Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Zivilabteilung 5C.245/2003
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5C.245/2003 /rov

Urteil vom 28. Januar 2004
II. Zivilabteilung

Bundesrichter Raselli, Präsident,
Bundesrichterinnen Nordmann, Escher,
Gerichtsschreiber Schett.

Z. ________,
Beklagte und Berufungsklägerin,

gegen

1.Y.________,
2.X.________,
Klägerinnen und Berufungsbeklagte,
beide vertreten durch Fürsprecher Franz Müller.

Herausgabe von Kindesvermögen,

Berufung gegen den Entscheid des Appellationshofs des Kantons Bern, II.
Zivilkammer, vom 16. Oktober 2003.

Sachverhalt:

A.
Mit Urteil vom 17. November 1993 schied das Zivilamtsgericht Bern die Ehe von
Z.________ und W.________ und genehmigte die gleichentags abgeschlossene
Konvention der Parteien. Die beiden Töchter X.________, geboren 1977, und
Y.________, geboren 1982, wurden demzufolge unter die elterliche Gewalt der
Mutter gestellt, unter Beibehaltung der bestehenden Erziehungsbeistandschaft,
und dem Vater wurde das übliche Besuchs- und Ferienrecht eingeräumt.
W.________ wurde zur Leistung von Unterhaltsbeiträgen an seine Töchter sowie
an Elisabeth Holzscheiter verpflichtet. Im Rahmen der güterrechtlichen
Auseinandersetzung verpflichtete sich W.________ unter anderem zur Zahlung
von Fr. 14'000.-- an Z.________ für die Begleichung ausstehender Steuern und
die zu erwartenden Zahnarztrechnungen der Kinder, wobei eine Restanz im
letztern Fall aus dem Kindesvermögen zu begleichen sei. Zudem wurde
vereinbart, dass die Schulkosten für die Tochter X.________ in der Höhe von
rund Fr. 3'000.-- und die Anschaffung eines Personenwagens durch Z.________
aus dem Kindesvermögen bezahlt würden.

B.
Im Rahmen der Konventionsverhandlungen einigten sich die Parteien überdies in
einer Aufstellung über die Höhe der Bankguthaben ihrer Kinder. Demnach belief
sich per 10. November 1993 das Vermögen von X.________ auf Fr. 21'487.60 und
dasjenige von Y.________ auf Fr. 23'029.75. Auf Antrag von W.________
errichtete die Vormundschaftsbehörde Köniz per 31. Januar 1995 ein Inventar
über das Kindesvermögen, nach welchem seit dieser Aufstellung von 1993 die
Guthaben von X.________ um Fr. 10'061.-- und diejenigen von Y.________ um Fr.
6'652.70 abgenommen haben. Die Vormundschaftsbehörde ordnete keine Massnahmen
zum Schutz des Kindesvermögens an. Nach Erreichen der Mündigkeit stellten
sowohl X.________ als auch Y.________ Nachforschungen über ihre Bankkonten an
und stellten fest, dass seit der Aufstellung von 1993 und dem Inventar von
1995 ihre Guthaben abgenommen hatten und gewisse Konti saldiert worden waren.

C.
Am 20. Juni 2001 gelangten X.________ und Y.________ je mit einer Klage gegen
Z.________ an den Gerichtskreis VIII Bern-Laupen, welche die Präsidentin mit
Verfügung vom 23. Oktober 2001 vereinigte. Mit Urteil vom 31. Januar 2003
stellte sie fest, dass Z.________ anerkannt habe, X.________ den Betrag von
Fr. 3'319.20 und Y.________ den Betrag von Fr. 3'036.15 schuldig zu sein.
Dann verurteilte sie Z.________ zur Zahlung von Fr. 11'068.40 nebst Zins zu 5
% seit dem 1. Januar 1996 an X.________ und von Fr. 16'064.65 nebst Zins zu 5
% seit dem 13. September 2000 an Y.________. Die weitergehenden Klagen und
die Widerklage wurden abgewiesen.

D.
Der Appellationshof des Kantons Bern, den die Prozessparteien mit Appellation
bzw. Anschlussappellation angerufen hatten, stellte am 16. Oktober 2003 fest,
dass das erstinstanzliche Urteil hinsichtlich der Schuldanerkennung von
Z.________ in Rechtskraft erwachsen sei und bestätigte dieses im Übrigen
vollumfänglich.

E.
Z.________ beantragt mit Berufung vom 28. November 2003 dem Bundesgericht,
das Urteil des Appellationshofs aufzuheben, soweit es sie zu Zahlungen an
X.________ und an Y.________ verurteile. Ferner seien die erst- und
oberinstanzlichen Gerichtskosten und Parteientschädigungen den beiden
Gegenparteien aufzuerlegen.

Es sind keine Vernehmlassungen eingeholt worden.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Die Herausgabe von Kindesvermögen stellt eine Zivilrechtsstreitigkeit mit
Vermögenswert dar. Die gesetzliche Streitwertgrenze ist erreicht (Art. 46
OG). Die Berufung ist damit gegeben. Nicht eingetreten werden kann hingegen
auf die Begehren um Festlegung der Kosten- und Entschädigungsfolgen des
kantonalen Verfahrens, da diese nicht vom Bundesrecht beherrscht werden (Art.
43 Abs. 1 OG).

2.
Die Beklagte wirft den Klägerinnen vor, den Umstand, dass sie sich in einem
Beweisnotstand befinde, in rechtsmissbräuchlicher Art und Weise auszunützen.

2.1 Die Vorinstanz stellte die Höhe des Kindesvermögens der Klägerinnen für
das Bundesgericht verbindlich fest (Art. 63 Abs. 2 OG). Sie bezog sich dabei
auf die Aufstellung der Ehegatten von 1993 sowie das Inventar der
Vormundschaftsbehörde von 1995 und nahm alsdann gewisse Hinzurechnungen und
gewisse Abzüge vor. Die von der Beklagten hinsichtlich der Kontoguthaben der
Kinder behaupteten Auflagen und Schenkungen erachtete sie als nicht erwiesen.

2.2 Zwar weist die Beklagte selber darauf hin, dass das Bundesgericht an die
tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils gebunden sei.
Gleichzeitig bringt sie jedoch verschiedene unzulässige Ergänzungen zum
Sachverhalt vor (Art. 55 Abs. 1lit. c OG). So schildert sie, was sich die
Ehegatten beim Abschluss der Konvention hinsichtlich des Kindesvermögens
gedacht haben. Ebenso führt sie aus, unbestrittenermassen stammten die auf
die Bankkonti der Kinder einbezahlten Beträge von ihr und seien stets im
Sinne der Kinder verwendet worden. Zudem habe sie massgebliche Beträge aus
eigenem Vermögen für die Hobbies der Kinder aufgewendet. Diese Ausführungen
können in einer Berufung nicht berücksichtigt werden. Für die allfällige
Kritik an den tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz ist die Beklagte
auf die Möglichkeit einer staatsrechtlichen Beschwerde wegen willkürlicher
Beweiswürdigung (Art. 9 BV) hinzuweisen. Ebenfalls mit staatsrechtlicher
Beschwerde wäre der mehrfach erhobene Vorwurf zu erheben gewesen, die
Vorinstanz habe ihre Argumente nicht geprüft, die einen Rechtsmissbrauch nach
Art. 2  Abs. 2 ZGB belegten (Art. 29 Abs. 2 BV).

2.3 Nach Ansicht der Beklagten können Schenkungsauflagen in Fällen wie dem
vorliegenden unmöglich nachgewiesen werden, womit die Klägerinnen im Ergebnis
die entsprechenden Beträge ein zweites Mal bezögen. Zuerst seien die Gelder
im Interesse der Kinder verwendet worden und nunmehr würden sie von diesen
noch klageweise eingefordert. Ein solches Verhalten der Klägerinnen
widerspreche jeglichem Rechtsempfinden und dürfe daher nicht geschützt
werden.

2.3.1 Der offenbare Missbrauch eines Rechts findet keinen Rechtsschutz (Art.
2 Abs. 2 ZGB). Wann ein solcher Missbrauch vorliegt, ist anhand der konkreten
Umstände des Einzelfalles zu bestimmen, wobei die von der Lehre und
Rechtsprechung entwickelten Fallgruppen des Rechtsmissbrauchs zu beachten
sind. Dazu gehört unter andrem die Rechtsausübung, die ohne schützenswertes
Interesse erfolgt oder zu einem krassen Missverhältnis berechtigter
Interessen führen würde (BGE 129 III 493 E. 5.1 mit Hinweisen).

2.3.2 Im vorliegenden Fall sind keine Umstände auszumachen, welche auf das
Fehlen eines schützenswerten Interesses der Klägerinnen an der Geltendmachung
ihrer Forderung schliessen lassen. Diese haben nach Erreichen der Mündigkeit
ihr Vermögen herausverlangt und zur Feststellung desselben eigene Abklärungen
getroffen. Die Beklagte ihrerseits konnte im kantonalen Verfahren den Beweis
für ihre Behauptung nicht erbringen, dass die Schenkungen an die beiden
Töchter unter Auflagen erfolgt seien und dass die entsprechenden Gelder für
deren Bedürfnisse verwendet worden waren. Die Folgen dieser Beweislosigkeit
sind von ihr zu tragen (Art. 8 ZGB). Es liegt mithin eine Situation vor, in
welcher die eine Seite zu Recht verlangt, was ihr zusteht, nämlich das
Kindesvermögen (Art. 326 ZGB), währenddem die andere Seite gegen die Höhe der
eingeklagten Forderung den Beweis nicht oder nur teilweise erbringen kann.
Aus diesem in einem Forderungsprozess zuweilen festzustellenden
Beweisergebnis lässt sich nun aber nicht ohne weiteres auf ein
rechtsmissbräuchliches Verhalten der Klägerseite schliessen. Vielmehr müssten
spezifische Hinweise vorliegen, die auf ein Fehlen von schützenswerten
Interessen bei der Geltendmachung von Ansprüchen schliessen lassen. Dies ist
hier offensichtlich nicht der Fall. Es wäre auch schwer vorstellbar,
inwiefern sich die beiden Töchter, die aufgrund eigener Abklärungen
feststellen mussten, dass sich ihr Vermögen in einem gewissen Zeitraum
vermindert hatte und die durch das vorprozessuale Verhalten ihrer Mutter auf
den Prozessweg verwiesen wurden und bloss fordern, was ihnen zusteht, sich
offensichtlich rechtsmissbräuchlich verhalten sollten.

3.
Der Berufung ist somit insgesamt kein Erfolg beschieden. Ausgangsgemäss sind
die Kosten von der Beklagten zu tragen (Art. 156 Abs. 1 OG). Den Klägerinnen
ist keine Parteientschädigung zuzusprechen, zumal sie nicht zur
Vernehmlassung eingeladen worden sind.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Berufung wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden der Beklagten auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Appellationshof des Kantons Bern, II.
Zivilkammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 28. Januar 2004

Im Namen der II. Zivilabteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Der Gerichtsschreiber: