Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Kassationshof in Strafsachen 6S.104/2003
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6S.104/2003 /mks

Urteil vom 5. Juni 2003
Kassationshof

Bundesrichter Schneider, Präsident,
Bundesrichter Karlen, Ersatzrichterin Pont Veuthey,
Gerichtsschreiberin Krauskopf.

X. ________,
Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Paul Rechsteiner, Oberer
Graben 44, 9000 St. Gallen,

gegen

Staatsanwaltschaft des Kantons Appenzell A.Rh., Rathaus, 9043 Trogen.

Verweigerung des bedingten Strafvollzugs (Widerhandlung gegen das
Betäubungsmittelgesetz),

Nichtigkeitsbeschwerde gegen das Urteil des Obergerichts von Appenzell A.Rh.,
2. Abteilung, vom 28. Januar 2003.

Sachverhalt:

A.
Das Kantonsgericht Appenzell Ausserrhoden verurteilte X._________ (geb. 1966)
am 31. Mai 2002 wegen mehrfacher schwerer Widerhandlung gegen das
Betäubungsmittelgesetz zu einer unbedingten Gefängnisstrafe von sechs
Monaten, als Zusatzstrafe zu einer unbedingten Gefängnisstrafe von drei
Monaten, die das Untersuchungsrichteramt des Kantons St. Gallen am 15.
Februar 2002 ausgesprochen hatte.

Auf Appellation von X._________ hin bestätigte das Obergericht des Kantons
Appenzell Ausserrhoden am 28. Januar 2003 das Urteil des Kantonsgerichts.

Zu diesem Zeitpunkt hatte X._________ die Gefängnisstrafe von drei Monaten
verbüsst.

B.
X._________ erhebt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das
Urteil des Obergerichts sei aufzuheben und die Sache zu neuer Beurteilung an
die Vorinstanz zurückzuweisen.
Das Obergericht verzichtet auf Gegenbemerkungen.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Der Beschwerdeführer ficht ausschliesslich die Verweigerung des bedingten
Strafvollzugs an. Er bringt vor, die Vorinstanz habe seinem Wohlverhalten
nach Verbüssung der dreimonatigen Freiheitsstrafe nicht genügend Rechnung
getragen. Nach der Rechtsprechung müsse bei der Beurteilung der
Bewährungsaussichten die Wirkung des Strafvollzugs eines gleichzeitig mit der
Ausfällung der neuen Strafe ausgesprochenen Widerrufs des bedingten
Strafvollzugs einer früheren Strafe berücksichtigt werden. Diese Überlegung
müsse auch beim Entscheid über die Gewährung des bedingten Strafvollzugs im
Hinblick auf die Zusatzstrafe gelten, wenn die unbedingt ausgefällte
Grundstrafe bereits verbüsst worden sei. Indem die Vorinstanz den nach dem
erstinstanzlichen Urteil erfolgten Strafvollzug nicht oder ungenügend
gewichtet habe, habe sie Art. 41 Ziff. 1 StGB verletzt.

1.1 Gemäss Art. 41 Ziff. 1 Abs. 1 StGB kann der Richter den Vollzug einer
Freiheitsstrafe von nicht mehr als 18 Monaten aufschieben, wenn Vorleben und
Charakter des Verurteilten erwarten lassen, er werde auch durch eine bedingt
vollziehbare Strafe von weiteren Delikten abgehalten. Der Richter hat also
eine Prognose über das zukünftige Verhalten des Täters zu stellen. Er hat
dabei eine Gesamtwürdigung aller wesentlichen Umstände vorzunehmen. In die
Beurteilung mit einzubeziehen sind neben den Tatumständen auch das Vorleben
und der Leumund sowie alle weiteren Tatsachen, die Schlüsse auf den Charakter
des Täters und die Aussichten seiner Bewährung zulassen. Für die Einschätzung
des Rückfallrisikos ist ein Gesamtbild der Täterpersönlichkeit unerlässlich.
Relevante Faktoren sind etwa strafrechtliche Vorbelastung,
Sozialisationsbiographie und Arbeitsverhalten, das Bestehen sozialer
Bindungen, Hinweise auf Suchtgefährdungen usw.. Die persönlichen Verhältnisse
sind bis zum Zeitpunkt des Entscheides mit einzubeziehen. Der Richter muss
zudem die mögliche Warnwirkung sowohl der neuen zu vollziehenden Strafe als
auch des Vollzugs einer Strafe aufgrund des Widerrufs einer bedingten Strafe
prüfen (BGE 116 IV 177 E. 3d S. 178).

Bei der Prognose über ein dauerndes Wohlverhalten des Täters steht dem
Sachrichter ein erhebliches Ermessen zu. Das Bundesgericht hebt einen
Entscheid nur auf, wenn die Vorinstanz nicht von rechtlich massgebenden
Gesichtspunkten ausgegangen ist oder diese in Überschreitung oder Missbrauch
ihres Ermessens unrichtig gewichtet oder ausser Acht gelassen hat. Die Gründe
müssen im Urteil so wiedergegeben werden, dass sich die richtige Anwendung
des Bundesrechtes überprüfen lässt (BGE 128 IV 193 E. 3a S. 198, 118 IV 97 E.
2b S. 100).

1.2 Gemäss den verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz (vgl. Art. 277bis
Abs. 1 BStP) ist der Beschwerdeführer zwischen 1991 und 2000 insgesamt neun
Mal unter anderem wegen Widerhandlungen gegen das Betäubungsmittelgesetz und
gegen das Strassenverkehrsgesetz verurteilt worden. Das Vorleben des
Beschwerdeführers wirft, wie die Vorinstanz zu Recht annimmt, ein ungünstiges
Licht auf seine Bewährungsaussichten. Entgegen seiner Auffassung befasst sich
die Vorinstanz ausreichend mit seinem Verhalten nach der Verbüssung der
dreimonatigen Freiheitsstrafe. Sie hält diesbezüglich fest, dass sein neues
persönliches Umfeld und der Umstand, dass er gerade eine kurze
Freiheitsstrafe verbüsst habe, an der ungünstigen Prognose wenig zu ändern
vermögen. So habe er zur Zeit der Urteilsfällung namentlich keine
Arbeitsstelle.

Aus dem angefochtenen Urteil, an dessen Feststellungen der Kassationshof
gebunden ist, sind keine Umstände ersichtlich, die eine tiefgreifende, für
eine Bewährung sprechende Wandlung dokumentieren würden. Der Beschwerdeführer
bringt auch keine solchen vor. Die Tatsache, dass der Beschwerdeführer dem
Kantonsgericht einen selbstverfertigten Therapiebericht vorlegte, der die
gefälschte Unterschrift seiner Therapeutin trug, ist sicher nicht geeignet,
seine Bewährungsaussichten zu belegen. In Anbetracht dieser Umstände
überschritt die Vorinstanz ihr Ermessen nicht, als sie eine günstige Prognose
für ein zukünftiges Wohlverhalten verneinte.

2.
Der Beschwerdeführer stellt ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege. Da
sein Begehren von vornherein aussichtslos erschien, ist das Gesuch abzuweisen
(Art. 152 Abs. 1 OG). Folglich wird der Beschwerdeführer kostenpflichtig
(Art. 278 Abs. 1 BStP). Bei der Bemessung der Gerichtsgebühr ist jedoch
seinen finanziellen Verhältnissen Rechnung zu tragen.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.

2.
Das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege wird abgewiesen.

3.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 800.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.

4.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Staatsanwaltschaft des Kantons
Appenzell A.Rh. und dem Obergericht von Appenzell A.Rh., 2. Abteilung,
schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 5. Juni 2003

Im Namen des Kassationshofes
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Die Gerichtsschreiberin: