Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Kassationshof in Strafsachen 6S.198/2003
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6S.198/2003 /kra

Urteil vom 8. September 2003
Kassationshof

Bundesrichter Schneider, Präsident,
Bundesrichter Wiprächtiger, Kolly, Karlen,
Ersatzrichterin Pont Veuthey,
Gerichtsschreiber Borner.

F. ________,
Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt lic.iur. Daniel Speck, Zürcher
Strasse 53, 9000 St. Gallen,

gegen

Staatsanwaltschaft des Kantons Appenzell A.Rh., Rathaus, 9043 Trogen.

Widerhandlung gegen die kantonale Feuerschutzverordnung (Art. 221, 222, 335
StGB),

Nichtigkeitsbeschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons
Appenzell A.Rh., 1. Abteilung,
vom 18. März 2003.

Sachverhalt:

A.
F. ________ führt in S.________ eine Praxis in einer 3½-Zimmer-Wohnung. In
dieser brach am 4. Juli 2001 gegen Abend während seiner Abwesenheit ein
Küchenbrand aus, der nach den polizeilichen Feststellungen auf eine
eingeschaltete Kochplatte zurückzuführen war. Obwohl das Feuer von selbst
erstickte, entstand beträchtlicher Sachschaden. Der Brand wurde von
F.________ erst am folgenden Morgen nach Betreten seiner Praxis entdeckt und
der Polizei gemeldet. Am Vortag hatte seine Raumpflegerin mit ihrer Nichte in
der Praxis Reinigungsarbeiten ausgeführt und dabei höchstwahrscheinlich
ungewollt eine Kochplatte eingeschaltet. Von einer Strafuntersuchung gegen
die Raumpflegerin wurde abgesehen, da diese davon habe ausgehen können, dass
der Kochherd nicht mehr in Betrieb sei.

Das Kantonsgericht von Appenzell Ausserrhoden sprach F.________ am 5. Juli
2002 der Widerhandlung gegen die kantonale Feuerschutzverordnung schuldig und
verurteilte ihn zu einer Busse von Fr. 500.--. Die Appellation des
Verurteilten an das Obergericht des Kantons Appenzell Ausserrhoden blieb ohne
Erfolg.

B.
F.________ erhebt beim Bundesgericht eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde.
Er beantragt, es sei das Urteil des Obergerichts vom 18. März 2003
aufzuheben; ferner sei er vom Vorwurf der Widerhandlung gegen die kantonale
Feuerschutzverordnung freizusprechen, die kantonalen Verfahrenskosten von Fr.
3'550.-- seien dem Kanton Appenzell Ausserrhoden aufzuerlegen, und dieser sei
zu verpflichten, ihm eine Parteientschädigung von Fr. 6'214.45 zu bezahlen.

Das Obergericht verzichtet auf Gegenbemerkungen zur Beschwerde.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Zunächst ist zu prüfen, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang das vom
Beschwerdeführer erhobene Rechtsmittel zulässig ist.

1.1 Nach Art. 269 BStP kann mit der eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde
die Verletzung von Bundesrecht geltend gemacht werden (Abs. 1). Verstösse
gegen verfassungsmässige Rechte sind dagegen mit staatsrechtlicher Beschwerde
vorzubringen (Abs. 2).

1.1.1 Der Beschwerdeführer rügt, die Norm der kantonalen
Feuerschutzverordnung, auf die sich seine Verurteilung stütze, verletze das
Bestimmtheitsgebot gemäss Art. 1 StGB. Diese Norm gilt jedoch nur im Bereich
des eidgenössischen und nicht in jenem des kantonalen Strafrechts. Immerhin
bildet das in ihr verankerte Legalitätsprinzip auch ein verfassungsmässiges
Recht, das seine Grundlage früher in Art. 4 aBV hatte und sich neuerdings aus
Art. 5 Abs. 1 sowie Art. 164 Abs. 1 lit. c BV (vgl. Tobias Jaag, Die
Verfahrensgarantien der neuen Bundesverfassung, in: Die neue
Bundesverfassung, hrsg. von Peter Gauch/Daniel Thürer, Zürich 2002, S. 42)
und aus Art. 7 EMRK ergibt und das in der gesamten schweizerischen
Rechtsordnung zu beachten ist. Dessen (direkte) Verletzung ist indessen
gemäss Art. 269 Abs. 2 BStP mit staatsrechtlicher Beschwerde vorzubringen
(BGE 118 Ia 137 E. 1c S. 139; 112 Ia 107 E. 3a S. 112). Auf die
Nichtigkeitsbeschwerde ist daher nicht einzutreten, soweit damit eine
Verletzung von Art. 1 StGB gerügt wird.

1.1.2 Nach Ansicht des Beschwerdeführers verletzt der angefochtene Entscheid
ebenfalls Art. 18 StGB. Die Vorinstanz hat die Verurteilung auf kantonales
Strafrecht gestützt und Art. 18 StGB lediglich auf Grund der Verweisung in
Art. 2 des Gesetzes über das kantonale Strafrecht beigezogen. Die Vorinstanz
hat daher Art. 18 StGB als kantonales und nicht als eidgenössisches Recht
angewendet (BGE 103 IV 76 E. 1 S. 78). Auf die Nichtigkeitsbeschwerde, mit
der nur die Verletzung von eidgenössischem Recht gerügt werden kann, ist
daher auch in diesem Punkt nicht einzutreten.

1.1.3 Weiter rügt der Beschwerdeführer die Anwendung der kantonalen Regelung
durch die Vorinstanz als grundsätzlich unzulässig. Da der Bundesgesetzgeber
die strafwürdigen Fälle des Verursachens einer Feuersbrunst abschliessend
geordnet habe, bestehe für kantonales Übertretungsstrafrecht in diesem
Bereich kein Raum mehr. Die Verurteilung gestützt auf die kantonale
Feuerschutzverordnung verletze daher Art. 335 Ziff. 1 StGB.

Nach der Rechtsprechung kann die Rüge, kantonales Recht sei anstelle von
Bundesrecht angewendet worden, mit der eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde
vorgebracht werden. Dieses Rechtsmittel ist insbesondere auch zulässig, wenn
zu beurteilen ist, ob ein Kanton ein vom Bund nicht unter Strafe gestelltes
Verhalten für strafbar erklären dürfe (BGE 116 IV 19 E. 1). Auf das
Rechtsmittel des Beschwerdeführers ist somit einzutreten, soweit darin eine
Bundesrechtswidrigkeit von Art. 59 der kantonalen Feuerschutzverordnung
geltend gemacht wird.

1.1.4 Die im Rahmen der Nichtigkeitsbeschwerde unzulässigen Rügen hätte der
Beschwerdeführer mit staatsrechtlicher Beschwerde vorbringen können, soweit
auch eine Verfassungsverletzung in Frage stand. Eine Entgegennahme der
fraglichen Darlegungen als staatsrechtliche Beschwerde kommt jedoch nicht in
Betracht. Zwar ist eine Umwandlung des unrichtigen in das zutreffende
Rechtsmittel möglich, wenn dessen Sachurteilsvoraussetzungen erfüllt sind.
Vorliegend sind jedoch die erhobenen Rügen ganz auf die
Nichtigkeitsbeschwerde zugeschnitten und erfüllen die
Begründungsanforderungen der staatsrechtlichen Beschwerde nicht (Art. 90 Abs.
1 lit. b OG). Im Übrigen lehnt die Rechtsprechung eine Umwandlung ab, wenn
ein durch einen Rechtsanwalt vertretener Beschwerdeführer bewusst ein
Rechtsmittel einreicht, das sich als unzulässig erweist (BGE 120 II 270 E.
2).

1.2 Die eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde ist rein kassatorischer Natur
(Art. 277ter Abs. 1 BStP). Soweit der Beschwerdeführer mehr verlangt als die
Aufhebung des angefochtenen Entscheids, ist auf sein Rechtsmittel ebenfalls
nicht einzutreten (BGE 125 IV 298 E. 1 S. 301).

2.
Die umstrittene Verurteilung stützt sich auf Art. 59 in Verbindung mit Art. 1
der kantonalen Verordnung über den Feuerschutz (Feuerschutzverordnung; bGS
861.1). Der Beschwerdeführer macht geltend, diese kantonalen Bestimmungen
seien bundesrechtswidrig, da das eidgenössische Strafgesetzbuch den
fraglichen Bereich abschliessend regle.

2.1 Nach Art. 335 Ziff. 1 StGB bleibt den Kantonen die Gesetzgebung über das
Übertretungsstrafrecht insoweit vorbehalten, als es nicht Gegenstand der
Bundesgesetzgebung ist (Abs. 1). Sie sind ausserdem befugt, die Übertretung
kantonaler Verwaltungs- und Prozessvorschriften mit Strafe zu bedrohen (Abs.
2). Schliesslich räumt Art. 335 Ziff. 2 StGB den Kantonen die Befugnis ein,
Strafbestimmungen zum Schutz ihres Steuerrechts aufzustellen.

Im Bereich des Übertretungsstrafrechts besteht nur Raum für zusätzliche
kantonale Bestimmungen, soweit das eidgenössische Strafgesetzbuch die
Angriffe auf ein Rechtsgut nicht durch ein geschlossenes System von Normen
abschliessend regelt. Der Umstand, dass das Bundesrecht eine Handlung nicht
für strafbar erklärt, genügt nicht, um eine Zuständigkeit des kantonalen
Gesetzgebers anzunehmen. Denn das Fehlen einer eidgenössischen Strafnorm kann
auch bedeuten, dass das fragliche Verhalten straflos bleiben soll (sog.
qualifiziertes Schweigen des Gesetzgebers). Nur wo der Bundesgesetzgeber
einen Fragenkreis überhaupt nicht oder bloss teilweise regelt, dürfen die
Kantone Übertretungsstrafnormen erlassen (BGE 117 Ia 472 E. 2b S. 474; 115 Ia
234 E. 12c/bb S. 273 f.).

Demgegenüber sind Strafbestimmungen der Kantone auf dem Gebiet des
Verwaltungsrechts nach Art. 335 Ziff. 1 Abs. 2 StGB grundsätzlich
uneingeschränkt zulässig, soweit ihnen nach Art. 3 BV für die fragliche
Materie die Regelungskompetenz zusteht. Als Verwaltungsstrafrecht gelten jene
Tatbestände, die der Durchführung verwaltungsrechtlicher Bestimmungen dienen.
Das bedeutet, dass sich die Verhaltensvorschrift, deren Verletzung in Frage
steht, aus einem verwaltungsrechtlichen Erlass ergeben muss (BGE 115 Ia 234
E. 12c/cc S. 274 f.).
2.2 Nach Art. 59 der Feuerschutzverordnung wird mit Busse bis 10'000 Franken
bestraft, wer dem Feuerschutzgesetz (bGS 861.0), der Feuerschutzverordnung
oder darauf abgestützten Anordnungen und Weisungen der zuständigen Behörden
zuwiderhandelt. Die genannten Erlasse dienen der Bekämpfung von Bränden und
Explosionen (vgl. Art. 1 des Feuerschutzgesetzes; Art. 1 der
Feuerschutzverordnung). Sie enthalten die dazu erforderlichen Verhaltens- und
Organisationsvorschriften. Die Strafbestimmung von Art. 59 der
Feuerschutzverordnung soll die Einhaltung der feuerpolizeilichen Vorschriften
sicherstellen, insbesondere die Einhaltung der allgemeinen Sorgfaltspflicht
(Art. 1 der Feuerschutzverordnung) gewährleisten. Es handelt sich demnach um
eine Norm zur Durchsetzung der verwaltungsrechtlichen Vorschriften über die
Brandbekämpfung. Da den Kantonen ausserdem die Kompetenz auf dem Gebiet der
Feuerpolizei zusteht, fällt die fragliche Strafbestimmung von Art. 59 der
Feuerschutzverordnung unter Art. 335 Ziff. 1 Abs. 2 StGB und greift
demzufolge nicht in den dem Bund vorbehaltenen Bereich des Strafrechts ein.
Die Argumentation der Vorinstanz, wonach der Bundesgesetzgeber die
Strafbarkeit der Verursachung von Bränden nicht habe erschöpfend regeln
wollen und den Kantonen Raum für ergänzende Übertretungstatbestände belasse,
wird vom Beschwerdeführer hingegen zu Recht kritisiert. Art. 221 und 222 StGB
regeln die Strafbarkeit der Verursachung einer Feuersbrunst abschliessend.
Eine solche ist nach den genannten Bestimmungen nur strafbar, wenn das Feuer
bei einer anderen Person als dem Täter einen Schaden anrichtet oder eine
Gemeingefahr hervorruft. Die eingeschränkte Strafbarkeit der Verursachung
einer Feuersbrunst ergibt sich ebenfalls aus der Einreihung der beiden
Tatbestände bei den gemeingefährlichen Straftaten, welche die Schaffung einer
besonderen Gefahr voraussetzen (vgl. BGE 117 IV 285 E. 2a S. 286;
Roelli/Fleischanderl, BK, N. 9 und 12 zu Art. 211 StGB mit Hinweisen). Der
Beschwerdeführer ist freilich von den kantonalen Instanzen gar nicht wegen
der Verursachung einer Feuersbrunst bestraft worden. Vielmehr erfolgte der
Schuldspruch wegen der Missachtung der feuerpolizeilichen Sorgfaltspflicht
(Schaffung einer gefahrenträchtigen Situation, kein Einschreiten nach
Missachtung der Weisungen betr. Sicherungskasten durch die
Reinigungsangestellte), also - wie erwähnt - wegen eines Verstosses gegen die
verwaltungsrechtlichen Vorschriften über die Brandbekämpfung.

Aus diesen Gründen kann von einer Verletzung von Art. 335 StGB keine Rede
sein. Die entsprechende Rüge geht fehl.

3.
Die eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde ist demnach abzuweisen, soweit
darauf einzutreten ist.

Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind die bundesgerichtlichen Kosten dem
Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 278 Abs. 1 BStP).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Staatsanwaltschaft des Kantons
Appenzell A.Rh. und dem Obergericht des Kantons Appenzell A.Rh., 1.
Abteilung, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 8. September 2003

Im Namen des Kassationshofes
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Der Gerichtsschreiber: