Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Kassationshof in Strafsachen 6P.24/2003
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6P.24/2003 /pai

Urteil vom 13. Mai 2003
Kassationshof

Bundesrichter Schneider, Präsident,
Bundesrichter Wiprächtiger, Karlen,
Gerichtsschreiber Boog.

X. ________,
Beschwerdeführer,

gegen

Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich, Postfach, 8023 Zürich,
Kassationsgericht des Kantons Zürich, Postfach 4875, 8022 Zürich.

Art. 9 BV (Strafverfahren),

Staatsrechtliche Beschwerde gegen den Beschluss des Kassationsgerichts des
Kantons Zürich vom 30. Dezember 2002.

Sachverhalt:

A.
Das Obergericht des Kantons Zürich erklärte X.________ mit Urteil vom 14.
Februar 2002 in zweiter Instanz des mehrfachen Diebstahlsversuches im Sinne
von Art. 139 Ziff. 1 StGB i.V.m. Art. 21 Abs. 1 StGB, einmal qualifiziert
begangen im Sinne von Art. 139 Ziff. 3 Abs. 1 und 3 StGB, sowie des
mehrfachen Fahrens in angetrunkenem Zustand gemäss Art. 91 Abs. 1 SVG
schuldig und verurteilte ihn zu sieben Monaten Gefängnis, unter Anrechnung
von 19 Tagen Polizei- oder Untersuchungshaft, sowie zu einer Busse von Fr.
1'000.--. In einzelnen Anklagepunkten sprach es ihn frei. Den Vollzug der
Freiheitsstrafe schob es nicht auf. Ferner entschied das Obergericht über die
geltend gemachten Schadenersatzforderungen und beschloss über die Einziehung
bzw. Herausgabe der beschlagnahmten Gegenstände.

Eine hiegegen geführte kantonale Nichtigkeitsbeschwerde wies das
Kassationsgericht des Kantons Zürich mit Beschluss vom 30. Dezember 2002 ab.

B.
X.________ führt staatsrechtliche Beschwerde mit dem Antrag auf Aufhebung des
angefochtenen Beschlusses. Ferner ersucht er um die Gewährung der
unentgeltlichen Rechtspflege.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Der Beschwerdeführer macht eine Verletzung des Verschlechterungsverbots
geltend. Diese Rüge bildete indessen nicht Gegenstand des
kassationsgerichtlichen Verfahrens, so dass es insofern an der Erschöpfung
des kantonalen Instanzenzuges fehlt (Art. 86 Abs. 1 OG). Auf die Beschwerde
kann in diesem Punkt nicht eingetreten werden.

Im Übrigen erwiese sich die Rüge als unbegründet, wofür ohne weiteres auf die
zutreffenden Ausführungen des Bezirksgerichts und des Obergerichts verwiesen
werden kann (Art. 36a Abs. 3 OG).

2.
Im Weiteren rügt der Beschwerdeführer Willkür. Er bringt vor, er habe die
Schusswaffe beim Einbruch gemäss Ziff. I der Anklageschrift wegen einer
konkreten Bedrohung und nicht zum Zwecke des Diebstahls bei sich getragen.

Art. 139 Ziff. 3 Abs. 1 und 3 StGB bedroht als qualifizierte Tatbegehung mit
höherer Strafe, wenn der Täter zum Zweck des Diebstahls eine Schusswaffe oder
eine andere gefährliche Waffe mit sich führt. Der Tatbestand erfordert nicht,
dass die Waffe in irgend einer Form gebraucht wird. Nach der Rechtsprechung
liegt der Grund für die Strafschärfung in der Verfügbarkeit der Waffe, mithin
in der Gefahr, dass sich der Täter dazu entschliessen könnte, sie zu
gebrauchen, wenn er sie bei sich hat (BGE 118 IV 142 E. 3c mit Hinweisen). Es
genügt somit, wenn die Waffe "für alle Fälle" mitgeführt wird, also
hinsichtlich des Gebrauchs Eventualvorsatz besteht (vgl. Trechsel,
Schweizerisches Strafgesetzbuch, Kurzkommentar, 2. Aufl., Zürich 1997, Art.
139 N 21).

Die Annahme des Obergerichts, der Beschwerdeführer habe, wenn er die Waffe
zum Selbstschutz mit sich geführt habe, zumindest davon ausgehen müssen, er
könnte sie einsetzen, ist nicht zu beanstanden. Das Kassationsgericht hat
Willkür zu Recht verneint. Es kann hiefür ohne weiteres auf die zutreffenden
Erwägungen im angefochtenen Beschluss verwiesen werden (Art. 36a Abs. 3 OG).
Ob ein Gebrauch der Waffe persönlichkeitsadäquat ist, ist unter diesen
Umständen ohne Bedeutung.

Die Beschwerde ist insofern unbegründet.

3.
Nicht eingetreten werden kann auf die Beschwerde, soweit sich der
Beschwerdeführer gegen die Annahme des Obergerichts wendet, seine Angaben
über heftige Kopfschmerzen und Ohrensausen seien ein Konstrukt. Auch diese
Rüge wurde - jedenfalls was den Einbruchdiebstahl gemäss Ziffer I der
Anklageschrift betrifft - vor Kassationsgericht nicht explizit erhoben. Der
Instanzenzug ist in diesem Punkt somit ebenfalls nicht erschöpft. Im Übrigen
wäre die Rüge auch hier unbegründet. Dass das Obergericht annimmt, Motiv für
die Tat seien in erster Linie die finanziellen Probleme gewesen, ist
jedenfalls nicht schlechthin unhaltbar. Was der Beschwerdeführer dagegen
vorbringt, führt - soweit seine Beschwerde insofern überhaupt den
Begründungsanforderungen gemäss Art. 90 Abs. 1 lit. b OG genügt - zu keinem
anderen Ergebnis.

4.
Zu Unrecht rügt der Beschwerdeführer schliesslich die Feststellung der
kantonalen Instanzen als willkürlich, er habe beim Einbruchdiebstahl in die
Apotheke gemäss Ziff. II der Anklageschrift Medikamente in einem den Betrag
von Fr. 300.-- übersteigenden Wert wegnehmen wollen.

Das Bezirksgericht nahm an, die Behauptung des Beschwerdeführers, er habe
nicht nach Bargeld, sondern nur nach Medikamenten gegen seine massiven
Kopfschmerzen gesucht, lasse sich nicht widerlegen. Es sprach ihn damit
materiell von der Anklage des Versuchs des Bargelddiebstahls frei. Aus dem
Umstand, dass die Medikamente für den Beschwerdeführer nicht auf legalem Weg
zu beschaffen waren, schloss das Bezirksgericht, dieser hätte beim Anblick
der lang ersehnten und dringend benötigten Medikamente den ganzen Vorrat,
unabhängig vom Wert eingepackt. Jedenfalls hätte er in Kauf genommen,
Medikamente im Wert von über Fr. 300.-- zu stehlen, zumal er den Preis
derselben gar nicht gekannt habe.

Hierin liegt keine Willkür. Denn wie das Kassationsgericht zutreffend erwägt,
ist die Annahme nachvollziehbar, dass der Beschwerdeführer den ganzen Vorrat
der benötigten Medikamente weggenommen hätte, da er sie wegen seines schon
einige Monate anhaltenden Leidens über längere Zeit benötigt hatte. Dass auch
eine andere Lösung vertretbar erscheint oder gar vorzuziehen wäre, genügt
praxisgemäss nicht, um Willkür zu bejahen. Geht man davon aus, dass der
Beschwerdeführer alles mitnehmen wollte, was er finden würde, ist die Annahme
jedenfalls nicht unhaltbar, er habe sich keine Gedanken über Wert der
Medikamente gemacht, so dass Art. 172ter ausscheidet (vgl. Weissenberger,
Basler Kommentar zum Strafgesetzbuch II, Art. 172ter N 29).

Die Beschwerde ist auch in diesem Punkt unbegründet.

5.
Nicht gehört werden kann der Beschwerdeführer schliesslich, soweit er die
Messung des Blutalkoholgehalts bei seiner ersten Trunkenheitsfahrt vom 21.
Januar 1997 beanstandet.

Der Beschwerdeführer wurde damals anlässlich einer Verkehrskontrolle durch
die Kantonspolizei Aargau einem Atemlufttest unterzogen. Dieser ergab einen
Wert von 0,75 Promille. In der Folge wurde eine Blutprobe entnommen und
analysiert. Gemäss Art. 138 Abs. 1 VZV ist die geeignete
Untersuchungmassnahme zur Feststellung der Angetrunkenheit die Blutprobe
(vgl. auch Art. 55 Abs. 2 SVG). Nach Abs. 3 derselben Bestimmung kann zur
Vorprobe ein Atemprüfgerät verwendet werden. Ergibt die Atemprobe einen Wert
von weniger als 0,6 Promille, wird von weiteren Untersuchungen abgesehen.
Dass die Behörden angesichts des bei der Atemprobe ermittelten Werts von 0,75
Promille eine Blutprobe angeordnet haben und sich auf den dabei ermittelten
höheren Wert gestützt haben, steht im Einklang mit den genannten gesetzlichen
Bestimmungen (zum Nachweis der Angetrunkenheit ohne Blutprobe vgl. BGE 127 IV
172 E. 3). Willkür ist nicht ersichtlich.

Die erste, vom Institut für Rechtsmedizin der Universität Bern durchgeführte
Analyse der Blutprobe des Beschwerdeführers vom 23. Januar 1997 ergab einen
Mittelwert von 0,89 Promille und einen Vertrauensbereich von 0,84 - 0,94
Promille. Die zweite Analyse des Instituts für Rechtsmedizin der Universität
Zürich vom 12. Mai 1997 ergab einen Mittelwert von 0,81 Promille und einen
Vertrauensbereich von 0,76 - 0,86 Promille. Das dazu gehörige Gutachten vom
27. Mai 1997 führte aus, die Zweitanalyse bestätige die Richtigkeit der
Erstanalyse. Wesentlich hiefür sei, dass sich die Vertrauensbereiche
überschnitten. Die Differenz zwischen den beiden Analysen von 0,08 Promille
erklärte das Gutachten damit, dass Blutproben beim Transport, Lagern, und
beim wiederholten Öffnen für die Einzelanalysen erfahrungsgemäss stets etwas
Alkohol verlören. Die Differenz liege im üblichen Rahmen und sei erklärbar.
Gestützt auf dieses Gutachten gelangten die kantonalen Instanzen zum Schluss,
dass die Werte der ersten Analyse verlässlich seien.

Der Beschwerdeführer führt nicht aus, inwiefern die kantonalen Instanzen mit
diesem Entscheid in Willkür verfallen sein sollen. Er beschränkt sich auf die
Rüge, angesichts des vorliegenden Grenzfalles sei die Abweisung des Antrags
auf Einholung eines Obergutachtens unhaltbar. Damit genügt seine Beschwerde
den Anforderungen an die Begründung gemäss Art. 90 Abs. 1 lit. b OG nicht. Im
Übrigen wäre die Beschwerde in diesem Punkt auch nicht begründet, wofür ohne
weiteres auf die einlässlichen Erwägungen im Beschluss des Kassationsgerichts
verwiesen werden kann (Art. 36a Abs. 3 OG).

6.
Aus diesen Gründen ist die Beschwerde abzuweisen, soweit auf sie eingetreten
werden kann. Bei diesem Ausgang des Verfahrens trägt der Beschwerdeführer die
Kosten (Art. 156 Abs. 1 OG). Er stellt indes ein Gesuch um unentgeltliche
Rechtspflege. Diese kann nicht bewilligt werden. Abgesehen davon, dass das
Gesuch nicht belegt ist, folgt seine Abweisung auch daraus, dass die
Beschwerde von vornherein keine Aussicht auf Erfolg hatte (Art. 152 Abs. 1
OG, vgl. BGE 124 I 304 E. 2 mit Hinweisen).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten
ist.

2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.

3.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.

4.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Staatsanwaltschaft des Kantons
Zürich und dem Kassationsgericht des Kantons Zürich schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 13. Mai 2003

Im Namen des Kassationshofes
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Der Gerichtsschreiber: