Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Zivilabteilung 5C.142/2003
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5C.142/2003 /min

Urteil vom 28. August 2003
II. Zivilabteilung

Bundesrichter Raselli, Präsident,
Bundesrichterin Escher, Bundesrichter Marazzi,
Gerichtsschreiber Möckli.

B. ________,
Beklagter und Berufungskläger, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Domenico
Acocella, Postfach 17, 6430 Schwyz,

gegen

1.K.________,
2.L.________,
Kläger und Berufungsbeklagte,
beide vertreten durch Rechtsanwalt Vital Zehnder, Herrengasse 28, Postfach
746, 6431 Schwyz.

Notwegrecht,

Berufung gegen das Urteil des Kantonsgerichts des Kantons Schwyz,
Zivilkammer, vom 15. April 2003.

Sachverhalt:

A.
Die Kläger, K.________ und L.________, sind Eigentümer des Grundstücks
Z.________-GBB-aaa, das ausserhalb des Dorfes oberhalb der Kantonsstrasse
liegt. Es ist durch einen grundbuchlich gesicherten Fussweg erschlossen, der
von der Kantonsstrasse her ansteigend über das im Eigentum des Beklagten
B.________ stehende Grundstück Nr. bbb führt. Zum Grundstück Nr. aaa führt
überdies eine Strasse, die etwa 100 Meter nordwestlich des Fussweges von der
Kantonsstrasse abzweigt und zuerst das Grundstück Nr. ccc von N.________
durchquert, bevor sie ebenfalls über das Grundstück Nr. bbb führt.

Nachdem die Kläger 1995 das Grundstück Nr. aaa erworben hatten, verhandelten
sie mit dem Beklagten über die Einräumung eines Fahrwegrechts über die
erwähnte Strasse. Ausserdem versuchten sie die Zufahrt zu ihrem Grundstück
auf dem Verwaltungsweg zu erstreiten, was allerdings misslang. Am 20. Juli
1998 erwirkte der Beklagte beim Einzelrichter des Bezirks Schwyz ein
Fahrverbot für den Strassenabschnitt auf seinem Grundstück, während
N.________ den Klägern mit Dienstbarkeitsvertrag vom 30. September 1999 für
das in seinem Eigentum stehende Strassenstück ein Fuss- und Fahrwegrecht
einräumte.

B.
Am 8. April 1999 reichten die Kläger beim Bezirksgericht Schwyz Klage auf
Einräumung eines Notwegrechts gemäss Art. 694 ZGB ein. Mit Urteil vom 2. Juli
2001 wurde ihnen dieses Recht gegen eine Entschädigung von Fr. 6'959.40 sowie
die Verpflichtung, einen Viertel des zukünftigen Unterhalts zu tragen,
erteilt. Mit Urteil vom 15. April 2003 wies das Kantonsgericht des Kantons
Schwyz, Zivilkammer, die dagegen erhobene Berufung des Beklagten ab.

C.
Gegen dieses Urteil hat der Beklagte am 30. Juni 2003 Berufung erhoben mit
den Begehren um Aufhebung des angefochtenen Entscheids und um Abweisung der
Klage. Es ist keine Berufungsantwort eingeholt worden.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
1.1 Der Beklagte rügt zunächst eine mangelhafte Sachverhaltsfeststellung und
verlangt die Rückweisung der Sache gemäss Art. 52 und 64 OG. Die Vorinstanz
habe das Notwegrecht mit einer objektiven Veränderung der Verhältnisse
begründet. Dabei habe sie sich mit der Schilderung der heutigen Verhältnisse
begnügt, ohne den früheren Zustand darzustellen und aufzuzeigen, worin die
veränderten örtlichen Verhältnisse bestünden. Damit werde ihm verunmöglicht
festzustellen, ob die falsche Begründung auf einer Verletzung von Bundesrecht
oder z.B. auf willkürlicher Beweiswürdigung beruhe.

1.2 Zunächst hat das Kantonsgericht unter Hinweis auf die bundesgerichtliche
Rechtsprechung erwogen, dass nach heutiger Auffassung ein Grundeigentümer in
Wohngebieten grundsätzlich Anspruch auf eine allgemeine Zufahrt zum
Grundstück mit einem Motorfahrzeug habe. Dieser Grundsatz gelte zwar bei
Grundstücken ausserhalb des Bereichs von Ortschaften nicht uneingeschränkt,
aber immerhin insoweit, als es sich um Transporte handle, die gewöhnlich nur
mit Fahrzeugen ausgeführt würden. Sodann hat das Kantonsgericht festgehalten,
dass das klägerische Grundstück zwar in der Landwirtschaftszone liege, aber
dessen motorfahrzeugmässige Erschliessung - den geänderten örtlichen
Verhältnissen entsprechend - zeitgereicht erscheine.

Es hat dies im Einzelnen damit begründet, dass die klägerische Liegenschaft
zwar rund einen Kilometer ausserhalb der Ortschaft Z.________ in einem Streu-
und Hofsiedlungsgebiet, jedoch weder abgeschieden noch vereinzelt liege. An
der Abzweigung der Erschliessungsstrasse von der Kantonsstrasse stünden zwei
Häuser, ein Ferienhaus sowie das Haus von N.________. Über die
Zufahrtsstrasse werde ein fest installierter Wohnwagen mit Anbaute sowie - in
unmittelbarer Nachbarschaft der klägerischen Liegenschaft - das Wohnhaus und
ein Stallgebäude des Beklagten erschlossen. Des Weiteren stünden auf dem
Campingplatz des Beklagten oberhalb des Wohnhauses während der Sommerzeit
fünf Wohnwagen, deren Besucher ihre Fahrzeuge bis anhin beim Stallgebäude
hätten parkieren können. Schliesslich verfüge er über eine Baubewilligung zur
Erweiterung des Campingplatzes um vier weitere Wohnwagen, soweit er aufzeige,
wo die hierfür erforderlichen sechs Parkplätze zu stehen kämen. Die Bewohner
der fraglichen Häuser und Wohnwagen seien alle berechtigt, die
Erschliessungsstrasse zu benützen; einzig dem Kläger werde dies verwehrt.
Ferner benützten der Postbote, aber auch der Heizöllieferant - offenbar sogar
zur Bedienung der klägerischen Liegenschaft - die umstrittene
Erschliessungsstrasse.

Aus all diesen Umständen hat das Kantonsgericht den Schluss gezogen, heute
sei die motorfahrzeugmässige Erschliessung im fraglichen Gebiet üblich und
zeitgemäss, wäre doch das Haus der Kläger das einzige in der Gegend, das
nicht mit einem Motorfahrzeug erreicht werden dürfte. Im Übrigen erscheine
die fahrzeugmässige Erschliessung als für die bestimmungsgemässe Nutzung der
klägerischen Liegenschaft in objektiver Hinsicht notwendig.

1.3 Damit hat das Kantonsgericht Schwyz sehr wohl aufgezeigt, auf Grund
welcher konkreten örtlichen Verhältnisse es die motorfahrzeugmässige
Erschliessung des fraglichen Grundstücks als zeitgemäss erachtet. Die Rüge
der unzureichenden Begründung im Sinne von Art. 51 Abs. 1 lit. c i.V.m. Art.
52 OG bzw. der unzureichenden Feststellung des Tatbestandes im Sinne von Art.
64 OG stösst somit ins Leere.

2.
2.1 In materieller Hinsicht rügt der Beklagte eine Verletzung von Art. 694
ZGB, indem er das Vorliegen einer Wegnot bzw. einer eigentlichen Notlage
bestreitet. Niemand habe das Recht, die letzten Meter bis zum Haus fahren zu
dürfen, schon gar nicht ausserhalb von Ortschaften.

2.2 Soweit der Beklagte in diesem Zusammenhang geltend macht, die von der
Vorinstanz aufgeführten Liegenschaften bzw. Häuser und Wohnwagen würden nicht
alle über die umstrittene Zufahrtsstrasse erschlossen, wendet er sich gegen
die für das Bundesgericht verbindlichen Sachverhaltsfeststellungen des
Kantonsgerichts (Art. 63 Abs. 2 OG). Keinen Rückhalt im kantonal
festgestellten Tatbestand findet sodann die Behauptung, die klägerische
Liegenschaft sei baulich auf die Kantonsstrasse ausgerichtet. Die bauliche
Ausrichtung des klägerischen Wohnhauses als solche (Drehung des Hauses, Lage
des Vorplatzes und des Hauszugangs) wird im angefochtenen Entscheid nicht
beschrieben, und allein aus der Erwähnung der beiden klägerischen Garagen an
der Kantonsstrasse lassen sich keine Rückschlüsse im beklagtischen Sinn
ziehen.
Auf die beiden Vorbringen ist demnach nicht einzutreten, zumal der Beklagte
nicht substanziiert darlegt, dass bzw. inwiefern die kantonale
Sachverhaltsfeststellung unter Verletzung bundesrechtlicher
Beweisvorschriften zustande gekommen wäre (Art. 63 Abs. 2 OG), oder dass es
sich um offensichtliche Versehen handeln würde (Art. 55 Abs. 1 lit. d OG).

2.3 Nach den verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz verfügt die
klägerische Liegenschaft über zwei Parkplätze an der Kantonsstrasse. Von dort
führt die einzige rechtlich gesicherte Erschliessung über eine rund 50 Meter
lange Treppe, deren Beschreitung für ältere und gehbehinderte Personen sowie
für den Transport schwerer Lasten äusserst beschwerlich ist; mit Kinderwagen
oder Rollstühlen ist der Weg überhaupt nicht begehbar.

2.4 Der Hinweis des Beklagten auf die bundesgerichtliche Rechtsprechung zur
Wegnot in ländlichen Gebieten - der Anspruch auf Zufahrt mit Motorfahrzeugen
gilt für abgelegene Wohnhäuser nicht uneingeschränkt, aber immerhin insoweit,
als es sich um Transporte handelt, die gewöhnlich nur mit Fahrzeugen
ausgeführt werden (BGE 107 II 323 E. 4 S. 331) - ist nicht geeignet, eine
Bundesrechtsverletzung aufzuzeigen: Wie von der Vorinstanz verbindlich
festgehalten und in E. 1.2 erwähnt, liegt das klägerische Wohnhaus weder
abgeschieden noch vereinzelt, sondern in einem Streu- und Hofsiedlungsgebiet.
Es hält vor Bundesrecht stand, wenn das Kantonsgericht vor diesem Hintergrund
die für bewohnte Gebiete massgebenden Kriterien - in Wohngebieten hat ein
Grundeigentümer nach heutiger Auffassung grundsätzlich Anspruch auf eine
allgemeine Zufahrt mit einem Motorfahrzeug (BGE 93 II 167 E. 2 S. 169; 110 II
125 E. 5 S. 127) - sinngemäss auf das vorliegend zu beurteilende Gebiet
angewandt hat. Der Beklagte rügt denn diese sinngemässe Rechtsanwendung auch
nicht in substanziierter Form. Im Übrigen geht er, wie ihm schon das
Kantonsgericht entgegengehalten hat, über die konkreten Verhältnisse
(Hanglage; Treppenweg, der beschwerlich und mit Kinderwagen oder Rollstühlen
überhaupt nicht befahrbar ist) hinweg. Das Notweginteresse der Kläger gründet
in diesem Sinn nicht auf verpönter Bequemlichkeit (BGE 84 II 614 E. 3 S.
619), und ebenso wenig liegen nicht ganz vollkommene Wegverhältnisse vor, die
ohne weiteres verbessert werden könnten (BGE 80 II 311 E. 2 S. 317; 120 II
185 E. 2a S. 186).
Hält die sinngemässe Anwendung der Rechtsprechung zur Wegnot in Wohngebieten
auf das vorliegend interessierende und vom Kantonsgericht im Einzelnen
beschriebene Streu- und Hofsiedlungsgebiet vor Bundesrecht stand, wird das
Vorbringen des Beklagten, wenn schon dürfte nur ein auf spezielle Transporte
(Lieferung von Brennstoffen, Krankentransport) beschränktes Zufahrtsrecht
erteilt werden, gegenstandslos, weil in Wohngebieten nach der zitierten
bundesgerichtlichen Rechtsprechung ein grundsätzlicher Anspruch auf
allgemeine Zufahrt mit einem Motorfahrzeug besteht.

Unbehelflich ist schliesslich der Verweis auf den - unveröffentlichten -
Entscheid 5C.197/2000 vom 21. Dezember 2000. Das Bundesgericht hat dort
befunden, die Tatsache, dass die Klägerin einen Umweg von 150 Meter in Kauf
nehmen müsse, um zu ihrer Garage zu gelangen, begründe keinen Anspruch auf
Einräumung eines Notwegrechts. Demgegenüber geht es im vorliegenden Fall
nicht um die Frage, ob ein Umweg in Kauf zu nehmen ist oder nicht, sondern
darum, ob die Kläger einen Anspruch auf motorfahrzeugmässige Erschliessung
ihrer Liegenschaft über eine bereits bestehende Strasse oder ob sie sich mit
einem beschwerlichen, über eine Treppe führenden Fussweg abzufinden haben.

3.
Unbegründet ist auch die Einrede des Rechtsmissbrauchs, den der Beklagte im
Umstand erblickt, dass die Kläger zur Erwirkung einer Baubewilligung geltend
gemacht hätten, ihre Liegenschaft sei erschlossen, während sie sich nun auf
eine Wegnot beriefen.

Weil sich diese Sachverhaltsbehauptung nicht aus dem angefochtenen Urteil
ergibt, ist darauf ebenso wenig einzutreten wie auf das in den
vorinstanzlichen Erwägungen nicht wiedergegebene Zitat aus dem
Beschwerdeentscheid des Regierungsrats vom 18. November 1997 (Art. 55 Abs. 1
lit. c OG). Umgekehrt findet sich jedoch im angefochtenen Urteil der Hinweis,
dass der Regierungsrat die Kläger für das gewünschte Fahrwegrecht über die
bestehende Erschliessungsstrasse auf den zivilrechtlichen Weg verwiesen hat.

4.
Von vornherein nicht einzutreten ist schliesslich auf die vagen und als
Anmerkung bezeichneten Ausführungen zur Kostenverteilung und Festlegung der
Entschädigung für das eingeräumte Notwegrecht, zumal der Beklagte in diesem
Zusammenhang weder eine Verletzung von Bundesrecht gerügt noch ein
Eventualbegehren um Zuspruch einer höheren Entschädigung für den Fall der
Bejahung des Notwegrechts gestellt hat.

5.
Zusammenfassend ergibt sich, dass die Berufung abzuweisen ist, soweit auf sie
eingetreten werden kann. Die Gerichtsgebühr ist demnach dem Beklagten
aufzuerlegen (Art. 156 Abs. 1 OG). Da keine Vernehmlassung eingeholt worden
ist, sind keine entschädigungspflichtigen Parteikosten entstanden.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Berufung wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 3'500.-- wird dem Beklagten auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht des Kantons Schwyz,
Zivilkammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 28. August 2003

Im Namen der II. Zivilabteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Der Gerichtsschreiber: