Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Zivilabteilung 5C.213/2003
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5C.213/2003 /rov

Urteil vom 3. November 2003
II. Zivilabteilung

Bundesrichter Raselli, Präsident,
Bundesrichterinnen Nordmann, Escher,
Gerichtsschreiber Zbinden.

Z. ________,
Berufungskläger,
vertreten durch Fürsprecher Oliver Gafner, Mühleweg 11, Postfach 1661, 4901
Langenthal,

gegen

Kantonale Rekurskommission für fürsorgerische Freiheitsentziehungen des
Kantons Bern, Hochschulstrasse 17, Postfach 7475, 3001 Bern,

fürsorgerische Freiheitsentziehung,

Berufung gegen den Entscheid der kantonalen Rekurskommission für
fürsorgerische Freiheitsentziehungen des Kantons Bern vom 29. August 2003.

Sachverhalt:

A.
Z. ________ leidet an einer chronischen, schubweise verlaufenden paranoiden
Schizophrenie bzw. an einer chronischen schizoaffektiven Störung und war
deswegen seit 1987 mehrmals im Psychiatriezentrum A.________ (nachfolgend:
A.________) interniert. Am 9. Juli 2003 wurde er durch Dr. med. Y.________
erneut dort eingewiesen. Der Notfallanamnese des Inselspitals Bern kann
entnommen werden, dass Z.________ an diesem Tag im Restaurant X.________ in
Bern von der Polizei aufgegriffen wurde, nachdem er durch verbale und
körperliche Aggressivität aufgefallen war und seine Rechnung nicht hatte
bezahlen wollen. Der Patient wurde wütend und drohend umher schreiend in die
Insel verbracht; im Gespräch konnte man ihm nicht folgen.

Gegen diese ärztliche Einweisung legte Z.________ am 16. bzw. 18. Juli 2003
Rekurs ein, den die kantonale Rekurskommission für fürsorgerische
Freiheitsentziehungen des Kantons Bern (nachfolgend: die Rekurskommission) am
24. Juli 2003 abwies. Gegen die am 25. Juli 2003 ergangene Verfügung des
Regierungsstatthalters von B.________ betreffend stationäre Begutachtung
erhob Z.________ ebenfalls Rekurs, zog diesen aber am 11. August 2003 wieder
zurück.

Das A.________ reichte sein Gutachten am 13. August 2003 ein. Sein letzter
Bericht stammt vom 26. August 2003.

B.
Am 15. August 2003 verfügte der Regierungsstatthalter, Z.________ werde im
Rahmen des fürsorgerischen Freiheitsentzugs bis zur Überführung in eine
geeignete Institution im A.________ zurückbehalten. Auch dagegen gelangte
Z.________ an die Rekurskommission, welche dem Rekurs indes mit Entscheid vom
29. August 2003 erneut nicht stattgab.

C.
Z.________ hat beim Bundesgericht Berufung eingelegt mit den Begehren, den
Entscheid der Rekurskommission aufzuheben und die Entlassung aus dem
fürsorgerischen Freiheitsentzug anzuordnen. Zur Begründung legt der erst vor
Bundesgericht anwaltlich vertretene Berufungskläger in allgemeiner Form dar,
die Voraussetzungen für eine Zurückbehaltung im Rahmen des fürsorgerischen
Freiheitsentzugs seien nicht gegeben; überdies sei keine geeignete Anstalt
vorhanden; schliesslich wendet er sich gegen die Fremdgefährdung bzw. die
mögliche Fremdgefährdung als Grund für die Zurückbehaltung. Für das
bundesgerichtliche Verfahren ersucht er um unentgeltliche Rechtspflege und
Verbeiständung.

Es ist keine Vernehmlassung eingeholt worden.

D.
Das Gesuch des Berufungsklägers um aufschiebende Wirkung ist mit Verfügung
vom 16. Oktober 2003 abgewiesen worden.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Gemäss Art. 44 lit. f OG ist die Berufung in Fällen der fürsorgerischen
Freiheitsentziehung zulässig. Das Recht der Berufung beschränkt sich indes
nicht nur auf die Anordnung der fürsorgerischen Freiheitsentziehung, sondern
ist generell zulässig gegen alle gestützt auf Art. 397a - 397f ZGB ergangenen
Entscheide (Poudret/Sandoz-Monod, Commentaire de la loi fédérale
d'organisation judiciaire, Band II, N. 2.6 zu Art. 44 OG). Die Berufung ist
demnach auch zulässig gegen einen letztinstanzlichen kantonalen Entscheid,
mit dem ein unfreiwilliger Freiheitsentzug verlängert wird. Auf die im
Übrigen frist- und formgerecht eingereichte Berufung ist daher grundsätzlich
einzutreten.

2.
Soweit der Berufungskläger die Zulässigkeit des fürsorgerischen
Freiheitsentzugs mit dem Vorfall vom 31. Mai 2003 in Frage zu stellen
versucht, ist auf die Berufung nicht einzutreten. Zum einen erfolgte die
Einweisung aufgrund des Vorfalles vom 9. Juli 2003 und nicht wegen der
Ereignisse vom 31. Mai 2003. Zum andern geht es hier gar nicht um die Frage,
ob die seinerzeitige Einweisung zu Recht erfolgt ist, sondern darum, ob die
Verfügung des Regierungsstatthalters vom 15. August 2003, den Berufungskläger
im Rahmen des fürsorgerischen Freiheitsentzugs bis zur Überführung in eine
geeignete Institution im A.________ zurückzubehalten, vor der Bestimmung des
Art. 397a ZGB standhält.

3.
Der Berufungskläger macht zusammengefasst geltend, aus der Verfügung des
Regierungsstatthalters ergebe sich, dass er bis zur Überführung in eine
geeignete Anstalt in der A.________ zurückbehalten werde. Das A.________ sei
damit von vornherein nicht geeignet, um ihn aufzunehmen. Überdies werde es
seinen Bedürfnissen nicht gerecht und könne daher nicht als geeignete Anstalt
im Sinne von Art. 397a ZGB angesehen werden. Dies werde dadurch belegt, dass
sich der Berufungskläger seit 1987 bereits zum 13. Mal im A.________
aufhalte, wobei nie, auch nicht durch jeweilige Zwangsmedikation und andere
Therapieformen, eine wesentliche gesundheitliche Verbesserung oder auch nur
eine Stabilisierung des Gesundheitszustandes eingetreten sei. Der
Berufungskläger habe im Gegenteil in immer kürzer werdenden Abständen in die
Anstalt eingewiesen werden müssen.

3.1 Gemäss Art. 397a Abs. 1 ZGB darf eine mündige Person namentlich wegen
Geisteskrankheit oder Geistesschwäche in einer geeigneten Anstalt
untergebracht oder zurückbehalten werden, wenn ihr die nötige persönliche
Fürsorge nicht anders erwiesen werden kann. Was unter einer geeigneten
Anstalt zu verstehen ist, umschreibt das Bundesrecht nicht näher (BGE 112 II
486 E. 3, auch zu den Gründen; zum Begriff der Anstalt allgemein BGE 121 III
306 E. 2b S. 308). Aus dem in der genannten Bestimmung erwähnten Zweck der
Freiheitsentziehung, der eingewiesenen Person die nötige persönliche Fürsorge
zu erbringen, ergibt sich aber, dass es sich um eine Institution handeln
muss, die mit den ihr normalerweise zur Verfügung stehenden organisatorischen
und personellen Mitteln in der Lage ist, die wesentlichen Bedürfnisse der
eingewiesenen Person bezüglich Fürsorge und Betreuung zu befriedigen (BGE 112
II 486 E. 4c S. 490; 114 II 213 E. 7 S. 218). Mithin muss im Einzelfall das
Betreuungs- und Therapieangebot der Anstalt den vorrangigen Bedürfnissen der
betroffenen Person entsprechen (BGE 112 II 486 E. 5 und 6 S. 490 ff.).
Verlangt wird allerdings nicht, dass die gewählte Anstalt geradezu ideal sei
(Schnyder, Die fürsorgerische Freiheitsentziehung, Grundzüge der neuen
bundesrechtlichen Regelung, in: ZVW 1979 S. 22, Geiser, Basler Kommentar,
Zivilgesetzbuch I, 2. Aufl. 2002, N. 25 zu Art. 397a ZGB).

3.2 Nach den Ausführungen des Gutachters vom 13. August 2003 ist eine
stationäre Behandlung des Berufungsklägers in einer Institution unumgänglich,
welche eine kontinuierliche Medikamenteneingabe gewährleistet und ein stetes
Entweichen verhindert, zumal in der Vergangenheit sämtliche ambulante
Settings mangels Krankheitseinsicht des Berufungsklägers innert Kürze
gescheitert seien. Als Beispiele nennt der Gutachter schliesslich zwei
Anstalten, wobei das A.________ nicht erwähnt wird. Gestützt auf dieses
Gutachten hält die Verfügung des Regierungstatthalters vom 15. August 2003
fest, dass der Berufungskläger bis zur Überführung in eine geeignete Anstalt
im A.________ zurückbehalten werde. Auch wenn angesichts der gutachterlichen
Ausführungen vom 13. August 2003 und der Formulierung des Dispositivs das
A.________ nicht als ideale Anstalt gilt, kann entgegen der Auffassung des
Berufungsklägers nicht geschlossen werden, es sei überhaupt nicht geeignet.
Wie sich aus dem angefochtenen Urteil ergibt, bedarf der Berufungskläger laut
Gutachten vom 13. August 2003 zu seinem Schutz momentan noch weiterer
Behandlung im A.________, da die medikamentöse Einstellung noch nicht
abgeschlossen ist und abgesehen davon auch nach wie vor Hinweise auf
psychotisches Erleben bestehen. Der letzte Bericht des A.________ vom 26.
August 2003, auf den die Rekurskommission ebenfalls eingeht, hält fest, unter
der jetzigen Medikation habe sich das psychotische Zustandsbild stabilisiert,
florid psychotische Symptome seien nicht mehr nachweisbar; die Stimmung sei
noch labil, eher zu Depressionen neigend; im Vordergrund stünden Abwehr,
Bagatellisieren und Realitätsverletzung. Derzeit bestehe keine Fremd- oder
Selbstgefährdung.

3.3 Diesen Ausführungen des angefochtenen Urteils kann entnommen werden, dass
das A.________ den an die Anstalt gestellten Anforderungen des Art. 397a
Abs.1 ZGB gerecht wird, zumal der wesentliche Bedarf des Berufungsklägers
nach kontinuierlicher Medikamentenabgabe in geschlossenem Rahmen befriedigt
wird und aufgrund der Behandlung entgegen der anders lautenden Behauptung des
Berufungsklägers eine gewisse Stabilisierung seines Gesundheitszustandes
eingetreten ist. Dem steht nicht entgegen, dass der Berufungskläger bereits
mehrmals in die Anstalt hat eingewiesen werden müssen. Das A.________ ist
daher als geeignete Anstalt im Sinne des Art. 397a Abs. 1 ZGB anzusehen.
Daran ändert nichts, dass es im Lichte des Gutachtens vom 13. August 2003
nicht als optimale Lösung gelten mag, kann doch eine solche, wie bereits
dargelegt, nicht verlangt werden (E. 3.1). Daher ist auch nicht von Belang,
dass der Berufungskläger früher des öfteren aus der Anstalt ausgebrochen ist.
Eine Verletzung von Art. 397a ZGB ist somit nicht auszumachen.

4.
Der Berufungskläger lässt schliesslich ausführen, die Hauptsorge der Stellung
nehmenden Ärzte liege in der Gefahr der Absetzung der Medikamente und einer
möglichen, aber keinesfalls sicheren Fremdgefährdung. Diese sei indes weder
Einweisungsvoraussetzung nach Art. 397a Abs. 1 ZGB, noch genüge sie für einen
fürsorgerischen Freiheitsentzug. Reiche aber eine Fremdgefährdung für einen
fürsorgerischen Freiheitsentzug nicht aus, so gelte dies erst recht für eine
mögliche Fremdgefährdung. Ob die erforderliche Medikation nicht anderweitig
sichergestellt werden könne, sei nicht überprüft, jedoch trotz der
angeblichen bisherigen Misserfolge für möglich gehalten worden.

Aus dem Gutachten vom 13. August 2003 und dem angefochtenen Urteil, welches
sich unter anderem auf dieses Gutachten stützt, ergibt sich, dass die
Medikation nur im Rahmen einer stationären Behandlung sichergestellt werden
kann. Soweit der Berufungskläger etwas anderes behauptet, richtet er sich
gegen anders lautende tatsächliche Feststellungen der Vorinstanz. Insoweit
ist auf die Berufung von vornherein nicht einzutreten (Art. 63 Abs. 2 OG; BGE
126 III 388 E. 8 S. 389). Sodann hat die Rekurskommission die Zurückbehaltung
nicht nur gestützt auf Fremdgefährdung, sondern auch infolge nachgewiesener
Selbstgefährdung bejaht. Von einer Bundesrechtsverletzung kann demnach keine
Rede sein.

5.
Damit ist die Berufung abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Bei
diesem Verfahrensausgang wird der Berufungskläger kostenpflichtig (Art. 156
Abs. 1 OG).

Das Gesuch des Berufungsklägers um unentgeltliche Rechtspflege und
Verbeiständung ist abzuweisen, zumal sich die Berufung von Anfang an als
aussichtslos erwiesen hat (Art. 152 Abs. 1 OG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Berufung wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird abgewiesen.

3.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 1'000.-- wird dem Berufungskläger auferlegt.

4.
Dieses Urteil wird dem Berufungskläger und der kantonalen Rekurskommission
für fürsorgerische Freiheitsentziehungen des Kantons Bern schriftlich
mitgeteilt.

Lausanne, 3. November 2003

Im Namen der II. Zivilabteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Der Gerichtsschreiber: