Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Kassationshof in Strafsachen 6P.125/2003
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6P.125/2003 /pai

Urteil vom 4. Juni 2004
Kassationshof

Bundesrichter Schneider, Präsident,
Bundesrichter Zünd,
Ersatzrichter Killias,
Gerichtsschreiber Monn.

X. ________,
Beschwerdeführer, vertreten durch Fürsprech lic. iur. Beat Widmer,

gegen

Y.________,
Beschwerdegegner, vertreten durch Fürsprecher lic. iur. Claude Fischer,
Obergericht des Kantons Aargau, 2. Strafkammer, Obere Vorstadt 38, 5000
Aarau.

Art. 9 BV (Strafverfahren; willkürliche Beweiswürdigung),

Staatsrechtliche Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons
Aargau, 2. Strafkammer, vom 3. Juli 2003.

Sachverhalt:

A.
Y. ________, ein Profiboxer, führte am 28. Februar 1998 in Zofingen mit
seiner Firma A.________ GmbH (A.________) ein Boxmeeting durch, an welchem er
selber als Kämpfer teilnahm. Im Vorfeld erschien am 6. Februar 1998 in der
Neuen Zürcher Zeitung ein Artikel, der sich kritisch mit der Veranstaltung
befasste und weitgehend auf Informationen von X.________ beruhte. Nach dessen
Ansicht war der Anlass geeignet, den Boxsport in ein unvorteilhaftes Licht zu
stellen. Er sprach von einer "schlechten Jahrmarktveranstaltung", die, da in
sportlicher Hinsicht "völlig wertlos", einem "Betrug am Publikum"
gleichkomme. Weiter wurde im Artikel Y.________ vorgeworfen, während zu
langer Zeit sportlich inaktiv gewesen zu sein, nach seinem letzten Kampf mit
Verdacht auf eine Hirnverletzung ins Spital geliefert worden zu sein und an
chronischer Hepatitis zu leiden, was vom Vertrauensarzt des Schweizerischen
Boxverbands festgestellt worden sei. Schliesslich war die Rede davon, dass
seine letzte Lizenz eine gefälschte Unterschrift aufweise, weshalb beim
Boxverband immer noch ein Verfahren gegen Y.________ hängig sei.

B.
Aufgrund dieser Vorwürfe stellte Y.________ am 4. Mai 1998 in seinem eigenen
sowie im Namen der A.________ Strafantrag wegen übler Nachrede, Verleumdung
und unlauteren Wettbewerbs. Mit Entscheid vom 2. Mai 2002 verurteilte das
Bezirksgericht Zofingen X.________ nach allen drei Bestimmungen zu einer
Busse von 500 Franken, unter Auferlegung sämtlicher Kosten und einer
Parteientschädigung an den Kläger von über 11'000 Franken. Zudem sprach das
Gericht dem Kläger eine Genugtuung von 1'500 Franken zu.

Im Berufungsverfahrens sprach das Obergericht des Kantons Aargau X.________
mit Urteil vom 3. Juli 2003 vom Vorwurf der Verleumdung und üblen Nachrede
wegen Eintritts der absoluten Verjährung frei. Es sprach ihn der
Widerhandlung gegen das Bundesgesetz über den unlauteren Wettbewerb vom 19.
Dezember 1986 (UWG; SR 241) gemäss dessen Art. 3 lit. a in Verbindung mit
Art. 23 schuldig und verurteilte ihn zu einer Busse von 300 Franken. Im
Übrigen wurde die Berufung abgewiesen.

C.
X. ________ führt mit fristgerechter Eingabe vom 13. September 2003
staatsrechtliche Beschwerde und beantragt, das Urteil des Obergerichts sei
aufzuheben und die Sache zu seiner Freisprechung an das Obergericht
zurückzuweisen.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Die staatsrechtliche Beschwerde ist - mit hier nicht in Betracht fallenden
Ausnahmen - kassatorischer Natur (BGE 129 I 173 E. 1.5). Soweit der
Beschwerdeführer beantragt, die Sache sei zu seiner Freisprechung an die
Vorinstanz zurückzuweisen, ist darauf nicht einzutreten.

Das Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde ist keine Fortsetzung des
kantonalen Berufungsverfahrens, sondern dient der Behebung von Verletzungen
verfassungsmässiger Rechte der Bürger (Art. 84 Abs. 1 lit. a OG). In der
Beschwerde ist deshalb auszuführen, welche verfassungsmässigen Rechte bzw.
welche Rechtssätze und inwiefern sie durch den angefochtenen Entscheid
verletzt worden sind (Art. 90 Abs. 1 lit. b OG). Dabei genügt es nicht, wenn
einfach behauptet wird, gewisse Feststellungen im angefochtenen Entscheid
seien "willkürlich" bzw. "aktenwidrig". Wird eine solche Behauptung nicht
belegt, tritt das Bundesgericht darauf nicht ein.

Die staatsrechtliche Beschwerde ist nur zulässig, wenn die behauptete
Rechtsverletzung nicht durch ein anderes Rechtsmittel beim Bundesgericht
gerügt werden kann (Art. 84 Abs. 2 OG). Verletzungen des materiellen
Strafrechts (einschliesslich der Strafbestimmungen des UWG) sind mit
eidgenössischer Nichtigkeitsbeschwerde vorzubringen (Art. 269 Abs. 1 BStP).
Auf unzulässige Rügen tritt das Bundesgericht nicht ein.

2.
Soweit der Beschwerdeführer bemängelt, der Beschwerdegegner sei zur Stellung
des Strafantrags nicht berechtigt gewesen (Beschwerde S. 5/6 Ziff. 9), ist
darauf nicht einzutreten. Zum einen betrifft diese Frage das materielle
Strafrecht, welches nicht Gegenstand einer staatsrechtlichen Beschwerde sein
kann. Soweit der Beschwerdeführer zum anderen Willkür geltend macht und z.B.
behauptet, dem Beschwerdegegner sei eine feste, vom finanziellen Erfolg der
Veranstaltung unabhängige Gage zugesichert worden, muss darauf ebenfalls
nicht eingegangen werden, weil es nicht von Bedeutung ist (vgl. heutiges
Urteil 6S.340/2003 E. 1).

3.
Der Beschwerdeführer kritisiert die Auffassung des Obergerichts, die Vorwürfe
der "Jahrmarktveranstaltung" und des "Betrugs am Publikum" seien unlauter im
Sinne des UWG (Beschwerde S. 6 - 8 Ziff. 10 und 11a). Die Begründung
erschöpft sich jedoch zur Hauptsache in der Darlegung, dass das Obergericht
das materielle Strafrecht falsch ausgelegt habe. Zulässig ist einzig die
Rüge, das Obergericht habe aus der Klagebeilage 4 - einer eigens für die
Veranstaltung herausgegebenen Zeitschrift - den willkürlichen Schluss
gezogen, das Publikum habe gewusst, dass es sich nicht um einen Kampf eines
der grossen Boxverbände gehandelt habe und der Beschwerdegegner kein
hochrangiger Boxer gewesen sei. In der Zeitschrift, die die Veranstaltung als
"Champions Night - IBC World Championship" anpreist, wird in der Grussadresse
des Präsidenten des IBC zwar tatsächlich der Ausdruck
"Weltmeisterschaftskämpfe" verwendet. Anderseits heisst es dort jedoch auch,
der IBC sei ein verhältnismässig junger Verband, der von Konkurrenzverbänden
gelegentlich angefeindet werde, weil er auch älteren Boxern Kämpfe
ermögliche, sofern sie (noch) in guter Verfassung seien (Klagebeilage 4 S.
3). Diese Ausführungen zeigen, dass es sich beim IBC um einen eher
unbedeutenden Verband handelt, der noch um seine Anerkennung ringen muss, und
sie stehen zur Vorstellung von "Weltklasse" und "World Championship" in einem
gewissen Widerspruch. Dem Obergericht kann jedenfalls keine Willkür
vorgeworfen werden, wenn es gestützt auf die Zeitschrift zum Schluss kam, das
Publikum habe über die wahre Natur der Veranstaltung Bescheid gewusst und sei
insoweit nicht getäuscht worden. Die Beschwerde ist in diesem Punkt
unbegründet.

4.
Was der Beschwerdeführer in Bezug auf den durch das Obergericht als unlauter
eingestuften Vorwurf, die Veranstaltung sei in sportlicher Hinsicht "völlig
wertlos" gewesen, vorbringt (Beschwerde S. 9 Ziff. 11b), ist unzulässig, da
es ausschliesslich die Frage betrifft, ob der angefochtene Entscheid
bundesrechtskonform ist.

5.
Dasselbe gilt für den Vorwurf, der Beschwerdegegner sei nach seinem letzten
Kampf wegen des Verdachts auf eine Hirnverletzung ins Spital eingeliefert
worden. Auch die diesbezüglichen Ausführungen in der Beschwerde (S. 9/10
Ziff. 11c) betreffen nur das Bundesrecht.

6.
Nach Auffassung des Beschwerdeführers ist die Ansicht des Obergerichts, es
sei nicht erwiesen, dass der Beschwerdegegner an einer chronischen Hepatitis
leide, "nur bedingt richtig", da sich aus einem Arztbericht ergebe, dass
zumindest eine passive chronische Hepatitis vorliege (Beschwerde S. 10/11
Ziff. 11e). Die Rüge geht an der Sache vorbei. Der Beschwerdeführer anerkennt
ausdrücklich, dass der Arzt des Boxverbands ausgeführt hat, aus den Befunden
könne nicht zwingend geschlossen werden, es bestehe eine aktive chronische
Hepatitis (Beschwerde S. 10). Folglich war seine als Tatsache hingestellte
Behauptung, der Beschwerdegegner leide an einer chronischen Hepatitis, was
vom Vertrauensarzt festgestellt worden sei (angefochtener Entscheid S. 11),
zumindest irreführend. Ob er mit seiner Behauptung gegen das UWG verstossen
hat, ist im vorliegenden Verfahren nicht zu prüfen. Von Willkür oder einer
Verletzung der Unschuldsvermutung kann jedenfalls nicht die Rede sein.

7.
Schliesslich macht der Beschwerdeführer geltend, er habe dem Autor des
Artikels in der Neuen Zürcher Zeitung gegenüber nie behauptet, es laufe aus
dem Grund ein Verfahren gegen den Beschwerdegegner, weil in dessen Lizenz
manipuliert worden sei (Beschwerde S. 11 Ziff. 11f). Aber er anerkennt
selber, dass er den Artikel vor der Publikation gelesen und dessen Inhalt
nicht beanstandet hat. Folglich ist die Schlussfolgerung, nicht der Autor,
sondern der Beschwerdeführer sei der Urheber der in Frage stehenden Passage,
jedenfalls nicht willkürlich.

8.
Die Beschwerde erweist sich als unbegründet und ist abzuweisen, soweit darauf
eingetreten werden kann. Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind die
bundesgerichtlichen Kosten dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 156 Abs. 1
OG). Dem Beschwerdegegner muss keine Entschädigung ausgerichtet werden, weil
er nicht zur Vernehmlassung aufgefordert wurde und deshalb vor Bundesgericht
keine Umtriebe hatte.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten
ist.

2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Aargau, 2.
Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 4. Juni 2004

Im Namen des Kassationshofes
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Der Gerichtsschreiber: