Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Kassationshof in Strafsachen 6A.32/2003
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6A.32/2003 /pai

Urteil vom 26. Juni 2003
Kassationshof

Bundesrichter Schneider, Präsident,
Bundesrichter Karlen,
Ersatzrichterin Pont Veuthey,
Gerichtsschreiberin Krauskopf

X.________,
Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwältin Barbara Hug,
Gartenhofstrasse 15, Postfach 9819,
8036 Zürich,

gegen

Amt für Justizvollzug des Kantons Zürich, Amtsleitung, Feldstrasse 42, 8090
Zurich,
Verwaltungsgericht des Kantons Zürich, 4. Abteilung, Militärstrasse 36,
Postfach, 8021 Zürich.

Vollzugsplanung,

Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen die Verfügung des Verwaltungsgerichts des
Kantons Zürich, 4. Abteilung, vom 21. März 2003.

Sachverhalt:

A.
X. ________ (geb. 1959) wird in der Interkantonalen Anstalt Bostadel (ZH) als
mehrfacher Gewohnheitsverbrecher gemäss Art. 42 Ziff. 1 Abs. 1 StGB verwahrt.
Im Oktober 2003 wird er zwei Drittel der Grundstrafe verbüsst haben. Eine
staatsrechtliche Beschwerde gegen seine letzte Verurteilung wurde am 27. Mai
2003 abgewiesen (1P.599/2002).

B.
Am 24. Oktober 2002 verfügte das Amt für Justizvollzug des Kantons Zürich,
dass die Voraussetzungen für eine bedingte Entlassung aus der Verwahrung
einstweilen nicht erfüllt seien.

X. ________ rekurrierte gegen diese Verfügung, mit dem Antrag, es sei ein
Vollzugsplan zu erstellen. Am 10. Februar 2003 wies die Direktion der Justiz
und des Innern des Kantons Zürich den Rekurs ab. Sie gelangte zum Schluss,
die Voraussetzungen für schrittweise Vollzugslockerungen seien nicht erfüllt.
Im Übrigen sei für die anstaltsinterne Vollzugsplanung nicht sie, sondern
gemäss massgeblichem Konkordat die Anstalt Bostadel zuständig.

Das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich trat am 21. März 2003 auf die gegen
den Direktionsentscheid gerichtete Beschwerde von X.________ nicht ein.

C.
X.________ führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag, die Verfügung
des Verwaltungsgerichts sei aufzuheben und die Sache mit der Auflage
zurückzuweisen, unverzüglich einen Vollzugsplan zu erstellen.

Das Verwaltungsgericht beantragt in seiner Vernehmlassung, auf die Beschwerde
sei nicht einzutreten.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Der Beschwerdeführer bringt vor, Art. 6 Ziff. 1 EMRK garantiere ihm ein Recht
auf richterliche Prüfung seines Anliegens. Fragen des Freiheitsentzuges und
der Überprüfungsmöglichkeit der bedingten Entlassung dürften nicht den
Verwaltungsbehörden überlassen werden. Weiter seien Art. 45 Ziff. 1 Abs. 2
und 3 StGB verletzt worden, da die Weigerung, einen Vollzugsplan zu erstellen
oder anzuordnen, es verunmögliche, die Voraussetzungen für eine bedingte
Entlassung zu schaffen. Nur wenn er gestützt auf einen Vollzugsplan in den
Genuss von Vollzugslockerungen komme, könne er überhaupt seine positive
Entwicklung belegen. Ohne Vollzugsplan entfalle diese Möglichkeit, die aber
eine Voraussetzung zur Anwendung von Bundesrecht (Art. 45 StGB) sei. Zwischen
der Verweigerung eines Vollzugsplans und der bedingten Entlassung bestehe ein
unmittelbarer Zusammenhang. Das Verwaltungsgericht hätte daher auf seine
Beschwerde eintreten und eine Vollzugsplanung anordnen müssen.

2.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist zulässig gegen letztinstanzliche
kantonale Verfügungen, die sich auf öffentliches Recht des Bundes stützen
oder richtigerweise stützen sollten. Sie ist insbesondere auch zulässig, wenn
eine kantonale Behörde auf ein Rechtsmittel nicht eintritt und dies dazu
führt, dass die korrekte Anwendung von Bundesrecht nicht überprüft wird und
somit die Durchsetzung von Bundesrecht vereitelt werden könnte (BGE 127 II 1
E. 2b/aa S. 3; 120 Ib 379 E. 1b S. 382). Soweit die
Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegeben (und die staatsrechtliche Beschwerde
daher ausgeschlossen) ist, kann auch die Verletzung verfassungs- bzw.
konventionsmässiger Individualrechte gerügt werden (BGE 122 IV 8 E. 2a S.
12).

Der angefochtene Nichteintretensentscheid erging gestützt auf kantonales
Recht, das für die Eintretensvoraussetzungen auf Bundesrecht verweist. Soweit
der Beschwerdeführer geltend macht, die Vollzugsplanung stehe in einem engen
Zusammenhang mit Bundesrecht, und der Nichteintretensentscheid führe dazu,
dass Bundesrecht zu Unrecht nicht angewendet werde, ist nach dem Ausgeführten
auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde einzutreten.

Nicht eingetreten werden kann hingegen auf die Rüge, Art. 45 Ziff. 1 Abs. 2
StGB sei dadurch verletzt worden, dass im Jahre 2001 die Jahresprüfung
unterblieben sei. Im Jahre 2002 erfolgte eine Jahresprüfung. Der
Beschwerdeführer hat somit kein aktuelles rechtliches Interesse mehr an der
Jahresprüfung 2001. Es kann weiter auch nicht auf die Rüge eingetreten
werden, die Vollzugslockerungen seien zu Unrecht abgelehnt worden. Im
kantonalen Verfahren hat der Beschwerdeführer keine Vollzugslockerungen
beantragt, weshalb diese nicht Streitgegenstand bilden. Auf die Rüge, die
Zuständigkeit zur Vollzugsplanung läge nicht bei den Betrieben des
Justizvollzugs, sondern beim Amt für Justizvollzug, kann auch nicht
eingetreten werden, da diese Frage, die nicht die Grundlage für den
Nichteintretensentscheid bildete, ausschliesslich durch kantonales Recht
geregelt wird (BGE 128 I 225 E. 2.4.3 S. 229). Der Beschwerdeführer macht in
diesem Zusammenhang auch keine Verletzung von Bundesrecht geltend.

3.
Das Verwaltungsgericht führt aus, nach § 43 Abs. 1 lit. g und Abs. 2 des
Zürcher Gesetzes über den Rechtsschutz in Verwaltungssachen vom 24. Mai 1959
(VRG) könne gegen Anordnungen im Straf- und Massnahmenvollzug Beschwerde an
das Verwaltungsgericht geführt werden, soweit die
Verwaltungsgerichtsbeschwerde ans Bundesgericht offen stehe oder wenn es sich
um Angelegenheiten gemäss Art. 6 Ziff. 1 EMRK handle. Letzteres treffe nicht
zu. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde stehe zudem nicht offen, da das
Bundesrecht das Institut des Vollzugsplans nicht kenne. Dieses gebe es nur im
kantonalen Recht (vgl. §§ 77-79 der Zürcher Justizvollzugsverordnung vom 24.
Oktober 2001, JVV). Auf die Beschwerde könne daher nicht eingetreten werden.

3.1 Ein kantonaler Entscheid, mit dem über eine Frage des Strafvollzugs
befunden wird, ist mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde anfechtbar, wenn er sich
auf öffentliches Recht des Bundes stützt oder hätte stützen sollen oder in
Anwendung solchen kantonalen Rechts erging, das einen hinreichend engen
Zusammenhang mit der im Rahmen der Verwaltungsgerichtsbeschwerde zu
beurteilenden Frage des Bundesverwaltungsrechts aufweist. Beruht der
angefochtene Entscheid dagegen auf kantonalem Recht, dem im betreffenden
Sachbereich gegenüber dem Bundesrecht selbständige Bedeutung zukommt, ist
nicht die Verwaltungsgerichtsbeschwerde, sondern die staatsrechtliche
Beschwerde gegeben (BGE 123 II 359 E. 1a/aa S. 361; 121 II 72 E. 1b S. 75,
118 Ib 130 E. 1a S. 131f. je mit Hinweisen).

3.2 Der Beschwerdeführer verlangt keine konkrete Lockerungsmassnahme, sondern
ganz allgemein die Erstellung eines Vollzugsplans. Zu prüfen ist demnach, ob
die Erstellung eines Vollzugsplans durch das Bundesrecht geregelt ist oder in
engem Sachzusammenhang dazu steht, weshalb das Verwaltungsgericht auf die
Beschwerde hätte eintreten sollen.

3.3 Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers geht es vorliegend nicht um
die Anwendung von Art. 45 Ziff. 1 Abs. 2 und 3 StGB. Abs. 2 dieser Bestimmung
sieht eine jährliche Prüfung der Frage vor, ob eine bedingte oder probeweise
Entlassung zu gewähren ist, und Abs. 3 schreibt der zuständigen Behörde vor,
vor ihrem Entscheid den zu Entlassenden anzuhören und von der Anstaltsleitung
einen Bericht einzuholen.

Die Strafanstalt Bostadel erstellte im Februar 2002 einen Führungsbericht.
Der Beschwerdeführer nahm am 21. Oktober 2002 Stellung zur Prüfung der
bedingten Entlassung. Letztere wurde vom Sonderdienst des Amtes für
Justizvollzug am 24. Oktober 2002 verweigert. Der Beschwerdeführer
rekurrierte nicht gegen die Verweigerung der bedingten Entlassung. Er
beschränkte sich darauf, die Erstellung eines Vollzugsplans zu verlangen.
Weder vor dem Verwaltungsgericht noch vor Bundesgericht beantragt der
Beschwerdeführer die Gewährung der bedingten oder probeweisen Entlassung. Der
Entscheid über die Verweigerung der bedingten Entlassung ist somit in
Rechtskraft erwachsen und bildet nicht Streitgegenstand.

Zwar bringt der Beschwerdeführer vor, ohne die Erstellung eines Vollzugsplans
werde die Anwendung von Bundesrecht, nämlich die Gewährung der bedingten
Entlassung eines verwahrten Gewohnheitsverbrechers, verunmöglicht. Mit dieser
Argumentation versucht er jedoch vergebens das kantonale Recht als
Bundesrecht darzustellen. Wie das Verwaltungsgericht zu Recht darlegt, kennt
das Bundesrecht das Institut des Vollzugsplans nicht. Das Bundesrecht enthält
wohl Vollzugsgrundsätze (insbesondere Art. 37 ff. und 374 ff. StGB), welche
auch einige Vollzugslockerungen vorsehen (vgl. Art. 37 Ziff. 3 Abs. 2 und
Art. 42 Ziff. 3 Abs. 1 StGB), sowie ergänzende Bestimmungen (Art. 397bis
StGB). Der Straf- und Massnahmenvollzug ist aber weitgehend Sache der Kantone
(vgl. Art. 37 Ziff. 3 Abs. 3 StGB; BGE 128 I 225 E. 2.4.3 S. 229; 124 I 231
E. 1a/aa S. 233; 118 Ia 64 E. 2 S. 68). Von einem Vollzugsplan ist weder im
Strafgesetzbuch noch in dessen Verordnungen die Rede.

Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers ist auch die Erstellung eines
Vollzugsplans keine (formelle oder materielle) Voraussetzung des Bundesrechts
zur Gewährung einer bedingten Entlassung. Bedingte Entlassungen werden denn
auch in Kantonen gewährt, die keine Vollzugsplanung vorschreiben.

Die bedingte Entlassung wurde nicht verweigert, weil kein Vollzugsplan
vorliegen würde. Der Beschwerdeführer ficht auch die Verweigerung der
Vollzugsplanung nicht mit einer im Rahmen der Verwaltungsgerichtsbeschwerde
zu beurteilenden Frage des Bundesrechts, wie etwa der bedingten Entlassung,
an. Insoweit besteht kein Zusammenhang mit einer gleichzeitig zu
beurteilenden Frage des Bundesrechts.

Der Vollzugsplan ist ein Planungsinstrument, das der ständigen Überprüfung
und Anpassung je nach den bei der verwahrten Person eingetretenen
Veränderungen bedarf. Er regelt verschiedene Materien, von der Bestimmung der
Vollzugsziele über die Unterbringung, Beschäftigung, Aus- und Weiterbildung
zu Betreuungsfragen, Therapiebedarf und allfälligen Lockerungsschritten (vgl.
§§ 77 und 78 JVV). Für einzelne dieser Materien (z.B. gewisse
Lockerungsschritte) ist das Bundesrecht massgebend, für andere (z.B.
Beschäftigung, Betreuungsfragen) das kantonale Recht (BGE 124 I 231 E. 1a/aa
S. 233). Es kann somit nicht generell festgehalten werden, dass im
Vollzugsplan die Anwendung von Bundesrecht in Frage stehe. Allenfalls könnte
bei einer konkreten, auf Bundesrecht gestützten Massnahme, die in einem
Vollzugsplan vorgesehen wäre, dieser mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde
mitangefochten werden (vgl. BGE 128 I 225 E. 2.4.3 S. 231; Kölz/Häner,
Verwaltungsverfahren und Verwaltungsrechtspflege des Bundes, 2. Auflage, N.
907 S. 322). Dies ist jedoch vorliegend nicht der Fall.

Das Verwaltungsgericht ist daher zu Recht nicht auf die Beschwerde
eingetreten. Die Rüge ist demnach unbegründet.

4.
Unzutreffend ist ferner der Vorwurf, es liege eine Verletzung von Art. 6
Ziff. 1 EMRK vor, weil die Verweigerung einer Vollzugsplanung von einer
nichtrichterlichen Behörde angeordnet und nicht an ein Gericht weitergezogen
werden könne.

Art. 6 Ziff. 1 EMRK garantiert insbesondere den Anspruch auf ein unabhängiges
Gericht bei Entscheidungen über eine strafrechtliche Sanktion. Art. 6 Ziff. 1
EMRK ist bei Streitigkeiten aus dem Kernbereich des öffentlichen Rechts und
im Rahmen von besonderen Rechtsverhältnissen des Bürgers zu staatlichen
Institutionen grundsätzlich nicht anwendbar. So fallen etwa Anordnungen
während des Strafvollzugs in der Regel nicht in den Anwendungsbereich von
Art. 6 EMRK (BGE 118 Ia 64 E. 1b/aa S. 67 mit Hinweisen). Die Weigerung,
einen Vollzugsplan zu erstellen, stellt keine strafrechtliche Sanktion im
Sinne von Art. 6 Ziff. 1 EMRK dar. Das Verwaltungsgericht verletzte daher
kein Konventionsrecht, als es auf die Beschwerde nicht eintrat.

5.
Der Beschwerdeführer stellt ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege.
Abgesehen davon, dass es fraglich ist, ob im Verfahren betreffend die
Anordnung einer Vollzugsplanung ein Anspruch auf unentgeltliche
Rechtsverbeiständung besteht (vgl. BGE 128 I 225 E. 2.4.3 S. 229), erschien
die Beschwerde von vornherein aussichtslos. Das Gesuch ist demnach ohnehin
abzuweisen (Art. 152 Abs.1 OG) und der Beschwerdeführer wird kostenpflichtig
(Art. 156 Abs. 1 OG). Seinen finanziellen Verhältnissen ist jedoch bei der
Bemessung der Gerichtsgebühr Rechnung zu tragen.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten
ist.

2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.

3.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 800-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.

4.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Amt für Justizvollzug des
Kantons Zürich und dem Verwaltungsgericht des Kantons Zürich, 4. Abteilung,
schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 26. Juni 2003

Im Namen des Kassationshofes
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Die Gerichtsschreiberin: