Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Kassationshof in Strafsachen 6P.164/2003
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6P.164/2003
6S.454/2003 /pai

Urteil vom 30. März 2004
Kassationshof

Bundesrichter Schneider, Präsident,
Bundesrichter Wiprächtiger, Kolly,
Gerichtsschreiber Briw.

X. ________,
Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. Luzi Bardill,

gegen

Staatsanwaltschaft des Kantons Graubünden, Sennhofstrasse 17, 7001 Chur,
Kantonsgericht von Graubünden, Kantonsgerichtsausschuss, Poststrasse 14, 7002
Chur.

6P.164/2003
Art. 9 BV und Art. 6 Abs. 2 EMRK (Strafverfahren; willkürliche
Beweiswürdigung)

6S.454/2003
Jagdkontravention; Entzug der Jagdberechtigung; Verweigerung des bedingten
Vollzugs,

Staatsrechtliche Beschwerde (6P.164/2003) und Nichtigkeitsbeschwerde
(6S.454/2003) gegen das Urteil des Kantonsgerichts von Graubünden,
Kantonsgerichtsausschuss, vom 30. Juli 2003.

Sachverhalt:

A.
X. ________ schoss am 8. September 2001 einen Rehbock, den er als "ungeraden
Sechser" angesprochen hatte. Er trug das Tier in der Abschussliste als
jagdbar ein. Am 31. Oktober 2001 legte er die Trophäe dem Wildhüter zur
vorgeschriebenen Begutachtung vor. Dieser stellte am linken Horn, unmittelbar
im Bereich des schwach ausgebildeten Sprosses, Spuren eines Eingriffes fest.
In der Folge erstattete er Anzeige.

B.
Der Bezirksgerichtsausschuss Surselva erkannte mit Urteil vom 2. April 2003
X.________ schuldig der Widerhandlung gegen die Jagdbetriebsvorschriften 2001
(Titel I, Litera B, Marginalie 1) und gegen Art. 15 Abs. 2 KJG in Verbindung
mit Art. 47 Abs. 2 KJG sowie der Unterlassung der Selbstanzeige und der
Veränderung der Beute zum Zwecke der Täuschung gemäss Art. 15 Abs. 3 KJG in
Verbindung mit Art. 47 Abs. 1 KJG. Es bestrafte ihn mit Fr. 500.-- Busse. Die
Jagdberechtigung für den Kanton Graubünden wurde ihm für die Dauer von drei
Jahren entzogen.

Der Kantonsgerichtsausschuss des Kantonsgerichts von Graubünden wies am 30.
Juli 2003 eine Berufung von X.________ ab.

C.
X.________ erhebt staatsrechtliche Beschwerde und eidgenössische
Nichtigkeitsbeschwerde mit den gleich lautenden Anträgen: Das Urteil des
Kantonsgerichts sei aufzuheben, die Beschwerde sei gutzuheissen und der
Beschwerdeführer sei vom Vorwurf der Widerhandlung gegen die
Jagdbetriebsvorschriften 2001 (Art. I lit. b, Marginalie 1) und gegen Art. 5
Abs. 2 KJG in Verbindung mit Art. 47 Abs. 2 KJG sowie der Unterlassung der
Selbstanzeige und der Veränderung der Beute zum Zwecke der Täuschung gemäss
Art. 15 Abs. 3 KJG in Verbindung mit Art. 47 Abs. 1 KJG freizusprechen.
Eventualiter sei im Falle einer Bestätigung des Schuldspruchs die
Angelegenheit zur Prüfung der Gewährung des bedingten Patententzuges an die
Vorinstanz zurückzuweisen. Dem Vollzug des Patententzuges sei bis zum
Vorliegen eines rechtskräftigen Entscheides die aufschiebende Wirkung zu
erteilen.

D.
Das Kantonsgericht von Graubünden verzichtet auf Gegenbemerkungen und
beantragt, die Beschwerden abzuweisen, soweit auf sie einzutreten sei.

Die Staatsanwaltschaft Graubünden stellt den Antrag, die
Nichtigkeitsbeschwerde sei im Schuldpunkt abzuweisen und bezüglich der
Gewährung des bedingten Patententzugs gutzuheissen, soweit darauf einzutreten
sei.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Der Beschwerdeführer reicht zwei gleich lautende Beschwerdeschriften ein (mit
der Ausnahme etwa, dass in der Begründung der Nichtigkeitsbeschwerde
teilweise der Hinweis auf Willkür fehlt). Nach der Rechtsprechung ist jede
Rechtsschrift daraufhin zu prüfen, ob darin Rügen vorgebracht werden, die im
Rahmen des entsprechenden Rechtsmittels zulässig sind und den jeweiligen
Begründungsanforderungen genügen (BGE 118 IV 293 E. 2a).

2.
Der Beschwerdeführer beantragt in beiden Rechtsmitteln (jeweils S. 3), die
staatsrechtliche Beschwerde nur im Eventualfall zu behandeln, sollte die
Nichtigkeitsbeschwerde sowohl im Haupt- als auch im Eventualantrag nicht
gutgeheissen werden können.

Wie sich nachfolgend ergibt, kann die Nichtigkeitsbeschwerde nicht
gutgeheissen werden. Es kann daher offen bleiben, inwieweit diese bedingte
Beschwerdeführung zulässig ist (vgl. Art. 275 Abs. 5 BStP; BGE 101 Ib 216 E.
2; Robert Hauser/Erhard Schweri, Schweizerisches Strafprozessrecht, 4.
Auflage, Basel 1999, § 43 N. 15 f.; Georg Messmer/Hermann Imboden, Die
eidgenössischen Rechtsmittel in Zivilsachen, Zürich 1992, S. 65). Soweit der
Beschwerdeführer zur Begründung dieses Antrags auf die Literatur verweist
(Gunther Arzt, In dubio pro reo vor Bundesgericht, ZBJV 129/1993 S. 1 ff.,
insb. S. 20 - 23, sowie Marc Forster, Neues Grundsatzurteil zur
strafprozessualen Maxime "in dubio pro reo", ZBJV 130/1994 S. 380 ff.), ist
hier lediglich anzumerken, dass eine Verletzung des Grundsatzes in dubio pro
reo mit staatsrechtlicher Beschwerde zu rügen ist (BGE 127 I 38).

I. Staatsrechtliche Beschwerde

3.
3.1 Die staatsrechtliche Beschwerde ist grundsätzlich kassatorisch. Auf die
Beschwerde ist daher nicht einzutreten, soweit der Beschwerdeführer mehr als
die Aufhebung beantragt (vgl. BGE 124 I 327 E. 4a).

3.2 Die staatsrechtliche Beschwerde muss gemäss Art. 90 Abs. 1 lit. b OG die
wesentlichen Tatsachen und eine kurz gefasste Darlegung darüber enthalten,
welche verfassungsmässigen Rechte bzw. welche Rechtssätze und inwiefern sie
durch den angefochtenen Entscheid verletzt worden sind. Das Bundesgericht
prüft nur klar und einlässlich erhobene Rügen und wendet das Recht nicht von
Amtes wegen an (BGE 127 I 38 E. 3c). Es tritt auf ungenügend begründete Rügen
und rein appellatorische Kritik am angefochtenen Entscheid nicht ein (BGE 125
I 492 E. 1b).

Der Beschwerdeführer hält eingangs seiner Beschwerdeschrift fest, die
Beschwerde werde wegen Verletzung von (recte:) Art. 9 BV und Art. 6 Ziff. 2
EMRK sowie wegen willkürlicher Beweiswürdigung erhoben. In der Begründung
setzt er sich mit dem angefochten Urteil nicht gemäss Art. 90 OG auseinander.
Er trägt eine eigene Würdigung des Falles und damit eine bloss
appellatorische Kritik an den kantonalen Entscheiden vor. Damit genügt die
Beschwerde den Begründungsanforderungen nicht. Insoweit ist auf die
Beschwerde nicht einzutreten.

3.3 Die Verurteilung des Beschwerdeführers beruht auf der kantonalrechtlichen
Jagdgesetzgebung. Die Anwendung des kantonalen Rechts prüft das Bundesgericht
unter dem Gesichtspunkt der Willkür (BGE 128 I 177 E. 2.1). Der
Beschwerdeführer bezeichnet keine Bestimmung des kantonalen Rechts, die
willkürlich angewendet worden sein sollte. Er weist lediglich in seiner
Kritik am Strafmandat des Kreisamts Ilanz auf Art. 15 Abs. 3 KJG hin
(Beschwerde S. 5). Insoweit ist daher auf die Beschwerde ebenfalls nicht
einzutreten.

II. Nichtigkeitsbeschwerde

4.
4.1 Hält der Kassationshof die Beschwerde im Strafpunkt für begründet, so
hebt er den angefochtenen Entscheid auf und weist die Sache zu neuer
Entscheidung an die kantonale Behörde zurück (Art. 277ter BStP). Soweit der
Beschwerdeführer mehr als die Aufhebung des angefochtenen Urteils und die
Rückweisung der Sache an die Vorinstanz zur Neubeurteilung beantragt, kann
daher auf die Beschwerde nicht eingetreten werden.

4.2 Die Nichtigkeitsbeschwerde kann nur damit begründet werden, dass die
angefochtene Entscheidung eidgenössisches Recht verletze (Art. 269 BStP).

Der Beschwerdeführer macht in seiner Nichtigkeitsbeschwerde einleitend eine
Verletzung von Art. 18 StGB (falsche und sogar willkürliche Anwendung des
Vorsatzbegriffs, respektive der Fahrlässigkeit) und eine rechtswidrige
Qualifikation des Entzugs der Jagdberechtigung als Administrativmassnahme
statt als Nebenstrafe geltend (Beschwerde S. 3). Wie sich aus dem
angefochtenen Dispositiv ergibt, beruht die Verurteilung auf kantonalem
Recht. Soweit die Vorinstanz Bundesrecht berücksichtigt (angefochtenes Urteil
S. 16 ff.), wendet sie eidgenössisches Recht als kantonales Ersatzrecht an.
Bundesrecht steht somit nicht in Frage (vgl. z.B. BGE 103 IV 76 E. 1). Der
Hinweis auf BGE 129 IV 296 ist unbehelflich. Auf die Nichtigkeitsbeschwerde
ist nicht einzutreten.

III. Kosten

5.
Der Beschwerdeführer wird kostenpflichtig (Art. 156 Abs. 1 OG; Art. 278 Abs.
1 BStP). Die Gerichtsgebühr von jeweils Fr. 1'000.--, insgesamt Fr. 2'000.--,
wird dem Beschwerdeführer auferlegt.

IV. Aufschiebende Wirkung

6.
Mit dem Entscheid in der Sache sind die Gesuche um aufschiebende Wirkung
gegenstandslos geworden.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Auf die staatsrechtliche Beschwerde wird nicht eingetreten.

2.
Auf die eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde wird nicht eingetreten.

3.
Die Gerichtsgebühr von insgesamt Fr. 2'000.-- wird dem Beschwerdeführer
auferlegt.

4.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Staatsanwaltschaft des Kantons
Graubünden und dem Kantonsgericht von Graubünden, Kantonsgerichtsausschuss,
schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 30. März 2004

Im Namen des Kassationshofes
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Der Gerichtsschreiber: