Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Kassationshof in Strafsachen 6S.101/2003
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6S.101/2003 /zga

Urteil vom 8. Mai 2003
Kassationshof

Bundesrichter Schneider, Präsident,
Bundesrichter Karlen, Ersatzrichterin Pont Veuthey,
Gerichtsschreiber Garré.

X. ________,
Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Paul Rechsteiner, Oberer
Graben 44, 9000 St. Gallen,

gegen

Staatsanwaltschaft des Kantons Thurgau, Staubeggstrasse 8, 8500 Frauenfeld.

Verweigerung des bedingten Strafvollzuges
(Art. 41 StGB),

Nichtigkeitsbeschwerde gegen das Urteil
des Obergerichts des Kantons Thurgau
vom 17. Dezember 2002.

Sachverhalt:

A.
X. ________ richtete im Herbst 1999 im Keller des von ihm gemieteten
Bauernhauses in A.________ eine Indoor-Anlage für die Gewinnung von Hanf ein.
Insgesamt produzierte er bis Dezember 2000 rund 12,5 kg getrocknete
Hanfblüten, wovon er 10,8 kg zu einem Bruttoerlös von rund Fr. 55'000.--
verkaufte. Der Rest wurde durch die Polizei beschlagnahmt.

B.
Mit Urteil vom 26. März 2002 fand die Bezirksgerichtliche Kommission Arbon
X.________ der mehrfachen Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz
schuldig und verurteilte ihn zu fünf Monaten Gefängnis und Fr. 1'000.--
Busse.

C.
Auf Berufung des Verurteilten hin bestätigte das Obergericht des Kantons
Thurgau mit Urteil vom 17. Dezember 2002 den erstinstanzlichen Entscheid.

D.
Gegen dieses Urteil führt X.________ eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde,
mit der er beantragt, der angefochtene Entscheid sei aufzuheben und die
Angelegenheit zur Neubeurteilung bezüglich der Gewährung des bedingten
Strafvollzuges an die Vorinstanz zurückzuweisen. Er stellt zudem ein
separates Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege.

E.
In seinen Gegenbemerkungen vom 31. März 2003 schliesst das Obergericht auf
Abweisung der Beschwerde. Die Staatsanwaltschaft des Kantons Thurgau
verzichtet auf Gegenbemerkungen.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Die Vorinstanz führt zur Begründung ihres Entscheides an, der
Beschwerdeführer sei bereits achtfach (davon fünffach einschlägig)
vorbestraft und zeige ein erhebliches Mass an Einsichtslosigkeit und
deliktischem Willen. Das Rückfallrisiko sei erheblich und selbst seine
Äusserungen während dieses Verfahrens sprächen klar gegen eine gute Prognose.
Zwar sei sein gegenwärtiges Arbeitsverhalten als Hausmann positiv zu
beurteilen, aber trotz dieses günstigen familiären Umfelds fehle ihm
weiterhin die nötige Stabilität, zumal er gezielt weiter delinquiert und
dabei in Kauf genommen habe, nicht nur sich, sondern auch seine Familie wegen
seiner Straftaten in Schwierigkeiten zu bringen. Keine genügende
stabilisierende Wirkung sei auch von seiner im Frühjahr 2002 erfolgten
Aufnahme in die "Männerriege B.________" zu erwarten, auch wenn er von den
übrigen Mitgliedern offenbar akzeptiert und geschätzt werde (angefochtenes
Urteil S. 14 f.).

2.
Der Beschwerdeführer wendet ein, die Vorinstanz habe zu Unrecht seine Arbeit
als Hausmann und (Allein-)Betreuer zweier Kleinkinder nicht als Bewährung am
Arbeitsplatz betrachtet. Die einschlägigen Vorstrafen lägen rund 10 Jahre
zurück und seien nicht genügend schwer, um einen mehrmonatigen unbedingten
Strafvollzug zu rechtfertigen. Die Verurteilungen im
strassenverkehrsrechtlichen Bereich seien ebenfalls nicht von Belang. Die
Vorinstanz habe zudem das positive Nachtatverhalten und die besondere
Strafempfindlichkeit verkannt (Beschwerdeschrift S. 3 ff.).

3.
3.1 Nach Art. 41 Ziff. 1 StGB kann der Vollzug einer Freiheitsstrafe von nicht
mehr als 18 Monaten aufgeschoben werden, wenn Vorleben und Charakter des
Verurteilten erwarten lassen, er werde dadurch von weiteren Delikten
abgehalten. Der Richter hat über das zukünftige Verhalten des Täters eine
Prognose anzustellen, wobei ihm ein erhebliches Ermessen zusteht. Das
Bundesgericht hebt den Entscheid der Vorinstanz nur auf, wenn sie nicht von
rechtlich massgebenden Gesichtspunkten ausgegangen ist oder diese in
Überschreitung oder Missbrauch ihres Ermessens unrichtig gewichtet hat (BGE
128 IV 193 E. 3a; 118 IV 97 E. 2a).

Ob der Verurteilte für ein andauerndes Wohlverhalten Gewähr bietet, ist
aufgrund einer Gesamtwürdigung aller wesentlichen Umstände zu entscheiden. In
die Beurteilung miteinzubeziehen sind neben den Tatumständen das Vorleben und
der Leumund sowie alle weiteren Tatsachen, die gültige Schlüsse auf den
Charakter des Täters und die Aussichten seiner Bewährung zulassen (BGE 128 IV
193 E. 3a; 118 IV 97 E. 2b). Für die Einschätzung des Rückfallrisikos ist ein
Gesamtbild der Täterpersönlichkeit unerlässlich. Relevante Faktoren sind etwa
strafrechtliche Vorbelastung, Sozialisationsbiographie und Arbeitsverhalten,
das Bestehen sozialer Bindungen, Hinweise auf Suchtgefährdung usw. Dabei sind
die persönlichen Verhältnisse bis zum Zeitpunkt des Entscheides mit
einzubeziehen. Es ist unzulässig, unter den nach Art. 41 Ziff. 1 Abs. 1 StGB
zu berücksichtigenden Umständen einzelnen eine vorrangige Bedeutung
beizumessen und andere zu vernachlässigen oder überhaupt ausser acht zu
lassen (BGE 128 IV 193 E. 3a mit Hinweisen).

Gemäss Rechtsprechung des Bundesgerichts kommt eine Verweigerung des
bedingten Vollzugs trotz Bewährung am Arbeitsplatz nur in Betracht, wenn im
Rahmen einer Gesamtwürdigung schwerwiegende konkrete Gegenindizien derart
überwiegen, dass sich trotz des gewichtigen Bewährungsfaktors keine günstige
Prognose stellen lässt (BGE 117 IV 3 E. 2b S. 4 f.; 102 IV 62 S. 64). In der
Lehre wird die Beachtung dieses Kriteriums als wesentlicher Faktor gewürdigt,
weil das Verhalten im Beruf Auswirkungen auf den Leumund hat (Roland M.
Schneider, Basler Kommentar, zu Art. 41, N. 93).

Einschlägige Vorstrafen schliessen die Gewährung des bedingten Strafvollzuges
zwar nicht notwendigerweise aus (Urteil 6S.787/1998 vom 12.1.1999; BGE 118 IV
97 E. 2c; 115 IV 81 E. 3b; 115 IV 85 E. 3b). Sie sind aber bei der
Prognosenstellung als erheblich ungünstiges Element zu gewichten (Urteil
6S.815/1997 vom 24.3.1999).

3.2 Der Beschwerdeführer ist nach den für das Bundesgericht verbindlichen
tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz (Art. 277bis Abs. 1 BStP)
Familienvater und von Beruf Hausmann, dem seine beiden kleinen Kinder
ausgesprochen viel bedeuten und der seinen betreuerischen und erzieherischen
Aufgaben umsichtig und vorbildlich nachkommt. Überdies ist er offenbar ein
geschätztes Vereinsmitglied bei der "Männerriege B.________" (angefochtenes
Urteil S. 14/15). Diese familiären, beruflichen und sozialen Umstände reichen
indessen für eine günstige Prognose nicht aus. Gegen eine solche sprechen die
acht Vorstrafen, die auch berücksichtigt werden dürfen, soweit sie weiter
zurückliegen und nicht schwerwiegende Taten betreffen (vgl. angefochtenes
Urteil S. 10/11). Bedenklich ist auch seine Aussage im vorliegenden
Strafverfahren, er wolle die Rechtsordnung künftig nur "ein Stück weit"
akzeptieren. Der Beschwerdeführer ist offensichtlich nicht bereit, sich an
die geltende Rechtsordnung zu halten.

Entgegen der Behauptung des Beschwerdeführers hat die Vorinstanz die
besondere Strafempfindlichkeit ausreichend berücksichtigt. Die Folgen sind
nicht untragbar. Jedenfalls macht der Beschwerdeführer nicht geltend und ist
nicht ersichtlich, dass der Vollzug der Strafe ihn und seine Familie in einem
aussergewöhnlichen Mass belasten würde.

3.3 Zusammenfassend hat die Vorinstanz bei der Prognosenstellung im Rahmen
ihres Ermessens alle wesentlichen Gesichtspunkte i.S.v. Art. 41 Ziff. 1 StGB
in Erwägung gezogen und korrekt gewichtet. Sie hat kein Bundesrecht verletzt
und die Nichtigkeitsbeschwerde ist daher abzuweisen.

4.
Bei diesem Verfahrensausgang hat der Beschwerdeführer die Kosten zu tragen
(Art. 278 Abs. 1 BStP). Da das Rechtsbegehren von Anfang an aussichtslos war,
muss das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege abgewiesen werden. Der
finanziellen Situation des Beschwerdeführers wird bei der Festsetzung der
Gerichtskosten angemessen Rechnung getragen.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.

2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.

3.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 800.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.

4.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Staatsanwaltschaft des Kantons
Thurgau und dem Obergericht des Kantons Thurgau schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 8. Mai 2003

Im Namen des Kassationshofes
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Der Gerichtsschreiber: