Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Kassationshof in Strafsachen 6A.80/2003
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6A.80/2003 /kra

Urteil vom 23. Januar 2004
Kassationshof

Bundesrichter Schneider, Präsident,
Bundesrichter Kolly, Karlen,
Gerichtsschreiber Monn.

X. ________,
Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. Daniel Speck,

gegen

Verwaltungsrekurskommission des Kantons St. Gallen Abteilung IV, Unterstrasse
28, 9001 St. Gallen.

Entzug des Führerausweises auf unbestimmte Zeit (aufschiebende Wirkung),

Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen die Zwischenverfügung der
Verwaltungsrekurskommission des Kantons St. Gallen Abteilung IV vom 24.
Oktober 2003.

Sachverhalt:

A.
Das Strassenverkehrs- und Schifffahrtsamt des Kantons St. Gallen entzog
X.________ am 5. September 2003 den Führerausweis auf unbestimmte Zeit,
mindestens für die Dauer von zwölf Monaten, weil er alkoholabhängig sei.
Einem allfälligen Rekurs wurde die aufschiebende Wirkung entzogen.

Am 15. September 2003 rekurrierte X.________ an die
Verwaltungsrekurskommission des Kantons St. Gallen. Er beantragte, die
Verfügung des Strassenverkehrs- und Schifffahrtsamtes sei aufzuheben und es
sei seinem Rekurs die aufschiebende Wirkung zu erteilen.

Der Präsident der Abteilung IV der Verwaltungsrekurskommission wies das
Gesuch um aufschiebende Wirkung am 24. Oktober 2003 ab. Der Entscheid wurde
am 28. Oktober 2003 versandt.

B.
X.________ führt mit fristgerechter Eingabe von Montag, den 10. November
2003, beim Bundesgericht Verwaltungsgerichtsbeschwerde und beantragt, der
Entscheid des Präsidenten der Verwaltungsrekurskommission sei aufzuheben und
dem Rekurs vom 15. September 2003 die aufschiebende Wirkung zu erteilen.
Eventualiter sei die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz
zurückzuweisen.

Der Präsident der Verwaltungsrekurskommission beantragt mit Eingabe vom 12.
November 2003, die Beschwerde sei abzuweisen.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Der Entscheid über die aufschiebende Wirkung im kantonalen
Rechtsmittelverfahren gegen den Sicherungsentzug des Führerausweises ist mit
Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Bundesgericht grundsätzlich anfechtbar
(Urteil 6A.85/2002 vom 22. November 2002 E. 1.2). Gegen einen
Zwischenentscheid ist nach Art. 97 Abs. 1 OG in Verbindung mit Art. 45 Abs. 1
VwVG die Verwaltungsgerichtsbeschwerde jedoch nur zulässig, wenn er einen
nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken kann. Dieser Nachteil muss
nicht rechtlicher Natur sein, sondern es genügt auch ein bloss
wirtschaftliches Interesse an der Aufhebung des Zwischenentscheids (BGE 120
Ib 97 E. 1c). Der Beschwerdeführer macht nur geltend, sein "Beschwer" liege
darin, dass er zurzeit nicht fahren könne (Beschwerde S. 9 unten). Unter
diesen Umständen ist es zweifelhaft, ob auf die Beschwerde überhaupt
eingetreten werden kann. Die Frage kann jedoch offen bleiben, weil sich die
Beschwerde als offensichtlich unbegründet erweist.

2.
Nach Art. 51 des Gesetzes über die Verwaltungsrechtspflege des Kantons St.
Gallen vom 16. Mai 1965 (SGS 951.1) hat der Rekurs aufschiebende Wirkung,
wenn die Vorinstanz nicht wegen Gefahr die Vollstreckbarkeit anordnet (Abs.
1). Die Rekursinstanz kann eine gegenteilige Verfügung treffen, die endgültig
ist (Abs. 2). Eine nähere Regelung der Kriterien, die beim Entscheid über die
aufschiebende Wirkung massgebend sind, enthält das kantonale Recht nicht. Bei
dieser Sachlage ist bei der Prüfung der Gründe, die für den Aufschub
sprechen, und jenen, die eine sofortige Vollstreckung nahe legen, von dem vom
Bundesrecht vorgegebenen Zweck des Sicherungsentzugs auszugehen.

Nach Art. 30 VZV dienen Sicherungsentzüge dem Schutz des Verkehrs vor
ungeeigneten Fahrzeuglenkern (Abs. 1). Sie werden unter anderem verfügt, wenn
der Führer wegen Trunksucht zum Führen von Motorfahrzeugen nicht geeignet ist
(Abs. 2). Aus dieser Zwecksetzung ergibt sich, dass diese Form des Entzugs im
Interesse der Verkehrssicherheit in der Regel keinen Aufschub erträgt.
Rechtsmitteln gegen Sicherungsentzüge ist deshalb die aufschiebende Wirkung
zu verweigern, soweit nicht besondere Umstände vorliegen (BGE 122 II 359 E.
3a; 107 Ib 395 E. 2a; 106 Ib 115 E. 2). Der kantonalen Instanz steht beim
Entscheid über die aufschiebende Wirkung ein erheblicher Ermessensspielraum
zu. Das Bundesgericht prüft im vorliegenden Verfahrensstadium lediglich, ob
die kantonale Instanz ihr Ermessen überschritten oder missbraucht und
insbesondere ob sie wesentliche Interessen nicht berücksichtigt oder falsch
gewichtet hat (BGE 106 Ib 115 E. 2a).

In der Beschwerde wird ausdrücklich anerkannt, dass der Beschwerdeführer seit
Jahren ein Alkoholproblem hat, welches sich in der Art und Weise
manifestiere, dass er jeweils während einer oder mehrerer Wochen Alkohol im
Übermass konsumiere, und welches seit 1985 zu wiederholten Entzugstherapien
geführt habe. Im Rahmen einer solchen Therapie erlitt der Beschwerdeführer im
Juni 2003 einen generalisierten epileptischen Anfall. In der Folge befand das
Institut für Rechtsmedizin am Kantonsspital, dass die Fahreignung des
Beschwerdeführers aufgrund einer Alkoholabhängigkeitsproblematik nicht
befürwortet werden könne. Es empfahl die Durchführung einer einjährigen,
ärztlich kontrollierten und fachtherapeutisch betreuten Alkoholabstinenz,
regelmässige Therapien sowie einen Beleg für eine mindestens einjährige
Anfallsfreiheit (Beschwerde S. 3 - 5).

Der Beschwerdeführer macht geltend, sein Alkoholproblem sei nicht
verkehrsrelevant, weil er die alkoholbedingten "Abstürze" immer zu Hause
gehabt und in diesem Zustand kein Motorfahrzeug gelenkt habe. Er konsumiere
den Alkohol nicht gewohnheitsmässig im Übermass, sondern immer nur
vorübergehend. Aus den Phasen des übermässigen Alkoholkonsums könne er sich
immer wieder aus eigenem Willen und gegebenenfalls mit professioneller Hilfe
befreien. Nun habe er sich dazu entschlossen, Antabus einzunehmen und den
Suchtberater des zuständigen Sozialamtes mit einer fachtherapeutischen
Begleitung zu beauftragen. Bei dieser Sachlage sei nicht einzusehen, weshalb
er den Verkehr alkoholbedingt gefährden sollte, wenn ihm das Führen eines
Motorfahrzeugs während der Dauer des kantonalen Verfahrens erlaubt werde
(Beschwerde S. 8/9; angefochtener Entscheid S. 3).

Angesichts der Vorgeschichte des Beschwerdeführers steht es ausser Zweifel,
dass ein schwer wiegendes Alkoholproblem und deshalb ein öffentliches
Interesse daran besteht, dass er bis zur Abklärung aller relevanten Umstände
vorläufig nicht mehr Auto fahren darf. Seine Behauptung, er sei nie
alkoholisiert gefahren, ist nicht zu hören, denn einen Beweis dafür gibt es
nicht. Besondere Umstände, die gegen den vorsorglichen Entzug sprechen
würden, bestehen nicht. Der Beschwerdeführer macht nur geltend, sein
"Beschwer" liege darin, dass er zurzeit nicht fahren könne (Beschwerde S. 9
unten). Er behauptet aber selber nicht, dass er aus irgendwelchen - z.B.
beruflichen - Gründen auf den Führerausweis angewiesen wäre. Folglich ist die
angefochtene Verweigerung der aufschiebende Wirkung offensichtlich nicht zu
beanstanden und die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

3.
Bei diesem Ausgang des Verfahrens hat der Beschwerdeführer die
bundesgerichtlichen Kosten zu tragen (Art. 156 Abs. 1 OG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer und der Verwaltungsrekurskommission
des Kantons St. Gallen, Abteilung IV, sowie dem Strassenverkehrs- und
Schifffahrtsamt des Kantons St. Gallen und dem Bundesamt für Strassen
schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 23. Januar 2004

Im Namen des Kassationshofes
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Der Gerichtsschreiber: