Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Zivilabteilung 5C.181/2003
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5C.181/2003 /bnm

Urteil vom 4. November 2003
II. Zivilabteilung

Bundesrichter Raselli, Präsident,
Bundesrichter Meyer, Bundesrichterin Hohl,
Gerichtsschreiber Schett.

X. ________,
Berufungskläger,

gegen

Versicherung Y.________,
Berufungsbeklagte, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Eugen Mätzler,
Poststrasse 23, Postfach 1936, 9001 St. Gallen.

Örtliche Zuständigkeit, Schadenersatz, Haftpflichtversicherung,

Berufung gegen das Urteil des Kantonsgerichts von Graubünden,
Kantonsgerichtsausschuss, vom 25. Juni 2003.

Sachverhalt:

A.
X. ________, wohnhaft in A.________, vermietete während ungefähr eines Jahres
seine 2-Zimmerwohnung in B.________ an Z.________, wohnhaft in C.________ im
Kanton Tessin. Dieser hatte bei der Versicherung Y.________ eine
Privathaftpflichtversicherung abgeschlossen. Nach Auszug des Mieters befand
sich das Mietobjekt in einem derart desolaten Zustand, dass es umfassend
saniert werden musste und erst vier Monate später weitervermietet werden
konnte. Die in der Folge vom Vermieter angegangene Haftpflichtversicherung
stellte sich vorab auf den Standpunkt, solange ihr der Versicherungsnehmer
keine Schadensmeldung erstattet habe, könne sie nicht handeln. In der Folge
erstritt X.________ vor dem Bezirksgericht Prättigau/Davos (vormals
Oberlandquart) gegen den sich am Verfahren nicht beteiligenden Z.________ am
19. Dezember 2000 ein Urteil, welches ihm gestützt auf Art. 97, 99 und 267
Abs. 1 OR Fr. 36'002.55 Schadenersatz nebst Zinsen zusprach. Da von
Z.________ nichts erhältlich war, wandte sich X.________ wiederum an die
Versicherung Y.________, welche ihm schliesslich ohne Anerkennung einer
Rechtspflicht am 12. April 2002 eine Pauschalentschädigung von Fr. 10'000.--
auszahlte.

B.
Am 14. November 2002 reichte X.________ beim Bezirksgericht Prättigau/Davos
Klage gegen die Versicherung Y.________ ein. Sein Hauptbegehren entsprach
dem, was ihm gemäss Urteil des Bezirksgerichts Prättigau/Davos vom 19.
Dezember 2000 gegen Z.________ zugesprochen worden war, unter Abzug der
Akontozahlung von Fr. 10'000.--. Mit Antwortschrift vom 9. Januar 2003 erhob
die Versicherung Y.________ die Einrede der örtlichen Unzuständigkeit. Am 13.
März 2003 trat das Bezirksgericht Prättigau/Davos mangels örtlicher
Zuständigkeit auf die Klage nicht ein. Das Kantonsgericht von Graubünden wies
am 25. Juni 2003 die dagegen erhobene Beschwerde ab.

C.
Gegen dieses Urteil hat X.________ am 30. August 2003 Berufung eingelegt mit
dem Antrag, das angefochtene Urteil sei aufzuheben und das Bezirksgericht
Prättigau/Davos sei zur Durchführung des Prozesses örtlich zuständig zu
erklären. Es sind keine Antworten eingeholt worden.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Beim angefochtenen Entscheid handelt es sich um einen Endentscheid im Sinne
von Art. 48 Abs. 1 OG in einer berufungsfähigen Sache (Art. 43 OG). Der
Streitwert gemäss Art. 46 OG ist erreicht. Auf die form- und fristgemäss
eingereichte Berufung ist einzutreten.

2.
2.1 Die Parteien sind sich einig, dass im vorliegenden Fall das am 1. Januar
2001 in Kraft getretene Bundesgesetz vom 24. März 2000 über den Gerichtsstand
in Zivilsachen (Gerichtsstandsgesetz, GestG; SR 272) zur Anwendung gelangt.
Umstritten ist dagegen die örtliche Zuständigkeit. Das Kantonsgericht hat im
angefochtenen Entscheid ausgeführt, der Gerichtsstand am Ort der Mietsache
sei vorliegend nicht gegeben. Der Kläger beruft sich auf Art. 23 Abs. 1
GestG, wonach für Klagen aus Miete und Pacht unbeweglicher Sachen die
Schlichtungsbehörde und das Gericht am Ort der Sache zuständig sind. Er
vertritt die Auffassung, dass er den ihm gestützt auf Art. 60 des
Bundesgesetzes vom 2. April 1908 über den Versicherungsvertrag (VVG; SR
221.229.1) zustehenden Rechtsanspruch gegenüber der Versicherung Y.________
vor dem Richter der gelegenen Sache anbringen und durchsetzen könne. Nachdem
sein Pfandrecht am Ersatzanspruch, der dem Mieter aus der
Haftpflichtversicherung zustehe, rein akzessorisch zur Hauptforderung sei,
nämlich zu seinem Schadenersatzanspruch aus Miete gegenüber seinem früheren
Mieter, und für die Durchsetzung der Hauptforderung der Gerichtsstand der
gelegenen Sache gelte, dränge es sich auf, dass auch für den vorliegenden
Anspruch dieser Gerichtsstand gelte. Klagen aus Miete im Sinne von Art. 23
GestG seien nicht nur diejenigen, denen ein Mietvertragsverhältnis zugrunde
liege, sondern alle Klagen, die in engem Zusammenhang mit einem Mietvertrag
stünden. Das akzessorische Forderungsrecht gemäss Art. 60 VVG stehe in einem
engen Zusammenhang mit der Klage aus Miete des Klägers gegen den
seinerzeitigen Mieter. Die beiden Rechtsinstitute seien eng miteinander
verkoppelt, indem die Grundforderung wie auch das akzessorische Pfandrecht
während der einjährigen Mietdauer entstanden seien und unverändert bis zur
Zahlung der Schuld bestehen blieben.

2.2 Gemäss Art. 23 Abs. 1 GestG ist für Klagen aus Miete unbeweglicher Sachen
das Gericht am Ort der Sache zuständig. Die Bestimmung wurde materiell nahezu
unverändert aus dem bisherigen Recht übernommen, wobei der Text zum Teil
redaktionelle Vereinfachungen erfuhr (Art. 274b Abs. 1 lit. a aOR ; Botschaft
vom 18. November 1998 zum GestG, BBl 1999 III S. 2861). So galt der
Gerichtsstand nach bisherigem Recht für "Streitigkeiten aus dem
Mietverhältnis", während er nach neuem Recht für "Klagen aus Miete" gegeben
ist. Mit dieser Umformulierung ist keine materielle Änderung der Bestimmung
verbunden, so dass für deren Auslegung auf die bisherige Rechtsprechung
zurückgegriffen werden kann (Noëlle Kaiser Job, in: Kommentar zum
schweizerischen Zivilprozessrecht: Bundesgesetz über den Gerichtsstand in
Zivilsachen [GestG], Hrsg.: Spühler/Tenchio/Infanger, Basel 2001, N. 18 und
19 zu Art. 23; Fridolin Walther, in: Gerichtsstandsgesetz [Hrsg.:
Kellerhals/von Werdt/Güngerich], Bern 2001, N. 1 zu Art. 23).

2.3 Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts soll der Gerichtsstand der
gelegenen Sache in Mietstreitigkeiten die Beweiserhebung (z.B. bei der
Beurteilung von Mängeln) und die Feststellung des in Mietsachen verbreitet zu
beachtenden Ortsgebrauchs erleichtern. Die Bestimmung findet ihre
rechtspolitische Rechtfertigung in der Sachnähe des Richters und in der
sozialrechtlichen Besonderheit mietrechtlicher Streitigkeiten (BGE 120 II 112
E. 3b/bb S. 115). Nach dem Zweck des Gesetzes richtet sich der Gerichtsstand
der gelegenen Sache nicht ausschliesslich nach dem Vertragsverhältnis,
sondern nach dem mietrechtlichen Tatbestand als solchem. Mithin tritt für die
Zuständigkeitsfrage in den Hintergrund, ob der geltend gemachte Anspruch
materiell als vertraglicher, quasivertraglicher oder ausservertraglicher zu
qualifizieren ist. Von dieser Zweckbestimmung her rechtfertigt es sich,
Streitigkeiten aus einem Untermietverhältnis vom Richter der gelegenen Sache
beurteilen zu lassen (BGE 120 II 112 E. 3c S. 117). Das Bundesgericht hat
diese Rechtsprechung dahingehend präzisiert, dass die Zuständigkeit des
Richters am Ort der Sache auf Rechtsbeziehungen beschränkt ist, die
schwergewichtig mietrechtlicher Natur sind. Die Grundlage des Streits muss in
einer mietrechtlichen oder jedenfalls mietrechtsähnlichen Beziehung der
Parteien liegen. Deshalb ist der besondere Gerichtsstand der gelegenen Sache
bei einer Streitigkeit zwischen dem Hauswart und dem Mieter aus
ungerechtfertigter Bereicherung nicht gegeben, wenn dieser behauptet, die
Reinigungspflichten des Mieters bei der Rückgabe der Mietsache für diesen
erfüllt zu haben (Urteil 4C.274/1999 vom 17. November 1999 i.S. D., E. 3).

2.4 Im vorliegenden Fall leitet der Kläger seinen Anspruch gegenüber der
Beklagten nicht aus dem Mietverhältnis ab, sondern stützt ihn auf Art. 60
VVG. Gemäss dieser Bestimmung besitzt der geschädigte Dritte im Umfange
seiner Schadenersatzforderung ein Pfandrecht an dem Ersatzanspruch, der dem
Versicherungsnehmer aus der Versicherung gegen die Folgen gesetzlicher
Haftpflicht zusteht. Der Kläger beruft sich damit auf ein
Versicherungsvertragsverhältnis zwischen dem Mieter und der Beklagten und
damit nicht auf das Mietverhältnis und auch nicht auf ein mietähnliches
Verhältnis. Der Zweck des Gerichtsstands gemäss Art. 23 Abs. 1 GestG, nämlich
der Schutz des Mieters und die besseren Abklärungsmöglichkeiten des
Sachverhalts durch die Nähe des Gerichts, erfordern keine Ausdehnung auf
versicherungsrechtliche Ansprüche, stehen sich doch vorliegend der Vermieter
und die Versicherungsgesellschaft gegenüber und ist die die örtliche Nähe des
Richters rechtfertigende Schadenersatzforderung des Klägers gegen den Mieter
rechtskräftig geklärt. Daran ändert nichts, dass die den
Versicherungsanspruch auslösende Haftpflicht im vorliegenden Fall aus der
Miete abgeleitet wird. Dies bedeutet bloss, dass ein Kausalzusammenhang
zwischen der Miete und dem         Deckungsanspruch besteht. Gleichwohl ist
der Klagegrund nicht ein Schadenersatzanspruch aus Miete oder einem
mietähnlichen Verhältnis, sondern ein Deckungsanspruch aus
Versicherungsvertrag. Streitigkeiten aus Versicherungsverträgen als
Konsumentenverträge fallen unter Art. 22 GestG, der nicht an den Ort der
Sache anknüpft (Botschaft, a.a.O., S. 2860; Walther, a.a.O., N. 37 zu Art. 22
GestG; Alexander Brunner, in: Kommentar zum schweizerischen
Zivilprozessrecht: Bundesgesetz über den Gerichtsstand in Zivilsachen
[GestG], Hrsg.: Spühler/Tenchio/Infanger, Basel 2001, N. 2 und 16 zu Art.
22). Die Berufung ist daher abzuweisen.

3.
Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird der Berufungskläger kostenpflichtig
(Art. 156 Abs. 1 OG). Da keine Antworten eingeholt worden sind, sind keine
Parteientschädigungen zu sprechen.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Berufung wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 3'500.-- wird dem Berufungskläger auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht von Graubünden,
Kantonsgerichtsausschuss, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 4. November 2003

Im Namen der II. Zivilabteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Der Gerichtsschreiber: