Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Zivilabteilung 5C.22/2003
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5C.22/2003 /min

Urteil vom 7. Juli 2003
II. Zivilabteilung

Bundesrichter Raselli, Präsident,
Bundesrichterin Escher, Bundesrichter Meyer,
Marazzi, Ersatzrichter Riemer,
Gerichtsschreiber Zbinden.

K. ________,
Kläger und Berufungskläger, vertreten durch Fürsprecher  Marcel Aebi, Hetex
Areal, Lenzburgerstrasse 2, 5702 Niederlenz,

gegen

1.B.________,
2.C.________,
Beklagte und Berufungsbeklagte,
beide vertreten durch Rechtsanwalt Willy Bolliger, Postfach 1548, 5401 Baden.

Nichtigkeit/Ungültigkeit einer letztwilligen Verfügung,

Berufung gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau, 1.
Zivilkammer, vom 3. Dezember 2002.

Sachverhalt:

A.
Am ... 1998 verstarb in Aarau, ihrem letzten Wohnsitz, E.________, geb. am
... 1913, von Z.________. Sie hinterliess drei Testamente sowie einen Zettel,
worauf steht:
"Barockschrank an B.________", sign. "E.________ 2.1.1998".
Im letzten Testament vom 16. Januar 1995 war mit schwarzem Filzstift
eingefügt worden:
"8. Was übrig bleibt gehört B.________ und Ehefrau, ... ."

B.
Am 9. August 1999 erhob K.________, ein Grossvetter der Erblasserin, Klage
gegen B.________ und C.________, wobei er unter anderem beantragte:
"Soweit der Zusatz im Testament vom 16. Januar 1995 der Erblasserin
E.________, sel., geb. 1913, '8. Was übrig bleibt, gehört B.________ und
Ehefrau, ... .' als letztwillige Verfügung zu qualifizieren wäre, sei diese
gemäss Art. 520 ZGB für ungültig zu erklären."
Mit Urteil vom 8. November 2000 wies das Bezirksgericht Aarau die Klage ab.
Eine hiergegen vom Kläger erhobene Appellation wies das Obergericht des
Kantons Aargau, 1. Zivilkammer, mit Urteil vom 3. Dezember 2002 ab. Beide
kantonalen Instanzen verneinten die geltend gemachte Nichtigkeit der
angefochtenen letztwilligen Verfügung und lehnten die beantragte
Ungültigerklärung wegen Versäumnis der Klagefrist ab.

C.
Gegen das obergerichtliche Urteil hat der Kläger Berufung an das
Bundesgericht erhoben. Er beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und
festzustellen, dass die Beklagten nicht eingesetzte Erben seien; soweit der
fragliche Zusatz im Testament vom 16. Januar 1995 als letztwillige Verfügung
qualifiziert werde, sei er gemäss Art. 520 ZGB für ungültig zu erklären. Das
Obergericht hat auf Gegenbemerkungen verzichtet. Es wurde keine
Berufungsantwort eingeholt.

D.
Die gegen das obergerichtliche Urteil eingereichte staatsrechtliche
Beschwerde ist mit Urteil vom 19. Juni 2003 abgewiesen worden (5P.34/2003).

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Die Vorinstanz hat die Gültigkeit des fraglichen Zusatzes sowohl unter
tatsächlichen Gesichtspunkten - durch Einholung einer Schriftexpertise,
derzufolge der Zusatz mit hoher Wahrscheinlichkeit von der Erblasserin stammt
- als auch in rechtlicher Hinsicht geprüft und ist zum Ergebnis gekommen, es
liege jedenfalls keine Nichtigkeit vor. Der Kläger beanstandet dies vorab
unter Hinweis auf das Fehlen von Ortsangabe, Datum und Unterschrift bezüglich
des Zusatzes.

1.1 Das Fehlen von Ortsangabe und Datum führt von vornherein nicht zu einer
Nichtigkeit des Testamentszusatzes, da seit dem 1. Januar 1996 für die
Gültigkeit des Testaments die Ortsangabe nicht mehr und das Datum nur noch
unter bestimmten Voraussetzungen erforderlich ist. Die entsprechenden Art.
505 Abs. 1 und Art. 520a ZGB sind auch auf vor dem 1. Januar 1996 errichtete
Testamente anwendbar, falls der Erblasser nach diesem Zeitpunkt verstorben
ist (vgl. Art. 16 Abs. 2 SchlTZGB und dazu BGE 42 II 571 Nr. 91). Dass die
gesetzlichen Voraussetzungen für das Erfordernis zeitlicher Angaben im
konkreten Fall erfüllt sind, wird in der Berufung nicht dargelegt.

1.2 Was das Fehlen der Unterschrift betrifft, so kann dies, je nach den
weiteren konkreten Umständen des Einzelfalls, zu einer Nichtigkeit des
Testamentes führen (Riemer, Nichtige (unwirksame) Testamente und Erbverträge,
in: FS Keller, Zürich 1989, S. 245 ff., S. 254; vgl. auch Breitschmid,
Testament und Erbvertrag - Formprobleme, in: Testament und Erbvertrag, Bern
1991, S. 27 ff., S. 63 f., und Forni/Piatti, Basler Kommentar, 2003, N. 4 zu
Art. 519/520 ZGB; a.A. wohl Piotet, Erbrecht, SPR IV/1, Basel 1978, § 43/I S.
269). Vorliegend geht es indessen nicht um einen derartigen Fall des
gänzlichen Fehlens der Unterschrift, vielmehr um die "Unterstellung" einer
Einfügung in das Testament unter eine vorhandene Unterschrift. Das führt
nicht zur Nichtigkeit der Einfügung, wenn diese - wie vorliegend -
nachweislich von der Erblasserin stammt. Dabei vermag der Kläger aus dem von
ihm erwähnten BGE 117 II 239 (E. 3b S. 241) schon deshalb nichts zu seinen
Gunsten abzuleiten, weil es dort ausschliesslich um blosse Anfechtbarkeit
bzw. um eine Ungültigkeitsklage im Sinne von Art. 520 Abs. 1 ZGB ging (lit. B
S. 240).

2.
Der Kläger erachtet den fraglichen Zusatz sodann auch deswegen als nichtig,
weil er die Wendung "was übrig bleibt" als "nicht schlüssigen Inhalt"
qualifiziert. Das scheint er vorab daraus abzuleiten, dass nicht klar sei, ob
damit eine Erbeinsetzung oder ein Vermächtnis gewollt sei, ferner aus der
falschen Numerierung des Zusatzes. Sodann weist er auf den Zettel vom 2.
Januar 1998 hin ("Barockschrank an B.________"). Das damit errichtete
Vermächtnis würde wenig Sinn machen, wenn die Erblasserin den Beklagten 1
bereits als Erben eingesetzt hätte. Schliesslich sei auch die Bezeichnung
"Ehefrau" "eher unbestimmt", weil man nicht wisse, welche Ehefrau gemeint sei
und wie es sich verhalte, wenn der Beklagte 1 geschieden oder verwitwet sei.
Keine dieser Überlegungen vermag indessen eine Nichtigkeit der fraglichen
Testamentseinfügung zu begründen. Zwar kann grundsätzlich ein
unvollständiger, unbestimmter erblasserischer Wille diese Folge haben
(Riemer, a.a.O., S. 250, mit zahlreichen Hinweisen in Anm. 28, unter anderem
auf den vom Kläger erwähnten BGE 81 II 22 E. 6 S. 28 ff.; vgl. auch
Forni/Piatti, N. 4 zu Art. 519/520 ZGB; Piotet, a.a.O., § 43/II S. 270 ff.).
Das gilt jedoch nicht für den Fall, dass lediglich nicht ohne weiteres klar
ist, ob der Erblasser mit einer bestimmten Anordnung eine Erbeinsetzung oder
ein Vermächtnis gewollt hat, weshalb im vorliegenden Zusammenhang offen
bleiben kann, ob überhaupt eine derartige Unsicherheit besteht. Auch die
Zuwendung einer bestimmten Erbschaftssache an einen eingesetzten Erben ist
als Teilungsvorschrift nicht sinnlos (vgl. Art. 522 Abs. 2 und Art. 608 Abs.
3 ZGB), und was die Person der Ehefrau betrifft, so handelt es sich
vorliegend ohnehin um bloss hypothetische Überlegungen, die keinesfalls die
Nichtigkeit des Zusatzes zu bewirken vermögen.

3.
Die Vorinstanz ist in tatsächlicher Hinsicht zum Schluss gelangt, der Kläger
habe den Ungültigkeitsgrund bereits vor dem 3. April 1998 gekannt. Mit dem
Friedensrichterbegehren vom 7. April 1999 habe er die einjährige Frist (Art.
521 Abs. 1 ZGB) zur Einreichung der Ungültigkeitsklage (Art. 520 Abs. 1 ZGB)
verpasst. Der Kläger beanstandet dies als bundesrechtswidrig.

3.1 Gemäss den Feststellungen der Vorinstanz hat der Notar den Kläger am 3.
April 1998 auf die hier in Frage stehende Ungültigkeit hingewiesen. Der
Kläger hat keine Einwendungen im Sinne von Art. 63 Abs. 2 und Art. 64 OG
erhoben und eine im Zusammenhang mit dieser Feststellung eingereichte
staatsrechtliche Beschwerde wegen willkürlicher Beweiswürdigung ist
abgewiesen worden. Damit ist diese Feststellung für das Bundesgericht
verbindlich. Soweit der Kläger seine "sichere Kenntnis" im Sinne von Art. 521
Abs. 1 ZGB mit den entgegenstehenden tatsächlichen Vorbringen begründet, ist
er damit nicht zu hören.

3.2 Indessen stützt der Kläger das von ihm geltend gemachte Fehlen "sicherer
Kenntnis" auch auf den Umstand, dass die Beklagten im Erbenverzeichnis vom 4.
April 1998 nicht als eingesetzte Erben enthalten gewesen seien, weshalb er
nicht gewusst habe, gegen wen er hätte klagen sollen; das sei entgegen der
Rechtsauffassung der Vorinstanz im Zusammenhang mit Art. 521 Abs. 1 ZGB
ebenfalls relevant.
Gegen den Rechtsstandpunkt des Klägers spricht, dass in Art. 521 Abs. 1 ZGB
einzig die Kenntnis "von der Verfügung und dem Ungültigkeitsgrund"
vorausgesetzt wird. Selbst wenn man aber von der Richtigkeit seiner
Auffassung ausgeht, vermag ihm dies nicht zu helfen. Gemäss den verbindlichen
Feststellungen der Vorinstanz (Art. 63 Abs. 2 OG) hat er das Testament am 13.
März 1998 erhalten. Schon seit jenem Zeitpunkt konnte für ihn kein Zweifel
daran bestehen, dass sich ein Rechtsschutzbehelf bezüglich der Frage der
Gültigkeit der Einfügung auf jeden Fall gegen die darin ausdrücklich mit der
Adresse aufgeführten Beklagten zu richten hatte, wenn er deren Begünstigung
beseitigen wollte (vgl. auch BGE 81 II 33 E. 3 S. 36/37). Auch unter diesem
Gesichtspunkt ist daher die "sichere Kenntnis" im Sinne von Art. 521 Abs. 1
ZGB des Klägers zu bejahen.

4.
Unter diesen Umständen ist die Berufung vollumfänglich abzuweisen.
Ausgangsgemäss wird der Kläger für das bundesgerichtliche Verfahren
kostenpflichtig (Art. 156 Abs. 1 OG). Die Zusprechung einer
Parteientschädigung an die Beklagten (Art. 159 OG) entfällt mangels Einholung
einer Berufungsantwort.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Berufung wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 3'000.-- wird dem Kläger auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Aargau, 1.
Zivilkammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 7. Juli 2003

Im Namen der II. Zivilabteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Der Gerichtsschreiber: