Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Kassationshof in Strafsachen 6A.34/2003
Zurück zum Index Kassationshof in Strafsachen 2003
Retour à l'indice Kassationshof in Strafsachen 2003


6A.34/2003 /kra

Urteil vom 28. August 2003
Kassationshof

Bundesrichter Schneider, Präsident,
Bundesrichter Karlen, Ersatzrichterin Pont Veuthey,
Gerichtsschreiber Garré.

X. ________,
Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Duri Poltera,
Hadwigstrasse 6a, 9000 St. Gallen,

gegen

Verwaltungsrekurskommission des Kantons St. Gallen Abteilung IV, Unterstrasse
28, 9001 St. Gallen.

Entzug des Führerausweises auf unbestimmte Zeit,

Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Entscheid der
Verwaltungsrekurskommission des Kantons St. Gallen Abteilung IV vom 12. März
2003.

Sachverhalt:

A.
X. ________, geboren 1964, erwarb im Februar 1984 seinen Führerausweis der
Kategorie B. Mit Verfügung vom 2. August 1999 wurde ihm der Führerausweis für
die Dauer von zwei Monaten entzogen, weil er am 11. Dezember 1998 in Triesen
infolge Unaufmerksamkeit einen Verkehrsunfall verursacht und die Blutprobe
vereitelt hatte.

Am 24. Januar 2002 führte X.________ seinen Personenwagen um 19.00 Uhr in Au
unter dem Einfluss von Cannabis und mit einer Geschwindigkeit von 56 km/h
statt der erlaubten 50 km/h.

B.
Mit Strafbescheid vom 14. März 2002 verurteilte das Untersuchungsamt
Altstätten X.________ u.a. wegen Missachtung der signalisierten
Höchstgeschwindigkeit sowie Führens eines Personenwagens unter Drogeneinfluss
zu einer Busse von Fr. 900.--. Aufgrund eines verkehrsmedizinischen
Gutachtens des Instituts für Rechtsmedizin am Kantonsspital St. Gallen (IRM)
vom 23. Mai 2002 entzog das Strassenverkehrs- und Schifffahrtsamt des Kantons
St. Gallen X.________ mit Verfügung vom 18. Juni 2002 den Führerausweis für
Motorfahrzeuge auf unbestimmte Zeit, mindestens für die Dauer von 12 Monaten.
Eine Wiederzulassung als Motorfahrzeugführer wurde von einer mindestens
zwölfmonatigen ärztlich kontrollierten und fachlich betreuten Alkohol- und
Drogenabstinenz abhängig gemacht. Die Verwaltungsrekurskommission des Kantons
St. Gallen wies den von X.________ gegen diese Verfügung erhobenen Rekurs mit
Entscheid vom 12. März 2003 ab.

C.
X.________ führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag, der Entscheid
vom 12. März 2003 sei aufzuheben, und es sei ein Warnungsentzug von nicht
mehr als 6 Monaten anzuordnen. Er stellt zudem ein Gesuch um unentgeltliche
Rechtspflege.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Der Beschwerdeführer macht geltend, die Verwaltungsrekurskommission habe in
Überschreitung ihres Ermessens zu Unrecht das Vorliegen der gesetzlichen
Erfordernisse für einen Sicherungsentzug bejaht. Bundesrechtswidrig seien
zudem die Ausführungen über eine angebliche Polytoxikomanie (Beschwerde S. 3
f.).

Die Vorinstanz stützt ihre Entscheidung hauptsächlich auf das
verkehrsmedizinische Gutachten vom 23. Mai 2002, welches von einer
erheblichen, verkehrsrelevanten Alkohol- bzw. Suchtmittelproblematik ausgeht,
mit der Unfähigkeit, Alkohol- und Drogenkonsum vom Strassenverkehr strikt
trennen zu können (angefochtener Entscheid S. 4 ff.).

2.
2.1 Gemäss Art. 14 Abs. 2 lit. c SVG darf der Führerausweis nicht erteilt
werden, wenn der Bewerber dem Trunke oder anderen die Fahrfähigkeit
herabsetzenden Süchten ergeben ist. Wird nachträglich festgestellt, dass die
gesetzlichen Voraussetzungen zur Erteilung nicht oder nicht mehr bestehen,
ist der Führerausweis nach Art. 16 Abs. 1 SVG zu entziehen. Ein solcher
Sicherungsentzug dient nach Art. 30 Abs. 1 der Verordnung über die Zulassung
von Personen und Fahrzeugen zum Strassenverkehr (VZV; SR 741.51) dem Schutz
des Verkehrs vor Führern, die aus medizinischen oder charakterlichen Gründen,
wegen Trunksucht oder anderen Süchten oder wegen einer anderen Unfähigkeit
zum Führen von Motorfahrzeugen nicht geeignet sind.

2.2 Der Sicherungsentzug wird beim Vorliegen einer Sucht gemäss Art. 14 Abs.
2 lit. c i.V.m. Art. 17 Abs. 1bis SVG auf unbestimmte Zeit angeordnet und mit
einer Probezeit von mindestens einem Jahr verbunden.

Trunksucht wird bejaht, wenn der Betroffene seine Neigung zu übermässigem
Alkoholgenuss durch den eigenen Willen nicht zu überwinden vermag und er
regelmässig so viel Alkohol zu sich nimmt, dass seine Fahrfähigkeit
vermindert wird. Drogensucht ist gegeben, wenn die Abhängigkeit von der Droge
derart ist, dass sich der Betroffene mehr als jede andere Person der Gefahr
aussetzt, ein Fahrzeug zu führen in einem - dauernden oder zeitweiligen -
Zustand, in dem die Sicherheit für den Strassenverkehr nicht mehr
gewährleistet ist (BGE 129 II 82 E. 4.1 mit Hinweis).
Nach der Rechtsprechung lässt ein regelmässiger, aber kontrollierter und
mässiger Haschischkonsum für sich allein noch nicht den Schluss auf die
fehlende Fahreignung zu (BGE 128 II 335 E. 4b mit Hinweisen). Ob die
Fahreignung gegeben ist, kann ohne Angaben über die Konsumgewohnheiten des
Betroffenen, nämlich über die Menge des konsumierten Cannabis, die Häufigkeit
und die weiteren Umstände des Konsums sowie des allfälligen zusätzlichen
Konsums anderer Betäubungsmittel und/oder von Alkohol nicht beurteilt werden.
Zu berücksichtigen ist ausserdem die Persönlichkeit des Betroffenen
insbesondere im Hinblick auf das Verhältnis von Drogenmissbrauch und
Strassenverkehr. Allerdings kann ein die momentane Fahrfähigkeit
beeinträchtigender Cannabiskonsum Anlass bieten, die generelle Fahrfähigkeit
des Betroffenen näher abklären zu lassen (BGE 128 II 335 E. 4b mit
Hinweisen).

2.3 Im vorliegenden Fall wurde der Beschwerdeführer in Folge einer
polizeilichen Geschwindigkeitskontrolle angehalten. Dabei wurde festgestellt,
dass er einen Joint mit Cannabis rauchte. Auf Vorhalt erklärte er der
Polizei, er habe während der Fahrt von St. Gallen nach Au etwa ein Drittel
Joint geraucht. Wegen der festgestellten Betäubungsmittelsymptome ordnete der
zuständige Untersuchungsrichter eine Blut- und Urinprobe an, die positive
Befunde auf Cannabis und Cocain aufwies. Im Bericht des IRM vom 4. Februar
2002 wurde festgehalten, der gemessene Blut-THC-Gehalt von 10ng/ml liege in
einem Bereich, bei dem konkret mit einer Cannabis-Beeinflussung gerechnet
werden müsse. Hingegen habe der Beschwerdeführer zum Kontrollzeitpunkt nicht
unter dem Einfluss von Cocain gestanden. Mit Verfügung vom 30. Januar 2002
aberkannte das  Strassenverkehrs- und Schifffahrtsamt des Kantons St. Gallen
dem Beschwerdeführer vorläufig das Recht, ein Motorfahrzeug zu führen und
ordnete am 13. März 2002 eine spezialärztliche Untersuchung an, die am 15.
April 2002 vom IRM durchgeführt wurde. Im verkehrsmedizinischen Gutachten vom
23. Mai 2002 erklärte das IRM, die Fahreignung des Beschwerdeführers könne
nicht bejaht werden, da genügend konkrete Hinweise auf eine
Alkoholabhängigkeitsproblematik kombiniert mit einer
Drogenabhängigkeitsproblematik vorlägen. Insbesondere zeige sich beim
Beschwerdeführer ein allgemein reduzierter Gesundheitszustand und ein
fortgesetzter missbräuchlicher Cannabiskonsum, der mit dem nachgewiesenen
Fahren unter Drogeneinfluss verkehrsrelevante Bedeutung erlangt habe.
Vorhanden seien auch medizinische Befunde eines zumindestens phasenweisen
schädlichen Überkonsums von Alkohol und eines zumindestens zeitweisen
Cocain-Gebrauchs.

2.4 Die Entzugsbehörde hat ein verkehrsmedizinisches Gutachten durch ein
spezialisiertes Institut angeordnet. Die Resultate des Gutachtens an sich
werden vom Beschwerdeführer nicht beanstandet. Vielmehr werden verschiedene
Einwände vorgebracht, die die wissenschaftliche Substanz des Gutachtens nicht
tangieren. Die Vorinstanz hat sich sehr ausführlich  mit den objektiven
Ergebnissen des Gutachtens auseinandergesetzt (angefochtener Entscheid S.
5-11) und ist zum eindeutigen Schluss gekommen, dass das Endergebnis des
Gutachters, es liege Unfähigkeit vor, Alkohol- und Drogenkonsum vom
Strassenverkehr strikte zu trennen, nachvollziehbar und insgesamt überzeugend
ist. Die Tatsache, dass er nicht einschlägig vorbestraft ist, kann an diesem
aktuellen Befund nichts ändern. Die Behauptungen über seine vermeintliche
Fähigkeit, Alkohol und Cannabis kontrolliert zu konsumieren, sind nicht
erhärtet und werden durch die objektiven Ergebnisse des Gutachtens klar
widerlegt. Den allgemein gehaltenen Erklärungen des Arbeitgebers kommt kein
massgebliches Gewicht zu. Die hausärztlichen Bestätigungen stützen sich nicht
auf rechtsgenügende Analysen. Die Vorinstanz hat zudem die Tatsache, dass der
Beschwerdeführer wöchentlich etwa 10 Joints raucht, unter Berücksichtigung
des Gutachtens korrekt bewertet.

Unzutreffend ist schliesslich die Behauptung, die Vorinstanz habe die
bundesgerichtliche Rechtsprechung zur Alkohol- und Drogensucht vermischt und
aufgeweicht. Die Verwaltungsrekurskommission hat die zwei Suchtproblematiken
zunächst getrennt und erst in einer zweiten Phase als Manifestation einer
Polytoxikomanie behandelt. Zu Recht hält sie dabei unter Berufung auf die
einschlägige wissenschaftliche Literatur fest, dass beim kombinierten Konsum
dieser Suchtmittel eine Potenzierung und nicht nur eine Addierung der
Gesamtwirkung resultiert (angefochtener Entscheid S. 10).

3.
Zusammenfassend hat die Vorinstanz ihr Ermessen nicht überschritten und Art.
14 Abs. 2 lit. c SVG i.V.m. Art. 16 Abs. 1 SVG korrekt angewendet. Die
Beschwerde ist abzuweisen.

4.
Bei diesem Verfahrensausgang hat der Beschwerdeführer die Kosten zu tragen
(Art. 156 Abs. 1 OG). Da das Rechtsbegehren von Anfang an aussichtslos war,
muss das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege abgewiesen werden (Art. 152
Abs. 1 OG). Der finanziellen Situation des Beschwerdeführers wird bei der
Festsetzung der Gerichtskosten Rechnung getragen.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.

3.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 800.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.

4.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer und der Verwaltungsrekurskommission
des Kantons St. Gallen Abteilung IV sowie dem Strassenverkehrs- und
Schifffahrtsamt des Kantons St. Gallen und dem Bundesamt für Strassen
schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 28. August 2003

Im Namen des Kassationshofes
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Der Gerichtsschreiber: