Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Kassationshof in Strafsachen 6S.12/2003
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6S.12/2003 /kra

Urteil vom 27. März 2003
Kassationshof

Bundesrichter Schneider, Präsident,
Bundesrichter Wiprächtiger, Kolly,
Gerichtsschreiber Monn.

X. ________,
Beschwerdeführer, vertreten durch Fürsprech Konrad Jeker, Postfach 525, 4502
Solothurn,

gegen

Staatsanwaltschaft des Kantons Solothurn, Bielstrasse 9, 4509 Solothurn.

Falsches Zeugnis (Art. 307 Abs. 1 StGB),

Nichtigkeitsbeschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons
Solothurn, Strafkammer, vom 11. Dezember 2002.

Sachverhalt:

A.
Das Untersuchungsrichteramt für Wirtschaftsdelikte des Kantons Solothurn
führte gegen Y.________ ein umfangreiches Strafverfahren. Ihm wurde als
ungetreue Geschäftsbesorgung zum Nachteil der A.________ AG in Solothurn
vorgeworfen, er habe als Beauftragter der A.________ AG pflichtwidrig
veranlasst, dass diese sich am 7. November 1996 mit einer halben Million
Franken am Aktienkapital der B.________ AG, bei der er Verwaltungsrat gewesen
sei, beteiligt habe. Dabei habe er sich und den beiden anderen
Verwaltungsräten der B.________ AG unentgeltlich eine einjährige Option auf
den Kauf von einem Drittel der Aktien der B.________ AG zu einem im voraus
festgelegten Preis von einem Franken über dem Nominalwert eingeräumt.

Gemäss einer von einer Drittperson erstellten Aktennotiz erklärte X.________,
der mit Y.________ geschäftlich in Verbindung stand, am 21. März 1998 vor
zwei anwesenden Personen, Y.________ habe ihm seinerzeit gesagt, "sollte die
Sache mit der B.________ AG flöten gehen, die A.________ AG würde davon
nichts merken, das könne er ohne weiteres vertuschen". X.________ erklärte
gemäss der Aktennotiz weiter, "er X.________ würde dies vor Gericht
bezeugen".

Von dieser Aktennotiz erhielt der Untersuchungsrichter am 3. April 1998
Kenntnis.

B.
Im Rahmen der Untersuchung gegen Y.________ wurde X.________ am 21. Juli 1998
als Zeuge zur Wahrheit ermahnt, auf die Strafdrohung von Art. 307 StGB
hingewiesen und in der Folge einvernommen. Obwohl sich der
Untersuchungsrichter besonders für diesen Punkt interessierte, bestritt
X.________ explizit, dass in einem Gespräch zwischen Y.________ und ihm das
Wort "vertuschen" gebraucht worden sei; Y.________ habe ihm nur gesagt, "dass
ein allfälliger Verlust der halben Mio AK im Rahmen der Toleranz seiner
Börsengeschäftstätigkeit liege und die Schwankungen sich über das ganze Jahr
wieder ausbalancieren würden, so dass die A.________ AG effektiv nichts davon
merken würde".

Am 6. Juni 2000 wurde X.________ erneut als Zeuge befragt. Dabei sagte er
aus, Y.________ habe ihm gesagt, dass er den Verlust "vertuschen" könne,
wobei er allenfalls auch den Ausdruck "vermischeln" oder "untergehen"
verwendet haben könnte. Als X.________ dessen Aussagen vom 21. Juli 1998
hinsichtlich des Gebrauchs des Wortes "vertuschen" vorgehalten wurden, sagte
er aus, er sei sich nicht ganz sicher, ob Y.________ genau das Wort
"vertuschen" gebraucht habe.

C.
In der Folge wurde gegen X.________ ein Verfahren wegen falschen Zeugnisses
gemäss Art. 307 StGB eröffnet. In dessen Verlauf sagte er am 31. August 2000
aus, es sei richtig, dass Y.________ das Wort "vertuschen" gebraucht habe;
"dazu stehe er".

Mit Urteil vom 22. Mai 2001 sprach der Amtsgerichtspräsident von Solothurn
Lebern X.________ erstinstanzlich wegen der Aussage vom 21. Juli 1998 des
falschen Zeugnisses schuldig. Vor dem Präsidenten bestätigte X.________, die
Aktennotiz über das Gespräch vom 21. März 1998 sei richtig; das Wort
"vertuschen" sei von Y.________ gebraucht worden.

D.
Das Obergericht des Kantons Solothurn, Strafkammer, erkannte am 11. Dezember
2002 im Appellationsverfahren, X.________ habe sich des falschen Zeugnisses,
begangen am 21. Juli 1998, schuldig gemacht. Das Gericht verurteilte ihn zu
einer Gefängnisstrafe von zwei Monaten, unter Gewährung des bedingten
Strafvollzugs mit einer Probezeit von zwei Jahren.

E.
X.________ führt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde und beantragt, das
Urteil des Obergerichts sei vollumfänglich aufzuheben. Die Sache sei zu neuer
Entscheidung an das Obergericht zurückzuweisen.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Der Beschwerdeführer macht geltend, die Sachverhaltsdarstellung des
angefochtenen Entscheids sei unvollständig, weil sich die Vorinstanz nicht
dazu äussere, was zeitlich vor seiner Zeugenaussage als massgeblicher
Sachverhalt gelten soll (vgl. Beschwerde S. 3-6).

Die Rüge ist offensichtlich unbegründet. Oben unter lit. A und B ist
wiedergegeben, von welchem wesentlichen Sachverhalt die Vorinstanz
ausgegangen ist. Was daran unvollständig sein könnte, ist nicht ersichtlich.

2.
Zur Hauptsache rügt der Beschwerdeführer, die Vorinstanz habe ihn zu Unrecht
des falschen Zeugnisses im Sinne von Art. 307 Abs. 1 StGB schuldig
gesprochen, da sie ihrem Urteil nicht den tatsächlichen Inhalt des Gesprächs,
sondern lediglich seine Erinnerung daran zugrunde gelegt habe (vgl.
Beschwerde S. 6-9).

Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers kann die Erinnerung durchaus
Gegenstand eines falschen Zeugnisses sein. Derjenige, der vorgibt, sich an
etwas nicht oder nicht mehr zu erinnern, obwohl er sich tatsächlich noch
daran erinnert, sagt objektiv falsch aus (Delnon/Rüdy, in:
Niggli/Wiprächtiger, Basler Kommentar, Strafgesetzbuch II, Basel 2003, Art.
306 N 23). Umgekehrt sagt auch derjenige objektiv falsch aus, der sich zwar
nicht mehr an einen Sachverhalt erinnert, aber behauptet, noch genau zu
wissen, wie sich dieser abgespielt hat.

Die Vorinstanz durfte deshalb offen lassen, ob in dem in Frage stehenden
Gespräch zwischen dem Beschwerdeführer und Y.________ tatsächlich von
"vertuschen" gesprochen worden ist (obwohl dies angesichts des oben unter
lit. C erwähnten späteren Aussageverhaltens des Beschwerdeführers feststehen
dürfte). Entscheidend für die Frage, ob der Beschwerdeführer ein falsches
Zeugnis abgelegt hat, ist nämlich nicht, ob Y.________ den Ausdruck
"vertuschen" gebraucht hat oder nicht, sondern der Umstand, dass der
Beschwerdeführer, wie sich aus der Aktennotiz über das Gespräch vom 21. März
1998 mit aller Deutlichkeit ergibt, zu diesem Zeitpunkt im März 1998 klar der
Meinung war, das Wort "vertuschen" sei im Gespräch zwischen ihm und
Y.________ gefallen. Es ist nun zwar möglich (wenn auch angesichts seines
späteren Aussageverhaltens unwahrscheinlich), dass ihm diesbezüglich in den
folgenden drei Monaten bis zur Einvernahme als Zeuge durch den
Untersuchungsrichter gewisse Zweifel kamen. Der Untersuchungsrichter
insistierte jedoch genau auf diesem Punkt. Indem der Beschwerdeführer nun
explizit bestritt, dass im Gespräch zwischen ihm und Y.________ das Wort
"vertuschen" gefallen sei, sagte er vor dem Untersuchungsrichter "im
objektiven Widerspruch zur Wahrheit" (Beschwerde S. 6 mit Hinweisen) und
damit offensichtlich falsch aus. Angesichts seines späteren Aussageverhaltens
ist es fraglich, ob er am 21. Juli 1998 überhaupt Zweifel hatte. Aber
"objektiv wahr" und richtig wäre zu diesen Zeitpunkt höchstens seine spätere
Aussage vom 6. Juni 2000 gewesen, als er erklärte, er sei sich "nicht ganz
sicher", ob Y.________ genau das Wort "vertuschen" gebraucht habe.
Offensichtlich unwahr war demgegenüber seine explizite Behauptung, das Wort
"vertuschen" sei nicht gefallen.

Mit der Vorinstanz ist zudem davon auszugehen, dass das falsche Zeugnis des
Beschwerdeführers für die richterliche Entscheidung nicht unerheblich war, so
dass Art. 307 Abs. 3 StGB ausscheidet. Für die Beurteilung des späteren
Verhaltens von Y.________ kann es durchaus von Bedeutung sein, ob er zunächst
davon ausging, ein allfälliger Verlust liege im Rahmen der Toleranz seiner
Börsengeschäftstätigkeit, so dass sich die Schwankungen über das Jahr quasi
automatisch wieder ausbalancieren würden, oder ob er von Anfang an
beabsichtigte, den allfälligen Verlust (und dies mit zweifelhaften oder
eventuell sogar strafbaren Methoden) zu "vertuschen". Für den
Untersuchungsrichter war es deshalb sehr wohl von Bedeutung, was Y.________
nach der Erinnerung des Beschwerdeführers seinerzeit diesem genau gesagt
hatte.

Schliesslich hat der Beschwerdeführer mehrfach erklärt, "dass er gesagt habe,
Y.________ und er hätten das Wort 'vertuschen' nie gebraucht, sei sicher
wegen der Angst vor Y.________ gewesen" (angefochtener Entscheid S. 8/9). Er
war sich seiner Falschaussage und deren Bedeutung also bewusst und handelte
somit vorsätzlich.

Der Beschwerdeführer hat nach dem Gesagten alle Tatbestandselemente von Art.
307 StGB erfüllt. Folglich ist der Schuldspruch nicht zu beanstanden und die
Beschwerde abzuweisen.

3.
Da der tatsächliche Inhalt des Gespräches zwischen dem Beschwerdeführer und
Y.________ nach dem Gesagten unerheblich ist, sind die weiteren Ausführungen
in der Beschwerde (vgl. S. 9/10) gegenstandslos.

4.
Die Beschwerde ist als unbegründet abzuweisen. Bei diesem Ausgang des
Verfahrens hat der Beschwerdeführer die bundesgerichtlichen Kosten zu tragen
(Art. 156 Abs. 1 OG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Staatsanwaltschaft des Kantons
Solothurn und dem Obergericht des Kantons Solothurn, Strafkammer, schriftlich
mitgeteilt.

Lausanne, 27. März 2003

Im Namen des Kassationshofes
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Der Gerichtsschreiber: