Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Kassationshof in Strafsachen 6P.149/2003
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6P.149/2003
6S.424/2003 /kra

Urteil vom 2. März 2004
Kassationshof

Bundesrichter Schneider, Präsident,
Bundesrichter Kolly, Zünd,
Gerichtsschreiber Weissenberger.

X. ________,
Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Viktor Peter,

gegen

Staatsanwaltschaft des Kantons Luzern, Zentralstrasse 28, 6002 Luzern,
Obergericht des Kantons Luzern, II. Kammer, Postfach, 6002 Luzern.

Art. 9 BV (Strafverfahren; Beweiswürdigung),
Fahren in angetrunkenem Zustand,

Staatsrechtliche Beschwerde und Nichtigkeitsbeschwerde gegen das Urteil des
Obergerichts des Kantons Luzern, II. Kammer, vom 3. Juli 2003.

Sachverhalt:

A.
Am 7. August 2001 um 01.00 Uhr fiel einer Verkehrspatrouille der
Kantonspolizei Luzern in Willisau ein Personenwagen auf, an dem das hintere
Kontrollschild fehlte. Bei der Überprüfung des Lenkers X.________ stellten
die Polizeibeamten fest, dass sein Atem nach Alkohol roch. Sie führten
deshalb einen Atemlufttest durch, der einen Atemalkoholgehalt von 1 Promille
ergab. In der Folge unterzog sich X.________ einer Blutentnahme. Die
Auswertung der Blutprobe ergab eine Blutalkoholkonzentration im Zeitpunkt der
Fahrt von mindestens 1,24 Promille.

B.
Das Obergericht des Kantons Luzern sprach X.________ kantonal
letztinstanzlich des Führens eines Personenwagens in angetrunkenem Zustand
sowie des nicht vollständigen Anbringens der Wechselschilder an einem
Personenwagen schuldig und verurteilte ihn zu einer unbedingten
Gefängnisstrafe von einer Woche und einer Busse von Fr. 1'500.--.

C.
X.________ führt staatsrechtliche Beschwerde und eidgenössische
Nichtigkeitsbeschwerde je mit dem Antrag, das Urteil des Obergerichts
aufzuheben und die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.

Das Obergericht des Kantons Luzern beantragt, die beiden Beschwerden
abzuweisen, soweit darauf einzutreten sei.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

I. Staatsrechtliche Beschwerde

1.
Der Beschwerdeführer rügt die Beweiswürdigung des Obergerichts als
willkürlich. Er bringt vor, die Feststellung des Ergebnisses des
Atemlufttests sowie der zeitlichen Abläufe sei unhaltbar. Er habe das
Restaurant nach und nicht vor 01.00 Uhr unmittelbar nach Trinkschluss
verlassen. Deshalb hätten die Polizeikontrolle sowie der Atemlufttest nicht
um 01.00 Uhr stattfinden können. Ferner ergebe sich aus einer
handschriftlichen Notiz bei den Akten, dass die Blutentnahme um 01.40 Uhr und
nicht zehn Minuten später erfolgt sei. Schliesslich beweise der Umstand, dass
er keine oder kaum Alkoholisierungssymptome gezeigt habe, dass die Blutprobe
während der Resorptionsphase entnommen worden und deshalb nicht verlässlich
sei.

1.1 Der Begriff der Willkür ist vom Bundesgericht kürzlich wieder dargelegt
worden (BGE 128 I 177 E. 2.1 S. 182). Reichhaltig ist auch die Rechtsprechung
zu den Anforderungen nach Art. 90 Abs. 1 lit. b OG an die Begründung einer
staatsrechtlichen Beschwerde und insbesondere an die Darlegung von Willkür
(grundlegend: BGE 110 Ia 1 E. 2a; 125 I 492 E. 1b S. 495, mit Hinweisen; vgl.
ferner BGE 127 I 38 E. 3c und 4 S. 43 mit weiteren Hinweisen). Es kann darauf
verwiesen werden.

1.2 Die Beschwerdeschrift genügt den Begründungsanforderungen von Art. 90
Abs. 1 lit. b OG nicht. Der Beschwerdeführer erhebt durchwegs appellatorische
Kritik am angefochtenen Entscheid. Er setzt sich mit der Begründung des
Obergerichts nicht auseinander und zeigt nicht auf, inwieweit die
Beweiswürdigung Art. 9 BV verletze.

Soweit der Beschwerdeführer geltend macht, das Obergericht habe willkürlich
festgestellt, dass der Atemlufttest um 01.00 Uhr durchgeführt worden sei, ist
nicht erkennbar, inwiefern dies das Ergebnis des Entscheids hätte
beeinflussen können. Der Beschwerdeführer weist selbst darauf hin, dass hier
einzig die Zeitspanne zwischen Trinkschluss und Blutentnahme bedeutsam ist.
Gleiches gilt für die Rüge der willkürlichen Feststellung des Zeitablaufs und
der vom Beschwerdeführer behaupteten Blutentnahme während der
Resorptionsphase. Die in Art. 139 Abs. 4 VZV festgesetzte Pflicht der
Behörden, den Verdächtigen nach frühestens einer Viertelstunde einer zweiten
Blutentnahme zu unterziehen für den Fall, dass er behauptet, eine halbe bis
dreiviertel Stunde vor der ersten Blutentnahme Alkohol zu sich genommen zu
haben, ist keine Beweisregel zu Gunsten des Verdächtigen. Vielmehr soll die
Bestimmung sicherstellen, dass die Angetrunkenheit auch von Fahrzeuglenkern
rechtsgenüglich nachgewiesen werden kann, die sich noch in der
Resorptionsphase befinden und bei denen die erste Blutprobe nur deshalb einen
Wert von weniger als 0,8 Promille ergibt. Die Angetrunkenheit gilt nämlich
bereits als erwiesen, wenn der Fahrzeugführer im Zeitpunkt der Fahrt eine
Alkoholmenge im Körper hat, die zu einer Blutalkoholkonzentration von 0,8
Promille führt, ohne dass der Alkohol bereits resorbiert zu sein braucht
(Art. 2 Abs. 2 VRV; BGE 108 IV 107). Da beim Beschwerdeführer bereits die
erste Blutprobe die Grenze von 0,8 Promille überschritten hatte, ist nicht
erkennbar, inwiefern die von ihm in Frage gestellten Zeitabläufe Einfluss auf
die vom Obergericht angenommenen Blutalkoholwerte hätten haben können.

Der Beschwerdeführer bringt vor, es seien insgesamt drei Atemlufttests
durchgeführt worden, wobei der erste Test ohne Ergebnis geblieben sei und der
zweite einen Wert von 0,5 ergeben habe. Erst der dritte Test habe mit 1
Promille mehr als die für die Anordnung einer Blutprobe erforderlichen 0,6
Promille gemäss Art. 138 Abs. 3 VZV angezeigt. Die Polizeibeamten hätten die
drei Ergebnisse nicht ausgedruckt und zu den Akten genommen. Der dritte Test
sei von ihnen lediglich im Protokoll vermerkt worden. Damit seien die
Testergebnisse nicht überprüfbar. Diese Gesichtspunkte haben mit der
Zuverlässigkeit der Blutanalyse und deren Aussagekraft nichts zu tun. Soweit
der Beschwerdeführer sinngemäss geltend zu machen scheint, die Polizeibeamten
hätten nicht mehr als einen Atemlufttest durchführen und gestützt auf das
erste oder allenfalls zweite Testergebnis keine Blutprobe anordnen dürfen,
legt er nicht in einer Art. 90 Abs. 1 lit. b OG genügenden Weise dar, welche
verfassungsmässigen Rechte bzw. welche Rechtssätze und inwiefern sie durch
das Vorgehen der Polizeibeamten und der Verwertung der von ihnen erhobenen
Beweismittel durch das Obergericht verletzt worden sein sollen.

Ebenfalls appellatorisch und damit unzulässig ist der Einwand des
Beschwerdeführers, die fehlenden Symptome einer Angetrunkenheit würden klar
zeigen, dass der ermittelte Blutalkoholwert nicht stimmen könne. Im Übrigen
ist die Beweiswürdigung des Obergerichts differenziert, eingehend,
nachvollziehbar und stimmig. Willkür ist zu verneinen. Es kann hier auf die
Erwägungen im angefochtenen Urteil verwiesen werden. Mit dem willkürfrei
erbrachten Beweis eines Blutalkoholgehalts im Zeitpunkt der Fahrt von mehr
als 0,8 Promille galt für das Obergericht von Gesetzes wegen die
Fahrunfähigkeit des Beschwerdeführers als erwiesen (vgl. Art. 2 Abs. 2 VRV),
weshalb die angeblich fehlenden Alkoholisierungssymptome nichts am
Beweisergebnis ändern konnten.

2.
Die Beschwerde ist daher abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann.
Dementsprechend hat der Beschwerdeführer die Kosten des Verfahrens vor
Bundesgericht zu tragen (Art. 156 Abs. 1 OG).

II. Nichtigkeitsbeschwerde

3.
Gemäss Art. 273 Abs. 1 lit. b BStP muss die Beschwerdeschrift die Begründung
der Anträge enthalten. Sie soll darlegen, welche Bundesrechtssätze und
inwiefern sie durch den angefochtenen Entscheid verletzt sind. Ausführungen,
die sich gegen die tatsächlichen Feststellungen des Entscheides richten, neue
Tatsachen, Einreden, Bestreitungen und Beweismittel, sowie Erörterungen über
die Verletzung kantonalen Rechts sind unzulässig. Die Nichtigkeitsbeschwerde
kann nur damit begründet werden, dass das angefochtene Urteil eidgenössisches
Recht verletze; die Rüge der Verletzung verfassungsmässiger Rechte ist
ausgeschlossen (Art. 269 BStP).

3.1 Der Beschwerdeführer wendet sich mit seinen Rügen schwergewichtig gegen
die Beweiswürdigung der Vorinstanz. Dementsprechend weicht er auch von den
verbindlichen tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz ab. Damit ist er
nicht zu hören. Eine bloss mittelbare Verletzung der Bundesverfassung oder
der Europäischen Menschenrechtskonvention, wie sie mit Nichtigkeitsbeschwerde
hätte vorgebracht werden können (vgl. BGE 119 IV 109 E. 1a), macht der
Beschwerdeführer nicht geltend. Deshalb ist auf seine Rügen, welche sich
gegen das Verfahren bei der Durchführung des Atemlufttests und die fehlenden
Ausdrücke der Testergebnisse zuhanden der Akten richten, nicht einzutreten.

3.2 Der Beschwerdeführer macht geltend, lediglich ein Atemlufttest über 0,6
Promille genüge nicht zum Beweis einer Blutalkoholkonzentration von mehr als
0,8 Promille (Beschwerde, S. 4). Soweit er sich damit nicht gegen die
tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz wendet, verkennt er, dass die
Vorinstanz den Grad seiner Alkoholisierung allein gestützt auf die Ergebnisse
der Blutanalyse bestimmt hat. Der Atemlufttest diente nur als Vorprobe im
Sinne von Art. 138 Abs. 3 VZV. Ihm kam für den Nachweis der Angetrunkenheit
keine Bedeutung zu. Dass die Polizeibeamten Bundesrecht verletzt hätten,
indem sie mehrere Atemlufttests durchführten und die Ergebnisse nicht
ausdruckten, sondern nur den höchsten Testwert protokollierten, macht der
Beschwerdeführer nicht geltend und ist auch nicht ersichtlich.

Schliesslich verkennt der Beschwerdeführer auch hier die Bedeutung der
Vorschrift von Art. 139 Abs. 4 VZV. Es kann auf das dazu bereits Gesagte
verwiesen werden (oben E. 1.2). Falls dem Beschwerdeführer die Blutprobe
tatsächlich in der Resorptionsphase entnommen worden wäre, so hätte sich bei
einem Vorgehen nach Art. 139 Abs. 4 VZV kein tieferer, sondern nur ein
höherer Blutalkoholwert ergeben können.

4.
Demgemäss ist die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Dem
Ausgang des Verfahrens entsprechend hat der Beschwerdeführer die Kosten des
Verfahrens zu tragen (Art. 278 Abs. 1 BStP).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten
ist.

2.
Die eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen, soweit darauf
einzutreten ist.

3.
Die Gerichtsgebühr von insgesamt Fr. 4'000.-- wird dem Beschwerdeführer
auferlegt.

4.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Staatsanwaltschaft des Kantons
Luzern und dem Obergericht des Kantons Luzern, II. Kammer, schriftlich
mitgeteilt.

Lausanne, 2. März 2004

Im Namen des Kassationshofes
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Der Gerichtsschreiber: