweisung in eine Heilanstalt - abgesehen von den
ungleichen gesetzlichen Anordnungsvoraussetzungen - nur bei einem Misserfolg
der ärztlichen Behandlung zum Tragen kommen sollte. Der Vollzug der
Verwahrung in einer Strafanstalt, welcher den Anforderungen des vorliegenden
Falles laut dem Obergutachter überdies wohl kaum gerecht würde, erscheint
daher nach dem Gesagten nicht unumgänglich.

Es bleibt - gleichsam einschränkend - darauf hinzuweisen, dass die
unbefriedigende tatsächliche Vollzugssituation bei der Wahl der Massnahme
durch Gerichte nicht massgebend sein kann und darf (BGE 102 IV 166 E. 3b; 101
IV 141 E. 3). Der Richter ist im Rahmen seiner Entscheidfindung einzig dem
Gesetz verpflichtet; in Abwägung der gegenläufigen privaten und öffentlichen
Interessen muss er die im Einzelfall richtige Massnahme anordnen, auch wenn
es im Rahmen des Vollzugs nach wie vor an geeigneten Anstalten für psychisch
kranke gemeingefährliche Täter fehlen mag.

6.
Im Lichte der vorstehenden Erwägungen ergibt sich insgesamt, dass die
Nichtanordnung der Verwahrung durch die Vorinstanz Bundesrecht verletzt. Die
Nichtigkeitsbeschwerde ist daher, soweit darauf eingetreten werden kann,
gutzuheissen und das angefochtene Urteil, soweit eine stationäre Behandlung
angeordnet worden ist, aufzuheben. Die Sache wird zur Neubeurteilung an die
Vorinstanz zurückgewiesen.

Dem Gesuch des Beschwerdegegners um unentgeltliche Rechtspflege wird
entsprochen. Der Rechtsvertreter des Beschwerdegegners erhält eine
angemessene Entschädigung und es wird von einer Kostenauflage abgesehen (Art.
152 Abs. 1 und 2 OG). Der öffentliche Ankläger des Kantons wird nicht
entschädigt (Art. 278 Abs. 3 BStP).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird gutgeheissen, soweit darauf einzutreten ist.
Das Urteil des Obergerichts des Kantons Luzern, II. Kammer, vom 17. September
2002 wird aufgehoben, soweit es eine stationäre Behandlung anordnet (Ziff. 3
des Urteilsspruches), und die Sache zur neuen Entscheidung an die Vorinstanz
zurückgewiesen.

2.
Das Gesuch des Beschwerdegegners um unentgeltliche Rechtspflege wird
gutgeheissen.

3.
Es werden keine Kosten erhoben.

4.
Der Rechtsvertreter des Beschwerdegegners wird aus der Bundesgerichtskasse
mit Fr. 3'000.-- entschädigt.

5.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Luzern, II.
Kammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 26. Juni 2003

Im Namen des Kassationshofes
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Die Gerichtsschreiberin: