Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Zivilabteilung 5C.27/2003
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5C.27/2003 /bnm

Sitzung vom 22. Mai 2003
II. Zivilabteilung

Bundesrichter Raselli, Präsident,
Bundesrichterinnen Nordmann, Escher,
Bundesrichter Meyer, Bundesrichterin Hohl,
Gerichtsschreiber Schett.

Z. ________ AG,
Beklagte und Berufungsklägerin, vertreten durch Fürsprecher Gerhard
Schnidrig, Bahnhofplatz 5, Postfach 6233, 3001 Bern,

gegen

1.Y.________,
2.X.________,
Kläger und Berufungsbeklagte,
beide vertreten durch Rechtsanwalt Tobias Moser, Zinggentorstrasse 4,
Postfach, 6000 Luzern 10.

Stockwerkeigentum/Ernennung eines Verwalters,

Berufung gegen den Entscheid des Obergerichts des Kantons Luzern, I. Kammer,
vom 18. Dezember 2002.

Sachverhalt:

A.
Y. ________ und X.________ (Kläger) und die Z.________ AG (Beklagte) bilden
die Stockwerkeigentümergemeinschaft A.________. Kläger und Beklagte halten je
einen Stockwerkeigentumsanteil mit einer Wertquote von 500/1000, bestehend im
Wesentlichen je aus einer Maisonette-Wohnung.

B.
Am 12. Dezember 2001 verlangten die Kläger für die
Stockwerkeigentümergemeinschaft die Ernennung eines externen Verwalters. Die
Beklagte beantragte Abweisung des Gesuchs. Am 27. August 2002 ernannte der
Amtsgerichtspräsident I von Luzern-Stadt als Verwalter für die
Stockwerkeigentümergemeinschaft A.________ auf unbestimmte Zeit W.________,
Immobilienverwalter. Am 18. Dezember 2002 wies die I. Kammer des Obergerichts
des Kantons Luzern den Rekurs der Beklagten ab.

C.
Mit Eingabe vom 23. Januar 2003 hat die Beklagte Berufung eingelegt mit dem
Antrag, der angefochtene Entscheid sowie das Gesuch vom 12. Dezember 2001
seien aufzuheben.

Die Beklagte schliesst in ihrer Berufungsantwort auf Abweisung der Berufung.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtes handelt es sich bei der
Anfechtung von Beschlüssen der Stockwerkeigentümerversammlung um
vermögensrechtliche Zivilrechtsstreitigkeiten; dies wird im Wesentlichen
damit begründet, dass der Inhalt der Beschlüsse der Eigentümerversammlung
durch die wirtschaftlichen Interessen der Stockwerkeigentümer an der Ausübung
des gemeinschaftlichen Eigentums geprägt ist (BGE 108 II 77 E. 1b S. 79). Das
hat das Bundesgericht hinsichtlich der Abberufung eines Verwalters befunden
(unveröffentlichte E. 1 von BGE 126 III 177) und gilt - wie hier - auch für
die Ernennung eines solchen ohne vorgängige Beschlussfassung.
Gegenstand der vorliegenden Klage ist die Einsetzung eines externen
Verwalters gemäss Art. 712q Abs. 1 ZGB. Wenn die Klage wie im vorliegenden
Fall nicht auf Bezahlung einer bestimmten Geldsumme geht, beurteilt das
Bundesgericht nach freiem Ermessen, ob der nach Art. 46 OG verlangte
Streitwert von Fr. 8'000.-- erreicht ist. Dabei ist ohne weiteres davon
auszugehen, dass die jährlichen Kosten der Verwaltung Fr. 400.-- übersteigen
und dass bei Hochrechnung dieses Honorars nach Art. 36 Abs. 5 OG die
Streitwertgrenze des Art. 46 OG überschritten wird.

2.
Gemäss Art. 712q Abs. 1 ZGB kann jeder Stockwerkeigentümer die Ernennung des
Verwalters durch den Richter verlangen, sofern die Bestellung des Verwalters
durch die Versammlung der Stockwerkeigentümer nicht zustande kommt. Gemäss
Art. 712l Abs. 2 ZGB kann die Gemeinschaft der Stockwerkeigentümer unter
ihrem Namen klagen und betreiben sowie beklagt und betrieben werden.

Die Beklagte bestreitet ihre Passivlegitimation. Sie vertritt die Auffassung,
nicht sie als Stockwerkeigentümerin, sondern die
Stockwerkeigentümergemeinschaft selber sei einzuklagen, wenn es darum gehe,
für diese gerichtlich einen Verwalter zu ernennen.

2.1 Es trifft grundsätzlich zu, dass die Klage auf Ernennung und Abberufung
des Verwalters gegenüber der Stockwerkeigentümergemeinschaft erhoben werden
kann und muss, somit diese passivlegitimiert ist (BGE 119 II 404 E. 5 S. 408;
Bösch, in: Basler Kommentar, Bd. II, N. 16 zu Art. 712l und N. 11 zu Art.
712q ZGB; Meier-Hayoz/Rey, Berner Kommentar, N. 98 zu Art. 712l und N. 113 zu
Art. 712q ZGB; Rolf H. Weber, Die Stockwerkeigentümergemeinschaft, Diss.
Zürich 1979, S. 436).

2.2 Im vorliegenden Fall besteht die Stockwerkeigentümergemeinschaft
ausschliesslich aus den beiden Parteien, die je eine Wertquote von 500/1000
halten, also zur Hälfte beteiligt sind. Dies bedeutet, dass die Gemeinschaft
in ihrer Willensbildung stark eingeschränkt ist, weil Beschlüsse nur
einstimmig gefasst werden können; Einstimmigkeit ist indessen angesichts des
Rechtsstreits über die umstrittene Frage nicht möglich. Müsste die
Stockwerkeigentümergemeinschaft eingeklagt werden, würden sich die Kläger der
Klage unterziehen wollen, während die Beklagte Abweisung der Klage beantragen
würde. Aufgrund dieser besonderen Konstellation rechtfertigt es sich, die
Eigentümer als passivlegitimiert zu betrachten. Die Rüge der fehlenden
Passivlegitimation ist somit vorliegend unbegründet.

3.
3.1 Der Anspruch des einzelnen Stockwerkeigentümers auf Ernennung eines
Verwalters durch den Richter ist gemäss Art. 712q Abs. 1 ZGB subsidiär und
damit von einer doppelten Voraussetzung abhängig. Verlangt wird erstens, dass
sich kein Verwalter im Amt befindet und zweitens, dass eine Bestellung durch
die Versammlung der Stockwerkeigentümer nicht zustande gekommen ist
(Meier-Hayoz/Rey, a.a.O., N. 102 zu Art. 712q ZGB; Bösch, a.a.O., N. 7 zu
Art. 712q ZGB).

3.2 Die Vorinstanz hat in tatsächlicher Hinsicht festgestellt, dass die
Stockwerkeigentümergemeinschaft A.________ ohne Verwalter ist. Die Beklagte
räumt ein, dass sie gegenüber dieser Sachverhaltsfeststellung im
Berufungsverfahren keine Rügen erheben kann.

3.3 Die Beklagte macht aber geltend, die zweite Voraussetzung sei nicht
erfüllt. Die Kläger hätten sich nicht um eine Stockwerkeigentümerversammlung
mit dem Ziel bemüht, einen Verwalter zu bestellen, so dass nicht gesagt
werden könne, die Stockwerkeigentümergemeinschaft sei einem entsprechenden
Begehren eines Stockwerkeigentümers nicht nachgekommen.

3.4 Die Vorinstanz hat zu diesem Punkt in tatsächlicher Hinsicht
festgehalten, die Kläger hätten die Beklagte zwischen dem 8. November 2000
und 28. September 2001 wiederholt wegen der Bestellung einer Verwaltung
angegangen und auch mehrere Kandidaten für ein solches Mandat vorgeschlagen,
was von der Beklagten negativ beantwortet worden sei. Es stehe aufgrund der
in den Akten liegenden Meinungsäusserungen der Beklagten fest, dass sich
diese der Bestellung einer Verwaltung stets widersetzt habe, es sei denn,
diese bestehe aus ihrem Mieter, was wiederum die Kläger nicht wollten. Es sei
von vornherein klar gewesen, dass eine (förmliche)
Stockwerkeigentümerversammlung hinsichtlich Bestellung einer Verwaltung zu
keinem Ergebnis führen würde. Für Einzelheiten hat die Vorinstanz auf Ziffer
7b des erstinstanzlichen Urteils verwiesen. Dort hat der Einzelrichter
festgehalten, die Kläger hätten mit Schreiben vom 8. November 2000 an die
Beklagten erwähnt, dass sich die Parteien auf die Einsetzung einer kundigen
Verwaltung verständigen sollten. Die Beklagte habe sich dazu in ihrem
Schreiben vom 24. November 2000 negativ geäussert. Im Schreiben vom 19.
Februar 2001 hätten die Kläger erneut auf der Einsetzung einer Verwaltung
bestanden und gleichzeitig zwei Personen vorgeschlagen. Im Schreiben vom 28.
September 2001 hätten die Kläger weitere vier Personen für das Amt des
Verwalters genannt. Die Beklagte habe in ihrem Schreiben vom 10. Oktober 2001
aber einmal mehr abschlägig auf diese Vorschläge reagiert.

3.5 Grundsätzlich ist zu verlangen, dass sich die Versammlung der
Stockwerkeigentümer mit dem Traktandum der Ernennung eines Verwalters
auseinander setzen muss. Erst wenn diese trotz erfolgter Diskussion keinen
Beschluss fasst oder einen ablehnenden Entscheid fällt, ist der Weg für den
Individualanspruch offen (Meier-Hayoz/Rey, a.a.O., N. 105 zu Art. 712q ZGB;
Bösch, a.a.O., N. 9 zu Art. 712q ZGB; kritisch: Wermelinger, La propriété par
étages, N. 74 zu Art. 712q ZGB, S. 650/651). Ausnahmsweise kann der einzelne
Stockwerkeigentümer aber direkt, d.h. ohne vorgängige Anrufung der
Stockwerkeigentümerversammlung den Richter zwecks Einsetzung eines Verwalters
anrufen, wenn er nachweisen kann, dass ein Bestellungsbeschluss in der
Versammlung ohnehin nicht zustande kommen würde (Meier-Hayoz/Rey, a.a.O., N.
107 zu Art. 712q ZGB; Rolf H. Weber, a.a.O., S. 435/436). Dieser Sonderfall
kann nach Wermelinger nur gelten bei Uneinigkeit zwischen zwei
Stockwerkeigentümern (a.a.O., N. 75 zu Art. 712q ZGB, S. 651). Angesichts des
für das Bundesgericht verbindlich festgestellten wiederholten Briefwechsels
zu dieser Frage und des Umstandes, dass sich die
Stockwerkeigentümergemeinschaft mit der je hälftigen Beteiligung der Parteien
in einer Pattsituation befand, welche sie entscheidunfähig machte, ist ohne
weiteres davon auszugehen, dass ein Bestellungsbeschluss in der Versammlung
nicht zustande gekommen wäre. Bei dieser Sachlage sind die Voraussetzungen
für die richterliche Ernennung eines Verwalters erfüllt und die Berufung ist
abzuweisen.

4.
Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird die Beklagte kosten- und
entschädigungspflichtig (Art. 156 Abs. 1 und Art. 159 Abs. 2 OG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Berufung wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'500.-- wird der Beklagten auferlegt.

3.
Die Beklagte hat die Kläger für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr.
4'000.-- zu entschädigen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Luzern, I.
Kammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 22. Mai 2003

Im Namen der II. Zivilabteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: