Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Kassationshof in Strafsachen 6A.69/2003
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6A.69/2003 /kra

Urteil vom 27. November 2003
Kassationshof

Bundesrichter Schneider, Präsident,
Bundesrichter Wiprächtiger, Kolly,
Gerichtsschreiber Briw.

X. ________,
Beschwerdeführer, vertreten durch Fürsprecher Hans Horlacher, Thunstrasse 46,
Postfach, 3000 Bern 7,

gegen

Rekurskommission des Kantons Bern für Massnahmen gegenüber Fahrzeugführern,
Kramgasse 20, 3011 Bern.

Entzug des Führerausweises (Dauer des Entzugs),

Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Entscheid der Rekurskommission des
Kantons Bern für Massnahmen gegenüber Fahrzeugführern vom

2. Juli 2003.

Sachverhalt:

A.
Mit Verfügung vom 21. April 1997 wurde X.________ der Führerausweis wegen
Fahrens in angetrunkenem Zustand für zwei Monate entzogen. Dieser
Führerausweisentzug war bereits vom 14. März bis zum 13. Mai 1996 vollstreckt
worden.

Am 18. Januar 2001 geriet er um 22.05 Uhr am Steuer seines Personenwagens in
eine Verkehrskontrolle. Die angeordnete Blutprobe ergab eine
Blutalkoholkonzentration von mindestens 0,82 Promille.

Der Gerichtspräsident 14 des Gerichtskreises VIII Bern-Laupen bestrafte ihn
am 4. Dezember 2001 wegen fahrlässigen Führens eines Personenwagens in
angetrunkenem Zustand mit 15 Tagen Gefängnis, unter Gewährung des bedingten
Strafvollzugs, und Fr. 2'000.-- Busse. Das Obergericht des Kantons Bern
bestätigte am 20. Juni 2002 dieses Urteil (X.________ hatte seine Appellation
auf die Straf-zumessung beschränkt).

B.
Das Strassenverkehrs- und Schifffahrtsamt des Kantons Bern entzog X.________
am 21. Januar 2003 den Führerausweis für Motorfahrzeuge für die Dauer von 12
Monaten (Art. 16 Abs. 3 lit. b und Art. 17 Abs. 1 lit. d SVG). Auf Beschwerde
von X.________ hin stellte das Amt in seinem Wiedererwägungsentscheid vom 11.
März 2003 fest, dass das Register ein falsches Vollstreckungsdatum enthalte
und in Wirklichkeit kein Rückfall innert der Fünfjahresfrist von Art. 17 Abs.
1 lit. d SVG vorliege. Es setzte in Anwendung von Art. 17 Abs. 1 lit. b SVG
die Entzugsdauer neu auf 4 Monate fest und begründete dies damit, dass
einerseits einem Rückfall innert sechs Jahren praxisgemäss mit einer
wesentlichen Erhöhung der gesetzlichen Mindestentzugsdauer von Art. 17 Abs. 1
lit. b SVG Rechnung getragen werden müsse, dass aber andererseits von einer
mittelgradig erhöhten Sanktionsempfindlichkeit auszugehen sei, was eine
erhebliche Reduktion der Einsatzmassnahme bei Rückfall innert sechs Jahren
erlaube.

X. ________ reichte gegen den Wiedererwägungsentscheid Beschwerde ein. Die
Rekurskommission des Kantons Bern für Massnahmen gegenüber Fahrzeugführern
wies am 2. Juli 2003 die Beschwerde ab.

C.
X.________ erhebt Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Bundesgericht mit dem
Antrag, den Entscheid der Rekurskommission aufzuheben und die Entzugsdauer
auf maximal 3 Monate, eventuell auf das gesetzliche Minimum von 2 Monaten,
"zu beschränken und zu vollstrecken". Eventuell sei die Sache in diesem Sinne
an die Vorinstanz zurückzuweisen. Der Beschwerde sei die aufschiebende
Wirkung zu erteilen.

Die Rekurskommission des Kantons Bern beantragt in ihrer Vernehmlassung die
Abweisung der Beschwerde.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Nach Art. 24 Abs. 2  SVG können letztinstanzliche kantonale Entscheide über
Führerausweisentzüge mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Bundesgericht
angefochten werden. Die Voraussetzungen für die Ergreifung dieses
Rechtsmittels sind erfüllt. Auf die Beschwerde ist daher grundsätzlich
einzutreten.

Mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde kann die Verletzung von Bundesrecht
einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens, nicht aber
Unangemessenheit gerügt werden (Art. 104 OG; vgl. BGE 127 II 297 E. 2a). Auf
die Rüge der Unangemessenheit (Beschwerde S. 4) ist daher nicht einzutreten.

Nachdem als Vorinstanz eine richterliche Behörde entschieden hat, ist das
Bundesgericht an die Feststellung des Sachverhalts gebunden, soweit dieser
nicht offensichtlich unrichtig, unvollständig oder unter Verletzung
wesentlicher Verfahrensvorschriften zustande gekommen ist (Art. 105 Abs. 2
OG; vgl. BGE 127 II 297 E. 2a).

2.
Der Beschwerdeführer macht geltend, die viermonatige Entzugsdauer sei im
Lichte von BGE 128 II 182 sowie Art. 17 Abs. 1 lit. b SVG i.V.m. Art. 33 Abs.
2 der Verkehrszulassungsverordnung (VZV; SR 741.51) bundesrechtswidrig und
jedenfalls als Ermessensüberschreitung zu qualifizieren; der Sachverhalt sei
unrichtig bzw. unvollständig festgestellt worden (Beschwerde S. 7).

3.
Die Vorinstanz führt aus, der Beschwerdeführer habe fünf Jahre und einen
Monat seit Ablauf des letzten Entzugs wegen eines einschlägigen Vorfalls ein
Motorfahrzeug in angetrunkenem Zustand geführt. Damit seien die
Voraussetzungen für einen Entzug des Führerausweises auf die Dauer von
mindestens zwei Monaten gegeben (angefochtenes Urteil S. 5). Sie prüft in der
Folge die wiedererwägungsweise verfügte Entzugsdauer von vier Monaten. Dabei
schützt sie eine ständige kantonale Verwaltungspraxis, nach der eine
Abstufung vorgenommen wird, die sich nach der Frist bemisst, innert welcher
der Betroffene rückfällig geworden ist. Nach dieser Praxis werde beim
Rückfall im sechsten Jahr und einer Blutalkoholkonzentration von 0,8 - 1,19
Promille der Führerausweis auf die Dauer von sechs Monaten entzogen. Indessen
sei wegen der geltend gemachten Sanktionsempfindlichkeit aus beruflichen
Gründen die Entzugsdauer um immerhin zwei Monate reduziert worden, was
angesichts des Grades der beruflich bedingten Angewiesenheit zwar grosszügig,
aber noch vertretbar sei. Nach Prüfung der beruflichen Angewiesenheit auf ein
Motorfahrzeug kommt sie zum Ergebnis, gesamthaft betrachtet, sei ein Entzug
für vier Monate angemessen (angefochtenes Urteil S. 6).

4.
In Bezug auf die Dauer des Entzugs des Führerausweises bei Fahren in
angetrunkenem Zustand hat der Gesetzgeber eine klare Abstufung vorgenommen:
Bei einem Rückfall innert fünf Jahren ist der Führerausweis mindestens für
ein Jahr zu entziehen (Art. 17 Abs. 1  lit. d SVG), danach für mindestens
zwei Monate (Art. 17 Abs. 1 lit. b SVG). Nach Ablauf der fünf Jahre darf der
Faktor Zeit nicht mehr so stark gewertet werden, ausser bei Vorfällen, die
nur kurze Zeit nach Ablauf der fünfjährigen Frist erfolgt sind. Die
Einsatzdauer muss so gewählt werden, dass die Entzugsdauer unter Anwendung
der Kriterien von Art. 33 Abs. 2 VZV bis auf den gesetzlichen Mindestwert
hinab angepasst werden kann, wenn die Voraussetzungen dafür gegeben sind (BGE
128 II 182 E. 2b).

4.1 Der Vorwurf des Beschwerdeführers, die Vorinstanz habe die zeitliche Nähe
der erneuten Trunkenheitsfahrt sowohl bei der Gewichtung des Verschuldens als
auch beim automobilistischen Leumund und damit doppelt berücksichtigt
(Beschwerde S. 5), ist nicht nachvollziehbar begründet. Eine unzulässige
doppelte Berücksichtigung (vgl. BGE 128 II 182 E. 3a) ist nicht ersichtlich.

4.2 Die Vorinstanz kommt in der Frage der beruflichen Angewiesenheit auf ein
Motorfahrzeug zum Ergebnis, es könne nicht davon ausgegangen werden, dass der
Beschwerdeführer in einem Masse auf den Führerausweis angewiesen sei wie
beispielsweise ein Chauffeur oder ein Aussendienstmitarbeiter, der noch voll
im Berufsleben stehe (angefochtenes Urteil S. 6). Dass diese Feststellung
offensichtlich unrichtig, unvollständig oder unter Verletzung wesentlicher
Verfahrensvorschriften zustande gekommen wäre, legt der Beschwerdeführer
nicht dar und ist nicht ersichtlich. Es kann von "Willkür" und
"Widersprüchlichkeit" nicht die Rede sein. Angesichts des massgeblichen
Sachverhalts lässt sich die Sanktionsempfindlichkeit nicht als "hochgradig"
qualifizieren (Beschwerde S. 6). Der Beschwerdeführer arbeitet nach den
vorinstanzlichen Feststellungen nach seiner Pensionierung nur noch
sporadisch. Das Mandatsverhältnis substanziierte er nicht näher, und die
Arbeitgeberbestätigung stammt aus dem Jahre 1996. Daraus ergeben sich keine
Anhaltspunkte, dass er in grösserem Masse auf ein Motorfahrzeug angewiesen
ist. Es ist bloss von einer leicht bis mittelgradig erhöhten
Massnahmeempfindlichkeit auszugehen.

4.3 Der Beschwerdeführer hat bereits im kantonalen Verfahren seine Beschwerde
gestützt auf BGE 128 II 182 begründet und dabei eine Verletzung von
Bundesrecht wegen schematischer Rechtsanwendung geltend gemacht. Das
Bundesgericht hat sich in der Tat mehrfach mit solchen "Tarifen" befasst und
festgehalten, diese verletzten Bundesrecht, wenn sie zu schematisch
angewendet und die Umstände des Einzelfalls nicht mehr genügend
berücksichtigt würden (BGE 128 II 182 E. 2b). Die Vorinstanz führt in ihrer
Vernehmlassung aus, es handle sich bei der kantonalen Praxis zwar um eine Art
standardisierten "Tarif", doch seien die konkreten Umstände genügend
berücksichtigt und der "Tarif" eben gerade nicht zu schematisch angewendet
worden. So sei das Verschulden anhand der bei der Trunkenheitsfahrt
ermittelten Blutalkoholkonzentration und aufgrund der konkreten Umstände
bemessen worden; sie habe sich dabei von den Erwägungen des Strafurteils
leiten lassen (Vernehmlassung S. 3).

Wie erwähnt, kommt nach Ablauf der fünf Jahre wieder Art. 17 Abs. 1 lit. b
SVG zur Anwendung, also eine Entzugsdauer von mindestens zwei Monaten. Diese
ist unter Berücksichtigung der Zumessungskriterien von Art. 33 Abs. 2 VZV
gegebenenfalls zu erhöhen. Der Faktor Zeit darf bei Vorfällen, die nur kurze
Zeit nach Ablauf der fünfjährigen Frist erfolgt sind, stärker gewertet werden
(BGE 128 II 182 E. 2b und 3a, e contrario). Ausgangspunkt bildet daher eine
Mindestentzugsdauer von zwei Monaten (Art. 17 Abs. 1 lit. b SVG; so auch
angefochtenes Urteil S. 5). Diese Dauer durfte die Vorinstanz unter dem
Gesichtspunkt des - im Übrigen ungetrübten - automobilistischen Leumunds
erheblich erhöhen, weil der neue Vorfall nur kurze Zeit nach Ablauf der
fünfjährigen Frist erfolgt war. Für das Verschulden und die Tatumstände
verweist die Vorinstanz im angefochtenen Urteil (insbesondere S. 4) auf das
Strafurteil, und sie geht unter diesen Umständen zu Recht nicht mehr von
einem leichten Verschulden aus. Eine schematische Rechtsanwendung ist zu
verneinen.

4.4 Zusammenfassend ergibt sich die Gewichtung des Verschuldens aus dem
Strafurteil, dem die Vorinstanz folgt. Unter dem Gesichtspunkt des
automobilistischen Leumunds musste die erneute Trunkenheitsfahrt nur kurz
nach Ablauf der Fünfjahresfrist zu einer erheblichen Erhöhung der
Mindestentzugsdauer führen. Schliesslich ist lediglich von einer leicht bis
mittelgradig erhöhten Massnahmeempfindlichkeit auszugehen. Angesichts dieser
Beurteilungsmerkmale bewegt sich die festgesetzte Entzugsdauer im Rahmen des
der kantonalen Behörde zustehenden Ermessens (vgl. BGE 115 Ib 163 E. 3). Der
angefochtene Entscheid verletzt kein  Bundesrecht.

5.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist abzuweisen, soweit auf sie einzutreten
ist. Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind die bundesgerichtlichen Kosten
dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 156 Abs. 1 OG).

Mit dem Entscheid in der Sache ist das Gesuch um aufschiebende Wirkung
gegenstandslos geworden.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten
ist.

2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer und der Rekurskommission des Kantons
Bern für Massnahmen gegenüber Fahrzeugführern sowie dem Strassenverkehrsamt
des Kantons Bern und dem Bundesamt für Strassen schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 27. November 2003

Im Namen des Kassationshofes
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Der Gerichtsschreiber: