Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Zivilabteilung 5C.138/2003
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5C.138/2003 /bmt

Urteil vom 15. August 2003
II. Zivilabteilung

Bundesrichter Raselli, Präsident,
Bundesrichterin Nordmann, Bundesrichter Meyer,
Gerichtsschreiber Schett.

H.P.________,
Berufungsklägerin, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Bruno Häfliger,
Schwanenplatz 7, Postfach, 6000 Luzern 5,

gegen

U.P.________,
Berufungsbeklagten, vertreten durch Rechtsanwältin Irène Hänsli, Müller &
Beerli, Huobmattstrasse 7, Postfach, 6045 Meggen.

Ehescheidung,

Berufung gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Luzern, II. Kammer,
vom 13. Mai 2003.

Sachverhalt:

A.
Im Jahre 1981 zogen die damals 17-jährige H.P.________ und U.P.________
zusammen, im August 1993 heirateten sie und im Juni 1996 trennten sie sich
faktisch. Die Ehe blieb kinderlos. Die Ehefrau arbeitete in all den Jahren
bis 1998 vornehmlich in Teilzeitpensen über 50 %; seither geht sie aus
gesundheitlichen Gründen keiner Erwerbstätigkeit mehr nach. 1991 erlitt sie
bei einem Verkehrsunfall ein Schleudertrauma der Halswirbelsäule. In der
Folge litt sie über Jahre unter verschiedenen gesundheitlichen Beschwerden.

B.
Am 23. Juli 2002 wurde die Ehe der Parteien durch das Amtsgericht Luzern-Land
geschieden und der Ehefrau ein Unterhaltsbeitrag von monatlich Fr. 1'200.--
bis Ende Juni 2003 zugesprochen. Auf Appellation der Ehefrau hin sprach ihr
das Obergericht des Kantons Luzern in Ziffer 2.2 seines Urteils vom 13. Mai
2003 einen Unterhaltsbeitrag von Fr. 1'400.-- bis Ende Juni 2004 zu.

C.
Gegen dieses Urteil hat die Ehefrau Berufung eingereicht. Sie stellt den
Antrag, Ziffer 2.2. des angefochtenen Urteils sei aufzuheben und der
Berufungsbeklagte sei zu verurteilen, ihr bis 30. Juni 2006 einen
Unterhaltsbeitrag von monatlich Fr. 1'830.-- eventuell Fr. 1'400.--, zu
bezahlen. Zudem sei ihr die unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung zu
gewähren. Es sind keine Vernehmlassungen eingeholt worden. Das Bundesgericht
hat die gleichzeitig eingereichte staatsrechtliche Beschwerde heute
abgewiesen, soweit es darauf eingetreten ist (Verfahren 5P.247/2003).

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Der vorliegende Fall zeichnet sich unter anderem dadurch aus, dass nach einem
vorehelichen Zusammenleben der Parteien von zwölf Jahren ein eheliches
Zusammenleben von bloss drei Jahren folgte. Das Obergericht hat sich die
Frage gestellt, ob das lange voreheliche Zusammenleben an die Ehedauer
anzurechnen sei und es hat die Frage schliesslich nicht abschliessend
beantwortet, weil die Einschränkung der Erwerbstätigkeit durch die
Berufungsklägerin nicht "gemeinschaftsbedingt" gewesen sei. Dies sei vorab
deshalb nicht der Fall, weil die Ehe kinderlos geblieben sei und die
Berufungsklägerin die Erwerbstätigkeit auch nicht im Hinblick auf eine
gemeinsam vorgesehene Familiengründung eingeschränkt habe. Ebenso wenig
hätten die Ehepartner im Sinne einer Arbeitsteilung vereinbart, dass die
Berufungsklägerin den Haushalt führe und deswegen die Erwerbstätigkeit
einschränke. Die Berufungsklägerin räumt ein, dass die Frage der
Anrechenbarkeit vorehelicher Konkubinatsjahre offen gelassen werden könne,
wenn sich das Gericht der Sachverhaltsdarstellung durch die Vorinstanz
anschliesse. Da das Bundesgericht die staatsrechtliche Beschwerde wegen
willkürlicher Sachverhaltsfeststellung und Beweiswürdigung abgewiesen hat,
soweit es darauf hat eintreten können, ist es im vorliegenden
Berufungsverfahren an den Sachverhalt, wie er von der Vorinstanz festgehalten
worden ist, gebunden. Bei dieser Sachlage erübrigen sich Weiterungen
bezüglich der Anrechenbarkeit von vorehelichen Konkubinatsjahren.

2.
2.1 Die Berufungsklägerin beanstandet die zeitliche Befristung des
Unterhaltsbeitrages nicht grundsätzlich, sondern vertritt die Meinung, diese
erscheine unangemessen kurz. Der erstinstanzliche Richter führte in seinem
Urteil vom 23. Juli 2002 zur Befristung des Unterhaltsbeitrags aus, dieser
sei nach der faktischen Trennung im Jahre 1996 seit dem 8. Februar 1999
gerichtlich festgelegt worden. Vorher habe der Berufungsbeklagte der
Berufungsklägerin auf aussergerichtlicher Basis einen Unterhaltsbeitrag von
Fr. 500.-- bezahlt. Diese drei bzw. fünfeinhalb Jahre seien an die
nacheheliche Solidarität anzurechnen. Es sei deshalb gerechtfertigt, einen
Unterhaltsbeitrag bis Ende Juni 2003 zuzusprechen. Damit werde einerseits der
nachehelichen Solidarität in hinreichendem Umfang Rechnung getragen.
Andererseits lasse die Übergangsfrist bis Ende Juni 2003 der
Berufungsklägerin auch genügend Zeit, sich neu zu organisieren. Das
Obergericht hat die Auffassung der Erstinstanz im angefochtenen Entscheid vom
13. Mai 2003 geteilt, wonach die vom Berufungsbeklagten seit der faktischen
Trennung im Jahre 1996 geleisteten Unterhaltsbeiträge auf den nachehelichen
Unterhaltsanspruch anzurechnen seien. Indessen erscheine die angesetzte
Übergangsfrist bis Juni 2003 infolge der durch das Rechtsmittelverfahren
verzögerten Rechtskraft des amtsgerichtlichen Entscheids zu kurz. Angemessen
erscheine es, der Berufungsklägerin ein Jahr mehr Zeit zu geben, um sich auf
die vorliegende Situation einzustellen. Insbesondere soll ihr damit Zeit
gegeben werden, die weiteren aus dem Unfall von 1991 herrührenden
Sozialversicherungsleistungen erhältlich zu machen sowie eine Arbeit zu
suchen, bei der sie ihre noch vorhandene Arbeitsfähigkeit von 50 % im Bereich
Bürotätigkeit einsetzen könne. Die Unterhaltsbeiträge seien daher bis Ende
Juni 2004 zu befristen.

2.2 Die Berufungsklägerin bringt dagegen vor, die Zürich
Versicherungsgesellschaft habe als UVG-Versicherer den Entscheid des
Verwaltungsgerichts vom 7. November 2002 an das Eidg. Versicherungsgericht
weitergezogen. Der Entscheid dieses Gerichts sei nicht vor dem Jahr 2004 zu
erwarten. Werde die Beschwerde abgewiesen, müssten die konkreten Leistungen
festgelegt werden, was wiederum Monate in Anspruch nehme. Soweit die
Berufungsklägerin eine Restarbeitsfähigkeit von 50 % verwerten könne, müsse
ihr eine längerfristige Einarbeitungszeit gewährt werden. Sie stehe seit
Jahren nicht mehr im Arbeitsprozess und die neuen Technologien in der
Büroadministration seien ihr weitgehend unbekannt. Schliesslich rechtfertige
sich eine längere Übergangsfrist auch im Hinblick auf den Vorsorgeausgleich.
Eine genügende berufliche Vorsorge gehöre auch zum Unterhaltsanspruch.

2.3 Bei der Bestimmung der Frist für den nachehelichen Unterhalt ist zu
beachten, dass es vorliegend einzig darum geht, der Berufungsklägerin das
Erlangen der wirtschaftlichen Selbständigkeit zu erleichtern (vgl. BGE 128
III 65), denn für den Unterhalt, einschliesslich einer angemessenen
Altersvorsorge hat grundsätzlich und auch vorliegend jeder Ehegatte selbst
aufzukommen (BGE 127 III 136 E. 2a S. 138). Den kantonalen Gerichten steht
dabei ein Beurteilungsspielraum zu.

Seit der faktischen Trennung im Jahre 1996 werden bis zum Ablauf des
Unterhaltsbeitrags ungefähr acht Jahre vergangen sein. Das muss genügen, um
die Ansprüche der Berufungsklägerin im sozialversicherungsrechtlichen Bereich
zu klären. Dies trifft vorliegend umso mehr zu, als der genannte Rechtsstreit
nicht ehe- oder scheidungsbedingt ist, sondern wegen der unterschiedlichen
Auffassungen der Parteien in jenem Verfahren über das Mass und die Ursachen
der Arbeitsunfähigkeit der Berufungsklägerin entstanden ist. Es ist nicht
Aufgabe des Berufungsbeklagten, auf lange Zeit hin allfällige Engpässe zu
überbrücken, welche durch Verzögerungen des Verfahrens zwischen der Zürich
Versicherungsgesellschaft und der Berufungsklägerin entstehen können. Was die
Verwertung der Restarbeitsfähigkeit der Berufungsklägerin von 50 % anbelangt,
hatte die Berufungsklägerin ab dem Zeitpunkt, in dem die Scheidung der Ehe
ausser Zweifel stand, nach Treu und Glauben die Verpflichtung, sich auf die
Wiederaufnahme bzw. Ausdehnung der beruflichen Tätigkeit vorzubereiten
(Urteil 5C.32/2001 vom 19. April 2001 i.S. S.). Dass ihr dazu die Zeit
gefehlt hat, macht die Berufungsklägerin mit Recht nicht geltend und ist auch
nicht ersichtlich. Die Berufungsklägerin vertritt schliesslich die
Auffassung, eine längere Übergangsfrist rechtfertige sich auch im Hinblick
auf den Vorsorgeausgleich. Die Vorinstanz hat indessen unter dem Titel
"berufliche Vorsorge" ausführliche Erwägungen über die Vorsorgebedürfnisse
der Parteien angestellt und der Berufungsklägerin schliesslich einen Anteil
der Austrittsleistung des Berufungsbeklagten zugesprochen. Die
Berufungsklägerin hat daher im kantonalen Verfahren mit Grund keine erhöhten
Unterhaltsbeiträge im Hinblick auf den Vorsorgeausgleich verlangt und sie
legt auch im bundesgerichtlichen Verfahren nicht dar, inwiefern eine
Vorsorgelücke bestehen könnte, welche durch den Anteil an der
Austrittsleistung des Berufungsbeklagten nicht gedeckt werden kann (vgl. dazu
BGE 129 III 257).

3.
Die Berufungsklägerin beanstandet schliesslich die Höhe des
Unterhaltsbeitrages. Zur Begründung führt sie einzig an, der Massnahmerichter
habe seinerzeit den Beitrag auf Fr. 1'830.-- festgelegt. Sie legt damit in
keiner Weise dar, inwiefern die Vorinstanz Bundesrecht verletzt haben könnte,
indem sie den Unterhaltsbeitrag auf Fr. 1'400.-- festgesetzt hat (Art. 55
Abs. 1 lit. c OG). Auf die Rüge ist nicht einzutreten.

4.
Die Berufung muss aus diesen Gründen abgewiesen werden, soweit darauf
eingetreten werden kann. Bei diesem Ausgang trägt die Berufungsklägerin die
Verfahrenskosten. Da ihre Begehren von vorne herein aussichtslos sind, kann
das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege nicht bewilligt werden (Art. 152
OG). Eine Parteientschädigung ist nicht zu sprechen, weil keine Antwort
eingeholt worden ist.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Berufung wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten werden kann.

2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.

3.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 1'500.-- wird der Berufungsklägerin auferlegt.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Luzern, II.
Kammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 15. August 2003

Im Namen der II. Zivilabteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Der Gerichtsschreiber: