Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Zivilabteilung 5A.3/2003
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5A.3/2003/bie
5P.97/2003
Urteil vom 14. Juli 2003
II. Zivilabteilung

Bundesrichter Raselli, Präsident,
Bundesrichterinnen Nordmann, Escher,
Bundesrichter Meyer, Marazzi,
Gerichtsschreiber von Roten.

M. und A. H.________, Beschwerdeführer,
vertreten durch Rechtsanwalt Markus Wydler,
Im Lindenhof, Postfach 41, 9320 Arbon,

gegen

Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau, Frauenfelderstrasse 16, 8570
Weinfelden.

Pflegekinderbewilligung,

Staatsrechtliche Beschwerde und Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den
Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons Thurgau vom 18. Dezember 2002.

Sachverhalt:

A.
Seit mehreren Jahren nehmen M. und A.H.________ Pflegekinder auf und
bestreiten ihren Lebensunterhalt zum grössten Teil aus dem Pflegegeld, das
sie für die Kinderbetreuung erhalten. Sie waren früher in W.________, Kanton
Appenzell A.Rh., tätig. Da ihr Konzept der "Wohngemeinschaft X.________" mit
fünf bis sechs Pflegeplätzen nicht verwirklicht werden konnte und letztlich
am Erfordernis einer behördlichen Heimbewilligung scheiterte, entschlossen
sie sich im Sommer 1998, nach Y.________, Kanton Thurgau, umzuziehen. Sie
bewohnen seit Januar 1999 das Haus "Z.________", in dem vier Pflegekinder auf
Dauer aufgenommen werden können.

B.
Im Juli/August 2001 stellten M. und A.H.________ zwei neue Gesuche um
Pflegebewilligungen. Die Vormundschaftsbehörde Y.________ wies die Gesuche
ab. Sie nahm an, dass Einzelbewilligungen für die Familienpflege nicht mehr
ausreichten, und ersuchte M. und A. H.________, die kantonale Bewilligung für
die Heimpflege einzuholen (Entscheid vom 4. September 2001). Das Departement
für Justiz und Sicherheit des Kantons Thurgau hiess die dagegen erhobenen
Vormundschaftsbeschwerden teilweise gut. Es stellte fest, dass auf das von M.
und A.H.________ geführte Haus "Z.________" die Bestimmungen über die
Heimpflege gemäss der Pflegekinderverordnung anzuwenden seien, dass aber für
die Bewilligung von Kleinheimen bis zu vier Pflegekindern die
Vormundschaftsbehörde zuständig sei (Entscheid vom 28. August 2002). Gegen
die Feststellungsverfügung erhoben M. und A.H.________
Verwaltungsgerichtsbeschwerde und machten geltend, es liege "Familienpflege"
und nicht "Heimpflege" im Sinne der Pflegekinderverordnung vor. Das kantonale
Verwaltungsgericht wies die Beschwerde ab (Entscheid vom 18. Dezember 2002).

C.
Mit staatsrechtlicher Beschwerde (5P.97/2003) beantragen M. und A. H.________
dem Bundesgericht die Aufhebung des verwaltungsgerichtlichen Entscheids. Das
Verwaltungsgericht schliesst auf Abweisung der Beschwerdeanträge.

D.
M. und A.H.________ haben beim Bundesgericht gleichzeitig
Verwaltungsgerichtsbeschwerde (5A.3/2003) erhoben. Mit dieser beantragen sie
die Feststellung, dass für die Beschwerdeführer im Zusammenhang mit den
Pflegekinderbewilligungen die Bestimmungen der Familienpflege gemäss der
Pflegekinderverordnung anzuwenden seien. Eventuell sei die Sache zu weiteren
Abklärungen an die Vormundschaftsbehörde Y.________ zurückzuweisen. Das
Verwaltungsgericht schliesst auf Abweisung der Beschwerdeanträge. Das
Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement (Bundesamt für Justiz) hat
allgemeine Bemerkungen angebracht, auf eine Stellungnahme zum konkreten Fall
aber verzichtet.

E.
In beiden Rechtsmittelverfahren ersuchen die Beschwerdeführer um Erlass
vorsorglicher Verfügungen. Das präsidierende Mitglied der II. Zivilabteilung
des Bundesgerichts hat der staatsrechtlichen Beschwerde wie auch der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkannt, das Gesuch
- soweit weitergehend - hingegen abgewiesen (Verfügungen vom 18. März 2003).

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Wer Pflegekinder aufnimmt, bedarf einer Bewilligung und steht unter
behördlicher Aufsicht (Art. 316 ZGB). In der bundesrätlichen Verordnung über
die Aufnahme von Kindern zur Pflege und zur Adoption (PAVO, SR 211.222.338)
werden die Bewilligungspflicht und die Aufsicht für "Familienpflege" (Art. 4
ff.), "Tagespflege" (Art. 12) und "Heimpflege" (Art. 13 ff.) unterschiedlich
geregelt. Die Abgrenzung der Bewilligungsarten ist von praktischer Bedeutung,
zumal die Heimpflege höheren Anforderungen genügen muss und einer strengeren
Kontrolle unterliegt als die Familien- oder Tagespflege. Verfahrensgegenstand
bildet die Frage, ob die Beschwerdeführer den Vorschriften über die
Familienpflege oder denjenigen über die Heimpflege unterstellt sind.

2.
Die Beschwerdeführer haben gegen den selben kantonalen Entscheid gleichzeitig
Verwaltungsgerichtsbeschwerde und staatsrechtliche Beschwerde eingelegt,
wobei sie in den jeweiligen Rechtsschriften verschiedene Rügen erheben. Die
staatsrechtliche Beschwerde ist gemäss Art. 84 Abs. 2 OG nur zulässig, wenn
die behauptete Rechtsverletzung nicht durch Verwaltungsgerichtsbeschwerde
gerügt werden kann. Darüber ist vorweg zu entscheiden.

2.1 Verfügungen betreffend die Bewilligung zur Aufnahme von Pflegekindern wie
auch die in Ausübung der Pflegekinderaufsicht ergehenden Verfügungen
unterliegen der Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht (BGE 116
II 238 E. 1). Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen die Verfügung, die
Beschwerdeführer seien der Bewilligungspflicht gemäss den Vorschriften über
die Heimpflege unterstellt (Art. 13 ff. PAVO), ist somit grundsätzlich
zulässig.

2.2 Die Verfassungsrügen, die die Beschwerdeführer in ihrer staatsrechtlichen
Beschwerde erheben, hätten mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde geltend gemacht
werden können:
2.2.1Willkür (Art. 9 BV) erblicken die Beschwerdeführer darin, dass das
Verwaltungsgericht die einschlägigen kantonalen Bestimmungen nicht als
Unterscheidungskriterium zwischen Heim- und Familien-pflege angewendet und
allein auf die Vorschriften der Pflegekinderverordnung abgestellt habe. Dass
die angefochtene Verfügung zu Unrecht auf eidgenössisches statt auf
kantonales Recht abgestützt worden sein soll, ist ein Beschwerdegrund im
Sinne von Art. 104 lit. a OG (BGE 110 Ib 10 E. 1 S. 12; 116 Ib 169 E. 1 S.
171).

2.2.2 Mit ihrer staatsrechtlichen Beschwerde machen die Beschwerdeführer
weiter geltend, der angefochtene Entscheid genüge der verfassungsmässigen
Begründungspflicht nicht (Art. 29 Abs. 2 BV) und die kantonalen Behörden
hätten sich wider Treu und Glauben verhalten (Art. 9 BV).
Bundesverfassungsrecht zählt zum Bundesrecht gemäss Art. 104 lit. a OG und
ist mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde zu rügen, wenn die Angelegenheit in die
Sachzuständigkeit der eidgenössischen Verwaltungsrechtspflegeinstanz fällt
(BGE 126 V 252 E. 1a S. 254; 123 II 88 E. 1a/bb S. 92).

2.2.3 Was schliesslich die Willkür in den Tatsachenfeststellungen angeht,
beziehen sich die Beschwerdeführer nicht auf den Sachverhalt, den das
Verwaltungsgericht festgestellt hat und der auch unbestritten ist, sondern
auf den Sachverhalt, den das Verwaltungsgericht festzustellen unterlassen
hat, der aber für die richtige Rechtsanwendung entscheidend sein soll. Die
gerügte unvollständige Sachverhaltsfeststellung kann im Rahmen von Art. 105
Abs. 2 OG und damit auf Verwaltungsgerichtsbeschwerde hin behoben werden (BGE
123 II 49 E. 6b S. 55).

2.3 Die insoweit unzulässige staatsrechtliche Beschwerde kann als
Verwaltungsgerichtsbeschwerde entgegengenommen werden, da sie deren formellen
Anforderungen genügt (BGE 126 III 431 E. 3 S. 437; 126 II 506 E. 1b S. 509).
Das entsprechende Verfahren (5P.97/2003) und das Verfahren der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde (5A.3/2003) können vereinigt und durch einen
Entscheid erledigt werden (BGE 127 V 29 E. 1 S. 33). Die weiteren formellen
Voraussetzungen (Art. 97 ff. OG) geben zu keinen Bemerkungen Anlass.

3.
Das Verwaltungsgericht hat eine Bewilligungspflicht nach den Bestimmungen
über die Heimpflege (Art. 13 ff. PAVO) bejaht, weil die Aufnahme und
Betreuung von Pflegekindern die Erwerbsgrundlage der Beschwerdeführer bilde.
In der angefochtenen Verfügung werden damit kurz die Überlegungen genannt,
von denen sich das Verwaltungsgericht hat leiten lassen und auf die sich
seine Verfügung stützt. Mehr oder anderes verlangt die aus dem Anspruch auf
rechtliches Gehör abgeleitete Begründungspflicht nicht (Art. 29 Abs. 2 BV;
BGE 126 I 97 E. 2b S. 102). Die entsprechende Rüge der Beschwerdeführer ist
deshalb unbegründet.

4.
Das in Art. 9 BV verankerte Recht auf Vertrauensschutz bewirkt unter anderem,
dass eine (selbst unrichtige) behördliche Zusicherung unter bestimmten
Voraussetzungen eine vom materiellen Recht abweichende Behandlung des
Rechtsuchenden gebietet. Zu diesen Voraussetzungen gehören insbesondere, dass
die Behörde für die Erteilung der Zusicherung zuständig war oder der Bürger
sie aus zureichenden Gründen als zuständig betrachten durfte und dass die
anfragende Person die Unrichtigkeit der Zusicherung bei pflichtgemässer
Aufmerksamkeit nicht ohne weiteres erkennen konnte (BGE 127 I 31 E. 3a S. 36;
129 I 161 E. 4.1 S. 170). Eine bindende Zusicherung erblicken die
Beschwerdeführer darin, dass das Departement ihnen vor der Wohnsitzverlegung
in den Kanton Thurgau die Auskunft erteilt habe, es würde ihnen in jedem
Einzelfall Familienpflege bewilligt, solange sie nicht mehr als vier
Pflegekinder bei sich aufnehmen würden.
Die Anfrage der Beschwerdeführer betraf gemäss beigelegtem Schreiben des
Departements vom 31. August 1998 die Gründung einer Pflegefamilie für ca.
fünf Pflegekinder. Das Departement hat geantwortet, für die Bewilligung der
Aufnahme von einem bis vier Kindern sowie für die Aufsicht über solche
Pflegeverhältnisse sei die örtliche Vormundschaftsbehörde zuständig.
Demgegenüber liege die Zuständigkeit zur Erteilung von Betriebsbewilligungen
an Einrichtungen, die mehr als vier Kinder aufnehmen, sowie die Aufsicht über
solche Betriebe dem Departement. Die Bewilligungserteilung richte sich
grundsätzlich nach den Bestimmungen der Bundesratsverordnung über die
Aufnahme von Pflegekindern, insbesondere nach Art. 13 f. PAVO. Weiter wurden
Inhalt und Form eines Gesuchs an das Departement näher dargelegt
(Beschwerdebeilage Nr. 2).
Das Departement hat im besagten Schreiben keine Bewilligung zugesichert,
sondern die Zuständigkeiten innerhalb des Kantons aufgezeigt. Für die
behauptete Zusicherung wäre das Departement - wie ausdrücklich hervorgehoben
wird - nach kantonalem Recht nicht zuständig gewesen, weil die Bewilligung
für die Aufnahme von bis zu vier Pflegekindern von der örtlichen
Vormundschaftsbehörde erteilt wird. Dass die jeweilen zuständige Behörde auch
darüber entscheidet, welche Bedingungen für die Erteilung der Bewilligung
erfüllt sein müssen, folgt erkennbar daraus, dass das Departement einzig die
materiellen und formellen Voraussetzungen erläutert hat, die die von ihm zu
erteilende Bewilligung betreffen, sich hingegen zum Bewilligungsverfahren vor
den Vormundschaftsbehörden nicht geäussert hat. Ein berechtigtes Vertrauen im
Sinne von Art. 9 BV lässt sich aus dem Schreiben des Departements deshalb
bereits mangels Zusicherung nicht ableiten.

5.
In der Sache machen die Beschwerdeführer geltend, es bestehe eine
Regelungskompetenz der Kantone, zahlenmässige Kriterien zur Abgrenzung von
Familien- und Heimpflege aufzustellen. Die Frage werde nicht allein vom
Bundesrecht bestimmt. Nach kantonalem Recht sei nun aber davon auszugehen,
dass die Aufnahme von bis zu vier Pflegekindern stets als Familienpflege zu
gelten habe.

5.1 Eine umfassende Kodifikation des Pflegekindesrechts fehlt in der Schweiz.
Die Pflegekindschaft ist nur punktuell geregelt und berücksichtigt worden bei
der Unterhaltspflicht der Eltern (Art. 294 ZGB), bei der elterlichen Sorge
(Art. 300 ZGB) sowie vor allem bei den Kindesschutzmassnahmen (Art. 310 Abs.
3, Art. 315 Abs. 2 und Art. 316 ZGB). Dem präventiven Pflegekindesschutz
dient die Bewilligungspflicht und die behördliche Aufsicht gemäss Art. 316
ZGB: Wer Pflegekinder aufnimmt, bedarf einer Bewilligung der
Vormundschaftsbehörde oder einer andern vom kantonalen Recht bezeichneten
Stelle seines Wohnsitzes und steht unter deren Aufsicht (Abs. 1). Der
Bundesrat erlässt Ausführungsvorschriften (Abs. 2). Eine Sonderregelung gilt
für die - hier nicht interessierende - Aufnahme eines Pflegekindes zum Zweck
der späteren Adoption (Abs. 1bis).

Die Gesetzgebungszuständigkeit der Kantone erstreckt sich nach dem Wortlaut
von Art. 316 Abs. 1 ZGB auf die Bezeichnung der Bewilligungs- und
Aufsichtsbehörden (vgl. Art. 52 Abs. 1 SchlTZGB). Vom Gesetzestext her fällt
auf, dass der Bundesrat gemäss Art. 316 Abs. 2 ZGB "Ausführungsvorschriften"
erlässt ("des prescriptions d'exécution"; "norme esecutive") und nicht "die"
("les") Ausführungsvorschriften (so noch der bundesrätliche Entwurf,
Botschaft, BBl 1974 II 1, S. 87 f. und S. 130). Die Formulierung lässt sich
entstehungsgeschichtlich erklären. In der ständerätlichen Kommission und im
Ständerat wurde darüber diskutiert, ob der Bund oder die Kantone für den
Erlass von Ausführungsvorschriften zuständig sein sollten. Die Streitfrage
hat dahin gelautet, ob der Bundesgesetzgeber nur den - unbestrittenen -
Grundsatz der Bewilligungspflicht und der Aufsicht (Art. 316 Abs. 1 ZGB) oder
auch die Voraussetzungen für die Erteilung der Bewilligung und die Grundsätze
der Aufsicht für die ganze Schweiz einheitlich und verbindlich festlegen
solle (Art. 316 Abs. 2 ZGB). Im Ständerat angenommen wurde als Kompromiss der
Minderheitsantrag und damit der heute geltende Art. 316 Abs. 2 ZGB. Der
Bundesrat sollte Ausführungsvorschriften erlassen, die sich auf einen für
alle Kantone verbindlichen Rahmen beschränken und nicht alle Fragen
abschliessend und detailliert regeln (AB 1975 S 139 ff.). Der Nationalrat
stimmte dem Beschluss des Ständerats diskussionslos zu (AB 1975 N 1789; vgl.
dazu und zu den Arbeiten in der Experten- und der Ständeratskommission:
Bättig, Die Pflegekinderaufsicht im Bund und in den Kantonen, Diss. Freiburg
i.Ue. 1984, S. 11 ff.).

Aus Art. 316 ZGB folgt, dass bundesrechtlich die Bewilligungspflicht und die
Überwachung der Pflegeverhältnisse vorgeschrieben ist (Abs. 1), dass aber die
bundesrechtliche Ordnung lediglich Minimalanforderungen festgelegt bzw.
Minimalvorschriften über die Bewilligungspflicht und die Aufsicht aufgestellt
hat (Abs. 2). Der Erlass weitergehender Massnahmen bleibt den Kantonen
überlassen (vgl. dazu Breitschmid, Basler Kommentar, 2002, N. 1 zu Art. 316
ZGB; Hess-Haeberli, Die Eidgenössische Verordnung über die Aufnahme von
Pflegekindern, ZVW 33/1978 S. 81 ff., S. 84 f.). Ebenso können die Kantone
die bundesrechtlichen Vorschriften konkretisieren. Hingegen dürfen die
Kantone den bundesrechtlich vorgegebenen Rahmen nicht unterschreiten, ausser
das Bundesrecht selber behielte eine Ausnahme zu Gunsten des kantonalen
Rechts ausdrücklich vor (D. Piotet, Ergänzendes kantonales Recht, SPR I/2,
Basel 2001, N. 392 S. 109; für einen Anwendungsfall: BGE 116 II 238 E. 2 S.
240).

5.2 Die bundesrätliche Pflegekinderverordnung widerspiegelt die gezeigte
Regelungszuständigkeit. Gemäss Art. 29 PAVO sind mit dem Inkrafttreten der
Verordnung - soweit nicht bundesrechtlich etwas anderes vorgesehen ist - alle
kantonalen Bestimmungen über den Schutz von Unmündigen, die ausserhalb des
Elternhauses leben, aufgehoben (Abs. 1); bestehende kantonale Bestimmungen
über die Organisation des Schutzes von Unmündigen, die ausserhalb des
Elternhauses leben, bleiben in Kraft, solange die Kantone nichts anderes
bestimmen (Abs. 2). Von ihrer Konzeption her ist die Pflegekinderverordnung
ohne kantonale Ausführungsvorschriften anwendbar.

Die Kantone können hingegen die Zuständigkeit für die Bewilligung und die
Aufsicht im Bereich der Familien-, Heim- und Tagespflege abweichend von der
Pflegekinderverordnung regeln (Art. 2 Abs. 2 PAVO). Weiter sind die Kantone
gemäss Art. 3 PAVO befugt, zum Schutz von Unmündigen, die ausserhalb des
Elternhauses aufwachsen, Bestimmungen zu erlassen, die über die Verordnung
hinausgehen (Abs. 1), und Förderungsmassnahmen zu Gunsten des
Pflegekinderwesens zu treffen (Abs. 2). Schliesslich steht nichts entgegen,
dass die Kantone die bundesrechtlichen Bestimmungen konkretisieren.

Die Bereiche, in denen die Kantone die Minimalvorschriften unterschreiten
dürfen, sind in der Pflegekinderverordnung ausdrücklich geregelt. Nach Art. 4
Abs. 3 PAVO können die Kantone die Bewilligungspflicht für die Aufnahme
verwandter Kinder aufheben. Im Bereich der Heimpflege dürfen die Kantone
Ferienkolonien und Ferienlager der Bewilligungspflicht unterstellen sowie
Einrichtungen für Unmündige, die die Schulpflicht erfüllt haben, bezeichnen
und diese von der Bewilligungspflicht ausnehmen (Art. 13 Abs. 2 lit. c und d
PAVO).

5.3 Die soeben erwähnten Ausnahmen vorbehalten, beurteilt sich  vorab anhand
der Pflegekinderverordnung, ob ein bestimmtes Pflegeverhältnis den
Vorschriften über die Familienpflege oder denjenigen der Heimpflege
unterstellt ist. Bestehen konkretisierende kantonale Vorschriften, sind diese
ebenfalls zu beachten, soweit sie sich an den bundesrechtlichen Rahmen
halten. Schliesslich kann das kantonale Recht höhere
Bewilligungsanforderungen stellen, als das Bundesrecht.

Gemäss Art. 13 Abs. 1 lit. a PAVO bedarf einer Heimbewilligung, wer mehrere
Unmündige zur Erziehung, Betreuung, Ausbildung, Beobachtung oder Behandlung
tags- und nachtsüber aufnimmt. Was unter mehreren Unmündigen zu verstehen
ist, bestimmt die Pflegekinderverordnung nicht näher. Im Rahmen ihrer
Regelungs- bzw. Konkretisierungskompetenz bleibt es den Kantonen daher
unbenommen, die Pflegekategorien zahlenmässig abzugrenzen. Die Formulierung
solcher Abgrenzungskriterien ist zulässig und liegt im Interesse der
Rechtsgleichheit und namentlich der Rechtssicherheit (vgl. Bättig, a.a.O., S.
97 f.). Soweit der angefochtene Entscheid davon ausgeht, das Bundesrecht
verbiete die Festlegung einer bestimmten Anzahl Unmündiger zur Abgrenzung von
Familien- und Heimpflege, verletzt er daher Bundesrecht. Unter dem
Zwischentitel "Sachliche Zuständigkeit" sieht das kantonale Einführungsgesetz
zum ZGB (Thurgauer Rechtsbuch Nr. 210) vor, dass über die Bewilligung der
Aufnahme von einem bis vier Pflegekindern die Vormundschaftsbehörde
entscheidet (§ 3 Ziffer 14), Betriebsbewilligungen für Einrichtungen, die
mehr als vier Pflegekinder aufnehmen, aber durch das Departement erteilt
werden (§ 11 Ziffer 3 lit. k). Eine ähnliche Konkretisierung des Begriffes
"Heim" ("mehr als vier Personen") lässt sich dem kantonalen Sozialhilfegesetz
entnehmen (Art. 6a; Thurgauer Rechtsbuch Nr. 850.1). Ob diese zahlenmässige
Begrenzung nach dem kantonalen Recht absolut gilt oder bloss als Richtlinie
für die rechtsanwendende Behörde bei der Konkretisierung der
bundesrechtlichen Begriffe "Familienpflege" und "Heimpflege", haben in erster
Linie die kantonalen Behörden im Rahmen des Bundesrechts zu beurteilen. Das
Bundesgericht übt bei der Überprüfung kantonaler Normen Zurückhaltung und
greift nur ein, wenn gestützt auf die im kantonalen Recht formulierten
Kriterien offensichtlich unhaltbare Ergebnisse erzielt werden, die den
bundesrechtlichen Pflegebegriff unterlaufen (vgl. das Beispiel bei Bättig,
a.a.O., S. 98 ff., mit Angaben zu weiteren Kantonen).

Die Ansicht des Verwaltungsgerichts, die zahlenmässige Abgrenzung im
kantonalen Recht könne nicht massgebend sein, ist, wie ausgeführt,
unzutreffend. In seinem Beurteilungsspielraum verbleibt hingegen die aufgrund
des kantonalen Rechts gezogene Schlussfolgerung, dass die Abgrenzung von
"Familienpflege" und "Heimpflege" nicht nur anhand von Zahlen, sondern nach
weiteren Kriterien beantwortet werden muss. Die Fragen, ob die Grenzziehung
bei vier Kindern zulässig ist sowie welche weiteren Kriterien massgebend
sind, lassen sich der Pflegekinderverordnung selbst entnehmen (E. 6.1
hiernach). Die Rüge der Beschwerdeführer, das Verwaltungsgericht habe das
kantonale Recht bei der Abgrenzung der Familienpflege von der Heimpflege zu
wenig beachtet, erweist sich daher als begründet.

6.
Eine Bundesrechtsverletzung erblicken die Beschwerdeführer in der Anwendung
der Bestimmungen der Pflegekinderverordnung über die Heimpflege (Art. 13 ff.
PAVO). Die grundsätzliche Abgrenzung bei vier Kindern sei bundesrechtskonform
und eine Berücksichtigung aller rechtserheblichen Kriterien sei unterblieben
sowie eine eigentliche Gesamtwürdigung habe nicht stattgefunden. Ihre
Pflegeverhältnisse seien zu Unrecht der Heimpflege unterstellt worden.

6.1 Die Begriffe "Familienpflege" und "Heimpflege" werden in der
Pflegekinderverordnung nicht konkretisiert. Abgrenzungskriterien können aus
einer Gegenüberstellung von Familienpflege und Heimpflege gewonnen werden.
Nach Auffassung der vom Bundesrat eingesetzten Arbeitsgruppe sollte in der
Pflegekinderverordnung auf einen starren zahlenmässigen Massstab verzichtet
werden und die Zuordnung zur einen oder anderen Kategorie regelmässig auf
Grund einer Gesamtwürdigung der Umstände (Zahl der aufgenommenen Kinder, Zahl
der eigenen unmündigen Kinder, Zahl der Mitarbeiter, wirtschaftliche
Grundlage) erfolgen (Bättig, a.a.O., S. 96 f., mit Nachweisen; vgl.
Breitschmid, N. 8 zu Art. 316 ZGB). Bei der Heimpflege geht es um den
"Betrieb von Einrichtungen" (Art. 13 Abs. 1 PAVO), während Familienpflege die
Aufnahme "in seinen Haushalt" (Art. 4 Abs. 1 PAVO) vorsieht. Heimpflege kann
daher wesentliche Änderungen in baulicher oder organisatorischer Hinsicht
erfordern, was sie wiederum von der Familienpflege unterscheidet (vgl. die
Definition von Landolt, Schweizerisches Pflegerecht, II, Bern 2002, S. 282
Anm. 1272). Ferner wird die Aufnahme und Betreuung von Kindern bei der
Familienpflege in der Regel nicht die Hauptbeschäftigung der Pflegeeltern
darstellen, wogegen bei der Heimpflege davon auszugehen ist, dass sich beide
Elternteile überwiegend oder vollzeitlich der Grossfamilie widmen (aus der
kantonalen Praxis, z.B. AR-GVP 1994 S. 6 f. Nr. 1258).

6.2 Das Verwaltungsgericht hat zum Begriff der Familienpflege ausgeführt, der
Gesetzgeber sei von einer intakten Familie ausgegangen, die eines, allenfalls
zwei weitere Kinder zur Pflege bei sich aufnehme (E. 3a S. 7). Das Kriterium,
ob eine Familie "intakt" sei oder nicht, ist für die Abgrenzung der Familien-
von der Heimpflege indessen zu unbestimmt, und ein Elternpaar mit vier
Kindern sprengt den Rahmen dessen, was gemeinhin noch unter Familie
verstanden wird, in keiner Weise, auch wenn heute sechsköpfige Familien nicht
mehr die Regel sind. Die Zahlen, in denen die kantonalen Regelungen die
strengeren Bewilligungsvoraussetzungen der Heimpflege anwenden, liegen
zwischen wenigstens drei und mehr als sechs Kindern (vgl. die Beispiele in
der Vernehmlassung des EJPD, S. 2). Die im kantonalen Recht vorgesehene
Abgrenzung bei vier Kindern als Richtlinie ist daher aus bundesrechtlicher
Sicht nicht zu beanstanden. Das Verwaltungsgericht hat ferner darauf
abgestellt, dass die vier Pflegeverhältnisse die Erwerbsgrundlage der
Beschwerdeführer bilden (E. 3a S. 8). Das wirtschaftliche Kriterium kann ein
Indiz für Heimpflege sein, ist allerdings für sich allein genommen wiederum
kaum überzeugend. Denn ob ein Ehepaar mit dem Pflegegeld mehr oder weniger
auskommt oder wesentlich auf Zuverdienst angewiesen ist, hängt entscheidend
vom konkreten Fall bzw. den individuellen Ansprüchen der Pflegeeltern ab,
worüber hier nichts festgestellt ist.

6.3 Insgesamt beanstanden die Beschwerdeführer zu Recht, dass das
Verwaltungsgericht die kantonalrechtliche Abgrenzung bei vier Kindern als
Richtlinie zu wenig beachtet hat und eine Abweichung von dieser Richtlinie
ausschliesslich wegen des Umstandes, dass diese Pflegeverhältnisse die
Erwerbsgrundlage der Beschwerdeführer bilden, einer Gesamtwürdigung aller in
Betracht fallenden Umstände nicht gerecht wird. Der angefochtene Entscheid
ist deshalb aufzuheben und die Sache an das Verwaltungsgericht zu neuer
Beurteilung zurückzuweisen (Art. 114 Abs. 2 OG).

7.
Bei diesem Verfahrensausgang sind keine Gerichtskosten zu erheben (Art. 156
Abs. 2 OG). Der Kanton Thurgau hat den obsiegenden Beschwerdeführern eine
angemessene Parteientschädigung zu bezahlen (Art. 159 Abs. 1 und 2 OG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die staatsrechtliche Beschwerde wird als Verwaltungsgerichtsbeschwerde
entgegengenommen. Die Verfahren 5P.97/2003 und 5A.3/2003 werden vereinigt.

2.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerden werden gutgeheissen. Der Entscheid des
Verwaltungsgerichts des Kantons Thurgau vom 18. Dezember 2002 wird aufgehoben
und die Sache wird zu neuer Beurteilung an das Verwaltungsgericht
zurückgewiesen.

3.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

4.
Der Kanton Thurgau hat die Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche
Verfahren mit insgesamt Fr. 4'000.-- zu entschädigen.

5.
Dieses Urteil wird den Beschwerdeführern, dem Verwaltungsgericht des Kantons
Thurgau und dem Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement schriftlich
mitgeteilt.

Lausanne, 14. Juli 2003

Im Namen der II. Zivilabteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Der Gerichtsschreiber: