Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Zivilabteilung 5A.2/2003
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5A.2/2003 /min

Urteil vom 3. April 2003
II. Zivilabteilung

Bundesrichter Raselli, Präsident,
Bundesrichterin Escher, Bundesrichter Meyer,
Gerichtsschreiber Schett.

P. ________,
Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt
Markus Peyer, Ankerstrasse 24, 8004 Zürich,

gegen

Eidgenössisches Justiz- und Polizeidepartement, Bundeshaus West, 3003 Bern.

Nichtigerklärung der erleichterten Einbürgerung,

Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Entscheid des Eidgenössischen Justiz-
und Polizeidepartements vom 24. Januar 2003.

Sachverhalt:

A.
P. ________ (geb. ... Januar 1965) reiste am 16. Mai 1988 in die Schweiz ein
und ersuchte um Asyl. Nach rechtskräftigem Abschluss des Asylverfahrens wurde
er am 8. Juli 1992 vom Bundesamt für Flüchtlinge (BFA) aufgefordert, die
Schweiz bis zum 15. Oktober 1992 zu verlassen. Am 4. Dezember 1992 heiratete
P.________ in der Türkei die um 22 Jahre ältere Schweizer Bürgerin
T.________, worauf die Fremdenpolizei des Kantons Zürich ihm eine ordentliche
Aufenthaltsbewilligung erteilte. T.________ hatte sich kurz vorher, nämlich
am 3. November 1992, von ihrem damaligen Ehemann scheiden lassen.

Bereits am 15. Oktober 1995 hatte P.________ um seine erleichterte
Einbürgerung gemäss Art. 27 BüG (SR 141.0) ersucht. Unter der Rubrik
"Unverheiratete ausländische Kinder unter 20 Jahren" erwähnte er seine beiden
Kinder A.________ (geb. ... April 1983) und B.________ (geb. ... April 1984).
Am 26. September 1996 unterzeichneten P.________ und seine Schweizer Ehefrau
die Erklärung über die eheliche Gemeinschaft. P.________ nahm dabei zur
Kenntnis, dass die erleichterte Einbürgerung nicht möglich sei, wenn vor oder
während des Einbürgerungsverfahrens einer der Ehegatten die Trennung oder
Scheidung beantragt hat oder keine tatsächliche eheliche Gemeinschaft mehr
besteht. Am 14. November 1996 erhielt P.________ durch erleichterte
Einbürgerung das Schweizer Bürgerrecht.

B.
Am 20. November 2000 teilte das kantonale Amt für Gemeinden und berufliche
Vorsorge, Bürgerrecht und Zivilstandswesen des Kantons Zürich dem BFA mit,
P.________ habe sich am 7. Februar 1997 von seiner Schweizer Ehefrau scheiden
lassen. Am 23. September 1997 habe er die Mutter seiner bisherigen drei
Kinder, S.________, geheiratet. Diese sei am 21. August 1998 mit den drei
Kindern in die Schweiz eingereist (das vierte Kind kam am 17. Februar 1999 in
Zürich zur Welt). Am 15. Februar 2000 habe sich P.________ wegen einer
erleichterten Einbürgerung seiner türkischen Ehefrau erkundigt. Anlässlich
der Befragung vom 12. September 2000 habe er bestritten, bereits vor der Ehe
mit der Schweizer Bürgerin T.________ mit S.________ verheiratet gewesen zu
sein.
Das BFA forderte am 18. Januar 2001 P.________ auf, die Zustimmungserklärung
zur Einholung der Scheidungsakten zu unterzeichnen. Nach weiteren Abklärungen
und zwei Stellungnahmen durch den Rechtsvertreter von P.________ erklärte das
BFA mit Verfügung vom 3. Oktober 2001 die am 14. November 1996 erfolgte
erleichterte Einbürgerung für nichtig. Eine gegen diese Verfügung erhobene
Beschwerde wies das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement (EJPD) am
24. Januar 2003 ab.

C.
C.aMit Eingabe vom 26. Februar 2003 führt P.________
Verwaltungsgerichtsbeschwerde und beantragt, der Entscheid des EJPD vom 24.
Januar 2003 sei aufzuheben. Eventualiter begehrt er Rückweisung an die
Vorinstanz zur weiteren Abklärung und Neubeurteilung.

Eine Vernehmlassung in der Sache wurde nicht eingeholt.

C.b Mit Verfügung des präsidierenden Mitglieds der II. Zivilabteilung vom 19.
März 2003 wurde der Verwaltungsgerichtsbeschwerde aufschiebende Wirkung
zuerkannt.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
1.1 Nach Art. 100 Abs. 1 lit. c OG ist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde auf
dem Gebiet des Schweizer Bürgerrechts nur ausgeschlossen, wenn es sich um die
Erteilung oder Verweigerung der Bewilligung für die ordentliche Einbürgerung
handelt. Daraus folgt umgekehrt, dass die Verwaltungsgerichtsbeschwerde
zulässig ist, wenn es um die erleichterte Einbürgerung geht und damit auch,
wenn der Widerruf einer solchen zur Beurteilung steht (BGE 120 Ib 193, nicht
publizierte E. 1). Die Eingabe des Beschwerdeführers erfüllt die
Formvorschriften von Art. 108 Abs. 2 OG und richtet sich gegen einen
anfechtbaren Departementsentscheid (Art. 98 lit. b OG). Auf die fristgerecht
(Art. 106 Abs. 1 OG) eingereichte Beschwerde ist daher einzutreten, soweit
nicht die Verfügung des BFA angefochten wird. Das Bundesgericht überprüft den
Sachverhalt und das Bundesrecht frei (Art. 104 lit. a und b sowie Art. 105
Abs. 1 OG).

1.2 Unzulässig ist der generelle Hinweis des Beschwerdeführers auf seine
Rechtsschriften in den vorinstanzlichen Verfahren; denn die Begründung muss
in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde selbst enthalten sein (Art. 108 Abs. 2
OG; BGE 123 V 335 E. 1a und b S. 336/337, mit Hinweisen).

2.
Der Beschwerdeführer rügt, die Zustimmung des Heimatkantons zur
Nichtigerklärung der Einbürgerung sei nicht in korrekter Weise erfolgt, da
seine Stellungnahme vom 15. September 2001 weder dem Amt für Gemeinden und
Berufliche Vorsorge des Kantons Zürich noch dem Departement des Innern des
Kantons Schwyz mitgeteilt worden sei. Seine Darstellung weiche in zentralen
Punkten wesentlich von derjenigen des BFA ab.

Die Vorinstanz führt dazu aus, die heimatlichen Behörden hätten sich durchaus
ein Bild über die wesentlichen Sachverhaltselemente machen können (Umstände
der Eheschliessung, Erklärung über die eheliche Gemeinschaft, Zeugung und
Geburt von C.________, Scheidung, Heirat mit der Kindesmutter). In seiner
Stellungnahme habe der Beschwerdeführer lediglich die Schlussfolgerung des
BFA bestritten, in tatsächlicher Hinsicht jedoch nichts Neues vorgebracht,
weshalb keine Veranlassung bestanden habe, diese Eingabe den heimatlichen
Behörden ebenfalls zur Kenntnis zu geben. Das EJPD fährt fort, der
Beschwerdeführer verkenne zudem, dass ihm im Zustimmungsverfahren gemäss Art.
41 Abs. 1 BüG keine Parteistellung zukomme. Diese Bestimmung, die mit der
BüG-Revision vom 9. August 1951 aufgenommen worden sei, habe zum Ziel gehabt,
die Verfahren und Zuständigkeiten der Behörden so zu regeln, dass die
Interessen der Gemeinden und Kantone gewahrt blieben (BBl 1951 II 669 ff.).
Der Beschwerdeführer setzt sich damit überhaupt nicht auseinander, sondern
rügt die Darstellung des BFA als willkürlich. Auf diese Vorbringen kann
indessen nicht eingetreten werden, denn Anfechtungsobjekt bildet einzig der
Entscheid des EJPD (E. 1.1 hiervor), in dem denn auch die
Sachverhaltsermittlung des BFA überprüft worden ist.

3.
Das Bundesgericht geht davon aus, dass eine eheliche Gemeinschaft im Sinne
von Art. 27 BüG nicht nur das formelle Bestehen einer Ehe, sondern das
Vorliegen einer tatsächlichen Lebensgemeinschaft voraussetzt. Eine solche
Gemeinschaft kann nur bejaht werden, wenn der gemeinsame Wille zu einer
stabilen ehelichen Gemeinschaft intakt ist (BGE 121 II 49 E. 2b S. 52). Ein
Hinweis auf den fehlenden Willen der Ehegatten, die eheliche Gemeinschaft
aufrecht zu erhalten, kann der Umstand sein, dass kurze Zeit nach der
Einbürgerung das Scheidungsverfahren eingeleitet wird. Der Gesetzgeber wollte
dem ausländischen Ehegatten einer Schweizer Bürgerin die erleichterte
Einbürgerung ermöglichen, um die Einheit des Bürgerrechts der Ehegatten im
Hinblick auf ihre gemeinsame Zukunft zu fördern (BGE 128 II 97 E. 3a).

Nach Art. 41 Abs. 1 BüG kann die Einbürgerung vom EJPD mit Zustimmung der
Behörde des Heimatkantons innert fünf Jahren nichtig erklärt werden, wenn sie
durch falsche Angaben oder Verheimlichung erheblicher Tatsachen erschlichen
worden ist. Das blosse Fehlen der Einbürgerungsvoraussetzungen genügt daher
nicht. Die Nichtigerklärung der Einbürgerung setzt vielmehr voraus, dass
diese erschlichen, das heisst mit einem unlauteren und täuschenden Verhalten
erwirkt worden ist (BGE 128 II 97 E. 4a S. 101). Arglist im Sinne des
strafrechtlichen Betrugstatbestands ist nicht erforderlich. Immerhin ist
notwendig, dass der Betroffene bewusst falsche Angaben macht bzw. die Behörde
bewusst in einem falschen Glauben lässt und so den Vorwurf auf sich zieht, es
unterlassen zu haben, die Behörde über eine erhebliche Tatsache zu
informieren.

4.
Der Beschwerdeführer ist der Ansicht, dass die Voraussetzungen zur
Nichtigerklärung der erleichterten Einbürgerung nach Art. 41 BüG nicht
gegeben seien und widersetzt sich den tatsächlichen Schlussfolgerungen der
Vorinstanz:
4.1 Er bringt vor, sowohl im Zeitpunkt der Gesuchseinreichung als auch im
Zeitpunkt der erleichterten Einbürgerung habe eine tatsächliche
Lebensgemeinschaft bestanden.

Vorab fehl geht die Rüge, allein auf Grund des zeitlichen Abstandes zwischen
Einbürgerung und Scheidung könne kein genauer Rückschluss auf den Ehewillen
im Zeitpunkt der Einbürgerung gezogen werden. Gemäss der bundesgerichtlichen
Rechtsprechung ist diese Tatsache denn auch bloss ein Indiz für das Fehlen
einer tatsächlichen Lebensgemeinschaft (E. 3 hiervor). Dass der
Beschwerdeführer mit seiner Ex-Ehefrau nach der Einbürgerung Ferien in
Tunesien verbracht hat, kann wohl auf eine emotionale Bindung hindeuten, ist
jedoch kein Hinweis auf eine intakte und stabile eheliche Gemeinschaft, denn
der Beschwerdeführer bemerkt an anderer Stelle selbst, diese Ferien (Ende
November/anfangs Dezember 1996) hätten die zunehmenden Probleme nicht lösen
können. Nicht stichhaltig ist der Einwand, die Aussagen seiner Ex-Ehefrau
gegenüber der Stadtpolizei Zürich vom 16. Juli 2001 seien nachträglich
gemacht worden und würden nur teilweise zutreffen. Aus dem Protokoll geht
hervor, dass der Beschwerdeführer sich in der Türkei verheiratet hatte, weil
er nach schweizerischem Recht als verheiratet galt, und dass die Scheidung
auch dort durchgeführt wurde, weil dies schneller und billiger möglich war.
Dass die Vorinstanz sich hauptsächlich auf diese Befragung der Ex-Ehefrau
abgestützt und dabei namentlich die religiösen Meinungsverschiedenheiten und
die vor Drittpersonen ausgetragenen Streitigkeiten hervorgehoben hat, ist
nicht zu beanstanden, wendet doch der Beschwerdeführer dagegen lediglich ein,
die tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz würden nicht zutreffen. Damit
werden Letztere jedoch nicht umgestossen. Die von der Ex-Ehefrau
vorgebrachten Ursachen der ehelichen Zerrüttung erscheinen als glaubwürdig,
hingegen die Behauptung des Beschwerdeführers, die Parteien hätten auch nach
der Scheidung zusammenleben wollen, als nicht überzeugend. Die Aussagen des
Zeugen Z.________ zu den finanziellen Aspekten der Scheidung sind nicht
massgeblich, da die Vorinstanz den Verlauf der Ehe zu beurteilen hatte.

4.2 Nach Auffassung des Beschwerdeführers ist nicht nachvollziehbar, was sein
Seitensprung im Frühjahr 1993 mit der angeblich fehlenden ehelichen
Gemeinschaft im Zeitpunkt der erleichterten Einbürgerung im November 1996 zu
tun haben solle. Im angefochtenen Entscheid wird dazu festgehalten, der
Beschwerdeführer habe während der Ehe mit Frau T.________ ein aussereheliches
Kind mit seiner heutigen türkischen Ehefrau gezeugt und dies gegenüber seiner
Schweizer Ehefrau und den Einbürgerungsbehörden verschwiegen. Die
Schlussfolgerung des EJPD, wenn es sich dabei bloss um einen bedeutungslosen
Seitensprung gehandelt hätte, wäre dessen Offenlegung gegenüber der Schweizer
Ehefrau ohne weiteres möglich gewesen, ist nachvollziehbar. Zudem hatte der
Beschwerdeführer das Gesuch um erleichterte Einbürgerung bereits am 15.
Oktober 1995 gestellt, obwohl er zu diesem Zeitpunkt noch nicht volle drei
Jahre mit T.________ verheiratet gewesen war. Daraus hat die Vorinstanz zu
Recht abgeleitet, mit der Verheimlichung des ausserehelichen Kindes habe der
Beschwerdeführer weder eine Scheidung noch eine Verzögerung des
Einbürgerungsverfahrens in Kauf nehmen wollen. Entgegen der Ansicht des
Beschwerdeführers spricht für diese Folgerung auch die Tatsache, dass er die
Kinder A.________ und B.________, nicht aber das aussereheliche Kind
C.________ während der Ehe mit der Schweizer Bürgerin anerkannt hat. Daran
vermögen die Einwände des Beschwerdeführers nichts zu ändern, er habe nicht
gewusst, ob er biologisch der Vater von C.________ sei, und eine Anerkennung
dieser Vaterschaft hätte der Zustimmung der Kindesmutter bedurft. C.________
wurde am ... Dezember 1993 geboren, und es ist nicht einzusehen, aus welchen
anderen Gründen als um der Nichtgefährdung der erleichterten Einbürgerung
willen die Geburt dieses Kindes gegenüber den Schweizer Behörden und der
Schweizer Ehefrau hätte verheimlicht werden sollen. Wäre der Beschwerdeführer
sich dieser biologischen Vaterschaft nicht sicher gewesen, hätte er sie wohl
bestritten. Statt dessen wartete er mit der Anerkennung zu, bis er nach
erfolgter Scheidung die Kindsmutter geheiratet hatte.

4.3 Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers durfte die Vorinstanz auch
auf den grossen Altersunterschied von 22 Jahren hinweisen. Er gesteht denn
auch zu, dass eine solche Differenz in seinem früheren Kulturkreis selten
ist. Er verschweigt indessen, dass die Vorinstanz zum Altersunterschied
weiter ausgeführt hat, die türkische Ehefrau des Beschwerdeführers sei sieben
Jahre jünger als er und mit ihr habe er insgesamt vier Kinder gezeugt, wovon
die drei ersten vor der Eheschliessung im September 1997.

4.4 Nach dem soeben Dargelegten (E. 4.1 ff.) durfte die Vorinstanz ohne
Verletzung von Bundesrecht davon ausgehen, weder im Zeitpunkt des Gesuchs um
erleichterte Einbürgerung noch bei Erhalt des Schweizer Bürgerrechts habe
eine stabile eheliche Gemeinschaft zwischen dem Beschwerdeführer und seiner
Schweizer Ehefrau bestanden, ansonsten die Ehe nicht knappe 2 ½ Monate nach
der Einbürgerung geschieden worden wäre. Die Verbindung muss seitens des
Beschwerdeführers als fiktiv angesehen werden. Das EJPD hat ihm denn auch zu
Recht entgegen gehalten, er habe die Erklärung über die eheliche Gemeinschaft
am 23. September 1996 wider besseres Wissen unterzeichnet.

Die Vorinstanz hat somit weder Art. 27 Abs. 1 noch Art. 41 BüG verletzt, noch
ihr Ermessen missbraucht oder überschritten, wenn sie die Nichtigerklärung
der Einbürgerung bestätigt hat.

5.
Nach dem Ausgeführten ist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde abzuweisen,
soweit darauf einzutreten ist. Mit dem Entscheid in der Sache wird das Gesuch
um aufschiebende Wirkung gegenstandslos.
Der Beschwerdeführer wird bei diesem Verfahrensausgang kostenpflichtig (Art.
156 Abs. 1OG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten
ist.

2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer und dem Eidgenössischen Justiz- und
Polizeidepartement schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 3. April 2003

Im Namen der II. Zivilabteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Der Gerichtsschreiber: