Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Zivilabteilung 5C.247/2003
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5C.247/2003 /bnm

Urteil vom 21. April 2004
II. Zivilabteilung

Bundesrichter Raselli, Präsident,
Bundesrichterin Escher, Bundesrichter Meyer,
Gerichtsschreiber Möckli.

1. A.________,
2.B.________,
Beklagte und Berufungsklägerinnen,

gegen

C.________,
Kläger und Berufungsbeklagter,

Nachlass,

Berufung gegen den Beschluss des Obergerichts des Kantons Zürich, I.
Zivilkammer, vom 29. Oktober 2003.

Sachverhalt:

A.
Der am 10. September 1952 verstorbene D.________ hinterliess als Nachkommen
E.________, F.________ und G.________, die den Nachlass als fortgesetzte
Erbengemeinschaft verwalteten. Als G.________ am 30. November 1968 verstarb,
traten seine Ehefrau A.________ sowie die drei Kinder C.________, B.________
und H.________ an seiner Stelle in die Erbengemeinschaft ein. H.________
schied mit partiellem Erbteilungsvertrag vom Januar 1997 aus der "grossen"
und der "kleinen" Erbengemeinschaft aus.

B.
Mit Klage vom 23. November 1999 stellte C.________ gegen die vier
verbleibenden Erben zusammengefasst die Begehren, diese hätten (näher
bezeichnete) neue, auch auf ihn lautende Konten zu eröffnen, eventualiter sei
festzustellen, dass die Parteien nur zu gesamter Hand über die Konten
verfügungsberechtigt seien, und die Beklagten seien zu verpflichten, ihm
sämtliche Bankbelege der letzten zehn Jahre herauszugeben.

Mit Urteil vom 28. November 2001 stellte das Bezirksgericht Horgen, 2.
Abteilung, fest, dass (näher bezeichnete) Konten im Gesamteigentum der
Parteien stünden und nur mit Zustimmung aller Parteien über sie verfügt
werden könne, und es verpflichtete die Beklagten zur Herausgabe sämtlicher
Bankbelege der letzten zehn Jahre an den Kläger.

Auf Berufung von A.________ und B.________ hin ist das Obergericht des
Kantons Zürich, I. Zivilkammer, mit Urteil vom 29. Oktober 2003 auf das
Feststellungsbegehren des Klägers nicht eingetreten. Hingegen hat es
A.________ und B.________ verpflichtet, dem Kläger sämtliche Bankbelege der
Konten/Depots Nrn. xxx und yyy bei der Zürcher Kantonalbank sowie des
Alterssparheftes Nr. zzz bei der Sparkasse R.________ seit 14. Oktober 1989
zur Einsicht auszuhändigen.

C.
Gegen dieses Urteil haben A.________ und B.________ am 1. Dezember 2003
Berufung eingelegt mit dem Begehren um dessen Aufhebung und um Abweisung der
Klage, soweit darauf einzutreten sei. Es ist keine Berufungsantwort eingeholt
worden.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Das Obergericht ging für das kantonale Verfahren von einem Streitwert von Fr.
150'000.-- aus. Auch wenn sich der Streitgegenstand des eidgenössischen
Berufungsverfahrens auf die Pflicht zur Herausgabe der Bankbelege seit 14.
Oktober 1989 beschränkt, ist von einem Fr. 8'000.-- übersteigenden Streitwert
auszugehen. Auf die Berufung, mit der die Berufungsklägerinnen eine
Verletzung von Bundesrecht rügen, ist demnach einzutreten (Art. 43, 46 und 48
OG). Allgemeine Verweise auf Vorbringen und Beweisofferten vor den kantonalen
Instanzen sind im Berufungsverfahren nicht zulässig; vielmehr ist in der
Berufungsschrift selber darzulegen, inwiefern das angefochtene Urteil
Bundesrecht verletzt (BGE 116 II 92 E. 2 S. 93 f.; 115 II 83 E. 3 S. 85; 110
II 74 E. 1 S. 78).

2.
Das Obergericht hat erwogen, einerseits habe der Berufungsbeklagte ein auf
seine Erbenstellung gestütztes Auskunftsrecht gegenüber den Banken,
andererseits könne er (nach herrschender Lehre auch ausserhalb der
Erbteilung) gestützt auf Art. 610 Abs. 2 ZGB und im Rahmen der fortgesetzten
Erbengemeinschaft, auf welche die Bestimmungen über die einfache Gesellschaft
anzuwenden seien, in analoger Anwendung von Art. 541 Abs. 1 OR Auskunft von
den (geschäftsführenden) Miterben verlangen. Dem lasse sich auch nicht
entgegenhalten, dass einzig die Banken eine Aufbewahrungspflicht für Belege
nach Art. 962 OR treffe, da das gegen die Miterben gerichtete Auskunftsrecht
der ordentlichen Verjährung von Art. 127 OR unterliege und für den Fall, dass
die Unterlagen nicht mehr (vollständig) vorhanden wären, keine anfänglich
objektive Unmöglichkeit der Auskunftserteilung vorliegen würde.

3.
Die Berufungsklägerinnen bestreiten den gegen sie gerichteten, auf Erb- und
Gesellschaftsrecht gestützten Informationsanspruch des Berufungsbeklagten
nicht; ebenso wenig machen sie geltend, er sei verjährt oder untergegangen.
Vielmehr beschränken sich die Beschwerdeführerinnen auf die Behauptung, es
sei rechtsmissbräuchlich bzw. schikanös, wenn der Berufungsbeklagte gegen sie
statt gegen die Banken vorgehe, weil dies einzig in der Absicht geschehe,
sich die Kosten und Umtriebe für die Beschaffung der Bankbelege zu sparen.

3.1 Verpönt im Sinn von Art. 2 Abs. 2 ZGB ist nur, aber immerhin der
offenbare Rechtsmissbrauch. Ein solcher liegt insbesondere vor bei
zweckwidriger Verwendung eines Rechtsinstituts (z.B. vormals bei der sog.
Bürgerrechtsehe), bei unnützer Rechtsausübung (z.B. beim sog. Neidbau) und
gegebenenfalls auch bei widersprüchlichem Verhalten (vgl. etwa BGE 123 III 70
E. 3d S. 75 betr. Berufung auf Formmangel).

3.2 Dass der Berufungsbeklagte im Grundsatz, aber insbesondere mit Blick auf
die Erbteilung ein klares Interesse an der Auskunftserteilung hat bzw. bei
Klageeinleitung hatte, stellen die Berufungsklägerinnen zu Recht nicht in
Frage. Ebenso wenig beanstanden sie die Erwägung des Obergerichts, der
Berufungsbeklagte habe die freie Wahl, bei wem er seine Informationsrechte
wahrnehme. Dass dieser den für ihn günstigeren Weg gewählt haben wird, liegt
in der Natur der Sache, wobei nebst den von den Berufungsklägerinnen
angeführten finanziellen Aspekten insbesondere auch die Tatsache in Betracht
fallen dürfte, dass der Berufungsbeklagte nicht Mitinhaber der Konten ist,
über die er Auskunft verlangt, was erfahrungsgemäss geeignet ist, die
Durchsetzung seiner Informationsrechte gegenüber den Banken zu erschweren. So
oder anders ist die von einem aktuellen und praktischen Interesse getragene
Rechtsausübung jedenfalls weder schikanös noch bedeutet sie einen Missbrauch
des Auskunftsrechts als Institut; die gegenteiligen Behauptungen der
Berufungsklägerinnen entbehren jeglicher Grundlage.

4.
Zusammenfassend ergibt sich, dass die Berufung als offensichtlich unbegründet
abzuweisen ist. Demzufolge ist die Gerichtsgebühr den Berufungsklägerinnen
unter solidarischer Haftbarkeit aufzuerlegen (Art. 156 Abs. 1 und 7 OG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Berufung wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 5'000.-- wird den Berufungsklägerinnen auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, I.
Zivilkammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 21. April 2004

Im Namen der II. Zivilabteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Der Gerichtsschreiber: