Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Zivilabteilung 5A.13/2003
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5A.13/2003 /bie

Urteil vom 7. November 2003
II. Zivilabteilung

Bundesrichter Raselli, Präsident,
Bundesrichterinnen Nordmann, Escher,
Bundesrichter Meyer, Bundesrichterin Hohl,
Gerichtsschreiber Zbinden.

B. ________, Beschwerdeführer,

gegen

1.Politische Gemeinde P.________,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Hans-Jakob Zellweger, Bahnhofstrasse 8,
Postfach 1022,
8580 Amriswil,
2.Schweiz. Eidgenossenschaft, Dept. VBS, Kdo. FWK, Sektor 71, 9000 St.
Gallen,
Beschwerdegegnerinnen,
Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau, Frauenfelderstrasse 16, 8570
Weinfelden.

Bewilligung zum Erwerb eines landwirtschaftlichen Grundstücks (Legitimation),

Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des
Kantons Thurgau vom 30. April 2003.

Sachverhalt:

A.
Ab dem 1. Dezember 1995 pachtete G.________, Hobbyschafhalter, von der
damaligen Eigentümerin, der Schweizerischen Eidgenossenschaft, die Parzelle
Nr. 496 der Politischen Gemeinde P.________ (nachfolgend: Gemeinde). Diese
Parzelle befindet sich gemäss Zonenplan der Gemeinde in der "Freihaltezone
Landwirtschaft". Die Schweizerische Eidgenossenschaft kündigte die Pacht mit
G.________ auf den 31. Dezember 2000.

Mit Entscheid vom 15. Mai 2000 bewilligte das Landwirtschaftsamt des Kantons
Thurgau den Erwerb der Parzelle Nr. 496 durch die Gemeinde, wobei der
Bewilligungsentscheid dem damaligen Pächter, G.________, nicht mitgeteilt
wurde. Die Gemeindeversammlung stimmte dem Kauf am 29. August 2000 zu, worauf
der Eintrag der Handänderung im Grundbuch am 3. November 2000 erfolgte.

B.
Seit dem 1. Januar 2001 ist B.________ Pächter der Parzelle Nr. 496. Dieser
will erst am 26. März 2001 Einsicht in die Kaufbewilligung des
Landwirtschaftsamtes erhalten haben und erhob mit Eingabe vom 19. April 2001
"Rekurs, respektive Nichtigerklärung" gegen den Kauf der Parzelle. Die
Rekurskommission für Landwirtschaftssachen hiess den Rekurs gut, hob den
Entscheid des Landwirtschaftsamtes des Kantons Thurgau vom 15. Mai 2000 auf
und wies die Vorinstanz an, die Grundbuchberichtigung im Sinne der Erwägungen
zu veranlassen. Festgehalten wurde schliesslich, dass die Schweizerische
Eidgenossenschaft weiterhin Eigentümerin der Parzelle sei.

Mit Beschwerde beim Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau beantragte die
Gemeinde, der Entscheid der Rekurskommission für Landwirtschaftssachen sei
aufzuheben. Die angerufene Instanz hiess die Beschwerde mit Entscheid vom 30.
April 2003 gut und begründete dies im Wesentlichen damit, Art. 83 Abs. 2 des
Bundesgesetzes über das bäuerliche Bodenrecht (BGBB; SR 211.412.11) gehe
davon aus, dass der Bewilligungsentscheid dem aktuellen Pächter zu eröffnen
sei. Eine nachträgliche Eröffnung an den neuen Pächter verleihe diesem nicht
die Legitimation zur Beschwerde, da er durch den Bewilligungsentscheid weder
in seiner rechtlichen noch in seiner tatsächlichen Stellung "betroffen" sei.

C.
Mit Eingaben vom 21. Juni und 4. Juli 2003 führt B.________
Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Bundesgericht; er verlangt damit
ausdrücklich bzw. sinngemäss, den Entscheid des Verwaltungsgerichts des
Kantons Thurgau vom 30. April 2003 aufzuheben und im Sinne der
Rekurskommission für Landwirtschaftssachen zu entscheiden.

Die Gemeinde schliesst dahin, auf die Beschwerde sei nicht einzutreten,
eventuell sei sie abzuweisen. Das Bundesamt für Justiz hat sich vernehmen
lassen, ohne indes ausdrücklich einen Antrag zu stellen. Das
Verwaltungsgericht und die Schweizerische Eidgenossenschaft haben sich einer
Vernehmlassung enthalten.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
1.1 Angefochten ist ein letztinstanzlicher kantonaler Beschwerdeentscheid
betreffend Bewilligung des Kaufs eines landwirtschaftlichen Grundstückes,
gegen den die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ergriffen werden kann (Art. 89
BGBB).

1.2 Gemäss Art. 103 lit. a OG ist zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde
berechtigt, wer durch die angefochtene Verfügung berührt ist und ein
schutzwürdiges Interesse an deren Aufhebung hat. Demgegenüber umschreibt Art.
83 Abs. 3 BGBB den Kreis der zur Beschwerde bei der kantonalen
Beschwerdeinstanz berechtigten Personen enger und abschliessend: Gegen die
Verweigerung der Bewilligung können die Vertragsparteien, gegen die Erteilung
der Bewilligung die kantonale Aufsichtsbehörde, der Pächter sowie Kaufs-,
Vorkaufs- oder Zuweisungsberechtigte Beschwerde führen. Regelt das
massgebliche Spezialrecht des Bundes den Kreis der Beschwerdeberechtigten für
das kantonale Verfahren abweichend von der allgemeinen Bestimmung von Art.
103 lit. a OG, gilt dies auch für die Verwaltungsgerichtsbeschwerde vor
Bundesgericht. Denn wer im kantonalen Beschwerdeverfahren von Bundesrechts
wegen keine Parteistellung erlangen kann, dem steht sie selbstredend auch im
Beschwerdeverfahren vor Bundesgericht nicht zu (BGE 126 III 274 E. 1b).

Der vorliegende Fall ist freilich nicht gleich gelagert. Der Beschwerdeführer
war zwar zum Zeitpunkt des Bewilligungsentscheides (15. Mai 2000) noch nicht
Pächter der strittigen Parzelle, trat die Pacht aber am 1. Januar 2001 an.
Streitig ist nunmehr, ob der Umstand, dass dem früheren Pächter der
Bewilligungsentscheid entgegen der Vorschrift des Art. 83 Abs. 2 BGBB nicht
eröffnet worden ist, den Beschwerdeführer seinerseits legitimiert, den
Bewilligungsentscheid nach dessen Kenntnisnahme anzufechten. Das
Verwaltungsgericht hat dies verneint und damit die Rechtsauffassung des
Beschwerdeführers nicht geteilt. Dieser ist insoweit durch den angefochtenen
Entscheid betroffen; er hat mithin ein schutzwürdiges Interesse an der
Aufhebung und gilt folglich als zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde
legitimiert.

1.3 Der dem Beschwerdeführer am 23. Mai 2003 zugestellte Entscheid des
Verwaltungsgerichts enthielt keine Rechtsmittelbelehrung. Diese wurde aber am
3. Juni 2003 nachgereicht. Der Beschwerdeführer hat seine erste Eingabe an
das Bundesgericht vom 21. Juni 2003 am letzten Tag der Frist, am Montag, 23.
Juni 2003, und damit rechtzeitig der Schweizerischen Post übergeben. Insoweit
ist auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde einzutreten (Art. 32 Abs. 2 i.V.m.
Art. 106 Abs. 1 OG). Als eindeutig verspätet gilt demgegenüber die
Beschwerdeergänzung vom 4. Juli 2003. Gemäss Schreiben des
Verwaltungsgerichts ist der Beschwerdeführer dahin informiert worden, dass
gegen den verwaltungsgerichtlichen Entscheid innert 30 Tagen seit Zustellung
Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Bundesgericht geführt werden könne.
Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers war damit auch für ihn die
Frist zur Beschwerdeführung zur Genüge ersichtlich, was sich namentlich auch
daraus ergibt, dass er die erste Eingabe fristgerecht eingereicht hat. Die
verspätet eingereichte Beschwerdeergänzung vom 4. Juli 2003 hat damit
unbeachtet zu bleiben.

2.
Der Beschwerdeführer macht geltend, die Zustellung des
Bewilligungsentscheides an den Pächter sei von Gesetzes wegen vorgeschrieben.
Werde der Entscheid nicht eröffnet, gelte er als nichtig und könne deshalb
auch nicht angefochten werden. Er (der Beschwerdeführer) sei Pächter der
strittigen Parzelle und hätte daher über den Entscheid in Kenntnis gesetzt
werden müssen.

2.1 Nach Art. 83 Abs. 2 BGBB hat die Bewilligungsbehörde ihren Entscheid
unter anderem auch dem Pächter mitzuteilen; dieser ist von Gesetzes wegen
legitimiert, gegen die Erteilung der Bewilligung Beschwerde zu führen (Art.
83 Abs. 3 BGBB), was freilich voraussetzt, dass er Kenntnis vom Entscheid
hat. Der Bewilligungsentscheid erwächst erst in Rechtskraft, wenn sämtliche
Berechtigten auf eine Beschwerde verzichtet haben (Stalder, in: Das
bäuerliche Bodenrecht, Kommentar zum Bundesgesetz über das bäuerliche
Bodenrecht vom 4. Oktober 1991, N. 11 zu Art. 83 BGBB). Ein nicht allen
Berechtigten eröffneter Entscheid ist entgegen der Auffassung des
Beschwerdeführers aber nicht automatisch nichtig. Auszugehen ist in diesem
Fall vielmehr vom Grundgedanken des Art. 38 VwVG, wonach einer Partei aus der
mangelhaften Eröffnung kein Nachteil erwachsen darf (BGE 116 Ib 321 E. 3a S.
326; 122 I 97 E. 3a/aa S. 99). Diesem Grundsatz entsprechend beginnt für die
von der Eröffnung nicht erfasste Partei die Rechtsmittelfrist erst zu laufen,
wenn auch ihr der Entscheid eröffnet worden ist (Jürg Stadelwieser, Die
Eröffnung von Verfügungen, Diss. St. Gallen 1994, S. 157). Alle anderen
Parteien und die Behörden können sich jedoch nicht auf die
Rechtsunwirksamkeit berufen. Gestützt auf die Bewilligung haben sie
rechtmässig den Kaufvertrag abgeschlossen und wurde dieser im Grundbuch
eingetragen, wobei alle diese Wirkungen unter dem (stillschweigenden)
Vorbehalt stehen, dass die Verfügung nachträglich noch umgestossen werden
könnte.

2.2 Im vorliegenden Fall ist der Bewilligungsentscheid entgegen der
Vorschrift des Art. 83 Abs. 2 BGBB dem früheren Pächter nicht eröffnet worden
und konnte somit obigen Ausführungen entsprechend diesem gegenüber nicht in
Rechtskraft erwachsen sofern er nicht anderweitig von der Bewilligung erfuhr.
Diesem müsste allerdings die Beschwerdelegitimation schon deshalb
abgesprochen werden, weil er nicht mehr Pächter ist (Art. 83 Abs. 2 BGBB).
Der Beschwerdeführer war zum Zeitpunkt des Bewilligungsverfahrens nicht
Pächter und daher auch nicht Partei im Bewilligungsverfahren. Er ist nicht
als Rechtsnachfolger des früheren Pächters zu betrachten (vgl. dazu z.B.
Merkli/ Aeschlimann/Herzog, Kommentar zum Gesetz über die
Verwaltungsrechtspflege im Kanton Bern, 1997, N. 12 ff. zu Art. 13 VPRG),
zumal er nicht in das Pachtverhältnis zwischen dem früheren Eigentümer der
Parzelle sowie deren früherem Pächter eingetreten ist, sondern mit dem
späteren Eigentümer einen selbständigen Pachtvertrag abgeschlossen hat. Im
Übrigen kann die Rechtsnachfolge begriffsnotwendig nur bei hängigen
Verfahren, und nicht bereits bei erst anhängig zu machenden Verfahren
eintreten (vgl. BGE 118 la 129 E. 2a und b S. 131 sowie
Merkli/Aeschlimann/Herzog, a.a.O. N. 12 zu Art. 13 VPRG).

2.3 Es gibt keinen Grundsatz, dass sich ein späterer Pächter oder Mieter auf
die mangelhafte Eröffnung eines Entscheides gegenüber seinem Vorgänger
berufen und die Vorteile aus mangelhafter Eröffnung einer Verfügung sozusagen
"erben" kann. Dem Beschwerdeführer als neuem Pächter erwachsen mithin aus der
mangelhaften Eröffnung des Entscheids gegenüber dem früheren Pächter keine
Rechte. Er war im massgeblichen Zeitpunkt (Mai 2000) durch die Bewilligung
nicht beschwert und daher nicht beschwerdebefugt. Damit ist die Bewilligung
für ihn unanfechtbar. Der Beschwerdeführer hat sich die Bewilligung am 26.
März 2001, also knapp ein Jahr nach deren Erlass, beschafft. Auch wenn er
inzwischen Pächter geworden ist und daher neu ein Interesse an deren
Aufhebung hat, bedeutet dies nicht, dass die dem früheren Pächter zustehende
Beschwerdefrist ihm gegenüber von neuem zu laufen begann.

3.
Damit ist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde abzuweisen. Bei diesem Ausgang
des Verfahrens hat der Beschwerdeführer die Gerichtskosten zu tragen und die
Beschwerdegegnerin 1 für das bundesgerichtliche Verfahren zu entschädigen
(Art. 156 Abs. 1 und Art. 159 Abs. 2 OG). Der Beschwerdegegnerin 2, welche
sich im bundesgerichtlichen Verfahren nicht hat vernehmen lassen, ist keine
Entschädigung geschuldet.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Der Beschwerdeführer hat die Beschwerdegegnerin 1 für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 1'500.-- zu entschädigen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau
sowie dem Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement schriftlich
mitgeteilt.

Lausanne, 7. November 2003

Im Namen der II. Zivilabteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Der Gerichtsschreiber: